Skip to content
Publicly Available Published by De Gruyter Oldenbourg December 19, 2018

Ungleiche politische Repräsentation und sozialstaatlicher Wandel

  • Lea Elsässer

    Lea Elsässer ist Postdoktorandin am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen. In ihrer Forschung untersucht sie den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und politischer Repräsentation. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, wie sich Ungleichheiten in der politischen Repräsentation auf sozialstaatliche Wandlungsprozesse auswirken.

    EMAIL logo

Abstract

In vielen entwickelten Wohlfahrtsstaaten ist ein Wandel zu einem aktivierenden Wohlfahrtsstaat zu beobachten, welcher durch einen Rückbau von dekommodifizierenden Maßnahmen bei gleichzeitigem Fokus auf eine (Re-)Kommodizifierung von Arbeitskraft charakterisiert ist. Anhand der sozialstaatlichen Entwicklung in Deutschland argumentiere ich, dass ungleiche politische Responsivität gegenüber verschiedenen sozialen Klassen als ein Faktor zum Verständnis dieses Wohlfahrtsstaatsumbaus beiträgt. Mithilfe einer empirischen Untersuchung der bedeutenden Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Reformen seit 1980 wird gezeigt, dass die wegweisenden politischen Entscheidungen dieses Umbaus maßgeblich den Präferenzen oberer sozialer Klassen folgten, während sozial Schlechtergestellte ihre Forderungen nur verwirklicht sahen, wenn sie mit denen der Bessergestellten übereinstimmten. Die Forderungen unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf den Rückbau traditioneller Absicherung sowie Maßnahmen, die Aktivierung durch Sanktionen herbeiführen – „fördernde“ Aktivierungsmaßnahmen dagegen finden eine breite Zustimmung in allen gesellschaftlichen Gruppen. Die Orientierung politischer Entscheidungen an den sozial Bessergestellten führt also nicht per se zu einem sozialstaatlichen Rückbau, sondern zu einem Umbau mit komplexen Verteilungswirkungen.

Abstract

During the last decades, many welfare states have undergone a massive restructuring, which is characterized, despite large cross-country variations, by a common reform trajectory towards a more activating welfare state. In this paper, I argue that representational inequality along social class lines is one important factor that can advance our understanding of this welfare state shift. With an empirical examination of the important social policy and labor market reforms in Germany since the 1980s, I show that the major policy decisions corresponded with the preferences of the better off. Lower social classes, in contrast, only saw their preferences politically enacted when they were in line with those of higher social classes. Since conflicts were most intense over traditional income protection measures, whereas all groups show strong support for the expansion of social investment, this unequal responsiveness not only leads to welfare retrenchment, but rather to a recalibration with complex distributional consequences.

1 Einleitung

Demokratische Wohlfahrtsstaaten sind in den letzten Jahrzehnten einem zunehmenden Druck ausgesetzt, da sie gleichzeitig mit enger werdenden fiskalischen Handlungsspielräumen und neuen sozialpolitischen Bedarfslagen konfrontiert sind. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist in vielen europäischen Wohlfahrtsstaaten ein Wandel zu einem aktivierenden Wohlfahrtsstaat zu beobachten (Bonoli 2013; Esping-Andersen 2002; Morel et al. 2012; Palier 2006), der durch einen Rückbau von dekommodifizierenden Maßnahmen bei gleichzeitigem Fokus auf eine (Re-)Kommodizifierung von Arbeitskraft gekennzeichnet ist (Gingrich/Ansell 2015). Diese Reformentwicklung beinhaltet allerdings nicht bloß einen Rückbau sozialstaatlicher Maßnahmen und Programme. Vielmehr findet vielerorts ein Umbau statt, der durch eine Verschiebung weg von einer vornehmlich absichernden Sozialpolitik und hin zu einer stärkeren Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und (negativen) Anreizen zur Arbeitsaufnahme charakterisiert ist.

Dieser Entwicklungstrend wirft die Frage auf, welche politischen Faktoren diese „Aktivierungswende“ begünstigen beziehungsweise hemmen (Bonoli 2013; Hemerijck 2017). Anhand einer empirischen Untersuchung der deutschen Reformentwicklung seit den 1980er Jahren wird in diesem Beitrag argumentiert, dass die selektive Responsivität politischer Entscheidungsträger/-innen zugunsten oberer sozialer Klassen als ein wichtiger Faktor zum Verständnis dieses Umbaus beitragen kann. Auch in Deutschland haben spätestens die Renten- und Arbeitsmarktreformen seit der Jahrtausendwende zu einem grundlegenden sozialstaatlichen Strukturwandel geführt, der vor allem durch das Paradigma der „Aktivierung“ geprägt ist (Lessenich 2012), weshalb sich der deutsche Fall gut für eine solche Untersuchung eignet. [1]

Aufbauend auf einer selbst erstellten Umfragedatenbank, die Informationen zur öffentlichen Meinung zu mehreren hundert Reformvorschlägen enthält, kann gezeigt werden, dass die wegweisenden politischen Entscheidungen des sozialstaatlichen Umbaus maßgeblich den Präferenzen bessergestellter Berufsgruppen folgten, während Arbeiter/-innen und einfache Angestellte ihre Forderungen nur dann verwirklicht sahen, wenn sie mit denen der Bessergestellten übereinstimmten. Dabei unterscheiden sich die politischen Forderungen insbesondere in Bezug auf den Rückbau traditioneller sozialstaatlicher Programme sowie Maßnahmen, die Aktivierung durch Sanktionen herbeiführen – „fördernde“ Aktivierungsmaßnahmen dagegen finden eine breite Zustimmung in allen gesellschaftlichen Gruppen. So basierte auch die Ausweitung sozialinvestiver Dienstleistungen, wie beispielsweise der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen, auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens, wohingegen die Aktivierung durch negative Anreize und der Rückbau der traditionellen Sozialversicherungsprogramme einseitig die Präferenzen oberer sozialer Klassen widerspiegelte. Die systematische Verzerrung politischer Entscheidungen zugunsten der sozial und ökonomisch Bessergestellten führt somit zu einem spezifischen, auf Aktivierung fokussierenden Sozialstaatsumbau. Die verteilungspolitischen Auswirkungen dieser Aktivierungswende sind in der Literatur nicht unumstritten. Während einige Autorinnen und Autoren betonen, dass mithilfe der Förderung von Beschäftigungsfähigkeit soziale Integration und Armutsbekämpfung gelingen kann (Morel et al. 2012), sehen skeptischere Beobachter/-innen in der Aktivierungspolitik vor allem ein Instrument, um möglichste viele Menschen in – häufig schlecht bezahlte – Jobs zu zwingen und die Dualisierung von Arbeitsmärkten voranzutreiben (Bonoli/Natali 2012: 9–10; Palier/Thelen 2010). Gleichzeitig zeigen verschiedene empirische Studien, dass die obere Mittelschicht überproportional von sozialinvestiven Programmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf profitiert (OECD 2011; Pavolini/Van Lancker 2018; Van Lancker 2013), wohingegen gerade untere Schichten auf absichernde Sozialpolitik angewiesen sind. Insgesamt kann deshalb davon ausgegangen werden, dass der beobachtete Umbau tendenziell ökonomische Ungleichheit weiter verschärft (siehe hierzu auch Seeleib‐Kaiser (2016) für eine Betrachtung Deutschlands).

Der Artikel ist wie folgt aufgebaut: Der nächste Abschnitt gibt einen Überblick über die reformpolitische Entwicklung in Deutschland seit 1980 und identifiziert die wichtigsten Reformentscheidungen, welche die ‚Aktivierungswende‘ in Deutschland maßgeblich beeinflusst haben. Im anschließenden Literaturüberblick diskutiere ich Argumente aus der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung, die vor dem Hintergrund sozialstruktureller Veränderungstrends davon ausgehen, dass die politischen Konflikte um Umfang und Ausgestaltung von Sozialpolitik zunehmend multidimensional geworden sind, gleichzeitig aber weiter entlang von Klassenlinien verlaufen. Dabei wird aufgezeigt, inwiefern eine Verbindung dieser Argumente mit Befunden aus der empirischen Responsivitätsforschung unser Verständnis von wohlfahrtsstaatlichem Wandel erweitern und vertiefen kann. Im nächsten Abschnitt wird die Datengrundlage der empirischen Analyse vorgestellt, bevor anschließend die Befunde vorgestellt und diskutiert werden. Der Beitrag schließt mit einer kritischen Diskussion der Ergebnisse.

2 Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Entwicklungen seit 1980

Der deutsche Sozialstaat hat in den letzten Jahrzehnten einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Galt der prototypische Repräsentant eines Bismarck‘schen Sozialversicherungsstaates in den 1990er Jahre vielen Beobachterinnen und Beobachtern noch als „frozen welfare state landscape“ (Esping-Andersen 1996: 24) und kaum reformierbar, so haben spätestens die Renten- und Arbeitsmarktreformen seit der Jahrtausendwende zu einem grundlegenden Strukturwandel geführt, der vor allem durch das Paradigma der „Aktivierung“ geprägt ist (Lessenich 2012). Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über den politökonomischen Kontext und die Reformpolitik seit den 1980er Jahren. Mithilfe dieses Überblicks kann die spätere Analyse der Sozialpolitik in Bezug auf die politische Responsivität eingeordnet und bewertet werden. Dabei fokussiert die Darstellung der sozialpolitischen Entwicklung auf die Politikfelder der Arbeitsmarkt-, Renten- und Familienpolitik, da diese Politikfelder besonders bedeutend für den Wandel zu einem stärker auf Aktivierung ausgerichteten Sozialstaat sind und ‚alte‘ und ‚neue‘ soziale Risiken abdecken (Seeleib‐Kaiser 2016: 221). [2]

Die deutsche Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik in den 1980er Jahren war insgesamt von einem sozialpolitischen Konsens zwischen Parteien und Sozialpartnern und einer Kontinuität in den sozialpolitischen Instrumenten geprägt, auch wenn erste Konflikte zwischen Gewerkschaften – insbesondere der IG Metall – und Regierung im Laufe der 1980er Jahre sichtbarer wurden (Streeck/Hassel 2003). Anfang der 1980er Jahre war die Arbeitsmarktsituation durch die Kombination von hoher Arbeitslosigkeit und einem generell niedrigen Beschäftigungsniveau gekennzeichnet. Die christdemokratisch-liberale Regierung unter Helmut Kohl begegnete dieser Arbeitsmarktmisere seit 1984 vornehmlich mit einer Strategie der Arbeitskräftestilllegung durch gesetzliche Förderung der Frühverrentung (Jochem 2009: 214–219; Trampusch 2005) – ein Instrument, das schon seit den 1960er Jahren immer wieder zur Abmilderung von Arbeitslosigkeit genutzt worden war (Streeck 2009: 56–57). [3] Gleichzeitig wurden Mitte der 1980er Jahre mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz erste – allerdings eher moderate – Deregulierungsmaßnahmen erlassen (Büchtemann/Höland 1989; Eichhorst/Marx 2011). Insgesamt waren die 1980er Jahre im Bereich der Arbeitsmarktpolitik also hauptsächlich von einer Strategie der Reduzierung des Arbeitsangebots gekennzeichnet, die von Regierung und Sozialpartnern im Grundsatz gemeinsam getragen wurde. Die Folge dieser Politik der Stilllegung waren stetig ansteigende Beitragssätze der Sozialversicherung, insbesondere in der Arbeitslosenversicherung. Wie später deutlich werden wird, spitzte sich eben diese Dynamik in den 1990er Jahren durch die Folgen der Wiedervereinigung weiter zu.

Auch das Finanzierungssystem der Rentenversicherung wurde durch die beschäftigungspolitischen Entwicklungen einem höheren Druck ausgesetzt, weshalb 1983 mit den Haushaltsbegleitgesetzen erste kleinere Konsolidierungsversuche unternommen wurden (Steffen 2015). [4] Vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks wurde Ende der 1980er Jahre die erste große Reform beschlossen, welche 1992 in Kraft trat und eine Kopplung der Rente an die Nettolöhne, eine Erhöhung des Bundeszuschusses an die Rentenkassen und eine schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre vorsah – Letzteres allerdings erst ab dem Jahr 2001 (Jochem 2009: 257).

Durch die Wiedervereinigung verschärften sich die bereits existierenden Beschäftigungsprobleme und der Kostendruck auf die Sozialversicherungssysteme in den 1990er Jahren beträchtlich, auch weil die Programme der Sozialversicherung und der Arbeitsmarktpolitik zügig auf die Neuen Bundesländer übertragen wurden (Manow/Seils 2000; Seeleib‐Kaiser 2016: 230–231; Streeck 2009: 60). Durch die 1993 einbrechende Wirtschaftskrise wurde die Arbeitsmarktsituation zudem weiter verschärft. In der Folge verabschiedete die Regierung eine Reihe von Gesetzen, die vor allem Kürzungen enthielten und verstärkt auf eine Aktivierung durch negative Anreize setzten. Verschiedene Maßnahmen beinhalteten Kürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die im Zuge der Wiedervereinigung kurzzeitig stark ausgebaut worden waren (Zohlnhöfer 2001: 244), und erhöhten gleichzeitig den Druck auf (Langzeit-)Arbeitslose. [5] Zudem wurden mit dem 1994 in Kraft tretenden Ersten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms deutliche Kürzungen bei den Lohnersatzquoten und die Beschränkung der Arbeitslosenhilfe auf ein Jahr beschlossen (Jochem 2009: 226). Das 1996 beschlossene Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz enthielt zudem Einschnitte bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Erhöhung des Renteneintrittsalters von Frauen auf 65 Jahre. Im Bereich der Rente setzte die Regierung 1997 ebenfalls eine weitreichende Kürzungsreform durch, die 1999 in Kraft treten und die durchschnittliche Rentenleistung bis 2013 von ungefähr 70 auf 64 Prozent des Bruttolohns absenken sollte (Jochem 2009: 260). Sie stellte somit eine Abkehr von dem Prinzip der Lebensstandardsicherung im Alter dar, welches seit 1957 das dominierende Prinzip der Rentenpolitik war.

Insgesamt waren die letzten Regierungsjahre Kohls seit 1993 somit vor allem durch sozialstaatlichen Rückbau im Bereich der absichernden Sozialpolitik gekennzeichnet. So fand ein politischer Strategiewechsel hin zu einer verstärkten Aktivierung von Arbeitslosen statt (Egle 2009: 233–234; Jochem 2009: 227), der auch zu einer zunehmenden Erosion des politischen Konsenses führte (Streeck/Hassel 2003). Wie später deutlich werden wird, waren die politischen Vorschläge auch in der Bevölkerung zunehmend umstritten.

Die von der Kohl‘schen Regierung begonnene Reformpolitik wurde – anders als von vielen erwartet – von der rot-grünen Regierungskoalition in weitaus radikalerer Weise fortgeführt. So steht die rot-grüne Regierungszeit für die Durchsetzung der „,aktivierenden‘ Wende“ (Lessenich 2012: 42), wobei Aktivierung maßgeblich durch verschärfte Zumutbarkeitskriterien und Kürzungen – und damit durch eine De-facto-Verpflichtung zur Lohnarbeit – hergestellt wurde. Die ersten Regierungsjahre unter Schröder waren allerdings zunächst durch die Rücknahme einiger Kohl’scher Kürzungsreformen (insbesondere der Rücknahme der Kürzung von Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall) und der (partiellen) Eingliederung von geringfügig Beschäftigten und Scheinselbstständigen in die Sozialversicherung gekennzeichnet, womit vor allem Wahlversprechen aus dem Bundestagswahlkampf eingelöst wurden (Blancke/Schmid 2003: 221–223; Eichhorst/Marx 2011: 78). [6] Weitaus einschneidender waren allerdings die Reformen, die in der zweiten Regierungshälfte beschlossen wurden. Insbesondere die Hartz-Gesetze (IIV), die im Rahmen der „Agenda 2010“ durchgesetzt wurden, stellen eine Zäsur in der Geschichte der deutschen Arbeitsmarktpolitik dar. [7] Durch sie wurden sowohl die Arbeitsvermittlung als auch die Leistungen der Arbeitslosenversicherung in nicht gekannter Dimension umgebaut (Hassel/Schiller 2010: 29–30). Neben dem Umbau der Organisation der Arbeitsvermittlung beinhalteten die Reformen folgende Kernpunkte: die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum steuerfinanzierten Arbeitslosengeld II (ungefähr auf Sozialhilfeniveau), die Verkürzung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld I von 32 auf 12 Monate (18 Monate für Arbeitnehmer/-innen über 55 Jahre), Deregulierungen im Bereich der Leiharbeit und der sogenannten Mini-Jobs sowie eine massive Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose (Hassel 2014: 67–68; Streeck/Trampusch 2005: 185–186). Ebenso Teil der Agenda-Reformen war die Lockerung des Kündigungsschutzes für kleinere Unternehmen. Politisch sind die Hartz-Reformen als die wohl umstrittensten Reformen der letzten Dekaden zu bezeichnen, was auch in der späteren Responsivitätsanalyse bestätigt wird.

Im Bereich der Rentenpolitik waren die rot-grünen Rentenreformen vor allem durch starke Einschnitte im Rentenniveau und der Stärkung der privaten Altersvorsorge gekennzeichnet. Zwar machte die SPD nach dem Wahlsieg zunächst große Teile der Kohl’schen Rentenreform rückgängig und senkte den Beitragssatz zur Rentenversicherung auf 19,1 Prozent (Streeck/Trampusch 2005: 181), diese Maßnahmen verstärkten allerdings die Finanzierungsprobleme. Ab 1999 wurde eine größere Rentenreform vorbereitet, die schließlich 2001 zur Einführung der sogenannten Riesterrente führte. Die Riester-Reform beinhaltete eine deutliche Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus auf 64 Prozent des Bruttolohns und staatliche Zuschüsse zu Programmen der privaten Altersvorsorge über steuerliche Subventionierung (Häusermann 2010: 128–129). Da auch diese Reform nicht nachhaltig half, die Rentenversicherung zu konsolidieren, wurden bis 2004 eine Reihe von Ad-hoc-Maßnahmen beschlossen, um den Finanzierungsproblemen zu begegnen, die einer effektiven Kürzung der Nettorenten um 0,85 Prozentpunkte gleichkamen (Streeck/Trampusch 2005: 182). Kurz vor Ende der rot-grünen Regierungszeit wurde dann mit dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz eine zweite große Rentenreform verabschiedet, die zu weiteren Kürzungen des Rentenniveaus führte.

Insgesamt führte diese Kürzungs- und Aktivierungspolitik zu einer Verschiebung sozialstaatlicher Prinzipien in Deutschland. Gleichzeitig ist hervorzuheben, dass bis Mitte der 2000er Jahre kaum sozialinvestive Maßnahmen zur Ermöglichung von Arbeitsmarktpartizipation beschlossen wurden, sondern Aktivierung hauptsächlich durch (negative) Anreize herbeigeführt wurde. Insbesondere die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewann nur langsam an Bedeutung. In der zweiten rot-grünen Legislaturperiode konnte Familienministerin Renate Schmidt einen ersten Vorstoß mit dem Tagesbetreuungsgesetz 2004 erreichen, welches bis zum Jahr 2010 einen Ausbau von 230.000 Betreuungsplätzen vorsah (Bäcker 2017; Morgan 2013: 96).

Unter der nachfolgenden Großen Koalition gewann die sozialinvestive Familienpolitik eine stärkere Bedeutung. In den Jahren 2007 und 2008 setzte die christdemokratische Familienministerin Ursula von der Leyen zwei familienpolitische Gesetze durch, die vor allem Frauen nach der Geburt eines Kindes eine schnelle Wiederkehr in den Arbeitsmarkt ermöglichen sollten (Morgan 2013: 96–98). Mit dem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes wurde das vormalige Erziehungsgeld durch ein einkommensabhängiges Elterngeld ersetzt, welches maximal 12 Monate (plus zwei „Partnermonate“) gezahlt wird und 67 Prozent vom Einkommen beträgt (allerdings maximal 1.800 Euro im Monat). Mit dem Kinderförderungsgesetz wurde der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten vollendeten Lebensjahr festgeschrieben (beginnend 2013) und der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze massiv vorangetrieben. Diese sozialinvestiven Reformen können als tiefgreifende Veränderungen in der deutschen Familienpolitik bezeichnet werden, da die eingeführten Maßnahmen eher dem Modell skandinavischer Sozialstaaten entsprechen und eine Abkehr von dem traditionellen männlichen Ernährermodell darstellen (Seeleib‐Kaiser 2016: 225). Von wenigen konservativen Gegenvorstößen abgesehen stießen diese sozialinvestiven Reformen auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens.

In der Rentenpolitik brachte die Große Koalition unter Merkel im Jahr 2007 eine weitere große Kürzungsreform auf den Weg: mit dem Altersgrenzenanpassungsgesetz wird das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben. In der Arbeitsmarktpolitik wurde 2008 die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitnehmer/-innen auf maximal 24 Monate (vorher 18) verlängert, was als moderate Korrekturmaßnahme der Hartz-Gesetze gewertet werden kann, die aber nicht mit der ursprünglichen Reformlogik der Gesetze bricht (Palier/Thelen 2010).

Erst in der seit 2013 amtierenden Großen Koalition wurden etwas größere Ausweitungen im Bereich der absichernden Sozialpolitik beschlossen, allerdings nur für bestimmte Gruppen. So wurde langjährig versicherten Beschäftigten die Möglichkeit gegeben, bereits mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen, und mit der sogenannten „Mütterrente“ die anrechenbaren Kindererziehungszeiten für Geburten vor 1992 erhöht. Die größte Reform, die schließlich in der dritten Amtszeit Merkels unter der zweiten Großen Koalition beschlossen wurde, war die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns 2014 von 8,50 pro Stunde. Die Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn wurde schon seit Ende der 1990er Jahre geführt, war aber erst seit Mitte der 2000er Jahre verstärkt in der öffentlichen und parlamentarischen Debatte (Marx/Starke 2017; Schroeder et al. 2016). Aufgrund der sehr unterschiedlichen Interessenslagen kam es aber erst 2014 zu einem gesetzlichen Beschluss. [8]

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Paradigmenwechsel hin zu einem stärker auf Aktivierung ausgerichteten Sozialstaat in den 1990er Jahren begann, aber erst die Reformen Anfang der 2000er Jahre zu einem tiefgreifenden Strukturwandel sozialpolitischer Prinzipen in Deutschland führte. Seit Mitte der 2000er Jahre ist diese Reformentwicklung flankiert durch sozialinvestive Maßnahmen, die Arbeitsmarktpartizipation und Beschäftigungsfähigkeit durch die Bereitstellung sozialer Dienste – und nicht bloß durch negative Anreize – herbeiführen.

3 Sozialstaatlicher Wandel und die Rolle politischer Repräsentation

Die deutsche Reformentwicklung ist kein Einzelfall. Vielmehr ist in den letzten Jahrzehnten in den meisten europäischen Wohlfahrtsstaaten ein Wandel zu einem aktivierenden Wohlfahrtsstaat zu beobachten, der von vielen Autorinnen und Autoren auch als „Sozialinvestitionsstaat“ bezeichnet wird (Bonoli 2013; Esping-Andersen 2002; Morel et al. 2012; Palier 2006). Charakteristisch für diesen Wandel ist ein Rückbau von dekommodifizierenden Maßnahmen bei gleichzeitigem Fokus auf eine (Re-)Kommodizifierung von Arbeitskraft (Gingrich/Ansell 2015). Aktivierende Politik beinhaltet dabei sowohl Kürzungen als auch Ausbau sozialstaatlicher Programme, da eine erhöhte Arbeitsmarktpartizipation zum einen durch sanktionierende Maßnahmen, wie strengere Kriterien für den Anspruch auf eine soziale Grundsicherung, zum anderen durch den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen erreicht werden kann (Palier 2006: 108–111). Die konkrete Ausgestaltung dieses Wandels und damit auch das Verhältnis von „fordernden“ und „fördernden“ staatlichen Interventionen zur Erhöhung der Arbeitsmarktpartizipation variiert zwar zwischen Staaten verschiedener wohlfahrtsstaatlicher Regime, aber insgesamt ist doch eine überraschende Ähnlichkeit in der Entwicklungsrichtung zu beobachten (Bonoli 2013: 4–5).

Dies wirft die Frage auf, wodurch diese „Aktivierungswende“ getrieben ist. Während schrumpfende fiskalische Handlungsspielräume den Kostendruck auf die sozialen Sicherungssysteme erhöhen (Pierson 2001), ist gleichzeitig durch das Aufkommen „neuer sozialer Risiken“ (Taylor-Gooby 2004) die sozialpolitische Nachfrage nach neuen Formen der Sozialpolitik gestiegen. Diese strukturellen Veränderungen übersetzen sich allerdings nicht „automatisch“ in bestimmte Formen sozialpolitischer Umstrukturierung, sondern wirken vermittelt durch politische Faktoren (Fleckenstein/Lee 2014). In der neueren vergleichenden Wohlfahrtsstaatsliteratur wird deshalb zunehmend diskutiert, wie sich Verteilungskonflikte um den Umfang und die Ausgestaltung von sozialer Sicherung vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen manifestieren. Viele Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass wohlfahrtsstaatliche Politik heute nicht mehr allein entlang einer eindimensionalen Konfliktlinie von „mehr“ versus „weniger“ Wohlfahrtsstaat strukturiert werden kann. Vielmehr ist wohlfahrtsstaatliche Politik im Zuge sozialstruktureller Veränderungen zunehmend multidimensional geworden, und Konflikte beziehen sich häufig auf die Art sozialpolitischer Programme anstatt auf den generellen Umfang wohlfahrtsstaatlicher Ausgaben (Busemeyer/Garritzmann 2017; Geering/Häusermann 2013).

In Bezug auf die sozialstaatlichen Präferenzen verschiedener sozialer Klassen teilen viele Autorinnen und Autoren die Annahme, dass die (linksliberale) Mittel- und Oberschicht stärker als untere soziale Klassen aktivierende Maßnahmen befürwortet, während ihre Prioritäten weniger auf traditionell absichernder Sozialpolitik liegen (Bonoli 2013; Häusermann/Palier 2017; Kitschelt/Rehm 2014). Bonoli (2013: 8) beispielsweise argumentiert in Bezug auf Aktivierung durch Arbeitsmarktanreize, dass die Mittelschicht stärker aktivierende Maßnahmen befürwortet, weil sie – als wichtigste steuerzahlende Gruppe – indirekt von einem günstigeren Sozialsystem profitiert. Daneben gehen diese Autorinnen und Autoren davon aus, dass die Mittelschicht stärkere Präferenzen für den Ausbau sozialinvestiver Dienstleistungen – insbesondere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf – hat als Arbeiter/-innen oder einfache Angestellte. Dies wird unter anderem damit begründet, dass obere soziale Klassen aufgrund ihrer hohen Bildung und tendenziell guten Arbeitsmarktchancen weniger Notwendigkeit für absichernde Maßnahmen haben, gleichzeitig aber stärker und langfristiger in ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit und die (Aus-)Bildung ihrer Kinder investieren wollen und können (Häusermann/Palier 2017: 344).

Auch wenn diese Annahme von vielen Autorinnen und Autoren geteilt wird, scheint sie nicht unproblematisch, denn es wird häufig keine differenzierte analytische und empirische Unterscheidung zwischen „fördernden“ und „fordernden“ Aktivierungsmaßnahmen getroffen (eine Ausnahme stellt diesbezüglich die Arbeit von Garritzmann et al. (2018) dar). [9] Stattdessen scheint oft (implizit) angenommen zu werden, dass die Befürwortung von beschäftigungsfördernden Sozialinvestitionen gleichzeitig auch mit der Befürwortung von Beschäftigung erzwingender, anreizbasierter Arbeitsmarktaktivierung einherginge, obwohl diese verschiedenen (Re-)Kommodifizierungsmaßnahmen ganz unterschiedliche Verteilungswirkungen haben. Zudem wird nicht ausreichend theoretisch begründet, warum die Nachfrage beziehungsweise der Bedarf nach Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den unteren sozialen Schichten weniger ausgeprägt sein soll. So können verschiedene empirische Studien zwar zeigen, dass Familien aus mittleren und oberen sozialen Schichten häufiger von sozialen Dienstleistungen wie Kinderbetreuung Gebrauch machen und profitieren (Ghysels/Van Lancker 2011; OECD 2011; Van Lancker 2013), dies kann aber von vielen Faktoren abhängen, wie bspw. der Höhe und Ausgestaltung der Kita-Gebühren (Abrassart/Bonoli 2015). Davon die Annahme abzuleiten, sozial schlechter gestellte Familien würden Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf weniger befürworten oder brauchen, scheint allerdings nicht notwendigerweise gerechtfertigt. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Einkommen eines alleinverdienenden Arbeiters oder einfachen Angestellten heute häufig nicht mehr für eine ganze Familie ausreicht, scheint es nicht zwangsläufig plausibel, anzunehmen, untere soziale Klassen hätten eine kleinere Nachfrage nach sozialinvestiven Maßnahmen. Schließlich ist es aber eine empirische Frage, wie sich die Präferenzen oberer und unterer sozialer Klassen in Bezug auf absichernde und aktivierende Politik (sowohl in Bezug auf Arbeitsanreize als auch in Bezug auf Sozialinvestitionen) unterscheiden.

Die Beantwortung dieser Frage ist auch deshalb bedeutend, weil die Identifizierung gesellschaftlicher Konfliktlinien notwendig ist, um die politischen Implikationen zu verstehen, die sich daraus für wohlfahrtsstaatliche Reformprozesse ergeben. In Bezug auf die politischen Implikationen argumentieren einige Autorinnen und Autoren, dass insbesondere sozialdemokratische Parteien in europäischen Wohlfahrtsstaaten verstärkt auf sozialpolitische Präferenzen der (oberen) Mitte eingehen, da diese einen zunehmenden Teil ihrer Wählerschaft ausmacht (Gingrich/Häusermann 2015; Hillen 2017). [10] In der Folge entsteht ein Wohlfahrtsstaat, der stärker auf Sozialinvestitionen und Arbeitsmarktaktivierung ausgerichtet ist und weniger auf traditionelle Sozialversicherungsprogramme – und damit weniger an den Bedarfen und politischen Forderungen von Arbeiterinnen/Arbeitern und unteren Einkommensgruppen, der vormaligen Stammwählerschaft sozialdemokratischer Parteien (Gingrich/Häusermann 2015: 61–65). Wie aber bereits diskutiert worden ist, werden die sozialpolitischen Präferenzen sozialer Klassen – und ihre Differenzen – in diesen Arbeiten nicht empirisch getestet, sondern vielmehr angenommen. Gleichzeitig beziehen sich die empirischen Untersuchungen hauptsächlich auf linke Parteien, weshalb dadurch keine Schlussfolgerungen über das politische Verhalten anderer Parteien bzw. Parteifamilien gezogen werden können.

Neben diesen Argumenten aus dem Bereich der Wohlfahrtsstaatsforschung sind im Feld der empirischen Responsivitätsforschung in den letzten Jahren ebenfalls viele Arbeiten entstanden, die sich mit der (mangelnden) politischen Repräsentation sozial benachteiligter Gruppen befassen. So zeigen diese Arbeiten für eine ganze Reihe reicher Demokratien, dass die politischen Entscheidungen von Parlamenten oder einzelnen Abgeordneten systematisch zugunsten höherer Einkommens- oder Berufsgruppen verzerrt sind, und zwar unabhängig von der regierenden Parteienfamilie (Bartels 2008; Elsässer et al. 2017; Gilens 2012). Für Deutschland lässt sich zeigen, dass ungleiche Responsivität politischer Entscheidungsträger gerade in wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen stark ausgeprägt ist (Elsässer 2018), weshalb diese Befunde für die wohlfahrtsstaatliche Forschung besonders relevant sind. Der Vorteil dieser Arbeiten ist, dass sie die öffentliche Meinung zu spezifischen Reformvorschlägen mit den dazu getroffenen politischen Entscheidungen systematisch vergleichen, womit eine direkte Verbindung zwischen politischen Präferenzen und dem Handeln politischer Akteure hergestellt werden kann. Kaum untersucht wird in diesen Studien allerdings, welche Folgen sich aus dieser Schieflage politischer Repräsentation für die inhaltliche Ausrichtung der getroffenen Entscheidungen ergeben.

Aufbauend auf den dargestellten Befunden aus der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung und der Responsivitätsforschung werde ich im Verlauf dieses Artikels zeigen, dass die systematische Verbindung beider Forschungsstränge zu einem besseren Verständnis wohlfahrtsstaatlichen Wandels beitragen kann. Eine Analyse, die den Zusammenhang zwischen konkreten reformpolitischen Entscheidungen und den sozialpolitischen Präferenzen sozialer Klassen empirisch untersucht, kann dazu beitragen, die oben diskutierten Argumente zu überprüfen und eine stärkere Mikrofundierung zu gewährleisten. Gleichzeitig kann eine differenziertere Präferenzanalyse die verschiedenen Konfliktlinien in der Sozialpolitik besser herausarbeiten und so auch mögliche „Unterstützungskoalitionen“ für bestimmte Arten von Sozialpolitik identifizieren.

Mithilfe einer selbst erstellten Datenbank, die Informationen zur öffentlichen Meinung zu mehreren hundert Reformvorschlägen enthält, kann die folgende Analyse der deutschen Sozialpolitik auf verschiedene Weise zu dieser Debatte beitragen. So werde ich erstens zeigen, wie sich die Präferenzen sozialer Klassen in Bezug auf drei Arten sozialpolitischer Maßnahmen unterscheiden: Maßnahmen der absichernden Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, welche die traditionellen Leistungen eines auf De-Kommodifizierung ausgerichteten Wohlfahrtsstaates umfassen; Maßnahmen der aktivierenden Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, die eine Erhöhung der Beschäftigung durch staatliche Sanktionen und strengere Bezugsprüfungen für Sozialleistungen erreichen sollen; und sozialinvestive Programme, die mithilfe von staatlichen Investitionen in (Weiter-)Bildung, Programmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und öffentlichen Dienstleistungen die Arbeitsmarktchancen erhöhen und eine möglichst breite Partizipation am Arbeitsmarkt erreichen sollen. Während also sowohl aktivierende als auch sozialinvestive Maßnahmen auf Beschäftigungsförderung abzielen, liegt der Unterschied zwischen beiden darin, dass Erstere durch Leistungskürzungen, Letztere durch die Ausweitung staatlicher Maßnahmen operieren. Durch diese Unterscheidung wird eine differenziertere Analyse sozialpolitischer Präferenzen möglich, als sie bisher in der Literatur zu finden ist. Zweitens wird mithilfe einer Responsivitätsanalyse der wichtigsten Reformen der Arbeitsmarkt-, Renten- und Familienpolitik seit Anfang der 1980er Jahre untersucht, wessen politische Anliegen sich in den wichtigen Reformentscheidungen widerspiegeln. Dazu werden die Präferenzen sozialer Klassen mit den Reformentscheidungen des Bundestages verglichen. Da sich der Untersuchungszeitraum auf mehr als 30 Jahre erstreckt, in denen ganz unterschiedliche Regierungskoalitionen in der Regierungsverantwortung waren, kann so der Frage nachgegangen werden, ob ungleiche politische Repräsentation zugunsten der (oberen) Mittelschicht der langfristigen Reformentwicklung zugrunde liegt und ob es Unterschiede in den Responsivitätsmustern je nach Regierungskoalition gibt. Bevor die Ergebnisse der Analysen vorgestellt werden, folgt zunächst eine Beschreibung der verwendeten Daten.

4 Datengrundlage

Grundlage der folgenden Untersuchung ist die Datenbank „Responsiveness and Public Opinion in Germany (ResPOG)“, welche im Rahmen eines größeren Projekts an der Universität Osnabrück zur Erforschung politischer Responsivität in Deutschland erstellt wurde (siehe auch Elsässer (2018) für eine detaillierte Beschreibung der Datenbank). [11] Sie basiert auf mehr als 800 Umfragen des DeutschlandTrends (Zeitraum 1998–2013) und der Politbarometer-Umfrage (Zeitraum 1980–2013), die jeweils nach der Zustimmung oder Ablehnung zu einem politischen Vorschlag oder einer Reform fragen. Die im Datensatz enthaltenen Fragen decken ganz unterschiedliche Politikbereiche ab und reichen von der Beurteilung einer gesetzlichen Frauenquote über Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hin zu Fragen nach einem Mindestlohn oder Kürzungen der Sozialausgaben. Sie spiegeln wider, welche Fragen in einem gegebenen Monat die öffentliche Debatte bestimmten und welche Reforminitiativen es zum Zeitpunkt der Befragung gab. Für die Analyse der folgenden Untersuchung wurden nur die Fragen betrachtet, welche dem Politikbereich „Arbeit und Soziales“ zugeordnet werden können (N = 356).

Um die Präferenzen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik näher untersuchen zu können, wurden die Sachfragen aus dem Politikfeld Arbeit und Soziales in drei Kategorien eingeteilt, welche eine Unterscheidung der Fragen in absichernde, aktivierende (durch Sanktionen) und sozialinvestive Sozialpolitik vornehmen. Beispielfragen aus den drei Bereichen sind im Anhang (Tabelle A1) dargestellt. In den Bereich der absichernden Sozialpolitik fallen zum einen alle Fragen zu Vorschlägen, die Änderungen an den Leistungen der Sozialversicherungsprogramme vorsehen, aber auch andere Fragen zu sozialen Transferleistungen, die nicht über die Sozialversicherung finanziert werden (Bsp. Kindergeld, Sozialhilfe bzw. Hartz IV etc.). [12] Ebenso werden Fragen in diese Kategorie gefasst, welche die (De-)Regulierung des Arbeitsmarktes betreffen, da über regulierende Maßnahmen wie Kündigungsschutz oder Mindestlohn ebenfalls eine Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stattfindet. Unter die Kategorie der durch Sanktionen aktivierenden Arbeitsmarktpolitik werden alle Fragen zu Vorschlägen gefasst, welche die Zumutbarkeitskriterien zur Arbeitsaufnahme verschärfen oder die Einschnitte in den sozialen Leistungen für Arbeitslose mit dem expliziten Ziel kürzen, auf diese Weise die Beschäftigungsanreize zu erhöhen. Schließlich werden unter die Kategorie sozialinvestiver Sozialpolitik all jene Fragen gefasst, die sich auf Maßnahmen beziehen, welche die Partizipation am Arbeitsmarkt durch soziale Dienstleistungen, Weiterbildung, Umschulungen oder auch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ermöglichen beziehungsweise erleichtern sollen. Der Hauptunterschied zur Kategorie der aktivierenden Politik besteht darin, dass es sich bei sozialinvestiver Politik um Leistungen handelt, die der Staat für die Arbeitnehmer/-innen erbringt, wohingegen die Aktivierung durch eine explizite Zurücknahme staatlicher Leistungen erfolgt. [13]

Für jede Sachfrage wurde die Zustimmungsrate unterschiedlicher sozialer Gruppen ermittelt, um systematisch Einstellungsunterschiede analysieren zu können. Da das Ziel dieser Untersuchung ist, politische Responsivität gegenüber sozialen Klassen zu messen, ist die wichtigste soziale Stratifizierungskategorie die relative individuelle Position auf dem Arbeitsmarkt, operationalisiert durch Berufsgruppen. In Anlehnung an die Klassifikationsschemata von Erikson und Goldthorpe (1993: 35–47) und Oesch (2006) wurden die Befragten in sechs Berufsgruppen unterteilt: Ungelernte Arbeiter/-innen, Facharbeiter/-innen, einfache Angestellte, höhere Angestellte, Beamtinnen/Beamte und Selbstständige. Eine Unterteilung der Arbeiter/-innen und Angestellten in jeweils zwei Gruppen erfolgte aufgrund der sehr unterschiedlichen Einkommens- und Bildungsniveaus in diesen Statusgruppen. Damit wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Beschäftigungsstruktur im Zuge von De-Industrialisierung und der Ausweitung des (öffentlichen und nicht öffentlichen) Dienstleistungssektors stark gewandelt hat und Klassengrenzen unter anderem nicht mehr einfach anhand der Unterscheidung zwischen Arbeiterinnen/Arbeitern und Angestellten festgemacht werden können (Oesch 2006). Die einfachen Angestellten sind in Bezug auf Einkommen und Bildung den beiden Gruppen von Arbeitern bzw. Arbeiterinnen ähnlicher als den höheren Angestellten. Angestellte im unteren Dienstleistungssektor – die hier zu der Gruppe der einfachen Angestellten gehören – weisen zudem eine ähnlich niedrige soziale Mobilität auf wie Arbeiter/-innen im produzierenden Gewerbe und befinden sich oftmals am untersten Ende der Einkommensverteilung (Oesch 2006: 274–276). Aus diesem Grund werden sie hier ebenfalls als „untere“ Berufsgruppe kategorisiert. Abweichend von dem Erikson-Goldthorpe-Schema bilden die Beamtinnen und Beamten als obere Berufsgruppe eine eigene Kategorie, da sich ihr Beschäftigungsverhältnis von höheren Angestellten unterscheidet.

In der empirischen Analyse werden hauptsächlich die Gruppen der Arbeiter/-innen (ungelernte und Facharbeiter/-innen) und unteren Angestellten mit den Selbstständigen und den Beamtinnen und Beamten verglichen, um so einen Vergleich zwischen „unteren“ und „oberen“ sozialen Klassen zu gewährleisten. [14] Zudem entspricht die Gruppe der Beamtinnen und Beamten am ehesten einem „soziokulturellen“ Berufsprofil und damit der sozialen Gruppe, die oftmals als die hochqualifizierte „neue“ Mittelschicht bezeichnet wird. So arbeiten ca. 60 Prozent der Beamtinnen und Beamten in den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Soziales, als Richter/-innen oder in politischen Ministerien (Statistisches Bundesamt 2016b: 361). Da für die höheren Angestellten in den Umfragen keine weiteren Informationen zur Art der Beschäftigung oder dem Beschäftigungsverhältnis angegeben sind, ist diese Gruppe sehr divers, sodass sie größtenteils von der Untersuchung ausgeschlossen wurde. [15] Um die Robustheit der Analysen zu testen, wurde als weitere Schichtungsvariable das Haushaltseinkommen verwendet. Da Informationen zum Einkommen aber nur in einer Datenquelle (DeutschlandTrend) abgefragt wurden, können diese zusätzlichen Analysen nur für eine Untergruppe von Fragen durchgeführt werden.

Um die Responsivität der Politik messen zu können, wurde schließlich für jede Frage kodiert, ob in einem Zeitraum von zwei bzw. vier Jahren eine entsprechende Politikänderung stattfand oder ob sie ausblieb. Die entsprechenden Gesetzesänderungen wurden hauptsächlich mithilfe des Dokumentations- und Informationssystems (DIP) des Deutschen Bundestages recherchiert. Zeitungsrecherchen und Informationen des Portals sozialpolitik-aktuell.de komplementierten die Erhebung.

5 Einstellungsunterschiede in verschiedenen sozialpolitischen Bereichen

Um einen Eindruck darüber zu gewinnen, in welchen sozialpolitischen Bereichen sich die politischen Anliegen verschiedener sozialer Klassen unterscheiden, betrachte ich in einem ersten Schritt die durchschnittlichen Präferenzunterschiede zwischen ausgewählten Berufsgruppen. In Abbildung 1 sind die durchschnittlichen Meinungsunterschiede zwischen un- und angelernten Arbeiterinnen und Arbeitern und der jeweils angegebenen Berufsgruppe in den drei sozialpolitischen Bereichen abgebildet. Dabei sticht ins Auge, dass die Unterschiede in den Einstellungen zwischen Arbeiterinnen/Arbeitern und höheren Berufsgruppen im Bereich der sozialinvestiven Politik deutlich geringer sind als in den anderen beiden Bereichen – sie betragen im Durchschnitt lediglich 6 bzw. 8 Prozentpunkte. Im Bereich der durch Sanktionen aktivierenden Politik dagegen sind die Meinungsunterschiede am größten und betragen zwischen ungelernten Arbeiterinnen und Arbeitern und Selbstständigen (bzw. Beamtinnen/Beamten) ca. 18 Prozentpunkte. Auch im Bereich der absichernden Sozialpolitik ist die Uneinigkeit zwischen unteren und oberen Berufsgruppen groß – zwischen ungelernten Arbeiterinnen/Arbeitern und Selbstständigen betragen die durchschnittlichen Unterschiede 15 Prozentpunkte. Die Einstellungsunterschiede zwischen ungelernten und Facharbeiterinnen und -arbeitern sind in allen drei Bereichen gering und betragen durchschnittlich 5 bis 6 Prozentpunkte.

Abbildung 1 Einstellungsunterschiede in verschiedenen sozialpolitischen BereichenQuelle: ResPOG (2018); für die einfachen Angestellten und die Facharbeiter/-innen ist das Ergebnis fast identisch, weshalb hier auf eine gesonderte Darstellung der Präferenzen der einfachen Angestellten verzichtet wurde
Abbildung 1

Einstellungsunterschiede in verschiedenen sozialpolitischen Bereichen

Quelle: ResPOG (2018); für die einfachen Angestellten und die Facharbeiter/-innen ist das Ergebnis fast identisch, weshalb hier auf eine gesonderte Darstellung der Präferenzen der einfachen Angestellten verzichtet wurde

Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass wichtige Präferenzunterschiede überdeckt werden, wenn aktivierende und sozialinvestive Politik nicht ausreichend konzeptionell voneinander getrennt werden. Während sich die oberen Berufsgruppen deutlich stärker als die Arbeiter/-innen für politische Maßnahmen aussprechen, die eine Arbeitsmarktaktivierung durch verschärfte Zumutbarkeitskriterien und stärkere Bedürftigkeitsprüfungen erreichen, befürworten alle sozialen Klassen gleichermaßen staatliche Sozialinvestitionen. Insbesondere der Ausbau sozialer Dienstleistungen wird von allen Gruppen stark befürwortet. [16] Dies wird deutlich, wenn einzelne Fragen zum Ausbau von Sozialinvestitionen gesondert betrachtet werden. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, sprachen sich beispielsweise im Jahr 2007 in allen Berufsgruppen über 70 Prozent der Befragten für einen Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren aus.

Abbildung 2 Zustimmung zum Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter 3 JahrenQuelle: Politbarometer 2007; für einfache und höhere Angestellte ist das Ergebnis ähnlich, weshalb diese Berufsgruppen zum Zweck der einfacheren Darstellung nicht aufgenommen wurden
Abbildung 2

Zustimmung zum Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder unter 3 Jahren

Quelle: Politbarometer 2007; für einfache und höhere Angestellte ist das Ergebnis ähnlich, weshalb diese Berufsgruppen zum Zweck der einfacheren Darstellung nicht aufgenommen wurden

Ein möglicher Einwand gegen diese Interpretation könnte darin bestehen, dass unterschiedliche sozialpolitische Prioritäten zwischen den Berufsgruppen erst dann richtig erfasst werden können, wenn die Befragten die Möglichkeit haben, zwischen verschiedenen Maßnahmen abzuwägen. Den Argumenten von Häusermann/Palier (2017) folgend könnte vermutet werden, dass die unteren Berufsgruppen zwar einen Ausbau der Betreuungsplätze generell befürworten, aber eine stärkere Präferenz für familienpolitische Maßnahmen haben, die direkte Transfers beinhalten und somit in den Bereich der absichernden Maßnahmen fallen. Wie Abbildung 3: zeigt, bleibt die starke Präferenz für mehr staatliche Betreuungseinrichtungen aber auch dann bestehen, wenn die Befragten zwischen verschiedenen Maßnahmen zur Familienförderung abwägen sollen. Auf die Frage, ob der Staat Familien mit Kindern eher durch eine Erhöhung des Kindergeldes, steuerliche Vergünstigungen oder mehr Betreuungseinrichtungen unterstützen sollte, sprach sich sowohl in den unteren als auch in den oberen Berufsgruppen eine deutliche Mehrheit für den Ausbau von Betreuungsplätzen aus.

Abbildung 3 Präferenzen zur FamilienförderungQuelle: DeutschlandTrend (2007)
Abbildung 3

Präferenzen zur Familienförderung

Quelle: DeutschlandTrend (2007)

Insgesamt belegen diese Ergebnisse, dass sozialinvestive Maßnahmen von einer breiten Mehrheit der deutschen Bevölkerung befürwortet und insbesondere familienpolitische Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur von Beamtinnen/Beamten oder Selbstständigen, sondern auch von Arbeiterinnen/Arbeitern und (einfachen) Angestellten stark nachgefragt werden. Die oben zitierten Studien, welche eine Befürwortung dieser Maßnahmen verstärkt in den oberen sozialen Klassen vermuten, können – zumindest für den deutschen Fall – nicht bestätigt werden. In Übereinstimmung mit dieser Literatur ist aber der Befund, dass die obere Mitte sich stärker für Aktivierung durch Anreize einsetzt. Zudem finden klassische umverteilende Programme der sozialen Sicherung weniger Unterstützung in den oberen Berufsgruppen, was ebenfalls mit existierenden Untersuchungen übereinstimmt.

Insgesamt sind somit die umstrittenen Maßnahmen tendenziell gleichzeitig die, welche potenziell große verteilungspolitische Auswirkungen haben. So tragen die Programme der Sozialversicherungen und der sozialen Grundsicherung besonders stark zur Reduzierung ökonomischer Ungleichheit bei, gleichzeitig trifft die Sanktionierung von (Langzeit-)Arbeitslosen die ohnehin sozial Schwächsten. Gleichzeitig wären potentielle Auswirkungen ungleicher Responsivität eben in den Bereichen am stärksten spürbar, in denen die Präferenzunterschiede am deutlichsten sind, da hier der Spielraum für selektive Responsivität vonseiten politischer Entscheidungsträger/-innen besonders hoch ist. Aufbauend auf diesen Ergebnissen widmet sich der nächste Abschnitt nun der Responsivitätsanalyse der großen Sozialstaatsreformen seit den 1980er Jahren.

6 Responsivität in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Die Skizzierung der reformpolitischen Entwicklung hat deutlich gemacht, dass sich in Deutschland ein Umbau zu einem aktivierenden Sozialstaat vollzogen hat, der zwar sowohl Kürzungen als auch den Ausbau sozialer (Dienst-)Leistungen umfasst, aber insgesamt stärker durch einen „Überhang fordernder gegenüber fördernden Interventionen“ (Lessenich 2012: 49) charakterisiert ist. Der folgende Abschnitt dient dazu, diesen Umbau im Hinblick darauf zu analysieren, wessen Interessen bei den reformpolitischen Entscheidungen stärker beziehungsweise weniger stark berücksichtigt wurden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob der Umbau zu einem stärker auf Aktivierung ausgerichteten Sozialstaat durch eine verstärkte Orientierung an den Präferenzen oberer sozialer Klassen zustande kam. Zudem kann durch die Betrachtung einzelner Reformen der Frage nachgegangen werden, ob die Ausweitung beziehungsweise Kürzung sozialpolitischer Maßnahmen dann besonders wahrscheinlich ist, wenn bestimmte „Koalitionen“ von sozialen Klassen sie befürworten beziehungsweise ablehnen.

Im Folgenden wird für die in Tabelle 1 zusammengefassten Reformen untersucht, welche sozialen Gruppen sich jeweils mehrheitlich für oder gegen die Reformen ausgesprochen haben, um so ein differenziertes Bild über die Responsivität in diesem Politikfeld zu erhalten. In dieser Untersuchung ist die einzelne Reform – und nicht die einzelne Sachfrage aus den Umfragen – die untersuchte Analyseeinheit. So wird für jede Reform anhand der passenden Sachfragen erhoben, ob die oberen und unteren Berufsgruppen sich für oder gegen die Reform ausgesprochen haben, wobei die mehrheitliche Zustimmung (> 50 Prozent) in einer Gruppe als Referenzgröße für „Zustimmung“ verwendet wird. [17] Somit wird ein Schwellenwert festgelegt, anhand dessen gemessen wird, ob die Umsetzung einer Reform im Sinne der untersuchten Gruppe war oder nicht. In Fällen, in denen große Meinungsunterschiede zwischen verschiedenen Gruppen bestanden, obwohl sie alle mehrheitlich zustimmten oder ablehnten, wird dies zusätzlich diskutiert.

Tabelle 1

Responsivität in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

responsiv gegenüber…
JahrReformÄnderungenallenniemandemunterenKlassen oberenKlassen
1983Haushaltsbegleitgesetz• Geringere Rentenerhöhung, Einführung eines Krankenkassenbeitrages für Rentner*innenx
1984-1989Förderung der Frühverrentung• Möglichkeit der Frühverrentung mit 58 Jahren; staatlicher Zuschuss zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Vorruhestandsgeldx
• Weitere Vorruhestandsregelungenx
1985Beschäftigungsförderungsgesetz• Leichte Deregulierung, Erleichterung der Befristung von Arbeitsverträgennichteindeutig
1986AFG-Novellex
1987-Aktive ArbeitsmarktpolitikkeineFragen
1992(Ausweitungen und Kürzungen)
1992Rentenreform• Kopplung der Renten an die Nettolöhne, Erhöhung RentenalterkeineFragen
1994Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumprogramms• Kürzungen der Leistungen der Arbeitslosenversicherung (bspw. Arbeitslosengeld)x
1996Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts• Kürzungen der Sozialhilfe, "Lohnabstandsgebot" zwischen Sozialhilfe und untersten Lohngruppenx
1997Arbeitsförderungsreformgesetz• Druck auf Arbeitslose, Verschärfung der Zumtbarkeitskriterien (schlechter bezahlte Arbeit annehmen, wenn Lohn so hoch wie ALG)x
1997Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz• Kürzungen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfallx
• Erhöhung des Renteneintrittsalters (Männer und Frauen)x
1997Rentenreform• Kürzung der Rentenleistungen, Einführung des "Demographiefaktors"x
1998Zurücknahme der Rentenreform und der Kürzung der LohnfortzahlungenkeineFragen
1999Neuregelung zur Scheinselbstständigkeit und zur geringfügigen Beschäftigung• (Partielle) Eingliederung von geringfügig Beschäftigten und Scheinselbstständigen in die Sozialversicherungnichteindeutig
2001Kleinere Rentenkürzungen• Renten steigen nur in Höhe der Inflationsratenx
2001Riester-Reform• Kürzung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung; Stärkung der privaten Vorsorge durch steuerliche Begünstigung; Bruch mit dem Paritätsprinzipx
2002-2005Hartz-Gesetze• Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfex
• Kürzung des Arbeitslosengeldes auf 12 (maximal 18) Monatex
• Kürzungen Umschulungsmaßnahmen/ABMsx
• Verschärfung der Zumutbarkeitskriterienx
Lockerung Kündigungsschutz• Lockerung Kündigungsschutz für kleine und mittlere Unternehmenx
2004Nullrunde Rente• Keine Erhöhung der Rente in 2004x
2004Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz• Kürzungen der zukünftigen Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung durch Veränderung der Berechnungsformel ("Nachhaltigkeitsfaktor")x
2004Tagesbetreuungsausbau-Gesetz• Ausbau der öffentlichen Betreuungsplätze für Kinder unter 3 JahrenkeineFragen
2007Gesetz zur Einführung des Elterngeldes• Elterngeld in Abhängigkeit des vorherigen Einkommens, 12 + 2 Monate (wenn der Partner/die Partnerin mind. 2 Monate Elternzeit nimmt)x
2007Altersgrenzenanpassungsgesetz• Schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahrex
2008Kinderförderungsgesetz• Ausbau der öffentlichen Betreuungsplätze für Kinder unter 3 Jahren; Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab 2013x
2008Korrekturen Hartz-IV• Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitnehmerx
2014Leistungsverbesserungsgesetz• Abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahrenx
• "Mütterrente": Anrechenbare Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren sindx
2014Mindestlohngesetz• Einführen eines flächendeckenden und branchenübergreifenden Mindestlohnsx
  1. Quelle: eigene Zusammenstellung

Tabelle A1

Beispielfragen aus verschiedenen sozialpolitischen Bereichen

FrageDatenquelleJahr
Absichernde Sozialpolitik
Was halten Sie von dem Vorschlag, die Lebensarbeitszeit zu verkürzen: Man kann mit 58 Jahren aufhören zu arbeiten, kriegt allerdings weniger Rente/Pension. Stimmen Sie zu oder lehnen Sie ab?Politbarometer1984
Den Rentenkassen fehlt zukünftig Geld. Deshalb wird zur Zeit auch über die Finanzierung der Rentenkassen gesprochen. Was meinen Sie, sollten die Rentenbeiträge erhöht werden,Politbarometer2001
um die Renten in Zukunft nicht kürzen zu müssen, oder sollten die Renten gekürzt werden und ein Ausgleich über private Altersvorsorge getroffen werden?
Derzeit wird über die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland diskutiert. Sind Sie für die Einführung eines solchen Mindestlohns oder dagegen?DeutschlandTrend2011
Aktivierende Sozialpolitik (Sanktionen)
Vor kurzem wurde vorgeschlagen: Arbeitslose sollten, um Arbeit zu finden, für weniger Geld arbeiten als die übrigen Erwerbstätigen. Finden Sie diesen Vorschlag gut oder finden Sie ihn nicht gut?Politbarometer1993
Ein weiterer Vorschlag sieht die Senkung der Zumutbarkeitsgrenze vor. Dadurch müssen ledige oder jüngere Arbeitslose zum Beispiel auch umziehen, wenn ihnen in einer anderen Stadt ein Arbeitsplatz angeboten wird. Ansonsten droht ihnen eine Kürzung des Arbeitslosengeldes. Befürworten Sie diesen Vorschlag oder lehnen Sie ihn ab?DeutschlandTrend2001
Es gibt auch den Vorschlag, das Arbeitslosengeld zu kürzen, um zusätzliche Anreize zu schaffen, auch schlechter bezahlte Jobs anzunehmen. Finden Sie diesen Vorschlag gut oder finden Sie ihn nicht gut?Politbarometer2003
Sozialinvestive Sozialpolitik
Im Rahmen der Sparmaßnahmen soll die Ausbildungsbeihilfe für Schüler (Schüler-Bafög) gestrichen werden. Finden Sie das gut oder finden Sie das nicht gut?Politbarometer1982
Die Bundesregierung plant, bis zum Jahr 2013 die Zahl der Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren zu verdreifachen. Finden Sie das richtig oder finden Sie das nicht richtig?Politbarometer2007
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat vorgeschlagen, dass Arbeitnehmer, die sich um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern, bis zu sechs Monate unbezahlten Urlaub nehmen können, ähnlich wie die Auszeit für Eltern nach der Geburt ihrer Kinder. Geht dieser Vorschlag Ihrer Meinung nach in die richtige oder in die falsche Richtung?DeutschlandTrend2007
  1. Quelle: eigene Zusammenstellung

Tabelle A2

Größe der Berufsgruppen im Zeitverlauf

Arbeiter/-innenAngestellteBeamt/-innenSelbstständige
198043.838.58.78.9
198540.940.69.19.4
199038.244.28.69.0
199536.547.26.99.4
200034.948.66.410.0
200529.852.86.211.3
201025.458.25.411.0
  1. Quelle: Statistisches Bundesamt 2016a; als Arbeiter/-innen gelten alle Lohnempfänger, als Angestellte alle nicht beamteten Gehaltsempfänger/-innen. Für die Zuordnung ist grundsätzlich die Vereinbarung im Arbeitsvertrag und nicht die Mitgliedschaft in einer Rentenversicherung für Angestellte bzw. Arbeiter/-innen entscheidend. Mithelfende Familienangehörige sind aus der Berechnung ausgeschlossen.

Für jede untersuchte Reform wurden alle Fragen analysiert, die sich auf die jeweilige Reform beziehen. Wurden Fragen zu verschiedenen inhaltlichen Aspekten einer Reform gestellt, wurden diese gesondert betrachtet. Zu den Hartz-Reformen beispielsweise sind Fragen zur Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien, zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und anderen Aspekten der Reformen enthalten, die so einzeln analysiert werden konnten. Eine Reform wurde als responsiv gegenüber den oberen sozialen Klassen eingeordnet, wenn mindestens die Selbstständigen oder die Beamtinnen und Beamten sich mehrheitlich für die jeweilige Politikänderung ausgesprochen haben, die ungelernten und die Facharbeiter/-innen sich aber dagegen. In den meisten Fällen, die als responsiv gegenüber den oberen sozialen Klassen kodiert wurden, stimmten aber beide oberen Berufsgruppen der Reform zu. Umgekehrt wurde eine Reform als responsiv gegenüber den unteren sozialen Klassen eingeordnet, wenn mindestens die ungelernten oder die Facharbeiter/-innen mehrheitlich dafür waren, die oberen Berufsgruppen aber beide dagegen. [18] Weiterhin wurde eine Reform als responsiv gegenüber niemandem beziehungsweise gegenüber allen kategorisiert, wenn sich in allen betrachteten Gruppen eine Mehrheit für beziehungsweise gegen die jeweilige Reform ausgesprochen hat.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Aus der Darstellung lassen sich vier Kernpunkte ableiten, die besondere Beachtung verdienen. Erstens zeigt die Analyse ein deutliches Muster selektiver Responsivität zugunsten oberer sozialer Klassen in den großen Reformprojekten der letzten drei Jahrzehnte. So geht aus der Tabelle deutlich hervor, dass der Großteil der politischen Reformen den Präferenzen der oberen sozialen Klassen entsprach, während die von den oberen sozialen Klassen befürworteten Reformen in mehr als der Hälfte der Fälle von den Arbeiterinnen und Arbeitern abgelehnt wurden. Dagegen ist im Untersuchungszeitraum keine einzige größere Reform in der Renten-, Arbeitsmarkt und Familienpolitik beschlossen worden, die nur von den unteren Berufsgruppen befürwortet wurde. [19]

In Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung der Reformen sind es zweitens vor allem Kürzungsmaßnahmen in Programmen der absichernden Sozialpolitik, die gegen den Willen der Arbeiter/-innen, aber mit Unterstützung der Beamtinnen/Beamten und Selbstständigen beschlossen wurden. So unterstützten die oberen Berufsgruppen viele der in den 1990er Jahren beschlossenen Kürzungsmaßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik, wie beispielsweise die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder die Kürzung der Sozialhilfe. Dieses Muster ist besonders deutlich in den Jahren der rot-grünen Regierungskoalition, während derer die größten Einschnitte in den absichernden Programmen des Sozialstaates vorgenommen wurden. Die Riester-Rente, die Hartz-Gesetze und die Rentenreform 2004 wurden alle von den oberen Berufsgruppen befürwortet, von den unteren dagegen abgelehnt. Dabei sollte erwähnt werden, dass sich die unteren Berufsgruppen auch dann tendenziell gegen Einschnitte aussprachen, wenn sie zwischen einer Erhöhung von Beiträgen und einer Kürzung sozialer Leistung abwägen sollten. [20] Daneben ist anzumerken, dass auch einige Kürzungsreformen beschlossen wurden, wie beispielsweise die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre, die von allen sozialen Klassen stark abgelehnt wurden.

Im Bereich der sanktionierenden Aktivierungspolitik sind drittens seit Mitte der 1990er Jahre viele Verschärfungen der Zumutbarkeitskriterien zur Arbeitsaufnahme und andere Sanktionen für Arbeitslose beschlossen worden, die sowohl in den oberen als auch den unteren Berufsgruppen mehrheitlich befürwortet wurden. Es muss an dieser Stelle allerdings erwähnt werden, dass es zwar häufig eine Mehrheit in allen Berufsgruppen für diese aktivierenden Maßnahmen gab, der Grad der Zustimmung aber – wie bereits im vorigen Abschnitt gezeigt worden ist – deutlich variiert. So befürworteten beispielsweise 49 Prozent der ungelernten Arbeiter/-innen und 55 Prozent der Facharbeiter/-innen 2002 den Vorschlag, jungen Arbeitslosen die Leistungen zu kürzen, wenn diese nicht für ein Arbeitsangebot umziehen wollen – unter den Selbstständigen waren es aber 73 Prozent (DeutschlandTrend 2002). Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Zustimmung zu einer Verschärfung der „Anreize“ zur Arbeitsaufnahme seit Anfang der 1990er Jahre in allen Berufsgruppen gestiegen ist, was sicherlich auch auf die zu diesem Zeitpunkt angestoßene „Sozialmissbrauchsdebatte“ zurückzuführen ist (Heinelt/ Weck 1998: 160–161). So kann festgehalten werden, dass die Aktivierungspolitik insgesamt deutlich stärker von den oberen Berufsgruppen befürwortet wurde, während die Arbeiter/-innen diese zwar nicht gänzlich ablehnten, aber auch nicht mit großer Mehrheit unterstützten.

Viertens hat sozialstaatlicher Ausbau nur dann stattgefunden, wenn nicht nur die Arbeiter/-innen, sondern auch die oberen Berufsgruppen die entsprechenden Maßnahmen befürwortet haben. Dies gilt ausnahmslos für alle Leistungsverbesserungen, die im Untersuchungszeitraum beschlossen wurden. So sprachen sich beispielsweise in den 1980er Jahren alle Gruppen mehrheitlich für eine Förderung der Frühverrentung aus. Ebenso wurde der Ausbau familienpolitischer Maßnahmen in den 2000er Jahren oder die Einführung des Mindestlohnes von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen. Dabei fanden die größten Ausweitungen staatlicher Leistungen im Bereich der sozialinvestiven Maßnahmen statt. [21] Wie der obige Abschnitt gezeigt hat, war die Unterstützung dieser Maßnahmen in allen Berufsgruppen sehr stark. Insbesondere der Ausbau familienpolitischer Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann als Ausweitung staatlicher Intervention in einem sozialpolitischen Bereich betrachtet werden, in den der Staat bis zu diesem Zeitpunkt wenig eingegriffen hatte. Sieht man von den Vorruhestandsregelungen der 1980er Jahre ab, sind die anderen kleineren Ausbaumaßnahmen – wie die Rente mit 63 oder die Mütterrente – dagegen eher als Mäßigung früherer Kürzungsmaßnahmen für einzelne Gruppen zu bewerten, schwerlich aber als wohlfahrtsstaatlicher Ausbau im eigentlichen Sinne. [22]

Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse das Argument, dass der Umbau zu einem weniger absichernden und stärker beschäftigungsfördernden Sozialstaat von der Unterstützung mittlerer und oberer sozialer Klassen getragen wird. Der Ausbau sozialinvestiver Leistungen wurde dabei aber sowohl von unteren als auch von oberen sozialen Klassen stark befürwortet, wohingegen die maßgebliche Konfliktlinie in Bezug auf die Kürzungen in der absichernden Sozialpolitik verlief. Dass Ausweitungen ausschließlich dann stattfanden, wenn die jeweilige Maßnahme auch von oberen Berufsgruppen befürwortet wurde, zeigt, dass untere Berufsgruppen höchstens „coincidental representation“ (Enns 2015), aber keine substantielle politische Repräsentation erfahren. Dies gilt im gesamten Untersuchungszeitraum – und damit auch für Regierungskoalitionen unterschiedlichster Couleur. Dieser Befund kann aus demokratietheoretischer Perspektive auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Gruppe der Arbeiter/-innen zahlenmäßig kleiner geworden ist, da im gleichen Zeitraum der Anteil der Angestellten im unteren Dienstleistungssektor stetig größer geworden ist – und diese gleichermaßen von der Schieflage politischer Repräsentation betroffen sind.

7 Schlussdiskussion

Wie im Verlauf dieses Artikels gezeigt werden konnte, sind die politischen Entscheidungen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland stark zugunsten der oberen Berufsgruppen verzerrt. Während die großen sozialpolitischen Reformen der letzten drei Jahrzehnte zu einem überwiegenden Teil den Präferenzen der Selbstständigen und Beamtinnen/Beamten entsprachen, kann kein solcher Zusammenhang für die Arbeiter/-innen und einfachen Angestellten festgestellt werden. Vielmehr wurden nur dann die Anliegen unterer Berufsgruppen umgesetzt, wenn sich auch die oberen Berufsgruppen für eben diese Anliegen aussprachen. Aus der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung wissen wir zwar, dass politische Koalitionen zwischen der Arbeiterklasse und anderen sozialen Gruppen auch in der Vergangenheit immer eine große Rolle für die Art und den Umfang wohlfahrtsstaatlicher Politik gespielt haben (Baldwin 1990: 9; Esping-Andersen 1990: 26–33), die Befunde dieser Untersuchung verdeutlichen aber eine äußerst prekäre politische Situation unterer sozialer Klassen, denn die Koalition, auf die sie für einen Ausbau sozialstaatlicher Maßnahmen angewiesen sind, vernachlässigt zu einem überwiegenden Teil ihre Anliegen. Die oberen Berufsgruppen dagegen scheinen keine klassenübergreifende Koalition mit Arbeiterinnen und Arbeitern oder einfachen Angestellten zu brauchen, um ihre politischen Anliegen umgesetzt zu sehen.

Diese ungleiche politische Repräsentation hat spezifische Implikationen für den wohlfahrtsstaatlichen Umbau, denn die empirische Analyse konnte zeigen, dass den Einstellungsunterschieden zwischen den Berufsgruppen ein klares Muster zugrunde liegt. Während sich die oberen Berufsgruppen verstärkt für Kürzungen im Bereich der traditionell absichernden Programme der sozialen Sicherung aussprechen, sind die unteren Berufsgruppen die stärksten Befürworter absichernder Sozialpolitik. Ähnliches gilt für Maßnahmen, die Arbeitsmarktaktivierung durch strengere Bedürftigkeitsprüfungen der Grundsicherung oder strengere Zumutbarkeitskriterien zur Arbeitsaufnahme erreichen wollen. Auch diese Maßnahmen finden unter Arbeiterinnen und Arbeitern weitaus weniger Zustimmung als unter Selbstständigen oder Beamtinnen und Beamten, auch wenn sie insgesamt tendenziell stärker befürwortet werden als Einschnitte in der absichernden Sozialpolitik. Anders dagegen verhält es sich mit sozialinvestiven Maßnahmen, die durch staatliche Investitionen eine breite Arbeitsmarktpartizipation fördern. Hier sind die Unterschiede zwischen den Berufsgruppen mit Abstand am kleinsten, da Ausweitungen von allen Gruppen befürwortet werden. Insgesamt konnte somit gezeigt werden, dass der Umbau des deutschen Sozialstaates, welcher sich durch einen Abbau traditioneller Sozialleistungen und einen starken Fokus auf Aktivierung auszeichnet, dem gefundenen Muster ungleicher politischer Responsivität entspricht. So reflektierte der Umbau zum aktivierenden Wohlfahrtsstaat maßgeblich die Präferenzen oberer Berufsgruppen, wohingegen die Arbeiter/-innen insbesondere die Kürzungsreformen im Bereich der absichernden Politik ablehnten und ohne die Unterstützung der oberen Berufsgruppen keine Verbesserungen erreichen konnten. Parteiübergreifende selektive Responsivität kann somit zu einem besseren Verständnis des wohlfahrtsstaatlichen Wandels und einer stärkeren sozialpolitischen Ausrichtung auf Aktivierung beitragen.

Diese Befunde werfen die weiterführende Frage auf, wodurch diese systematische Verzerrung in den politischen Entscheidungen zustande kommt. In der Diskussion um die Ursachen ungleicher Responsivität finden sich unterschiedliche Positionen, die allerdings nicht abschließend empirisch überprüft sind. Ein häufig vorgebrachtes Argument ist, dass die politischen Entscheidungsträger zunehmend selektiv responsiv sind, weil gerade die weniger Privilegierten sich verstärkt von der Politik abwenden und nicht mehr an Wahlen oder anderen Partizipationsformen beteiligen (Griffin/Newman 2005; Schäfer 2015; Solt 2008). Da in dieser Untersuchung ungleicher Responsivität aber kein eindeutiger Zeittrend sich verschärfender politischer Ungleichheit zu erkennen ist, weckt dies zumindest Zweifel daran, dass die ungleiche Wahlbeteiligung die Hauptursache sein kann – vielmehr lässt sich vermuten, dass sich die Erfahrung eines dauerhaften Repräsentationsdefizits in eine zunehmende politische Resignation übersetzt.

Daneben werden in verschiedenen Literatursträngen der (monetäre) Einfluss wirtschaftsnaher Lobbygruppen und privater Großspender/-innen (Gilens/Page 2014; Hacker/Pierson 2010), zunehmende strukturelle Zwänge (Mair 2013; Schäfer/Streeck 2013) oder die mangelnde deskriptive Repräsentation unterer sozialer Klassen in den Parlamenten (Carnes 2013) als mögliche Einflussfaktoren diskutiert. Ersteres Argument wird allerdings vornehmlich für den US-amerikanischen Fall vorgebracht, da die Parteien- und Wahlkampffinanzierung in den USA fast ausschließlich durch private (Groß-)spenden erfolgt. Dementsprechend ist die strukturelle Abhängigkeit der Abgeordneten von der Gunst privater Spender/-innen hoch, weshalb einige amerikanische Autoren die ungleiche politische Responsivität in den USA auf die Finanzierung des Parteiensystems zurückführen (Gilens 2015; Lessig 2011). Für den deutschen Fall ist dieses Argument weniger plausibel, da die Einnahmen der Parteien sich hier hauptsächlich auf Mitgliederbeiträge und staatliche Finanzierung stützen, während private Spenden nur etwa zehn bis zwanzig Prozent der Parteienfinanzierung ausmachen. [23] Stattdessen scheint es durchaus plausibel, dass andere Faktoren in Deutschland (zusammen-)wirken. So hat der fiskalpolitische Druck auf die öffentlichen Haushalte – beispielsweise im Zuge der Wiedervereinigung, aber in jüngeren Jahren auch durch die politisch selbst gesetzte Schuldenbremse – stark zugenommen. Gleichzeitig beobachten wir eine Dominanz von gerade den Berufsgruppen im deutschen Bundestag, deren politische Präferenzen am stärksten berücksichtigt werden. So sind über die Hälfte der Abgeordneten Selbstständige oder Beamte – die damit gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich überrepräsentiert sind –, während sich so gut wie keine Arbeiter/-innen oder einfachen Angestellten im Parlament finden. [24] Daneben erhöht sich die Anzahl von Abgeordneten mit Abitur oder Hochschulabschluss seit den 1950er Jahren stetig, was dazu geführt hat, dass heute kaum noch Parlamentarier/-innen ohne Hochschulabschluss im Bundestag sitzen (Schäfer 2015). Wenn bestimmte soziale Gruppen aber fast vollständig vom gesetzgebenden Prozess ausgeschlossen und ihre Perspektiven in den politischen Debatten nicht präsent sind, so besteht die Gefahr, dass ihre Anliegen nicht berücksichtigt oder gar nicht erst wahrgenommen werden (Mansbridge 2015). Für die USA und einige lateinamerikanische Länder existieren bereits Studien, die zeigen, dass Abgeordnete aus der Arbeiterklasse sich häufiger für eine stärker umverteilende Wirtschafts- und Sozialpolitik einsetzen und entsprechende Gesetzesentwürfe einbringen als andere Abgeordnete (Carnes 2012; Carnes/Lupu 2015). Diese Ergebnisse legen nahe, dass die (zunehmende) soziale Exklusivität der Parlamente auch die substantielle Repräsentation sozial weniger privilegierter Gruppen schwächt. [25] Weitere empirische Untersuchungen, die die Plausibilität dieser Argumente auch empirisch überprüfen, könnten unser Verständnis über die Ursachen der hier dargestellten Befunde deshalb erheblich bereichern.

About the author

Lea Elsässer

Lea Elsässer ist Postdoktorandin am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen. In ihrer Forschung untersucht sie den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und politischer Repräsentation. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, wie sich Ungleichheiten in der politischen Repräsentation auf sozialstaatliche Wandlungsprozesse auswirken.

Literaturverzeichnis

Abrassart, Aurélien; Bonoli, Giuliano (2015): „Availability, Cost or Culture? Obstacles to Childcare Services for Low-Income Families“, Journal of Social Policy 44: 787–806.10.1017/S0047279415000288Search in Google Scholar

Bäcker, Gerhard (2017): Chronologie gesetzlicher Neuregelungen: Familienpolitik, Familenleistungsausgleich/Kindergeld, Elterngeld und -zeit. Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Download unter: www.sozialpolitikaktuell.de/tl_files/sozialpolitikaktuell/_Politikfelder/Familienpolitik/Dokumente/Chronologie_Familienpolitik.pdf (Zugriff am 4. Dezember 2018).Search in Google Scholar

Baldwin, Peter (1990): The Politics of Social Solidarity: Class Bases of the European Welfare State, 1875-1975 Cambridge: Cambridge University Press.10.1017/CBO9780511586378Search in Google Scholar

Bartels, Larry M. (2008): Unequal Democracy: The Political Economy of the New Gilded Age Princeton: Princeton University Press.Search in Google Scholar

Blancke, Susanne; Schmid, Josef (2003): „Bilanz der Bundesregierung Schröder in der Arbeitsmarktpolitik 1998–2002: Ansätze zu einer doppelten Wende“, in: Christoph Egle; Tobias Ostheim; Reimut Zohlnhöfer (Hg.): Das rot-grüne Projekt: Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998–2002 Wiesbaden: VS Verlag, 215–238.10.1007/978-3-322-83375-4_11Search in Google Scholar

Bonoli, Giuliano (2013): The Origins of Active Social Policy: Labour Market and Childcare Policies in a Comparative Perspective Oxford: Oxford University Press.10.1093/acprof:oso/9780199669769.001.0001Search in Google Scholar

Bonoli, Giuliano; Natali, David (Hg.) 2012: The Politics of the New Welfare State. Oxford: Oxford University Press.10.1093/acprof:oso/9780199645244.001.0001Search in Google Scholar

Büchtemann, Christoph F.; Höland, Armin (1989): „Die Erfahrungen mit der Befristungsneuregelung“, Wirtschaftsdienst 69: 503–511.Search in Google Scholar

Busemeyer, Marius R.; Garritzmann, Julian L. (2017): „Public Opinion on Policy and Budgetary Trade-Offs in European Welfare States: Evidence from a New Comparative Survey“, Journal of European Public Policy 24: 871–88910.4324/9780203733202-6Search in Google Scholar

Carnes, Nicholas (2012): „Does the Numerical Underrepresentation of the Working Class in Congress Matter?“, Legislative Studies Quarterly XXXVII: 5–34.10.1111/j.1939-9162.2011.00033.xSearch in Google Scholar

Carnes, Nicholas (2013): White-Collar Government: The Hidden Role of Class in Economic Policy Making Chicago Studies in American Politics. Chicago u. a.: University of Chicago Press.10.7208/chicago/9780226087283.001.0001Search in Google Scholar

Carnes, Nicholas; Lupu, Noam (2015): „Rethinking the Comparative Perspective on Class and Representation: Evidence from Latin America“, American Journal of Political Science 59: 1–18.10.1111/ajps.12112Search in Google Scholar

Egle, Christoph (2009): Reformpolitik in Deutschland und Frankreich: Wirtschafts- und Sozialpolitik bürgerlicher und sozialdemokratischer Regierungen seit Mitte der 90er Jahre Gesellschaftspolitik und Staatstätigkeit, Band 31. Wiesbaden: VS Verlag.Search in Google Scholar

Eichhorst, Werner; Marx, Paul (2011): „Reforming German Labour Market Institutions: A Dual Path to Flexibility“, Journal of European Social Policy 21: 73–87.10.1177/0958928710385731Search in Google Scholar

Elsässer, Lea (2018): Wessen Stimme zählt? Soziale und politische Ungleichheit in Deutschland Schriften aus dem MPI für Gesellschaftsforschung, Band 91. Frankfurt a. M.: Campus.Search in Google Scholar

Elsässer, Lea; Hense, Svenja; Schäfer, Armin (2017): „,Dem Deutschen Volke‘? Die ungleiche Responsivität des Bundestags“, Zeitschrift für Politikwissenschaft 27: 161–180.10.1007/s41358-017-0097-9Search in Google Scholar

Enns, Peter K. (2015): „Relative Policy Support and Coincidental Representation“, Perspectives on Politics 13: 1053–1064.10.1017/S1537592715002315Search in Google Scholar

Erikson, Robert; Goldthorpe, John H. (1993): The Constant Flux: A Study of Class Mobility in Industrial Societies Oxford: Clarendon Press.Search in Google Scholar

Esping-Andersen, Gøsta (1990): The Three Worlds of Welfare Capitalism Cambridge: Polity Press.10.1177/095892879100100108Search in Google Scholar

Esping-Andersen, Gøsta (1996): „After the Golden Age? Welfare State Dilemmas in a Global Economy“, in: Gøsta Esping-Andersen (Hg.): Welfare States in Transition: National Adaptations in Global Economies London: SAGE, 1–31.Search in Google Scholar

Esping-Andersen, Gøsta (2002): Why We Need a New Welfare State Oxford: Oxford University Press.10.1093/0199256438.001.0001Search in Google Scholar

Fleckenstein, Timo; Lee, Soohyun Christine (2014): „The Politics of Postindustrial Social Policy: Family Policy Reforms in Britain, Germany, South Korea, and Sweden“, Comparative Political Studies 47: 601–630.10.1177/0010414012451564Search in Google Scholar

Garritzmann, Julian L.; Busemeyer, Marius R.; Neimanns, Erik (2018): „Public Demand for Social Investment: New Supporting Coalitions for Welfare State Reform in Western Europe?“, Journal of European Public Policy 25: 844–861.10.4324/9780429454752-4Search in Google Scholar

Geering, Dominik; Häusermann, Silja (2013): Changing party electorates and economic realignment. Unveröffentlichtes Manuskript.Search in Google Scholar

Ghysels, Joris; Van Lancker, Wim (2011): „The Unequal Benefits of Activation: an Analysis of the Social Distribution of Family Policy Among Families with Young Children“, Journal of European Social Policy 21: 472–485.10.1177/0958928711418853Search in Google Scholar

Gilens, Martin (2012): Affluence and Influence: Economic Inequality and Political Power in America New York u. a: Russell Sage Foundation and Princeton University Press.10.1515/9781400844821Search in Google Scholar

Gilens, Martin (2015): „Descriptive Representation, Money, and Political Inequality in the United States“, Swiss Political Science Review 21: 222–228.10.1111/spsr.12164Search in Google Scholar

Gilens, Martin; Page, Benjamin I. (2014): „Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens“, Perspectives on Politics 12: 564–581.10.1017/S1537592714001595Search in Google Scholar

Gingrich, Jane; Ansell, Ben W. (2015): „The Dynamics of Social Investment: Human Capital, Activation, and Care“, in: Pablo Beramendi; Silja Häusermann; Herbert Kitschelt; Hanspeter Kriesi (Hg.): The Politics of Advanced Capitalism Cambridge: Cambridge University Press, 282–304.10.1017/CBO9781316163245.012Search in Google Scholar

Gingrich, Jane; Häusermann, Silja (2015): „The decline of the working-class vote, the reconfiguration of the welfare support coalition and consequences for the welfare state“, Journal of European Social Policy 25: 50–75.10.1177/0958928714556970Search in Google Scholar

Griffin, John D; Newman, Brian (2005): „Are Voters Better Represented?“, The Journal of Politics 67: 1206–1227.10.1111/j.1468-2508.2005.00357.xSearch in Google Scholar

Hacker, Jacob S.; Pierson, Paul (2010): „Winner-take-all politics: Public policy, political organization, and the precipitous rise of top incomes in the United States“, Politics & Society 38: 152–204.10.4324/9780429499821-12Search in Google Scholar

Hassel, Anke (2014): „The Paradox of Liberalization – Understanding Dualism and the Recovery of the German Political Economy“, British Journal of Industrial Relations 52: 57–81.10.1111/j.1467-8543.2012.00913.xSearch in Google Scholar

Hassel, Anke; Schiller, Christof (2010): Der Fall Hartz IV: Wie es zur Agenda 2010 kam und wie es weitergeht Frankfurt a. M.: Campus.Search in Google Scholar

Häusermann, Silja (2010): The Politics of Welfare State Reform in Continental Europe: Modernization in Hard Times Cambridge: Cambridge University Press.10.1017/CBO9780511750588Search in Google Scholar

Häusermann, Silja; Palier, Bruno (2017): „The Politics of Social Investment. Policy Legacies and Class Coalitions“, in: Anton Hemerijck (Hg.): The Uses of Social Investment . Oxford: Oxford University Press, 339–349.10.1093/oso/9780198790488.003.0031Search in Google Scholar

Heath, Oliver (2015): „Policy Representation, Social Representation and Class Voting in Britain“, British Journal of Political Science 45: 173–193.10.1017/S0007123413000318Search in Google Scholar

Heinelt, Hubert; Weck, Michael (1998): Arbeitsmarktpolitik: Vom Vereinigungskonsens zur Standortdebatte Opladen: Leske + Budrich.10.1007/978-3-663-09286-5Search in Google Scholar

Hemerijck, Anton (Hg.) (2017): The Uses of Social Investment. Oxford: Oxford University Press.10.1093/oso/9780198790488.001.0001Search in Google Scholar

Hillen, Sven (2017): „,Nur wer wählt, zählt?‘ Eine Analyse des Zusammenhangs von Wahlbeteiligung und arbeitsmarktbezogenen sozialen Leistungen linker Parteien in OECD-Ländern“, Politische Vierteljahresschrift 58: 533–559.10.5771/0032-3470-2017-4-533Search in Google Scholar

Jochem, Sven (2009): Reformpolitik im Wohlfahrtsstaat: Deutschland im internationalen Vergleich Policy-Forschung und Vergleichende Regierungslehre, Band 6. Münster: LIT Verlag.Search in Google Scholar

Kitschelt, Herbert (1994): The Transformation of European Social Democracy Cambridge: Cambridge University Press.10.1017/CBO9780511622014Search in Google Scholar

Kitschelt, Herbert; Rehm, Philipp (2014): „Occupations as a Site of Political Preference Formation“, Comparative Political Studies 47: 1670–1706.10.1177/0010414013516066Search in Google Scholar

Leitner, Sigrid (2003): „Varieties of Familialism: The Caring Function of the Family in Comparative Perspective“, European Societies 5: 353–375.10.1080/1461669032000127642Search in Google Scholar

Lessenich, Stephan (2012): „,Aktivierender‘ Sozialstaat: eine politisch-soziologische Zwischenbilanz“, in: Reinhard Bispinck; Gerhard Bosch; Klaus Hofmann; Gerhard Naegele (Hg.): Sozialpolitik und Sozialstaat Wiesbaden: Springer, 41–53.10.1007/978-3-531-19024-2_3Search in Google Scholar

Lessig, Lawrence (2011): Republic, Lost: How Money Corrupts Congress – And a Plan to Stop It New York: Twelve.Search in Google Scholar

Mair, Peter (2013): „Smaghi versus the Parties: Representative Government and Institutional Constraints“, in: Armin Schäfer; Wolfgang Streeck (Hg.): Politics in the age of austerity Cambridge: Polity Press, 143–168.Search in Google Scholar

Manow, Philip; Seils, Eric (2000): „Adjusting Badly: The German Welfare State, Structural Change, and the Open Economy“, in: Fritz W. Scharpf; Vivien A. Schmidt (Hg.): Welfare and Work in the Open Economy Vol. II Oxford: Oxford University Press, 264–307.Search in Google Scholar

Mansbridge, Jane (2015): „Should Workers Represent Workers?“, Swiss Political Science Review 21: 261–270.10.1111/spsr.12160Search in Google Scholar

Marx, Paul; Starke, Peter (2017): „Dualization as Destiny? The Political Economy of the German Minimum Wage Reform“, Politics & Society 45: 559–584.10.1177/0032329217726793Search in Google Scholar

Morel, Nathalie; Palier, Bruno; Palme, Joakim (2012): Towards a Social Investment Welfare State? Ideas, Policies and Challenges Bristol: Policy Press.10.1332/policypress/9781847429247.001.0001Search in Google Scholar

Morgan, Kimberly J. (2013): „Path shifting of the welfare state: Electoral competition and the expansion of work-family policies in Western Europe“, World Politics 65: 73–115.10.1017/S0043887112000251Search in Google Scholar

OECD (2011): Doing Better for Families Paris: OECD Publishing.Search in Google Scholar

Oesch, Daniel (2006): „Coming to Grips with a Changing Class Structure“, International Sociology 21: 263–288.10.1177/0268580906061379Search in Google Scholar

Palier, Bruno (2006): „The re-orientation of Europe Social Policies towards Social Investment“, International Journal of Politics, Culture and Society 1/2006: 105–116.Search in Google Scholar

Palier, Bruno; Thelen, Kathleen (2010): „Institutionalizing Dualism: Complementarities and Change in France and Germany“, Politics & Society 38: 119–148.10.1177/0032329209357888Search in Google Scholar

Pavolini, Emmanuele; Van Lancker, Wim (2018): „The Matthew Effect in Childcare Use: a Matter of Policies or Preferences?“, Journal of European Public Policy 25: 878–89310.4324/9780429454752-6Search in Google Scholar

Pierson, Paul (2001): „Coping with Permanent Austerity: Welfare State Restructuring in Affluent Democracies“, in: Paul Pierson (Hg.): The New Politics of the Welfare State Oxford: Oxford University Press, 410–456.10.1093/0198297564.003.0014Search in Google Scholar

Schäfer, Armin (2015): Der Verlust politischer Gleichheit. Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Band 81. Frankfurt a. M.: Campus.Search in Google Scholar

Schäfer, Armin; Streeck, Wolfgang (Hg.) (2013): Politics in the Age of Austerity. Cambridge: Polity Press.Search in Google Scholar

Schroeder, Wolfgang; Futh, Sascha Kristin; Schulze, Michaela (2016): „Der Weg zur Forderung nach einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn – Gewerkschaftliche Deutungs- und Präferenzkonflikte“, Zeitschrift für Politikwissenschaft 26: 135–154.10.1007/978-3-658-15405-9_8Search in Google Scholar

Seeleib‐Kaiser, Martin (2016): „The End of the Conservative German Welfare State Model“, Social Policy & Administration 50: 219–240.10.1111/spol.12212Search in Google Scholar

Solt, Frederick (2008): „Economic Inequality and Democratic Political Engagement“, American Journal of Political Science 52: 48–60.10.1111/j.1540-5907.2007.00298.xSearch in Google Scholar

Statistisches Bundesamt (2015): Fachserie 1 Reihe 4.1.1: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.Search in Google Scholar

Statistisches Bundesamt (2016a): Erwerbstätige: Deutschland, Jahre, Stellung im Beruf, Geschlecht (Tabelle 1221-0006). Wiesbaden. Download unter: https://wwwgenesis.destatis.de (Zugriff am 4. Dezember 2018).Search in Google Scholar

Statistisches Bundesamt (2016b): Statistisches Jahrbuch. Deutschland und Internationales Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.Search in Google Scholar

Steffen, Johannes (2015): Sozialpolitische Chronik. Download unter: http://www.portalsozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/Sozialpolitische-Chronik.pdf (Zugriff am 4. Dezember 2018).Search in Google Scholar

Streeck, Wolfgang (2009): Re-Forming Capitalism: Institutional Change in the German Political Economy Oxford u. a: Oxford University Press.Search in Google Scholar

Streeck, Wolfgang; Hassel, Anke (2003): „The Crumbling Pillars of Social Partnership“, West European Politics 26: 101–124.10.1080/01402380312331280708Search in Google Scholar

Streeck, Wolfgang; Trampusch, Christine (2005): „Economic Reform and the Political Economy of the German Welfare State“, German Politics 14: 174–195.10.1080/09644000500154490Search in Google Scholar

Taylor-Gooby, Peter (2004): „New Risks and Social Change“, in: Peter Taylor-Gooby (Hg.): New Risks, New Welfare. The Transformation of the European Welfare State . Oxford: Oxford University Press, 1–28.10.1093/019926726X.001.0001Search in Google Scholar

Trampusch, Christine (2005): „Institutional Resettlement: The Case of German Early Retirement“, in: Wolfgang Streeck; Kathleen Thelen (Hg.): Beyond Continuity. Institutional Change in Advanced Political Economics Oxford: Oxford University Press, 203–228.Search in Google Scholar

Van Lancker, Wim (2013): „Putting the Child-Centered Investment Strategy to the Test: Evidence for the EU27“, European Journal of Social Security 15: 4–27.10.1177/138826271301500103Search in Google Scholar

Zohlnhöfer, Reimut (2001): „Rückzug des Staates auf den Kern seiner Aufgaben? Eine Analyse der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland seit 1982“, in: Manfred G. Schmidt (Hg.): Wohlfahrtsstaatliche Politik: Institutionen, politischer Prozess und Leistungsprofil Wiesbaden: VS Verlag, 227–261.10.1007/978-3-663-01428-7_8Search in Google Scholar

Published Online: 2018-12-19
Published in Print: 2018-12-19

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 28.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zsr-2018-0025/html
Scroll to top button