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Vita
Goltzius (Bracht van; Gols; Goltius; Goltz; Golzius), Hendrick (Hendick; Hen[d]ricus; Hen[d]rik), niederl. Zeichner, Grafiker, Herausgeber, Maler, *A. Febr. 1558 Mühlbrecht/Venlo, †1.1.1617 Haarlem. Sohn von Jan II G., Enkel von Jan I G., Urenkel von Hubrecht Goltz, Großneffe von Hubertus G., Bruder von Conrad Goltz und Jacob II G., Stiefvater des Stechers, Zeichners und Herausgebers Jacob Matham.
Biogramm
Anfänglich Schüler des Vaters in Duisburg, wo die Fam. ab 1561 wohnt. Um 1574/75 Lehrling des holl. Grafikers und Ethikers Dirck Volckertsz. Coornhert, der sich als Verbannter im 30 km entfernten Xanten aufhält und im Januar 1577, nach Abzug der span. Besatzer, nach Haarlem zurückkehrt, wohin G. ihm einige Monate später nachfolgt. Heiratet mit 21 Jahren die Witwe Margaretha Jansdr., nimmt deren Sohn aus erster Ehe als Stiefsohn an. Zunächst arbeitet G. von Haarlem aus für die Antwerpener Verleger Aux Quattre Vents und Philips Galle. Den relig. und didaktischen Inhalten der dort veröff. Werke liegt meist das Gedankengut Coornherts zugrunde. G. konzipiert die Entwürfe selbstständig, lässt sich dabei aber von Arbeiten von Maarten van Heemskerck, Adriaan de Weert, Anthonie Blocklandt, Dirck Barendsz. sowie Drucken nach Raffael, Tizian, Parmigianino und Federico Zuccari inspirieren. Anfänglich bedeutet G.s Fertigkeit als Porträtist eine wichtige Einnahmequelle. Die mit Metallstift gezeichneten und meistens auf Medaillons gravierten Bildnisse finden bei der holl. Oberschicht Anklang, u.a. Porträts von Wilhelm von Oranien und Ehefrau Charlotte de Bourbon sowie and. Führungspersönlichkeiten im Aufstand gegen die span. Besatzungsmacht. Vermutlich führt Coornhert, als persönlicher Ratgeber des Prinzen, G. in dieses Milieu ein. Entsprechendes gilt auch für die Antwerpener Humanisten, deren Konterfeis er zeichnet und sticht, u.a. Christoffel Plantijn, Abraham Ortelius und Galle. 1582 beginnt G. in Haarlem mit der Herausgabe von Stichen und durchbricht damit das Monopol Antwerpens auf dem niederl. Grafikmarkt. Anders als die Antwerpener Drucker arbeitet G. v.a. nach eig. Entwürfen bzw. nach Künstlern, die er bes. schätzt. Diese Unabhängigkeit ermöglicht es G., ausschl. Bll. höchster künstlerischer und technischer Qualität zu fertigen, bestimmt für ein internat. Publikum von Kennern und Liebhabern. Der Kontakt mit dem fläm. Maler Karel van Mander, der sich 1583 als Flüchtling in Haarlem niederlässt, sowie dem lokalen Maler Cornelis Cornelisz. van Haarlem ist für G. von weitreichender Bedeutung. Zu dritt verkörpern sie die sog. "Haarlemse Academie". Wie lange und auf welche Weise die Akad. tatsächlich bestand, ist ungeklärt, doch kann der Einfluss untereinander sowie auf die holl. Kunst kaum überschätzt werden. Durch Van Mander lernt G. die Zchngn Bartholomäus Sprangers kennen, des aus Antwerpen stammenden Hofmalers von Kaiser Rudolf II. in Prag, und sticht nach ihm 1585-90 sieben Zchngn, u.a. die mon. Hochzeit von Cupido und Psyche, 1587. Seine eigenständige, virtuose Radiertechnik gibt G. an einige talentierte Mitarb. weiter, darunter Jacques II de Gheyn, Pieter I de Jode, Jan Pietersz. Saenredam, Jan Muller und den Stiefsohn Matham. Mit ihrer Hilfe veröffentlicht G. 1586-90 ca. 200 Drucke, die er über die Frankfurter Buchmesse an Liebhaber in ganz Europa verkauft. Dabei entwirft G. den weitaus größeren Teil selbst, u.a. den Großen Herkules, eine der extremsten Umsetzungen des Stils von Spranger. Im Laufe dieser überaus produktiven Jahre zieht sich G. ernstliche physische und psychische Erkrankungen zu. Van Mander beschreibt dies in der detaillierten Biogr. mit Informationen aus erster Hand (in: Het Schilder-boeck, Haarlem 1604), die auf der Grundlage einer über zwanzigjährigen Freundschaft beruhen. So schildert er, wie der todkranke G. im Herbst 1590 die lang geplante Reise nach Italien beginnt und sich auf der Fahrt von Hamburg nach München zunehmend erholt. Um Empfänge und and. Verzögerungen zu vermeiden, reist der berühmte Stecher inkognito über München nach Venedig, Bologna und Florenz und erreicht am 10. Januar 1591 Rom. Ohne sich zu erkennen zu geben, zeichnet er dort in roter und schwarzer Kreide zahlr. antike Skulpturen und and. Kunstwerke, u.a. von Michelangelo, Raffael sowie Polidoro da Caldara (u.a. Haarlem, Teylers Mus.). Als G. schließlich seine Identität preisgibt, folgen Zusammentreffen mit örtlichen Künstlern, u.a. mit Zuccari. Vor der Abreise am 30. August 1591 porträtiert er Girolamo Muziano und Francesco da Castello, in Florenz Giambologna, Jan van der Straet und Pierre Franqueville, in Venedig Jacopo Palma (il Giovane) und Dirck de Vries sowie auf dem Rückweg, in München, Christoph Schwarz und Johann II Sadeler. In Haarlem verarbeitet G. die ital. Eindrücke und mitgebrachten Studien in Grafiken und Zeichnungen. Dabei führt er nur einen Teil der beabsichtigten Projekte aus und setzt von den Skizzen antiker Skulpturen lediglich drei in Stiche um, die erst kurz nach G.s Tod hrsg. werden, u.a. Herkules Farnese. Van Mander erwähnt zu diesem Zeitpunkt erneut Krankheit und dadurch bedingten Zeitverlust. Obwohl am 26. März 1593 G.s Stiefsohn und aktivster Mitarb., Matham, für einen Aufenthalt bis 1597 nach Italien abreist, bleibt der Produktionsumfang der Wkst. weiterhin beeindruckend. Der zunächst gepflegte Sprangerstil weicht allmählich einer Vielzahl and. Einflüsse, die G. vorzugsweise miteinander kombiniert, u.a. die Drucktechnik von Albrecht Dürer und Lucas van Leyden mit stilistischen Besonderheiten von Tizian, Barocci, Zuccari bzw. Michelangelo. Wegen G.s Imitationsvermögen und Fähigkeit, in versch. Stichweisen zu arbeiten, bezeichnen ihn der Humanist Cornelius Schonaeus und Van Mander als einen Proteus bzw. Vertumnus der Kunst. 1593-1600 gestaltet G. seine herausragendsten Rad., Feder-Zchngn sowie zahlr. Grafikentwürfe, die meist von Saenredam ausgeführt werden. G. selbst radiert 1593 und '94 die berühmte Serie Marienleben, wobei er sowohl Drucke von Dürer und Van Leyden als auch zeitgen. niederl. Grafiken nach Gem., u.a. von Jacopo Bassano und Federico Barocci, miteinander vereint. Als Dank für die Widmung an Wilhelm V. von Bayern erhält G. eine Goldkette mit dem Porträt des Herzogs. Die Passion, 1596-98, in der Art Van Leydens, eignet er einer and. Schlüsselfigur der Gegenreformation, Federico Borromeo, Erzbischof von Mailand, zu. Am 12. April 1595 erhält G. das kaiserliche Privileg, das die Veröff. im Herrschaftsgebiet Rudolfs II. für sechs Jahre vor Kopisten schützt. Unter G.s Ltg wächst 1582-1600 das Wkst.-Repertoire auf ca. 520 Rad. und Chiaroscuro-Hschn. an, von denen die meisten auf Entwürfen G.s (453 Komp., davon 146 eigenhändig gravierte) basieren und dabei die profanen die religiösen Darst. überwiegen. Daneben fertigt er zahlr. Zchngn, u.a. großformatige Feder-Zchngn in Radierweise wie die sog. Federkunststücke. Diese äußerst virtuosen Arbeiten auf Papier, Pergament oder Lw. sind bes. bei fürstlichen Sammlern gefragt, u.a. die mon. Feder-Zchngn der Pietà (Wien, Albertina). Das urspr. für den span. König Philip II. bestimmte Werk wird aufgrund seines vorzeitigen Todes 1598 an die Bankiers-Fam. Fugger in Augsburg verkauft. Weiterhin ist der Erwerb von drei Feder-Zchngn durch Kaiser Rudolf II. gesichert, u.a. die mehr als 2 m hohe Zchng/Lw. Sine Cerere et Baccho friget Venus, 1606 (St.Petersburg, Ermitage), sowie das kleinere, mit Ölfarben kolorierte Werk mit vergleichbarer Darst. (um 1600, Philadelphia/Pa., Mus. of Art). Mindestens zweimal führte G. Feder-Zchngn im Radierstil aus, die mehr als lebensgroß seine rechte Hand darstellen; sein Unfall als Kleinkind, bei dem diese Hand verstümmelt wurde, wird von Van Mander ausführlich beschrieben. Die verbrannte rechte Hand ist sozusagen ein "Markenzeichen" des berühmten Zeichners, und mit den virtuosen "Selbstporträts" dieser Hand zeigt G. seine Kunstfertigkeit trotz ihrer Verstümmelung. Die Demonstration seines Könnens führt wiederholt zu übersteigerten Kunstwerken, wie die auf Pergament bzw. Lw. ausgef. Feder-Zchngn bzw. gravierten Gold- und Silberplatten, u.a. Silberplakette mit Sine Cerere et Baccho friget Venus, 1595 (Wien, KHM, Kunstkammer). Neben solch repräsentativen Objekten fertigt G. nach der Natur zahlr. Studien in Feder, Kreide oder Metallstift, darunter Porträts von Freunden und Fam.-Angehörigen, seines Hundes, Studien von Tieren, Bäumen, Pflanzen und Landschaften. G.s Darstellungen der Umgebung von Haarlem gehören zu den frühesten bek., nach der Natur gezeichneten holl. Lsch.-Ansichten. Vermutlich besaß G. einen Garten und sammelte Blumen und Pflanzen. Außer dem tatsächlichen Interesse an der Flora, Natur-Wiss. und Alchimie liegt die Beschäftigung damit viell. in der schwachen Gesundheit begründet, aufgrund der er, lt. Van Mander, zu längeren Aufenthalten im Freien gezwungen ist. Um 1600 endet G.s Beschäftigung mit der Grafik und er beginnt, im Alter von 42 Jahren, seine Laufbahn als Maler. Über die Motive dieser Entscheidung wurde viel spekuliert: Wahrsch. ist sie durch ein Zusammentreffen versch. Faktoren, u.a. G.s schwache Gesundheit, v.a. aber die fehlende, sowohl ökonomische als auch künstlerische Notwendigkeit, selbst weiterhin Stiche zu fertigen, bedingt. Van Mander beschreibt, wie G. seit der Rückkehr aus Italien täglich die Werke der großen ital. Meister vor sich sieht, dabei v.a. die Darst. anmutiger Eleganz bei Raffael, glühender Inkarnats- und Schattenpartien bei Tizian sowie schöner, seidener Stoffe bei Veronese. So wie G. in Drucken und Zchngn nördliche und ital. Stilformen kombiniert, so ist er auch in der Malerei bestrebt, das Beste beider Kunstwelten miteinander zu verbinden. Dabei werden Bildthemen und Farbgebrauch deutl. von der venez. Malerei beeinflusst, die technische Ausf. hingegen von der niederl. Trad., u.a. Danae, 1603 (Los Angeles/Calif., County Mus. of Art). Sie verweist auf Akt-Darst. von Tizian, wobei G. dessen venez., pastos-fleckige Malweise in den Hautpartien und Draperien in eine nördliche, glatte Pinselführung überträgt. Die ersten Gem. malt G. auf Kupfer, u.a. Christus am Kreuz mit Maria, Johannes und Maria Magdalena, ca. 1600 (Karlsruhe, Staatl. KH); später wählt er jedoch v.a. Leinwände mit farbiger Grundierung. Ein Agent Rudolfs II. hat große Mühe, das kleine Kupferbild Christus auf dem kalten Stein, 1602 (Providence, Rhode Island School of Design, Mus. of Art), zu erwerben; ein Haarlemer Sammler bezahlt einen astronomischen Betrag für die dreiteilige Gem.-Serie mit Mercurius; Minerva; Herkules, 1611-13 (Haarlem, Frans Hals Mus., Leihgabe Den Haag, Mauritshuis). Für den Geldhändler Bartholomeus Ferreris malt G. die mon. Danae, umgeben von Reichtümern (Los Angeles/Calif., County Mus. of Art), die auch beispielhaft ist für G.s doppeldeutige und humoristische Behandlung erotischer Themen. Im Œuvre wechseln sich biblische Themen und Frömmigkeitsbilder mit mythologischen Komp. voll sinnlicher Akt-Darst. ab. In dieser Hinsicht sind auch zwei große Gem. mit alttestamentarischen Aktfiguren bemerkenswert: Sündenfall (Washington/D.C., NG of Art); Lot und seine Töchter (Amsterdam, RM). Beide datieren von 1616 und gehören zu den letzten Arbeiten des Künstlers. Die Bedeutung des größten und repräsentativsten Gem., Eer boven Golt (Ehre vor Gold; dat. 1611; Basel, KM), ist noch ungeklärt. Vermutlich handelt es sich um eine Allegorie auf die Alchimie und eine Anspielung auf den persönlichen Wahlspruch des Künstlers, der dennoch zu erheblichem Wohlstand kommt. So ist G. in der Lage, große Summen für alte Gem. zu zahlen, die er zu seinem persönlichen Vergnügen anschafft, u.a. Triptychon "Der Blinde von Jericho" von Van Leyden (St.Petersburg, Ermitage). Auch verhindern Van Mander und G. 1602, dass Van Leydens Triptychon mit dem "Jüngsten Gericht" (Leiden, Mus. de Lakenhal) von der Leidener Stadtverwaltung an Agenten von Rudolf II. verkauft wird. Dieser Einsatz kann als eines der frühesten Beispiele des Schutzes nat. Eigentums angesehen werden. 1603 beauftragt der Haarlemer Stadtmagistrat die Maler Cornelisz. van Haarlem, Hendrick Cornelisz. Vroom und G., jeweils ein Bild zu malen, das in Anerkennung ihrer Kunst im Prinsenhof hängen sollte. Dieser augenscheinlich äußerst ehrenvolle Auftrag wird von keinem der drei Künstler vollendet. Hingegen kommt die Bestellung der Bierbrauergilde für einen großen St.Martinsbecher in Silber in Zusammenarbeit mit dem Amsterdamer Architekten und Bildhauer Hendrick de Keyser sowie dem Utrechter Silberschmied Ernst Jansz. van Vianen 1604 zur Ausführung (Haarlem, Frans Hals Mus.). Für die Haarlemer Vrg der Rederijker entwirft G. Stiche, Wappen sowie Kostüme und ist Jury-Mitgl. bei deren lit. Wettbewerben. Ungeachtet solcher Beiträge für lokale Aktivitäten scheint G. nie Mitgl. einer Vrg bzw. Kirchengemeinschaft gewesen zu sein. Die Zurückhaltung hinsichtlich des örtlichen (kath.) Vereinslebens kann vermutlich darauf zurückgeführt werden, dass G. in bes. Weise seine Freiheit schätzte, wie Van Mander berichtet. A. Okt. 1616 teilt Sir Dudley Carlton mit, dass der Künstler erkrankt sei und den Winter nicht überleben werde. G. stirbt am Sonntagabend des 1. Januars 1617 und wird in der Grote Kerk in Haarlem begraben. Den Druckereibetrieb führt Matham weiter, von dem drei Söhne in die Fußspuren des berühmten Großvaters treten.
Werke
Amsterdam, RM: ca. 34 Zchngn, u.a. Venez. Hochzeit, Feder und Pinsel, um 1584; Portr. Gillis van Breen, Feder, um 1600; Sitzender Affe, Farbkreide, um 1595; Kopf eines alten Mannes, Kreide, 1610; Vertumnus und Pomona, Öl/Lw., 1613. Berlin, Kpst.-Kab.: ca. 24 Zchngn, u.a. Portr. Jacopo Palma, Farbkreide, 1591; Myst. Vermählung der hl.Katharina, Farbkreide, um 1600. Birmingham, Mus. and AG: Portr. Robert Dudley, Goldmedaillon, graviert, 1586. Braunschweig, HAUM. Brüssel, Koninkl. MSK: Sine Cerere et Baccho friget Venus, Farbkreide, um 1599. Cambridge, Fitzwilliam Mus.: Vertumnus und Pomona, Öl/Lw., 1615. Chatsworth, Devonshire Coll.: Arkad. Lsch., Feder, 1593. Coburg, KS der Veste: Portr. Jan Govertsz., Feder/Pergament, 1614. Frankfurt am Main, Städel, GrS: Portr. Gillis van Breen, Farbkreide, um 1588; vier Studien von Händen, Farbkreide, um 1588. Haarlem, Teylers Mus.: ca. 110 Zchngn, u.a. Röm. Studienmappe; Portr. mit Metallstift; Portr. Giambologna, Farbkreide, 1591; Portr. G.s Hund, Farbkreide, um 1595; Gestrandeter Wal, Feder, 1598; G.s rechte Hand, Feder, 1588; Berg-Lsch., Feder, 1594; Eva nach dem Sündenfall, Kreide und Pinsel, 1606. London, BM: ca. 15 Zchngn, u.a. Selbstbildnis, Metallstift, um 1590; Sine Cerere et Baccho friget Venus, Feder/Pergament, 1593; Sine Cerere et Baccho friget Venus, Grisaille/Papier, um 1599. Los Angeles/Calif., J.Paul Getty Mus.: Venus und Mars, Feder, um 1585. Münster, Westfäl. LM: Hl.Sebastian, Öl/Lw., 1615. New York, Pierpont Morgan Libr.: Urteil des Midas, Feder und Wasserfarbe, 1590; Jüngling mit Tulpe und Schädel, Feder, 1614. Oxford, Ashmolean Mus.: Mercurius, Feder, 1587; Baumstudie, Feder und Wasserfarbe, um 1597. Paris, Louvre: Brunnen in Form einer Wassernymphe, farbige Feder, 1598. Princeton/N.J., Univ. AM: Schmerzensmann, Öl/Holz, 1614. Rotterdam, BvB: ca. 22 Zchngn, u.a. Venus und Cupido, Feder, 1590; zwei Lsch. bei Haarlem, Feder, um 1603; Portr. Jan Govertsz., Öl/Lw., 1603. St. Petersburg, Ermitage: Sündenfall, Öl/Holz, 1608; Taufe Christi, Öl/Holz, 1608. Stockholm, NM: Selbstbildnis, Kreide, um 1592; Groteske Köpfe, Kreide, um 1598. Utrecht, Centraal Mus.: Passion Christi, Öl/Lw., 1607. Wien, Albertina: ca. 17 Zchngn, u.a. Selbstbildnis, Farbkreide, um 1595; Lsch. mit Venus und Adonis, Feder, 1596; Bacchus mit jungem Faun, Feder/Pergament, um 1595.
Selbstzeugnisse
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Ausstellungen
E: 1958 Rotterdam, BvB u.a.: G. als tekenaar / 1968 St.Petersburg, Ermitage: Grafika Gendrika Golciusa / 1969 Mailand, Bibl. Ambrosiana: Incisioni di G. conservate all'Ambrosiana / Kevelaer, Niederrhein. Mus. für Volkskunde und Kultur-Gesch.: 1973 H.G. 1558-1617; 1982 Der Kupferstecher H.G. 1558-1617 (Wander-Ausst.) / 1985 Haarlem, Vleeshal: G. als schilder / 1991 Philadelphia (Pa.), Mus. of Art: The "pen-works" of H.G. / 1992 Amsterdam, RM u.a.: Chiaroscuro woodcuts. H.G. and his time; Los Angeles, Univ. of Southern California, Fisher Gall.: H.G. and the classical trad. / 2001 Williamstown (Mass.), Sterling and Francine Clark Art Inst. u.a.: G. and the third dimension / 2002 Hamburg, KH: Die Masken der Schönheit, H.G. und das Kunstideal um 1600 / 2003 Amsterdam, RM u.a.: H.G. 1558-1617, drawings, prints and paint. / 2016 Basel, KM (K). - G: 1955 Amsterdam, RM: De triomf van het Maniërisme, De Europese stijl van Michelangelo tot El Greco / 1970 Poughkeepsie (N.Y.), Vassar College AG: Dutch Mannerism, apogee and epilogue / 1979 Berlin, Kpst.-Kab.: Manierismus in Holland, Kpst., Hschn. und Zchngn aus dem Berliner Kpst.-Kab.; München, Staatl. GrS: Graphik der Niederlande 1508-1617, Kpst. und Rad. von Lucas van Leyden bis H.G. / 1980 Washington, NG of Art u.a.: Gods, Saints and Heroes, Dutch Paint. in the Age of Rembrandt / 1982 Zürich, Eidgenöss. TH, GrS: Eros und Gewalt, H.G. und der niederl. Manierismus / 1988 Essen, Villa Hügel u.a.: Prag um 1600, Kunst und Kultur am Hofe Rudolph II. / 1990 Gouda, Sted. Mus. Het Catharina Gasthuis: De wereld tussen Goed en Kwaad, Late prenten van Coornhert / 1991 Edinburgh, NG of Scotland: The stylish image, Printmakers to the court of Rudolf II / 1993 Amsterdam, RM: Dawn of the Golden Age, Northern Netherlandish Art 1580-1620; Evanston (Ill.), Northwestern Univ., Mary and Leigh Block Mus. of Art u.a.: Graven Images, The rise of professional printmakers in Antwerp and Haarlem 1540-1640 / 1994 St.Niklaas, Sted. Mus.: Sterren in beeld, Astrologie in de eeuw van Mercator / 1997 Prag, Burg: Rudolf II and Prague, The court and the city; Stuttgart, SG, GrS u.a.: Der Welt Lauf, Allegor. Graphikserien des Manierismus / 1999 Rotterdam, BvB u.a.: Dutch Classicism in seventeenth-c. paint.
Bibliographie
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Artikel aus Thieme-Becker
Biogramm
Goltzius (Goltz, Golzius, Goltius), Hendrick, holländ. Kupferstecher, Radierer, Zeichner, Maler u. Glasmaler, geb. in Mühlbrecht bei Venlo im Jan. od. Febr. 1558, † in Haarlem am 1. 1. 1617. Ältester Sohn des Jan II Goltz und Bruder des Jacob II Goltzius (Stammbaum s. unten). In Duisburg Schüler seines Vaters, der ihn in die Glasmalerei einführte. Um 1575 kam G. zu dem Kupferstecher Coornhert in die Lehre, der damals in Xanten u. Cleve lebte u. 1577 nach Haarlem zurückkehrte, wohin ihm G. folgte. Coornhert vermittelte seinem Schüler die Verbindung mit Philip Galle in Antwerpen, für dessen Verlag G. seine ersten selbständigen Blätter stach. Schon 1579 verheiratete er sich in Haarlem mit Margaretha Jansdochter, Witwe von Adriaen Matham, die ihm einen 8jährigen Sohn, den spätem Kupferstecher Jacob Matham, mit in die Ehe brachte. Seit 1582 beginnt G. Blätter in eigenem Verlag herauszugeben, seit spätestens 1584 hat er Schüler beschäftigt. 1586 suchen ihn die Jesuiten in Rom für eine große Illustrierungsarbeit zu gewinnen; bereits hat er ein Probeblättchen geliefert (Hirschmann [s. Lit.] 16). Trotz verlockenden Bedingungen lehnt er aber den Auftrag unter dem Vorwand von Arbeitsüberhäufung schließlich ah. Aus dem in dieser Sache zwischen den Jesuiten und Christoph Plantijn in Antwerpen geführten Briefwechsel geht unzweideutig hervor, daß G. damals bereits der angesehenste Stecher in den gesamten Niederlanden war. In ununterbrochener Reihe entstanden gestochene Bildnisse u. Historienstiche, in Einzelblättern u. ganzen Folgen, vorerst meist nach fremden Vorbildern, dazwischen aber auch nach eigener Erfindung. Daneben schuf er zahlreiche Vorlagen, die er unter seiner Aufsicht durch Schüler vervielfältigen ließ. Die umfangreichsten dieser Werkstattarbeiten sind die gegen 1590 entstandenen, aus zwei Serien von je 20 Bl. sich zusammensetzenden (1615 durch noch 12 Bl. erweiterten) Folgen aus den Metamorphosen Ovids (B. p. 104 Nr 31-82). Dieser gewaltigen Anspannung war G.s schwächliche Gesundheit jedoch nicht gewachsen. Wahrscheinlich von Geburt an schwindsüchtig, wurde sein Leiden jetzt derart, daß die Arzte ihm einen Aufenthalt im Süden anrieten. Ende Okt. 1590 brach er nach Rom auf. Die Reise ging zu Schiff nach Hamburg, von dort nach München, Venedig u. über Bologna u. Florenz nach Rom, wo G., durch den dauernden Aufenthalt an der frischen Luft genesen, am 10. 1. 1591 eintraf. Um den Verpflichtungen, die ihm sein auch in Italien schon bekannter Name auferlegt hätte, zu entgehen, nannte er sich Hendrick van Bracht. "Gleich einem Lehrjungen" (v. Mander) machte er sich daran, die berühmtesten Antiken nachzuzeichnen (erhaltene Blätter im Teyler-Mus. in Haarlem). Neben Raffael (Farnesina) war es vor allem Polidoro Caldara, der ihn anzog, und dessen Sgraffitomalereien er kopierte, um sie nach seiner Heimkehr zu stechen (H. 296-304) oder durch Schüler vervielfältigen zu lassen. Ende April machte er einen Abstecher nach Neapel. Nach Rom zurückgekehrt, trat er nach Lüftung seines Inkognitos mit den dortigen Künstlern, worunter Fed. Zuccaro, Girolamo Muziano, Francesco Castello u. wahrscheinlich auch Fed. Barocci, in persönliche Verbindung. Schon am 3. 8. 1591 verließ er Rom wieder, um auf der Heimreise in Florenz Giov. da Bologna, in Venedig seinen Freund, den Stillebenmaler Dirck de Vries, aufzusuchen und in München den Kupferstecher Jan Sadeler und den Maler Christoph Schwarz zu porträtieren. Auch von den meisten seiner italienischen Künstlerbekanntschaften brachte er gezeichnete Bildnisse mit nach Hause. (Von diesen sind erhalten das des Sadeler im Prentenkab. in Amsterdam, die von Giov. da Bologna u. D. de Vries im Teyler-Mus. in Haarlem; das von Zuccaro war zuletzt i. d. Verstg R. Goldschmidt in Frankfurt a. M. 5. 10. 1917 Nr. 229, mit Abb.). Nach seiner Rückkehr nach Haarlem entstanden, z. T. nach den aus Italien mitgebrachten Vorlagen, seine berühmtesten Blätter, vorab die sogen. sechs "Chefs d'oeuvre" (H. 9-14), die er Herzog Wilhelm V. von Bayern widmete. Eine Folge der 9 Musen (H. 148-156) widmete er 1592 Jan Sadeler, und eine Passion (H. 21-32) dedizierte er 1598 dem Kardinal Federico Borromeo. 1595 hatte G. für seine Stiche ein kaiserl. Privileg bekommen, das deren Nachdruck im ganzen Reich für die Dauer von 6 Jahren verbot. G. sorgte als guter Geschäftsmann für den Vertrieb seiner Stiche; es ist überliefert, daß er sie partienweise nach Paris und London schickte, u. auch in Rom lagen sie zum Verkauf aus. Um 1600, auf der Höhe seines Ruhmes, verlegte sich G. aus theoretischen Überlegungen auf das Malen; nach 1600 hat er nur noch ganz gelegentlich gestochen (vgl. unten). Das große Ansehen, das seine Stiche genossen, übertrug sich unmittelbar au(seine Malereien. 1603 berichtet der lippische Hofmaler Johann Tilmans, der als Agent Bilder für Kaiser Rudolf II. aufkaufte, daß die Gemälde von G. für kein Gold feil seien, u. ein anderer Zeitgenosse (Caspar Diemenus in einem Brief an Justus Lipsius, 1606) ist der Meinung, daß die übrigen Maler neben G. wie Schatten erbleichen. Aus dem Jahr 1605 sind zwei eigenhändige Briefe G.s an den Amsterdamer Goldschmied Hans van Weely erhalten (Prentenkab. i. Amsterdam), in deren einem G. in bitterem Tone von Widersachern spricht, die er gehabt zu haben scheint; auch v. Mander u. Gerbier berichten von solchen. 1608 erhielt G. von der Stadtregierung den Auftrag, eine Wand im Speisesaal des Prinzenhof (jetzt städt. Bibliothek) zu bemalen (zerstört). - G. war ein Mann von umfassender, zumal auch literarischer Bildung; er war Mitglied der Rederijkerkamer "Trouw moet blijcken" u. stand in freundschaftlichem Verkehr mit den ersten Gelehrten seiner Zeit. 1616 prophezeit der englische Gesandte im Haag, Sir Dudley Carleton, in einem Brief vom 14. 10., daß G. den Winter nicht mehr überleben werde; tatsächlich ist dieser in der Neujahrsnacht zum 1. 1. 1617 gestorben. Er wurde in der St. Bavokirche beigesetzt. Sein Grab wurde mit einer Kupferplatte geschmückt, die sein durch Jacob Matham gestochenes Bildnis (die Originalplatte des gewöhnlich G. selbst zugeschriebenen Stiches Bartsch: Goltzius 172) nebst einer Grabschrift trug. Künstlerische Entwicklung: Als Steche r. G.s früheste Historienstiche, die er seit 1578 nach eigener Erfindung u. nach fremden Vorlagen (Adriaen de Weert, Joh. Stradanus, M. de Vos) stach, unterschieden sich durch nichts von den wenig hochstehenden Leistungen der zeitgenössischen Stecher. Seine erwachende Künstlerschaft zeigt sich zuerst im Porträtfach. Nach einigen noch steifgeratenen Versuchen schuf er seit 1579 eine Reihe von in kleinem Medaillonformat gehaltenen Brustbildern, die durch gute Individualisierung, besonders aber durch die Feinheit und Sicherheit der Ausführung hervorragen. Die Originalplättchen (meist Silber; ein erhaltenes Beispiel im Nederl. Mus. in Amsterdam) waren als Anhänger bestimmt, weshalb die Schrift der Abzüge oft im Spiegelsinn erscheint, und diese selbst nur in kleiner Auflage hergestellt wurden, was ihre Seltenheit erklärt. In den Bildnisstichen der folgenden Jahre (1582 Philip Galle, H. 190; ca 1583 Wilh. v. Oranien u. Charlotte de Bourbon, H. 203, 204; 1586 Pieter Forestus, H. 187; 1588 Jan van Suren, H. 220) entfaltet G. eine sich steigernde Meisterschaft, die vermuten läßt, seine stärkste künstlerische Begabung habe auf dem Gebiet der Bildniskunst gelegen. Wahrscheinlich war es die Berührung mit Karel v. Mander, durch die G.s Entwicklung in andere Bahnen geleitet wurde. Jener hatte (seit 1583) mit G. u. Cornelis Cornelisz eine Ateliergemeinschaft gegründet (die sog Haarlemer Akad.), in der, als erster Zweck, das Modellstudium gepflegt, daneben aber durch v. Mander vor allem die Kunst des Barth. Spranger propagiert wurde. Diese wurde für G.s weitere Entwicklung entscheidend. Von 1585-89 sticht er, außer nach C. Cornelisz, hauptsächlich nach Vorlagen Sprangers eine Reihe von Blättern (1585 Adam u. Eva, H. 316; 1587 die von drei Platten gedruckte große Götterhochzeit, H. 322 [die orig. Vorzeichg. Sprangers im Prentenkab. in Amsterdam]; 1588 Mars u. Venus, H. 321; u. a.), in denen er den Eigenschaften seiner Vorbilder auf stets vollkommenere Weise gerecht wird, dabei aber so in deren Bann gerät, daß er auch in Stichen eigener Erfindung in der geschmeidigglatten Formensprache Sprangers arbeitet. Zugleich aber entwickelt er an den Vorlagen Sprangers, und wohl nicht ohne deren direkten Einfluß, in der kurzen Zeitspanne von kaum 5 Jahren seine Technik zu jener Brillanz und Freiheit, die seine bedeutsame Stellung in der Geschichte des Kupferstichs begründen. Ausgehehd von der trocken-schematischen Stechweise der (etwa durch Philip Galle vertretenen) Antwerpener Schule, gelangt er, hierbei vielleicht durch die auch bereits in diese Richtung weisenden Arbeiten von Cornelis Cort befruchtet, zu seinem wohldurchdachten Stechsystem, das durch die Prinzipien der geschwellten Taillen (Stichelzüge) u. der variierten Abstände zwischen diesen beherrscht wird; dazu gesellt sich eine äußerst geschickte Verwendung der Kreuzlagen. Die Errungenschaft kommt vor allem der Wiedergabe weichstofflicher Materie zugute, weshalb Aktdarstellungen bevorzugt bleiben. Die erlangte Gewandtheit der Stichelführung zeitigt Auswüchse ins Spielerische (Herkules, sog. "Knollenmann", H. 143) u. wird in der Bewältigung gesucht schwieriger Aufgaben zum Virtuosentum (die vier Himmelstürmer nach C. Cornelisz, H. 306-9). Trotzdem bleibt die technische Leistung G.s von größter Bedeutung; sie bildet die Voraussetzung für die Weiterentwicklung der gesamten Kupferstichkunst. Viel Nachahmung haben G.s Soldatenstiche gefunden (besonders der Fahnenschwinger, H. 255, dessen Typus übrigens bis auf Dürer zurückzuverfolgen ist); 1589 ist eine Apostelfolge (H. 34-47) entstanden. G.s Italienreise wird für ihn die Ursache einer Reaktion im Sinne einer allgemeinen Mäßigung und Neuorientierung, die sich vor allem in der völligen Abkehr von Spranger dokumentiert; G. sticht nach 1590 kein einziges Blatt mehr nach diesem und auch nicht mehr nach irgendeinem zeitgenössischen Landsmann. Während einige Schüler die in G.s Technik liegenden Möglichkeiten ins Absurde steigern (sog. Teigstil), enthält sich G. fortan jeder technischen Übertreibung. Er sticht nach italien. Vorbildern und sucht Dürer und Lucas v. Leyden in ihrer eigenen Ausdrucksweise zu übertreffen {Pietà in der Manier Dürers, II. 50; Passion in der Manier d. Lucas v. L. H. 21-32). Den Höhepunkt seiner technischen Entwicklung bilden die sog. Chefs d'oeuvre, H. 9-14, 6 Darstellungen aus dem Marienleben im Stile von Raffael (?), Parmeggianino, Bassano, Dürer, Lucas v. L. und Barocci. Seine höchste Meisterschaft aber tritt wiederum in einigen Bildnissen zutage, besonders dem halblebensgroßen Porträt Coornherts (H. 180) und dem in kleinerem Format gehaltenen des Jean Nicquet (H. 202), Heinrichs IV. von Frankreich (H. 193) u. der Ganzfigur des jungen Fred. d. Vries (H. 218). Die wenigen Blätter, die G. nach 1600 gestochen hat, sind: cine unvollendet gebliebene Anbetung der Hirten (H. 15), ein gemeinsam mit Matham gestoch. Doppelblatt (Hochzeit von Kana) nach Salviati (H. 315), das Fragment eines bethlehemitischen Kindermords (H. 17) u. drei erst nach seinem Tode herausgegebene Stiche nach antiken Statuen (H. 45-7, Vorzeichgn. zum Herkules Farnese u. Kommodus als Herkules im Teyler-Mus. in Haarlem). Das gewöhnlich als Selbstporträt angesprochene lebensgroße Blatt B. 172 ist die durch Matham gestochene Reproduktion des durch G. unvollendet hinterlassenen gemalten Selbstbildnisses; die Originalplatte war für G.s Grab bestimmt; daraus erklärten sich sowohl das für diese Zeit ungewöhnlich große Format und die besonders breite Behandlung, als auch die Seltenheit der Abzüge. (Die Drucke mit der Unterschrift "Hendric Goltius" sind spätem Datums). Insgesamt sind von - G. 383 eigenhändig gestochene od. geschnittene Blätter bekannt. Aus den durch Bartsch (323 BI.), Weigel (363 BI.) u. Dutuit (371 BI.) zusammengestellten Oeuvres ist manches auszuscheiden. - Als Radierer ist G. wenig hervorgetreten. Schon 1584 kombinierte er in dem Leichenzuge Wilhelms v. Oranien (H. 265 bis 276) das Ätzverfahren mit der Stichelarbeit. Bei den wenigen übrigen radierten Blättern handelt es sich lediglich um Gelegenheitsarbeiten (drei Männerköpfe in Kreisrund, H. 241-3). - In seinen Clairobscur-Holzschnittenhatsich G. zunächst an deutsche Vorbilder (Burgkmair, Hans Baldung usw.) angeschlossen. Außer der Strichplatte verwendet er zumeist noch zwei Platten für einen helleren und einen dunkleren Ton-Unterdruck. Die frühesten Versuche entstanden noch vor 1590 (Ierkules und Kakus, dat. 1588, H. 373; inännl. Bildnis, H. 375) mit Farbenkombinationen von chromgelb mit dunkelgrün od. ockerbraun. Die Strichplatte enthält zunächst die ganze Zeichnung; das ausgesparte Weiß will den Eindruck der WeiBhöhung hervorrufen. Bei den späteren, vermutlich im Laufe der 90er Jahre entstandenen Blättern (Götterfolge, H. 367-72, u. a.) setzt die Strichplatte nur noch die schwarzen Drucker in das Bild. die Tonplatten sind flächiger behandelt u. die Tonunterschiede der farbigen Unterdrucke weniger schroff, hell- u. dunkelocker, hell- u. dunkelgrau usw. Das Ganze erinnert jetzt an breit lavierte Pinselzeichnungen. Ein paar in dieser Technik geschaffene kleine Landschaften (H. 378-381) überraschen durch das Fortschrittliche der anspruchslosen Motive (besonders H. 380). - Als Zeichner nimmt G. eine hervorragende Stellung ein. Schon die z. T. als Vorzeichnungen zu den frühen Medaillonporträts (vgl. oben) entstandenen kleinen Silberstiftzeichnungen auf mit Kreide präparierter Unterlage (besonders schöne Beispiele im Teyler-Mus. in Haarlem) belegen seine Meisterschaft; sie zeichnen sich aus durch ihre miniaturhaft-feine, keineswegs kleinliche Ausführung und die sichere Erfassung der Persönlichkeit. Die in farbiger Kreide ausgeführten lebensgroßen Porträtköpfe, wie G. sie besonders während seiner Italienreise gezeichnet hat (Beispiele oben), sind erheblich flauer in der Charakteristik, gelegentlich gänzlich ausdruckslos. In G.s Federzeichnungen bewundern wir seine schon durch v. Mander gerühmte sichere Hand und einen kaum übertroffenen kalligraphischen Schwung. Eine eigene Gattung bilden jene die Stichtechnik nachahmenden sog. Federrisse, von denen das Brit. Mus. in London in einem großen, auf Pergament gezeichneten Blatt mit Ceres, Venus und Bacchus (Abb. in Oud Holland XXXIII [1915] bei p. 81) ein besonders prunkvolles Beispiel besitzt. Außerordentlich fruchtbar war G. als Vorlagenzeichner für den Kupferstich; diese Vorlagen, meistens mythologische Gegenstände behandelnd, bestehen gewöhnlich in lavierten Federzeichnungen. Gegen 500 solcher Vorzeichnungen sind durch die verschiedensten Stecher vervielfältigt worden. (Das Verzeichnis bei Bartsch III 94ff. ist bei weitem nicht vollständig; ein vollständigeres Verzeichnis der Künstler, die nach G. gestochen haben, bei Wurzbach I 601.) Einige Charakterköpfe hat G. in archaisierender Manier gezeichnet (Blätter in Berlin u. London) u. dabei gelegentlich Dürer so täuschend imitiert, daß ein solches Blatt (Slg E. Rodrigues, Paris, früher Lanna, Prag), obschon es G.s Monogramm trug, nicht nur von seinem jetzigen Besitzer, sondern auch von ernsthaften Gelehrten als Arbeit Dürers angesprochen wird. In seinen wenigen Landschaftszeichnungen, meistens phantastischen Gebirgsszenerien (Dresden, Haarlem, Stockholm), hat sich G. der venezianischen Federtechnik in der Art Campagnola's oder Tizian's bedient. - G. ist auch als Zeichner für das Kunstgewerbe tätig gewesen. In Paris (Louvre) befindet sich ein Brunnenentwurf (1598 dat.) von seiner Hand. Urkundlich überliefert ist sein Anteil an dem 1604 durch die Brauergilde in Haarlem bestellten, von Hendr. de Keyser u. Ernst Jansz v. Vianen ausgeführten Martinsbecher (heute im städt. Mus. in Haarlem). G.s Stiche sind auch häufig ohne sein Zutun als Vorlagen für die Dekoration von kunstgewerbl. Erzeugnissen (Delfter Fayencen) benutzt worden. G.s Bedeutung als Maler, so sehr auch von den Zeitgenossen gepriesen, war nicht nachhaltig. Die akademische Korrektheit seiner Schöpfungen läßt den Mangel an innerem Leben besonders stark hervortreten. G. begann mit großen dekorativen Grisaillemalereien. Seine ersten eigentlichen Gemälde waren hingegen kleine Bildchen auf Kupfer, von denen eines, ein Schmerzensmann, der sich in der Slg Rudolfs II. befand, wenigstens im Stich überliefert ist (Matham B. 104). Nach wenigen Versuchen gab er das kleine Format jedoch preis, um fortan ausschließlich das Figurenbild großen Stiles zu pflegen. Einige seiner wichtigsten Gemälde sind eine Danae (1603) bei Vicomte Chabert in Paris, Adam u. Eva u. Taufe Christi (1608), beide in St. Petersburg (Ermitage), eine Allegorie auf die Alchimie (1611) in Basel, Merkur u. Minerva (1611) in Haarlem, Vertumnus u. Pomona (1613) in Amsterdam, Venus u. Adonis (1614) in München, Merkur u. Juno (1615) in Rotterdam. Von den wenigen Bildnissen, die G. gemalt hat, war das des Jan Govertsen (1603) zuletzt in der Slg G. v. Preyer in Wien (seither verschollen); das des K. v. Mander (1604) ist durch den Stich Saenredams (B. 101), ein bei seinem Tode unvollendet hinterlassenes Selbstbildnis durch das große, herkömmlich G. selbst zugeschriebene, durch Matham gestochene Blatt Goltzius B. 172 (vgl. oben) überliefert. Eine wesentliche Entwicklung ist in G.s Gemälden nicht mehr festzustellen; kaum daß das kupfrig rote Kolorit seiner Aktfiguren sich im Laufe der Jahre etwas mildert und die Figurenbildung in den spätern Werken etwas weniger hart erscheint. G.s Verehrung für die venezian. Malerei (durch v. Mander verschiedentlich bezeugt), hat seine Farbengebung nur in Äußerlichkeiten zu beeinflussen vermocht. Zahlreiche gemalte Kopien nach G.s Stichen, besonders dem Marienleben (H. 9-14) und der Passion (H. 21-32), gingen und gehen noch fälschlich unter seinem Namen. Bildnisse. o) Selbstbildnisse: 1) auf dem Stich der Beschneidung (H. 12); 2) auf dem allegorischen Gemälde in Basel (vgl. oben; zweite Fig. v. 1.); 3) gemaltes Selbstbildnis, in antikischer Aufmachung mit roter Mütze, durch G. bei seinem Tode hinterlassen (nicht nachweisbar); 4) gemaltes Selbstbildnis mit schwarzem Mützchen, bei G.s Tod unvollendet (verschollen); durch J. Matham in Stich vollendet (vgl. oben) u. außerdem in zahlreichen Stichen u. gezeichneten Kopien überliefert (diese bei Hirschmann [Meister d. Gr. VII], 1919 p. 115ff. u. 170); 5) Stiftzeichnung im Brit. Mus., London (Abb. bei Hirschmann, Verz. [s. Lit.] vor dem Titel). - b) von fremder Hand: Stiche von Crisp. de Passe und R. Baudous. Schüler. Die namhaftesten Stecher der Haarlemer Schule sind aus G.s Werkstatt hervorgegangen: dessen Stiefsohn Jac. Matham, Jac. de Gheyn II, Pieter de Jode d. Ä., Jan Saenredam, Zach. Dolendo; Jan Muller, der vielleicht nicht G.s direkter Schüler gewesen ist, hat sich auf jeden Fall ganz an dessen Werk gebildet. Von G.s Schülern als Maler haben es nur Pieter de Grebber und Werner v. d. Valckert zu selbständiger Bedeutung gebracht. Daß Jan Lfjs G.s Schüler gewesen sein soll, beruht lediglich auf Houbrakens (I 205) falscher Interpretation einer Sandrart'schen Textstelle. Schließlich bezeichnet Balthasar Gerbier sich selbst als Schüler von G. im Federzeichnen. v. Mander, Schilderboeck, 1604 fol. 281b ff. (Ausg. Hymans II 179 ff.; Ausg. Floerke II 223ff.). - Balth. Gerbier, Eer ende Claght-Dicht ter Eeren van. Henricus Goltius, 's-Gravenhage 1620. - S. Ampzing, Beschryvinge ende Lof der Stad Haerlem, Haarlem 1628 p. 365. - A. Bredius, Bydragen tot de levensgeschiedenis van H. G., in OudHolland, XXXII (1914) 137ff. - O. Hirschmann, H. G. (Meister d. Graphik VII) 1919, mit weiteren Literaturnachweisen bis 1914; H. G. als Maler (Quellenstud. z. holl. Kstgesch. IX), 1916; Oud-Holland, XXXVIII (1920) 104ff. Bredius, Künstlerinventare (Quellenstud. usw. V - VII, X - XIII), 1915ff., passim. - R. Höcker, Das Lehrgedicht des K. v. Mander (Quellenstud. VIII), 1916, passim. - Hirschmannin Monatsh. f. Kstwiss. XI (1918) 213ff. (K. v. Manders Haarlemer Akademie). - R. Oldenhourg, im Jahrb. d. preuß. Kstsamml., XXXVIII (1917) 203ff. (über ein G. zugeschriebenes Kaiserbildnis). - Mitteilungen von A. Bredius. Oeuvreverseichnisse. a) Stiche: Bartsch, Peintre-Grav. III. - Weigel, Suppl. au peintre-gr. - Dutuit, Manuel de l'amateur d'est. IV. - Wesselyim Rep. f. Kstwiss., IV (1881) 23. - Hirschmann, Verz. des graph. Werks von H. G., 1920. - b) Gemälde: Hirschmann, H. G. als Maler 1. c.
QuelleSource
- AKL Online
- subtitle
- Allgemeines Künstlerlexikon Online / Artists of the World Online
- De Gruyter
- De Gruyter | 2009