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Publicly Available Published by De Gruyter April 9, 2021

Valman, Giselle: Kontrastive Phonetikvermittlung. Eine empirische Untersuchung zum Rhythmuserwerb von Spanisch sprechenden Lernenden des Deutschen. Tübingen: Stauffenburg, 2019 (Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Schriften des Herder-Instituts, 14). -- ISBN-10 3958090788. 365 Seiten, € 64,00.

  • Isabell Pfaff EMAIL logo

Rezensierte Publikation:

Valman, Giselle: Kontrastive Phonetikvermittlung. Eine empirische Untersuchung zum Rhythmuserwerb von Spanisch sprechenden Lernenden des Deutschen. Tübingen: Stauffenburg, 2019 (Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Schriften des Herder-Instituts, 14). -- ISBN-10 3958090788. 365 Seiten, € 64,00.


Lange Zeit als Stiefkind des Fremdsprachenunterrichts beziehungsweise des Unterrichts für Deutsch als Fremdsprache betrachtet, findet die Phonetik seit den 90er Jahren langsam ihren Weg zurück in den Interessenfokus von Lehrenden und Forschenden. Dies spiegelt sich unter anderem in der steigenden Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen im Bereich der Ausspracheschulung, aber auch in der Integration von Phonetik-Übungen in den meisten aktuellen Lehrwerken wider. Dennoch mangelt es insbesondere an praxisnahen Untersuchungen, die sich gezielt mit der Implementierung von Übungen in den Unterricht und dem Zusammenhang mit einzelnen Erstsprachen (L1) von Lernenden auseinandersetzen, um ein differenzierteres und damit zugleich effektiveres Arbeiten für Lehrende in homogenen wie heterogenen Lerner*innengruppen zu ermöglichen. Ebenso dringend ist die weitere Auseinandersetzung mit dem Einsatz kontrastiver Aspekte im Unterricht, welche als Hilfsmittel zur Verstärkung des Lernendenbewusstseins hinsichtlich bestimmter phonetisch-phonologischer Phänomene des Deutschen zu verstehen sind, indem Merkmale der L1 der Lerner*innen sowie Merkmale der Zielsprache einander gegenübergestellt werden.

Es ist genau diese Thematik, mit der sich die Autorin in ihrer Dissertation auseinandersetzt. Im Rahmen ihrer Untersuchung führte sie acht[1] dreimonatige Phonetikkurse an drei verschiedenen Institutionen (Goethe Institut Buenos Aires, Centro Universitario de Idiomas und Laboratorio de Idiomas der Universidad de Buenos Aires) in Buenos Aires, Argentinien, durch. Ziel war es, den „Einfluss von Phonetik-Übungen mit integrierten kontrastiven Aspekten auf den Lernprozess in der Aussprachevermittlung für Deutsch als Fremdsprache“ (15) zu untersuchen. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf der Analyse von Interferenzfehlern hinsichtlich prosodischer Merkmale zur Akzentuierung beziehungsweise zu betonten und unbetonten Silben in der Wort- und Satzakzentuierung von insgesamt 15 Lerner*innen[2] mit Spanisch (Varietät des Rioplatensischen) als Erstsprache (ebd.). Dabei untersuchte sie zum einen die Verbesserung der Ausspracheleistung der Lerner*innen durch eigens für diese Kurse entworfene Phonetik-Übungen, andererseits auch die aktive, bewusste Auseinandersetzung der Lerner*innen mit eben diesen Übungen im Unterricht (ebd.).

Kapitel 1, Aussprachevermittlung in Theorie und Praxis, ist der historischen Entwicklung und dem aktuellen Stand der Ausspracheschulung im Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen und im Unterricht für Deutsch als Fremdsprache im Besonderen gewidmet. Einer kurzen, aber präzisen Skizzierung des aktuellen Forschungsstandes zu Phonetik-Übungen im Bereich DaF, in der vor allem auf den Mangel an „praxisbezogenen Untersuchungen“ (19) und „Untersuchungen zur Wirksamkeit bisher entwickelter Prinzipien des Aussprachelernens sowie bisher vorgeschlagener Ansätze“ (ebd.) eingegangen wird, folgt eine Zusammenfassung der Entstehung und Entwicklung der Ausspracheschulung vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, die unter anderem auch einen Überblick über die drei Prinzipien Visualisierung, Bewegung und Emotion bietet. Hierbei handele es sich um „seit einigen Jahren bei innovativen Ansätzen der Ausspracheschulung in DaF“ (32) auftretende, aber noch nicht gänzlich etablierte Prinzipien (ebd.), welche die Konzeption der Übungen für die im Rahmen der Untersuchung durchgeführten Phonetik-Kurse allerdings beeinflussten. Es schließen sich eine Präsentation einer für die Phonetik im DaF-Bereich gängigen Übungstypologie sowie eine Diskussion zur Dichotomie Übung -- Aufgabe an. Hervorzuheben ist hier die Arbeitsdefinition für den Begriff Phonetik-Übung, die sich die Autorin aus der vorhergehenden Diskussion ableitet: „Eine Phonetik-Übung ist eine methodische Maßnahme, die als Teil eines Übungskorpus die Entwicklung phonetischer Fähigkeiten in der Fremdsprache fördert“ (49), und auf der die von ihr erstellten Übungen basieren. Abgeschlossen wird das Kapitel durch eine Darstellung der Behandlung der Ausspracheschulung im GER sowie Hinweise zur Rolle der Lehrperson.

In Kapitel 2, Kontrastive Aspekte in der Ausspracheschulung zum Rhythmuserwerb, erfolgt eingangs die Bestimmung der grundlegenden Termini Kontrastivität, Interferenz, Transfer, Sprachnorm, Sprachvarietät und Standardaussprache, der sich eine fundierte Erläuterung der kontrastiven Phonetik und Phonologie in der Aussprachevermittlung anschließt. Dabei setzt sich die Autorin vor allem mit Grenzen, Problemen und Möglichkeiten (vgl. 73 f.) der kontrastiven Phonetik auseinander und hebt insbesondere ihren Mehrwert als lernfördernde Strategie hervor (vgl. 74 f.) -- dies ist aufgrund der nach wie vor bestehenden Kritik gegenüber dem Einsatz kontrastiver Aspekte im DaF-Unterricht (u. a. begründet durch die häufige Gleichsetzung vom Einsatz kontrastiver Aspekte mit der Kontrastivhypothese selbst) leider nötig und gelingt m. E. hervorragend. Es folgt eine vergleichende Beschreibung des Rhythmus‘ des Deutschen und des Spanischen, wozu auch eine Erläuterung der Isochronie-Hypothese, die Definition der Termini Silbe, Akzentsilbe und Grenzton sowie das Kapitel abschließende Bemerkungen zur Abgrenzung von reproduzierendem und frei produzierendem Sprechen zählen. Besonders gelungen sind in Kapitel 2 der stringente inhaltliche Aufbau und die zahlreichen Verweise auf gezielt ausgewählte Fachliteratur, was (und dasselbe gilt auch für Kapitel 1) diesen Teil der Dissertation besonders für Leser*innen empfehlenswert macht, die sich mit der Thematik der kontrastiven Phonetik zuvor noch nicht explizit auseinandergesetzt haben.

Kapitel 3 (Einführung in die empirische Untersuchung), 4 (Datenanalyse der Aussprachetests) und 5 (Datenanalyse des Lernkontextes) stellen den empirischen Teil der Dissertation dar. Kapitel 3 dient der Präsentation und Erläuterung der Forschungsfragen und Hypothesen (siehe dazu 104 f.), der Darstellung des methodologischen Vorgehens sowie des Forschungsdesigns. Die Autorin wählte ein trianguliertes Design, um einerseits die in den Phonetikkursen durchgeführten Aussprachetests quantitativ und andererseits die von den Lerner*innen ausgefüllten Fragebögen zu den eingesetzten Phonetik-Übungen, die Videobeobachtungen der Unterrichtseinheiten, die Anmerkungen im Lehrtagebuch der Forscherin sowie die abschließenden Interviews mit den Lernenden qualitativ auswerten und die Ergebnisse miteinander in Relation setzen zu können. Die Ergebnisauswertung und -diskussion, welche in Kapitel 4 und Kapitel 5 erfolgt, ist klar strukturiert, präzise dargestellt und der Untersuchungsverlauf aufgrund der kleinschrittigen Auswertung gut nachvollziehbar -- auch wenn die Lesbarkeit durch die teils hohe Informationsdichte, insbesondere im Rahmen der statistischen Auswertung der Aussprachetests, gelegentlich leicht gestört wird. An dieser Stelle ist anzumerken, dass statistisches Grundwissen sowie Erfahrung mit Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik für die Lektüre des empirischen Teils der Dissertation vorausgesetzt sein sollten, der sich entsprechend nicht an beispielsweise Studienanfänger*innen richtet.

Kapitel 6, Zusammenfassende Ergebnisdarstellung und Auswertung, umfasst die Beantwortung der zwei Forschungsfragen, Kommentare zu herausgearbeiteten Konsequenzen für den Einsatz von Phonetik-Übungen in der Ausspracheschulung im DaF-Unterricht sowie die Präsentation von Forschungsdesideraten. Auch wenn die Autorin, teils aufgrund nicht nachweisbarer statistischer Signifikanz der Ergebnisse der Aussprachetests, nicht alle ihrer Hypothesen verifizieren kann, stellt sie klar, „dass die implizite und explizite Präsentation phonetisch-phonologischer sowie kontrastiver Aspekte [...] zu Verbesserungen in der Ausspracheleistung der Probanden [...] führen“ (306) sowie „die Bewusstheit beim Lernen und somit die Verbesserung der Ausspracheleistung fördern kann“ (307) und dass auf Lernendenseite auch eine „deutliche Veränderungsbereitschaft [...], die eigenen Defizite [...] zu verbessern“ (309), festzustellen ist. Gleichzeitig merkt sie aber auch an, dass insbesondere hinsichtlich des frei produzierenden Sprechens Forschungsbedarf besteht (vgl. 312) und die Ergebnisse ihrer Untersuchung einzig als erste Tendenz zu betrachten sind (ebd.).

Die vorliegende Monographie ist insbesondere hinsichtlich ihrer äußerst fundierten theoretischen Grundlage und der sehr gelungenen Präsentation des empirischen Anteils positiv zu bewerten. Letzterer besticht zudem durch die Zusammenführung vieler einzelner Elemente (Fragebögen, Interviews, Lehrtagebücher etc.), welche einen ganzheitlichen Gesamteindruck vermittelt, da jede scheinbar mögliche Perspektive von der Autorin in Betracht gezogen wurde und das Gesamtergebnis der Studie mitbeeinflusst. Erwähnenswert ist auch die höchst selbstkritische Art, mit der sie ihre Rolle als Lehrperson im Rahmen der Analyse der Lehrtagebücher und Videoaufnahmen reflektiert. So ist die Monographie in jeder Hinsicht zweifelsohne als lesens- und empfehlenswert zu bezeichnen. Die Verwendung gendergerechter Sprache oder zumindest ein expliziter Hinweis auf die Verwendung des generischen Maskulinums seitens der Autorin wäre allerdings wünschenswert gewesen.

Online erschienen: 2021-04-09
Erschienen im Druck: 2021-04-01

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 28.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/infodaf-2021-0058/html
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