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Publicly Available Published by De Gruyter July 1, 2016

DARIAH-DE – Architecture of Participation

  • Mirjam Blümm EMAIL logo , Heike Neuroth and Stefan Schmunk

Zusammenfassung

DARIAH-DE baut seit 2011 eine digitale Forschungsinfrastruktur für die Geistes- und Kulturwissenschaften auf. Im Zentrum der Entwicklung bis 2019 steht vor allem die Überführung vom Projekt DARIAH-DE in einen institutionellen Rahmen, in dem DARIAH-DE dauerhaft betrieben werden kann. Dies erfolgt als „architecture of participation“ unter Beteiligung der Communitys, der Fachwissenschaftler und Forschungsvorhaben sowie der beteiligten Rechenzentren, Informatiker und Informationswissenschaftler.

Abstract

DARIAH-DE has been developing a digital research infrastructure in the arts and humanities since 2011. The project goal until 2019 is to institutionalize DARIAH-DE to operate the research infrastructure continually. As an “architecture of participation” DARIAH-DE combines the input of the communities, researchers, research projects, as well as computing centres, IT-, and information specialists.

1 Motivation und Historie

DARIAH-DE ist ein direktes Ergebnis des Erfolgs von DARIAH-EU, dem europäischen „Muttervorhaben“, das im Rahmen des ESFRI[1]-Vorhabens als EU-Projekt startete (2008 bis 2011). DARIAH-EU war eines von zwei[2] geisteswissenschaftlichen ESFRI-Projekten, welches sich zum Ziel gesetzt hatte, eine Forschungsinfrastruktur für die mit digitalen Methoden, Verfahren und Daten arbeitenden Fachwissenschaftler aufzubauen. Konsequenterweise hieß diese Aufbauphase im EU-Jargon auch „preparatory phase“, der dann die eigentliche Entwicklungs- (construction phase) und danach die Betriebsphase (operational phase) folgen sollte. Die zwei bis drei Jahre EU-Förderung nutzten die damaligen Initialpartner, zu denen aus Deutschland auch die Max Planck Digital Library (MPDL)[3] Berlin/München und die SUB Göttingen gehörten, eine Art Masterplan für die Entwicklung bzw. den Aufbau und den Betrieb dieser Forschungsinfrastruktur zu erarbeiten, der auch organisatorische, rechtliche und technologische Aspekte berücksichtigte. Von Beginn an gab es lebhafte Diskussionen, welche Aspekte Priorität haben sollen. Während die einen Partner einer (dauerhaften) Organisationsstruktur und dem prozesshaften Ablauf den Vorzug gaben, waren andere mindestens genauso überzeugt davon, dass ohne eine stabile technische, zugrundeliegende Basis-Infrastruktur und einigen exemplarischen digitalen Diensten dauerhaft kein Vertrauen der Wissenschaftler in DARIAH zu gewinnen sei. Eine Zeitlang sah es so aus, als wenn keine Einigung erzielt werden könnte, da der Erfolg von DARIAH-EU auch davon abhing, genug Mitgliedsländer in Europa für die weitere Finanzierung der Entwicklungsphase zu gewinnen. Während viele Partner argumentierten, dass DARIAH als Teil der ESFRI-Strategie langfristig zu denken sei – und wir reden hier über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren, ein geplanter Förderzeitraum, der ziemlich neu war für die meisten geisteswissenschaftlichen Partner – und damit Organisationsstruktur, Kosten(-verteilung) hohe Priorität zu genießen haben, argumentierten andere Partner, dass ohne die Möglichkeit, mithilfe digitaler Daten, Texte, Dienste, Werkzeuge etc. die Fachwissenschaftler wenig Motivation aufbringen werden, sich zu beteiligen, da ihre Forschung und ihr Erkenntnisinteresse mit reinen organisatorischen Fragestellungen und Nachhaltigkeitsaspekten wenig zu befriedigen seien. Sheila Anderson (Kings College London)[4] begründete auf einem internen Arbeitsgruppen-Meeting dann das entscheidende Motto: architecture of participation! Auch wenn eine reine 1:1 Übersetzung in die deutsche Sprache nicht gelingen und nur unzureichend die dahinterliegende Vision vermitteln kann, so war dies die Lösung für den ‚gordischen Knoten‘. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass ohne eine rege und sicherlich auch zeitraubende Beteiligung möglichst vieler Fachwissenschaftler aus unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen sowie IT-Experten und Fachleuten aus Infrastruktur-Einrichtungen der Erfolg von DARIAH weder kurzfristig noch dauerhaft zu erlangen ist. Im Gegenteil: Ein Masterplan, der nach der Aufbauphase eins zu eins in die Entwicklung und dann in den Betrieb geht, wie es z. B. bei der Planung, Durchführung und Inbetriebnahme eines Forschungsschiffes möglich ist, musste scheitern. Nachdem sich die Partner von dem zum großen Teil eher klassischem Verständnis eines ESFRI-Vorhabens, welches sich auf Großgeräte in den Naturwissenschaften sehr gut anwenden lässt oder auf andere physische Objekte wie Forschungseinrichtungen verabschieden konnten, wurde sehr schnell klar, wie die „architecture of participation“ gelebt werden konnte. Es darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass zum damaligen Zeitpunkt (ca. 2009) weder der Begriff Digital Humanities oder e-Humanities weit verbreitet war und dort, wo er im Umlauf war, stieß er bei nicht wenigen Fachwissenschaftlern auf Skepsis, zum Teil fundamentale Kritik. Durch den dynamischen Grundgedanken der „architecture of participation“ wurde allen Beteiligten bewusst, dass sich die digitale Forschungsinfrastruktur DARIAH ständig (!) weiter zu entwickeln hatte und dies nur im intensiven Austausch mit den interessierten und engagierten Fachwissenschaftlern, die größtenteils ja nicht dem kleinen Partner-Verbund von DARIAH-EU angehörten, gelingen kann. Hinzu kam, was damals in der ganzen Konsequenz so nicht unbedingt vorherzusehen war – jedenfalls nicht, wenn die Ziele und Meilensteine eines EU-Projektes drohend vor den Partnern auftauchen –, dass DARIAH umso erfolgreicher ist, je mehr Mitgliedsländer aus Europa sich beteiligen. Fakt ist aber auch, dass sich die verschiedenen EU-Länder unterschiedlich schnell in ihrer Digitalisierungsstrategie oder Digitalität entwickeln. Während für die einen Länder bereits eine Digitalisierungsintiative im Sinne von Volltextdigitalisierung den inhaltlichen Kern von DARIAH ausmachte, träumten andere Länder bereits vom kostenfreien und einfachen Zugang zu allen Forschungspublikationen und v. a. auch Forschungsdaten! Auch hier half die Vision der „architecture of participation“: DARIAH sollte offen sein für alle Belange, Bedürfnisse und nationalen Agenden. Die Etablierung der vier virtuellen Kompetenzzentren, die von Beginn an offene und basisdemokratische Organisationsstruktur sowohl von DARIAH-EU als auch von DARIAH-DE greifen diese Vision auf. DARIAH-EU und DARIAH-DE sind beide äußerst erfolgreichen Vorhaben gemessen an der Beteiligung externer Partner und Projekte (EU, BMBF, DFG, Akademienunion etc.). Es herrscht eine lebhafte Diskussions- und Diskurskultur, fachlich und technologisch. Und dies ist vielleicht einer der größten Geheimnisse des Erfolgs: IT-Experten und Infrastruktur-Dienstleister auf der einen Seite tauschen sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit Fachwissenschaftlern aus, egal ob diese aus der Geschichts-, Musikwissenschaft, Archäologie o. a. kommen und entwickeln die digitale Forschungsinfrastruktur Stück für Stück weiter und passen sie an neue Erkenntnisse, Technologien sowie vielversprechende Forschungsergebnisse an. Eine derart dynamische Diskussionskultur, die in konkrete Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur mündet, hat natürlich auch ihre Schattenseiten. Während es mit dem ERIC[5] auf europäischer Ebene eine verbindliche Rechtsform gibt, die mit einer Satzung alles Nötige regelt, gilt dies für die Mitgliedsländer bei DARIAH-EU nicht. Insofern steht Deutschland mit DARIAH-DE in der dritten Förderphase vor der Herausforderung, einerseits eine nachhaltige Organisationsstruktur mit Rechtsform und Geschäftsmodell (u. U. auch für die Abrechnung von Dienstleistungen) zu etablieren, andererseits die Fachwissenschaftler bei diesem doch sehr wissenschaftsfernem Thema weiterhin mitzunehmen, einzubinden und in Kommunikation zu bleiben. Es darf ja nicht verschwiegen werden, dass der dauerhafte Betrieb jeglicher Forschungs- und Informationsinfrastruktur, sei sie analog (z. B. Bibliotheken, Archive) oder digital (z. B. TIER-Konzept von CERN[6]), Geld kostet. Wenn die Nachhaltigkeit von DARIAH nur darüber zu finanzieren ist, dass Fachwissenschaftler für den Betrieb und die Weiterentwicklung Geld bezahlen müssen und sei es auch nur anteilig, dürfte das Konzept „architecture of participation“ auf eine harte Probe gestellt werden.

2 DARIAH-DE – Kurzüberblick

DARIAH-DE wird seit 2011 vom BMBF[7] gefördert. Die Koordination des Forschungsverbunds liegt bei der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Die erste Projektphase war auf fünf Jahre angelegt, mit einer Begutachtung nach drei Jahren. Daraus ergab sich eine Laufzeit von 03/2011–02/2014, währenddessen das Konsortium 17 Partner umfasste, darunter sieben Universitäten, vier Rechenzentren, drei fachspezifische Forschungseinrichtungen, eine Bibliothek, eine Akademie der Wissenschaften und ein kommerzieller Partner. Ziel der ersten drei Jahre war der Aufbau einer digitalen Forschungsinfrastruktur für die Geistes- und Kulturwissenschaften. An die erste Laufzeit schloss sich die zweite von 03/2014–02/2016 an, bei der die Stabilisierung und der Ausbau der vorhandenen Angebote im Mittelpunkt standen sowie die stärkere Einbeziehung der Community. Dazu konnten neue Partner gewonnen werden, wie der DHd-Verbund und die Open Knowledge Foundation. Insgesamt setzte sich das Konsortium aus 20 Partnern zusammen: sechs Universitäten, fünf fachspezifische Einrichtungen, vier Rechenzentren, zwei Bibliotheken, eine Akademie der Wissenschaften, eine nichtstaatliche Organisation und ein kommerzieller Partner.

Für den Zeitraum 03/2016–02/2019 ist eine weitere Förderphase bewilligt, die sich schwerpunktmäßig der Nachhaltigkeit von digitalen Forschungsinfrastrukturen widmet und Möglichkeiten der Überführung des Projekts in eine Institution erprobt. Das Konsortium hat sich mit 15 Partnern dazu etwas verkleinert und eine weitere Akademie, die Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz aufgenommen, so dass das Konsortium aus drei Universitäten, vier fachspezifische Einrichtungen, zwei Rechenzentren, zwei Bibliotheken, zwei Akademien der Wissenschaften, einer nichtstaatlichen Organisation und einem kommerzieller Partner besteht.

3 Die vier Säulen der digitalen Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE

Die vier Kernbereiche der digitalen Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE umfassen die Komponenten Lehre, Forschung, Forschungsdaten und technische Infrastruktur. Im grundlegenden Verständnis von DARIAH-DE kann eine digitale Forschungsinfrastruktur gerade nicht ausschließlich aus technischen Komponenten bestehen, sondern die fachwissenschaftlichen Fragestellungen und Erkenntnisinteressen stehen im Mittelpunkt. Basierend darauf werden die weiteren Säulen entwickelt und betrieben. Im Folgenden werden die einzelnen Komponenten von DARIAH-DE kurz vorgestellt.

Abb. 1: Die digitale Forschungsinfrastruktur DARIAH-DE
Abb. 1:

Die digitale Forschungsinfrastruktur DARIAH-DE

Der Bereich Lehre umfasst zum einen verschiedene Veranstaltungstypen.[8] Neben dem bekannten Konzept der Sommerschule gibt es Methodenworkshops, bei denen interessierte Fachwissenschaftler sich einen Experten einladen, um von diesem eine bestimmte Technik, die Funktionsweise eines Tools oder eine digitale Forschungsmethode zu lernen. Vergangene Veranstaltungen beschäftigten sich beispielsweise mit Natural Language Processing für Literaturwissenschaftler,[9] Fachwissenschaftlichen Annotationen[10] und Lizenzierung digitaler Forschungsdaten in den Sprach- und Literaturwissenschaften.[11] Bei Expertenworkshops kommen mehrere Fachwissenschaftler zusammen, um gemeinsam über Forschungsansätze für komplexe Fragestellungen zu diskutieren und Lösungsmöglichkeiten zu finden. Themen waren bislang unter anderem Kontrollierte Vokabulare für historische Ortsnamen,[12] Annotation von digitalen Medien[13] und Topic Models and Corpus Analysis.[14]

Zum anderen bietet DARIAH-DE unterschiedliche Materialien für die Lehre und zum Selbststudium an. Dazu zählt die Bibliographie Doing Digital Humanities,[15] die über 1000 Einträge zu Digital-Humanities-Publikationen von Einführungen bis zu spezialisierter Forschungsliteratur beinhaltet sowie eine Sammlung von Schulungsmaterialien[16] zu Digital Humanities Themen und Werkzeugen. Neben Materialien, die im Projekt entstanden sind, wie beispielsweise die DARIAH Videotutorials,[17] wurden über 200 externe Ressourcen zusammengetragen und stehen über die Plattform OER Commons zur Verfügung.[18]

In der ersten Projektphase wurde zudem die Erstellung von Refererenzcurricula für DH-Studiengänge angestoßen.[19] Die weitere Abstimmung erfolgt in der Arbeitsgruppe „Referenzcurriculum Digital Humanities des DHd-Verbandes“.[20]

Digitale Methoden und Verfahren bilden den Kern der Säule Forschung von DARIAH-DE. Neben der Methodenreflexion[21] liegen die Schwerpunkte auf den Themen Big Data in den Geisteswissenschaften/Quantitative Datenanalyse sowie fachwissenschaftliche Annotationen/Annotieren analysieren, visualisieren. Beide Schwerpunkte bilden Cluster im Projekt, die Methoden wie beispielsweise Information Retrieval, Text Mining und Annotation für das Semantic Web anhand verschiedener Use Cases[22] erproben sowie fachwissenschaftliche Dienste (weiter-)entwickeln.[23]

Unter diesen Diensten, die frei verfügbar sind und zur Nachnutzung angeboten werden, befinden sich unter anderem der Noteneditor MEI Score Editor (MEISE),[24] der Geo-Browser zur Visualisierung und Analyse von Zeit-Raum-Relationen,[25] das Annotations- und Retrievalwerkzeug Semantic Topological Notes (SemToNotes) zur Untersuchung von räumlich-topologischen Beziehungen von Bildern und Texten,[26] das Cosmotool zur Auswertung von biographischen Profilen,[27] die Anwendung Digivoy,[28] die es erlaubt die Daten des TextGrid-Repositorien[29] mithilfe der Voyant-Tools[30] zu untersuchen u. v. a. m. Einen schnellen Überblick über das Angebot bietet auch das Digital Humanities Dashboard,[31] das ständig erweitert wird.

Im Bereich Forschungsdaten werden sowohl eine Reihe von Werkzeugen und Diensten angeboten, mit denen Forschungsdaten verwaltet, durchsucht, angereichert und gespeichert werden können und zugleich wurden in den letzten Jahren Best-Practice-Empfehlungen und Publikationen erstellt, die Forscher bei der Erstellung und Nutzung von Forschungsdaten unterstützen sollen.[32] Hierzu zählen beispielsweise Empfehlungen für Forschungsdaten, Tools und Metadaten in der DARIAH-DE Infrastruktur,[33] Fachspezifische Empfehlungen für Daten und Metadaten,[34] aber auch die von Klimpel und Weitzmann in den DARIAH-DE Working-Papers veröffentlichte Publikation Forschen in der digitalen Welt. Juristische Handreichungen für die Geisteswissenschaften.[35] In dieser werden aktuelle rechtliche Möglichkeiten und Beschränkungen in der Erstellung und (Nach-)Nutzung von Forschungsdaten thematisiert und konkrete Nutzungsszenarien beschrieben. Für diesen Themenkomplex wurde von DARIAH-DE im Februar 2016 ein Lizenzportal erstellt, das über Rechte und Lizenzen bei der Freigabe von Forschungsdaten informiert, anhand von aktuellen Forschungsprojekten die Nutzer informiert und zugleich Kontaktstellen anbietet.[36] Die weitere Pflege dieses Infoportals wird von DARIAH-DE gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut, der Open Knowledge Foundation e. V. und weiteren Experten betrieben, um auf Dauer Interessierten eine aktuelle Anlaufstelle zu bieten. Dieses Angebot macht zugleich deutlich, dass nicht nur im Bereich Forschungsdaten DARIAH-DE für und gemeinsam mit den Fachcommunitys arbeitet, um dauerhafte Angebote forschungsnah etablieren zu können.

Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Werkzeugen und Diensten entwickelt, die Wissenschaftler entweder direkt als Service von DARIAH-DE (beispielsweise die TextGrid & DARIAH-DE Repositorys) nutzen und die ebenso als eigene Instanz betrieben werden können.[37] In diesem Kontext ist es das Ziel eine Forschungsdaten-Föderationsarchitektur aufzubauen und zu betreiben, die es Forschenden ermöglicht, für ihre eigenen Forschungsvorhaben relevante Forschungsdaten zu suchen, zu finden, diese persistent und referenzierbar[38] zu speichern und zugleich als nachnutzbare Forschungsdaten der Fachcommunity anzubieten.[39] In diesem Kontext wurde auch 2014 das Stakeholdergremium „Wissenschaftliche Sammlungen“ gegründet, um ein Expertengremium zu schaffen, an dem Vertreter der unterschiedlichsten geisteswissenschaftlichen Fachdisziplinen aus Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Akademien, aber auch Experten aus Bibliotheken, Archiven und von Non Governmental Organizsations gemeinsam die aktuellen methodischen, konzeptionellen Fragestellungen zu dieser Thematik diskutieren und zugleich Empfehlungen geben können.[40]

Die vierte Säule und gleichwohl das technologische Fundament bildet die technische Infrastruktur. Im Rahmen von DARIAH-DE werden Werkzeuge und Dienste als Service gehostet und stehen Geistes- und Kulturwissenschaftler und geisteswissenschaftlichen Forschungsprojekten zur Nutzung zur Verfügung.[41] Hierzu zählen sowohl kollaborative Tools, wie beispielsweise ein Wiki-System[42] und eine Etherpad-Instanz,[43] die es ermöglichen, gemeinsam Texte und Inhalte zu erstellen, als auch ein Developer-Portal,[44] auf dem eine Vielzahl unterschiedlicher Entwicklungswerkzeuge gehostet werden, die von Informatikern und Informationswissenschaftlern für die Realisierung von DH-Projekten kostenlos genutzt werden können. Das Angebot wird in diesem Bereich permanent weiterentwickelt und berücksichtigt die Anforderungen aus der Community. Auf diese Weise wird eine „architecture of participation“ umgesetzt, die Anforderungen und Bedürfnisse der Community für die Community realisiert.

Parallel hierzu können Forschungsprojekte, die kollobarativ und Institutionenübergreifend arbeiten und aus diesem Grund von ihrem eigenen Rechenzentrum keine Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, basale IT-Komponenten wie beispielsweise Virtuelle Maschinen (VM)[45] und Storagelösungen durch die an DARIAH-DE beteiligten Rechenzentren erhalten. Hierzu wird im 2. Quartal 2016 die DARIAH-DE e-Infrastructure Service Unit (DeISU) gegründet, die als Aufgabe das Brokern und Vermitteln von IT-Ressourcen übernehmen wird.[46] Insbesondere bei internationalen Forschungsvorhaben besteht hier ein großer Bedarf, der bislang nicht von lokalen Rechenzentren übernommen werden kann. Aus diesem Grund wurden weitere zentrale IT-Dienste entwickelt, die einen generischen Charakter aufweisen und in einer Vielzahl von Entwicklungsvorhaben eingesetzt werden können. Hierzu zählt beispielsweise ein Monitoring-Service,[47] der es erlaubt, Dienste Dritter aufzunehmen und zu überwachen, und eine Authentifizierungs- und Autorisierungsinfrastruktur (AAI),[48] die über standardisierte Schnittstellen verfügt und auf diese Weise als System für ein Rollen- und Rechtemanagement in beliebige Softwareentwicklungen integriert werden kann. Auf diese Weise kann DARIAH-DE als digitale Forschungsinfrastruktur Synergien nutzen und zu einer Effizienzsteigerung in DH-Projekten führen, da dort eine Fokussierung auf die eigentlichen Entwicklungstätigkeiten erfolgen kann und Komponenten von DARIAH-DE modular eingebaut werden können.

Zugleich verfolgt DARIAH-DE den Plan, digitale Werkzeuge und Dienste, die in externen Forschungsprojekten entwickelt wurden und für einen größeren Nutzerkreis von Bedeutung sind, in die digitale Forschungsinfrastruktur zu integrieren und als Dienst dauerhaft anzubieten.[49] Auf diese Weise können community-relevante digitale Werkzeuge über die Projektdauer angeboten und zugleich durch die Community partizipativ weiterentwickelt werden.

Ein wichtiger Bestandteil von DARIAH-DE ist die Virtuelle Forschungsumgebung TextGrid.[50] Die Projektfinanzierung von TextGrid lief 2015 aus, so dass DARIAH-DE die Möglichkeit bot, einen langfristigen – insbesondere technologischen – Betrieb zu sichern, während die an TextGrid beteiligten Fachwissenschaftler und Editionsprojekte die fachwissenschaftliche Betreuung und partielle Weiterentwicklung übernahmen. In diesem Verständnis ist TextGrid als eines der zentralen Labore von DARIAH-DE zu verstehen – in Analogie beispielsweise zu spezifischen Forschungslaboren auf der Polarstern[51] –, das vollständig nicht nur in die technologische Infrastruktur eingebettet ist, sondern zugleich auch basierend auf den eigenen Anforderungen die Forschungsinfrastruktur von DARIAH-DE mitentwickelt. Auf diese Weise ist TextGrid ein protoypisches Beispiel dafür, wie eine „architecture of participation“ auf der Ebene der Community und des Technologieeinsatzes funktionieren kann, wenngleich gerade dadurch deutlich wird, dass der Aufbau von nachhaltigen Forschungsinfrastrukturen eben nicht nur alleine durch einzelne Fächer oder Communitys getragen werden kann, sondern vielmehr eine grundständige Finanzierung und vor allem notwendige organisatorische und institutionelle Strukturen benötigt.

4 Ausblick

DARIAH-DE startet am 01. März 2016 in die dritte Förderphase. Im Zentrum dieser letzten dreijährigen Förderphase steht vor allem die Überführung von DARIAH-DE vom „Projekt zur Organisation“, das mit dem Ziel einhergeht, noch während der Projektlaufzeit eine eigene rechtliche Entität zu gründen und somit einen eigenen institutionellen Rahmen zu schaffen, in dem DARIAH-DE dauerhaft betrieben werden kann. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Beteiligung der Communitys, der Fachwissenschaftler und der Forschungsvorhaben, aber auch der beteiligten Rechenzentren, Informatiker und Informationswissenschaftler. DARIAH-DE hat in den vergangenen fünf Jahren gezeigt, dass gerade dieser interdisziplinäre Ansatz erfolgreich und zugleich notwendig ist. Nur dadurch gelingt es, digitale Forschungsinfrastrukturen als „architecture of participation“ zu planen und umzusetzen. Die daraus resultierende Stärke von DARIAH-DE ist die starke Einbindung von Fachwissenschaftlern in die Konzeptions- und Aufbauphase dieser digitalen Forschungsinfrastruktur für die Geistes- und Kulturwissenschaften. Die kommende dritte Förderphase wird zeigen, ob dieser community-getriebene und vor allem interdisziplinäre Ansatz auch auf Dauer und vor allem, wenn es eher um betriebswirtschaftliche, rechtliche und organisatorische Aspekte und Fragestellungen gehen wird, weiterhin aufrecht erhalten werden kann. Dies ist die zentrale Herausforderung, denn eine digitale Forschungsinfrastruktur kann nur dann betrieben und weiterentwickelt werden, wenn Fachwissenschaftler und deren Forschungsvorhaben und Erkenntnisinteressen Dreh- und Angelpunkt der gesamten Entwicklungen sind. Um dies sicherzustellen, werden die vier inhaltlich und fachwissenschaftlich ausgerichteten Cluster Forschungsdaten, Big Data, Annotationen und Wissenschaftliche Begleitforschung im Rahmen der dritten Förderphase von DARIAH-DE fortgeführt und zugleich ausgebaut.

Nichtsdestotrotz wird diese dritte Förderphase sowohl für DARIAH-DE als auch für das Schwestervorhaben CLARIN-D[52] die „Gretchen-Frage“ zu digitalen Forschungsinfrastrukturen für die Geistes- und Kulturwissenschaften in der deutschen Forschungslandschaft aufwerfen, die da lautet: Wie halten wir es mit der Finanzierung von digitalen Forschungsinfrastrukturen? Dass ein Bedarf vorhanden ist, zeigen die Nutzer- und Zugriffszahlen; dass dieser Bedarf zugleich aber auch finanziert und dadurch dauerhaft und nachhaltig befriedigt und dafür eine digitale Forschungsinfrastruktur betrieben werden muss, ist die zentrale Herausforderung. Die Antwort hierauf wird darüber entscheiden, ob der im internationalen Vergleich vorhandene Vorsprung und die hohe Geschwindigkeit der digitalen Transformation in den Geistes- und Kulturwissenschaften in Deutschland beibehalten und fortgeführt werden kann.

Literaturverzeichnis

Sahle, Patrick (2013): DH Studieren! Auf dem Weg zu einem Kern- und Referenzcurriculum der Digital Humanities. (DARIAH-DE Working Papers 1). Göttingen: DARIAH-DE. Verfügbar unterurn:nbn:de:gbv:7-dariah-2013-1-5.Search in Google Scholar

Reiche, Ruth; Becker, Rainer; Bender, Michael; Munson, Mathew; Schmunk, Stefan; Schöch, Christof (2014): Verfahren der Digital Humanities in den Geistes- und Kulturwissenschaften. (DARIAH-DE Working Papers 4). Göttingen: DARIAH-DE. Verfügbar unter urn:nbn:de:gbv:7-dariah-2014-2-6.Search in Google Scholar

Klimpel, Paul; Weitzmann, John H. (2015): „Forschen in der digitalen Welt. Juristische Handreichungen für die Geisteswissenschaften“. (DARIAH-DE Working Papers 12). Göttingen: DARIAH-DE. Verfügbar unter urn:nbn:de:gbv:7-dariah-2015-5-0.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2016-7-1
Erschienen im Druck: 2016-7-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 19.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2016-0026/html
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