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Vita
Barocci (Baroccio), Federico (Federigo), gen. il Fiori (da Urbino), ital. Maler, *1535(?) Urbino (nicht 1528, wie Bellori überliefert), †30.9.1612 ebd. (lt. Tagebuch des Herzogs Francesco Maria II. 77jährig).
Biogramm
Die umfangreichsten Inf. bietet Bellori: B. entstammt einer Künstler-Fam., sein Urgroßvater Ambrogio B. war Bildhauer am Hofe Federico da Montefeltros, sein Vater schnitt Siegel und baute naturwiss. Instrumente, ein Bruder B.s wurde als Mathematiker berühmt. Außer vom Vater erhielt B. eine erste künstler. Unterweisung vom Maler Francesco Mensocchi aus Forlì. Nachfolgend vermittelte B.s Onkel Bartolomeo Genga eine Ausbildung (v.a. im Zeichnen) bei Battista Franco. Der Onkel lehrte ihn Geometrie, Perspektive und Archit., außerdem ermöglichte er B. den Zugang zur Kunst- und Antiken-Slg der in Pesaro residierenden Herzöge von Urbino. Bes. intensiv studierte er hier Werke Tizians und Raffaels. Die Gestaltungsprinzipien Michelangelos und der antiken Kunstwerke waren ihm sicherlich durch seinen Lehrer B.Franco vertraut. Etwa M. der 50er Jahre geht er nach Rom, um sich intensiver mit der Kunst Raffaels beschäftigen zu können. Sein Gönner wird der Kardinal Giulio della Rovere, der B. auch für einige Bilder, u.a. ein Portr., beauftragt (nicht erh.). Gleichfalls nicht erh. ist ein Altarbild der hl.Margarethe von 1555 für das Oratorium Corpus Domini in Urbino. Als frühestes erh. Gem. ist ein Altarbild für den Dom ebd. anzusehen, eine Hl.Cäcilia inmitten anderer Hll., 1556 dat. In Komposition und Gestaltung der Hll. lehnt sich B. betont an Raffaels Version dieses Themas an, Details weisen jedoch darauf hin, daß B. nicht das Original kannte, sondern nur den Stich Marcantonio Raimondis. Die Vor-Zchng (Stuttgart, Staats-Gal.) belegt bereits sein großes zeichner. Talent. Gleichfalls für den Dom seiner Heimatstadt erhielt B. am 9.11.1557 den Auftrag für eine Darst. des Martyriums des hl. Sebastian. Auch bei der Sebastiansmarter ist der Einfluß Raffaels vorherrschend (v.a. Madonna di Foligno). Während Aufbau der Szene und Fig.-Anordnung ganz dem röm. Zeitstil entsprechen, weisen einzelne kolorist. Effekte auf venez. Vorbilder hin. In die Zeit vor B.s Romaufenthalt ab 1560 werden auch zwei Portr. dat. (Bildnis des Humanisten Antonio Galli, Kopenhagen, trad. Tizian zugeschr.). 1560-63 arbeitet B. zus. u.a. mit Federico Zuccari und Santi di Tito an der Freskoausstattung des Casinos Pius IV. im Vatikan. In der Weichheit der Bildformen, der Betonung des erzähler. Moments und der illusionist. Wirkung unterscheiden sich B.s Freskoszenen von den konturbetonten Darst. der röm. Zeitgen. und weisen schon Merkmale seines späteren Individualstils auf. Lt. Bellori während der Arbeit am letzten Fresko von neid. Kollegen vergiftet, war er seitdem krank und in seiner Arbeit stark behindert. Er zog sich auf ein Landgut in der Nähe von Urbino zurück, schuf in den folgenden zwei Jahren keine Gem. und nie wieder ein Fresko. In der Folgezeit arbeitete B. immer über mehrere Jahre an einem Gem. Das erste nach seiner Genesung entstandene Werk, die Madonna di S.Giovanni (Urbino, Gall.Naz. delle Marche), ist angebl. ein Votivbild des Künstlers, das er einem nahegelegenen Kapuzinerkloster schenkte. Wie auch in der wenig später entstandenen Madonna di S.Simone (um 1567, Urbino, ebd.) weisen die Gestaltung der Personen und die Behandlung der Farbe auf Correggio. Quellen zufolge arbeitete B. 1567-69 am Altarbild der Kreuzabnahme für den Dom von Perugia. Noch vor diesem Auftrag wird eine Kreuzigung mit Maria und dem hl. Johannes (Urbino, Gall. Naz. delle Marche) datiert. Mehrere erh. Vor-Zchngn zeigen, wie B. hier zunächst von Tizians Kreuzigung (1558) für S.Domenico in Ancona ausging und ausgreifende, ausdruckstarke Bewegungen der Körper herausarbeitete - ein Motiv, das bei der Kreuzabnahme in Perugia dann voll entwickelt wird. Zwei auch an Raffael und Correggio orientierte Altarbildkompositionen lassen sich aufgrund der Vor-Zchngn ebenfalls noch vor die Kreuzabnahme datieren: eine Madonna mit den Hll. Rochus und Sebastian und eine Madonna mit den Hll. Franziskus und Johannes dem Täufer. Die Kreuzabnahme im Dom von Perugia markiert die Entwicklung einer eigenständigen Formensprache. B. gestaltet ein konzentriertes Bewegungsspektakel, das alle Fig. und jede Bildform erfaßt. Ein flackerndes Punktlicht unterstützt den Eindruck einer immensen Dynamik, ebenso wie die fließend ineinander gesetzten Farbflächen. Durch das konsequente Anschneiden der Bildformen am Rand führt er zudem die Bewegung über den Rahmen des Bildes hinaus. B.s Komposition übernimmt zwar mehrere Elemente aus früheren Versionen dieses Themas (v.a. Daniele da Volterras Gem. in S.Trinità dei Monti in Rom und der Stich Marcantonio Raimondis nach einer Raffael-Zchng), er entwickelt daraus allerdings eine Darst., deren Vorbildwirkung bis weit in das folgende Jh. reicht und die vielfach kopiert wurde. Etwa 40 bekannte Vor-Zchngn und eine Farbstudie (Wien) sowie Belloris Schilderungen belegen den großen Arbeitseinsatz B.s, der sich dann bei den Werken der Folgezeit noch deutlicher dok. läßt. Fast alle seine Kompositionen werden nunmehr durch Kpst. - auch nördl. der Alpen - verbreitet und kopiert. 1570 erhält er den ersten Auftrag vom Herzogshof. Herzog Francesco Maria II. benutzt mehrmals Gem. des Künstlers als polit. motivierte Geschenke an wichtige Herrscherpersönlichkeiten Europas, bes. an den span. Königshof. Das früheste Gem. B.s für die Herzöge von Urbino ist eine Ruhe auf der Flucht (1570), von der B. zumindest drei eigenhändige Versionen anfertigte. Ausgangspunkt für seine Komposition ist Correggios Madonna della scodella, wobei B. jedoch die strenge Diagonalanordnung zugunsten einer raumgreifenden Szene umwandelt. Es folgt ein Portr. des zukünftigen Herzogs Francesco Maria II. della Rovere (um 1572, Florenz, Uffizien). Hier bezieht sich B. auf Tizians Portr. Francesco Maria I., er arbeitet jedoch kleinteiliger und führt präzise alle Details und Lichtreflexe aus. Etwa 1574/75 entsteht die Madonna del Gatto (London, Nat.Gall.), eine Darst. der Hl. Familie und des mit einer Katze spielenden Johannesknaben. Wie in der Ruhe auf der Flucht präsentiert B. mit weich ineinander fließendem Rhythmus der Bildformen eine intime Szenerie. Dieser auf die Emotion des Betrachters zielende Aspekt wird zu einer Art "Markenzeichen" für die Gem. B.s. In die frühen 70er Jahre werden auch ein Selbstporträt (Florenz, Uffizien), ein Bildnis einer jungen Frau (ebd.) sowie die ersten erh. druckgraph. Arbeiten datiert. 1574-76 entsteht Il perdono di Assisi, das Hochaltarbild für die Kirche S.Francesco in Urbino. Wiederum belegen eine Fülle von Studien-Bll. sowie die erh. Gesamtskizze für die Lichtgestaltung (St.Petersburg) und der Farbbozzetto (Urbino) die sorgfältige Ausarbeitung dieser Darst. des franziskan. Ablasses. 1581 fertigte B. eine druckgraph. Version seiner Komposition. In den Mittelpunkt stellt er die Fig. des hl. Franziskus. Dieser Fig.-Typus findet sich in der Folgezeit in den verschiedensten Varianten in den Werken B.s. Wie bei der Madonna del Popolo (1574-79, Florenz, Uffizien), wird auch bei der Perdono-Darst. und der zuvor entstandenen Unbefleckten Empfängnis (Urbino, Gall.Naz.) der Betrachter betont in die Szene mit einbezogen. Der fast vollst. erh. Briefwechsel zw. B. und der auftraggebenden Fraternità dei Laici in Arezzo ermöglicht eine genaue Rekonstr. der Entstehung der Madonna del Popolo (Florenz). Über 80 Vor-Zchngn sind heute bekannt. Das in der Forsch. als "protobarock" bez. Gem. zeigt B.s Bemühen, durch changierende Farbtöne und breit gestreute Helligkeitszonen die Emotion des Betrachters zu bewegen. Für die Florentiner Künstlergeneration kurz vor 1600 (bes. Lodovico Cigoli) markiert das Altarbild einen wichtigen Impuls zur endgültigen Abkehr von der manierist. Formensprache. Noch im 18.Jh. wird die Komposition kopiert. B. überwachte persönl. den Transport des Bildes nach Arezzo und reiste weiter nach Florenz, wo er vom Großherzog Francesco de'Medici eine Stelle als Hofmaler angeboten bekam, die B. ablehnte. Zu den bekanntesten und am häufigsten kopierten Kompositionen zählt die Grablegung für S.Croce in Senigallia (1579-82). Durch die vielen Kopierarbeiten hatte die Darst. bereits wenig später so sehr gelitten, daß B. 1606 mit einer Rest. beauftragt wurde. Bei dieser nochmaligen Arbeit am Gem. veränderte er jedoch in vielen Bereichen das Kolorit. 1583 dat. B. zwei großformatige Altarbilder: Das Martyrium des hl. Vitalis für S.Vitale in Ravenna (Mailand, Brera) und die Berufung des hl.Andreas für das Oratorium der Bruderschaft des Hl. in Pesaro (Brüssel, Mus. R.des BA). Das Bemühen des Malers um klar geschilderte Szenen erfährt bei der Berufung des hl. Andreas seinen bislang intensivsten Ausdruck: Er setzt die beiden Hauptpersonen markant in den Vordergrund und bezieht alle Bildformen auf dieses auch durch Farbe und Licht herausgearbeitete Zentrum der Darst. 1584 beauftragte Herzog Francesco Maria II. B. mit einer Replik dieser Darst. (El Escorial), die, 1588 voll., als Geschenk an den span. Königshof gesandt wurde. Ebenfalls als herzogl. Auftrag für die Kap. Francesco Maria II. in Loreto malt B. 1582-84 eine Verkündigung (Rom, Pin. Vaticana). 1583-86 arbeitet er an der Heimsuchung für die Chiesa Nuova in Rom. Wie bei vielen seiner Gem. setzt B. in das Zentrum der Darst. eine intensive Blickkontaktnahme, hier zw. Maria und Elisabeth. Das mit Ausnahme der Portr. (und einem Stilleben ?) einzige Gem. ohne relig. Inhalt malt B. für Kaiser Rudolph II. 1586-89, Die Flucht des Äneas aus Troia (nur erh. die 1598 vom Maler selbst gefertigte Replik, Rom). Ebenfalls mehrere Versionen gestaltet B. von der Erscheinung des auferstandenen Christus bei Maria Magdalena. 1590 dat. B. die Beschneidung Christi (Paris, Louvre) für die Kirche der Bruderschaft des Namens Christi in Pesaro. Für die Bruderschaft des Rosenkranzes und der Himmelfahrt Mariens in Senigallia malt B. 1589-93 ein Altarbild, in dem er, entsprechend dem Namen der Bruderschaft, beide Darst. der Gottesmutter kombiniert. In diese produktivste Zeit fallen auch die ersten Werkstattarbeiten. Die Mitarb. in seinem Atelier - die bedeutendsten sind Alessandro Vitali und Antonio Viviani -, durften jedoch nie bei der Ausformulierung der Komposition auf der Lw. mitarbeiten; vielmehr führte B. alle Arbeiten selber aus. Zu manchen Gem. fertigte B. allerdings zeichner. Studien an und überließ die Ausarbeitung dann völlig seinen Mitarb. In diesen Werkstatt-Gem. finden sich meist mehrere Versatzstücke aus anderen Kompositionen des Malers; fast zur Gänze aus solchen aufgebaut ist eine Darst. der Madonna mit Kind und Hll. (Rom, Sodalizio dei Piceni). Die Mitarb. fertigten zudem häufig Kopien nach B.s Bildern. Nur als Kopie ist die Madonna della Gatta, eine Darst. des Besuches von Elisabeth, dem Johannesknaben und Zacharias bei der Hl. Familie, erh. Ein kleinformatiges Früchtestilleben (Priv.-Bes.) wird von F.Zeri B. zugeschr. und gegen E. des Jh. dat., in der Lichtgestaltung fällt es allerdings völlig aus dem bisher bek. Œuvre des Künstler heraus. In die letzten Jahre des 16.Jh. werden auch zwei Portr. dat. - ein Bildnis einer jungen Frau (Kopenhagen, Kgl. Mus.) und ein Portr. von Giuliano della Rovere (Wien, Kunsthist. Mus.) - sowie eine Darst. des hl.Hieronymus (Rom). Für Francesco Maria II. gestaltet B. 1594/95 eine Stigmatisierung des hl. Franziskus. 1596 dat. er eine Kreuzigung mit den Hll. Maria, Johannes und Sebastian für die Kathedrale in Genua mit einer Ansicht seiner Heimatstadt im Hintergrund. Im herzogl. Auftrag malt B. etwa 1597 eine Geburt Christi (Madrid, Prado), die Francesco Maria II. 1604 der span. Königin zum Geschenk macht. Für die Kathedrale seiner Heimatstadt erarbeitet B. 1592-99 ein Letztes Abendmahl mit Bezügen zu Tintorettos Bild des gleichen Themas von 1594 in S.Giorgio (Venedig). Urspr. war für die Sakraments-Kap. des Domes noch ein weiteres Gem. B.s geplant. Nach den Erfahrungen mit anderen Werken B.s wurde von den Auftraggebern bewußt nur einmal die Erlaubnis für die Anfertigung eine Kopie vergeben: Ein Bildnis eines Mannes (London), vermutl. Ippolito della Rovere, dat. B. auf 1602. In zeitl. Nähe hierzu wird das Bildnis eines jungen Mannes (Strasbourg, Mus. des BA) eingeordnet. Etwa gleichzeitig lassen sich auch zwei Selbstporträts des Künstler datieren: Die Version in Florenz ist als eigenhändige Replik des Gem. in Salzburg anzusehen, eine Werkstattkopie befindet sich in Urbino (Gall.Naz. delle Marche). Nach dem großen Erfolg der Heimsuchung für die Chiesa Nuova erhielt B. von den Oratorianern 1593 einen weiteren Auftrag für ein Altarbild in ihrer röm. Mutterkirche: eine Darst. des Tempelgang Mariens (erst 1603 voll., ebd.). Quellen weisen darauf hin, daß B. auch das Hochaltarbild für die Kirche gestalten wollte (nicht realisiert). 1604 entstand in herzogl. Auftrag ein Kruzifix (Madrid, Prado), das testamentar. dem span. König vermacht wurde. Noch konzentrierter im Ausdruck ist eine Vision der Beata Michelina (Rom, Pin.Vaticana). Eine in die letzten Schaffensjahre des Künstlers datierbare Madonna mit Kind (Urbania, Spitalskirche) ist vermutl. als jene Marien-Darst. zu identifizieren, die zu den vom Herzog am meisten geschätzten Bildern zählte und die er seinem Beichtvater vermachte. Die Einsetzung der hl.Eucharistie für S.Maria sopra Minerva (Rom) ist der letzte große, vom Künstler noch selbst voll. Altarbildauftrag. Papst Clemens VIII. hatte für seine Familien-Kap. 1603 den Wunsch nach einem Barocci-Gem. geäußert, Francesco Maria II. übernahm die Bezahlung und machte dem Papst das Bild zum Geschenk (erst 1607 nach dem Tod des Papstes voll.). Clemens VIII. hatte vom Künstler mehrere Änderungen der ersten Entwürfe verlangt. Bereits seit 1592 bemühte sich das Domkapitel von Mailand um ein Gem. B.s. 1600 erklärte sich der Maler bereit, ein Altarbild anzufertigen, weitere Gem. würden von seiner Werkstatt gearbeitet werden. Während die Werkstattarbeiten 1603 fertiggestellt wurden, blieb B.s Gem. Beweinung Christi mit den Hll. Michael und Giovanni Buono bei seinem Tod unvoll. Ebenfalls unvoll. blieb eine Himmelfahrt Mariens (Urbino, Gall. Naz.). Einzelne Fig. dieser Komposition greift er bei der gleichfalls unvoll. Darst. des Abschieds Christi von seiner Mutter (Chantilly, Mus. Condé) auf. Ein Brand 1799 zerst. eine Unbefleckte Empfängnis mit Hll. für die Kapuzinerkirche in Macerata (1605-07). In die letzten Lebensjahre des Künstlers läßt sich auch die Madonna Albani (Rom, Banca Naz. del Lavoro) datieren. 1609 erhielt B. den Auftrag für eine Verkündigungs-Darst. (Gubbio), die durch seinen Tod 1612 unvoll. blieb. - Neben seinen großen Gem.-Kompositionen beschäftigte sich B. intensiv mit der Druckgraphik. Obwohl nur 4 Bll. bekannt sind, markieren diese Werke wichtige Schritte in der Entwicklung der druckgraph. Techniken. B. experimentierte mit unterschiedl. langen Behandlungszeiten der Kupferplatte im Säurebad und erzielte dadurch maler.-fließende Übergänge in der Helldunkelstruktur seiner Arbeiten. Bereits das früheste bekannte Bl., die Madonna sulle nuvole, aus den frühen 70er Jahren zeigt diese Merkmale. Die wenig später entstandene Stigmatisierung des hl. Franziskus wurde von B. sign., obwohl nur die Fig. des Hl. vollst. ausformuliert ist. Eine ausführl. Sign. und das Datum 1581 finden sich auf der von B. selbst gefertigten Kpst.-Version seines Perdono di Assisi. In einigen Details, v.a. bei den Lichteffekten, verändert er die Komposition gegenüber seinem Altarbild in Urbino. In Ansätzen entwickelt er bereits eine Punktiertechnik, mit der er Mezzotintoeffekte erzielt. Wie seine Hand-Zchngn zeigen auch seine druckgraph. Bll. das intensive Bemühen des Künstlers um maler. Wirkungen. Fast alle Gem.-Kompositionen B.s wurden in Kpst. verbreitet und vielfach kopiert. Obwohl B. im eigentl. Sinn keine Schule begründete und zurückgezogen in Urbino lebte, finden sich Spuren der Auseinandersetzung mit seinem Werk bei fast allen bedeutenden ital. Künstlern der nachfolgenden Generation. Am stärksten beeinflußt von seiner Formensprache zeigen sich, neben seinen Werkstatt-Mitarb., die sienes. Maler Francesco Vanni und Ventura Salimbeni. Als wichtigen Impuls für die Florentiner Malerei kurz vor 1600 erkannte bereits Baldinucci Lodovico Cigolis das Studium von B.s Werken. Bologneser Maler standen teilweise in direkten persönl. Kontakt mit B., v.a. die Werke der Carracci bzw. Guido Renis weisen auf eine intensive Auseinandersetzung mit B. hin. Sein Bemühen um einfache Natürlichkeit der Darst., speziell bei der Schilderung der stillebenartig angeordneten Gegenstände in seinen Gem., findet schließlich eine Fortsetzung in den Gem. Caravaggios. Ein vermehrtes Interesse für B. läßt sich dann wiederum im 18.Jh. beobachten. Seine Darst. sind gekennzeichnet durch eine klar lesbare, konzentrierte Schilderung der Szene, eingebunden in eine sentimentale Atmosphäre. In auffallender Weise stimmen diese Merkmale seiner Gem. mit den in der kunsttheoret. Lit., speziell nach dem Konzil von Trient, geforderten Eigenschaften kirchl. Kunstwerke überein. Konsequent entwickelte B. eine selbständige Bildsprache, die sich markant von den künstler. Anliegen des Manierismus absetzt.
Werke
Weitere Werke (vgl. Werk-Kat. bei Olsen, 1962, und Emiliani, 1985.). - Gemälde (falls nicht anders verz. Öl/Lw.): Bologna, Pin.Naz. (dep. Bibl. Com.): Beweinung Christi, 1600-12 (unvoll.). Bywell Hall, Coll. Viscount of Allendale: Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena, nach 1590. Florenz, Uffizien: Madonna della Gatta (fast vollst. zerst.); Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena, nach 1590; Selbstbildnis, Öl/Papier auf Lw.; Bildnis des Ippolito della Rovere (bzw. Guidobaldo del Monte?). Fossombrone, Mus.Civ.: Stigmatisierung des hl. Franziskus, Tempera/Lw. Gubbio, S.Maria dei Laici: Verkündigung, 1610 beg. (voll. von Ventura Mazzi 1615-19). Kopenhagen, Kgl.Mus.: Bildnis Antonio Galli(?). London, Ital. Botschaft: Bildnis Ippolito della Rovere(?), sign., dat. 1602. Mailand, Brera: Martyrium des hl.Vitalis, sign., dat. 1580-83. - Ehem. Coll. Contini Bonacossi: Berufung des Apostels Andreas (Skizze), um 1580. München, Alte Pin.: Der auferstandene Christus erscheint Maria Magdalena, sign., dat. 1590. Piobbico, S.Stefano: Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, um 1570-73. Rom, Pin. Vaticana: Verkündigung, 1582-84; Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, um 1570-73. - Gall. Borghese: Flucht des Äneas aus Troia, sign., dat. 1598; Betender hl.Hieronymus. - Gall. Doria Pamphili: Kopf des hl.Judas Taddäus, Tempera/Papier auf Lw., um 1567. Salzburg, Residenz-Gal.: Selbstporträt, Öl/Papier auf Lw. San Lorenzo De El Escorial, El Escorial, Claustros Altos: Berufung des Apostels Andreas, 1584-88. Senigallia, Erzbischöfl. Pal.: Rosenkranzmadonna, 1589-93. Urbino, Gall. Naz. delle Marche: Il Perdono di Assisi (Skizze); Grablegung Christi (Skizze); Stigmatisierung des hl.Franziskus, um 1594-95. Weimar, Goethe-Haus: Bildnis Francesco Maria della Rovere II. (?), 1583. Wien, Coll. Coreth: Kreuzabnahme (Skizze), Öl/Kupfer. - Fresken: Rom, Vatikan (Casino Pius IV.): Gewölbedekoration, 1561-63. - Vatikan. Pal. (Etrusk. Mus.): Moses und die Schlange, 1563 (später voll.). - Zeichnungen und Pastelle: Amsterdam, Rijks-Mus. - Coll. van Regteren Altena. Bayonne, Mus. Bonnat. Berlin, Staatl. Mus. Besançon, Mus. des BA. Calenzano, Coll. Bertini. Cambridge, Fitzwilliam Mus. Chantilly, Mus. Condé. Chatsworth, Coll. Devonshire. Chicago, Art Inst. Cleveland, Mus. of Arts. Detroit, Inst. of Arts. Dresden, Staatl. Kunst-Slgn. Düsseldorf, Kunst-Mus. Edinburgh, Nat.Gall. of Scotland. - Coll. Andrews. Florenz, Uffizien. - Mus. Horne. Frankfurt am Main, Städel. Genua, Pal. Bianco. Hamburg, Kunsthalle. Kopenhagen, Kgl. Kpst.-Slg. London, Brit.Mus. - Courtauld Inst. of Arts. Mailand, Brera. - Bibl. Ambrosiana. Malmö, Mus. Modena, Gall. Estense. München, Staatl. Graph. Slg. New York, Pierpoint Morgan Libr. Northampton (USA), Smith Coll.Mus. of Arts. Oxford, Ashmolean Mus. - Christ Church. Paris, Louvre. - EcBA. - Fond. Custodia, Inst. Néelandais. Princeton Univ., Art Mus. Rennes, Mus. Rom, Gabb. Naz. delle Stampe. - Bibl. Hertziana. Rotterdam, Mus. Boymans. Stockholm, Nat.-Mus. St.petersburg, Ermitage. Stuttgart, Staats-Gal. Turin, Bibl. Reale. Urbania, Bibl. Com. Urbino, Gall. Naz. delle Marche. Venedig, Accad. Wien, Albertina. Windsor, Kgl. Bibl. Würzburg, Univ., Martin von Wagner-Mus.
Ausstellungen
E: E: 1912/13 Bergamo: Mostra dei cartoni e disegni di F.B. ... (Kat. P.N.Ferri und F.di Pietro) / 1975 Bologna: Mostra di F.B. (Kat. A.Emiliani, Verz. der Zchngn, 526 pp.; Rez.: E.P.Pillsbury, Master Drawings 14:1976, 56-64; E.Borea, Prospettiva 4:1976, 55-61; J.Shearman, BurlMag 118:1976, 49-54) / 1975 Florenz: Disegni di F.B. (Kat. G.Gaeta Bertelà 144 pp.) / 1975 Würzburg, Martin von Wagner-Mus.: F.B. Hand-Zchngn (Kat. E.Hubala) / 1978 Cleveland, Mus. of Art; Yale, Univ. Art Gall.: The Graphic Art of F.B. (Kat. E.P.Pillsbury und L.S.Richards, 111 pp.; Rez.: G.Smith, BurlMag 120:1978, 330-333).
Bibliographie
ThB2, 1908. Meyer, KL III, 1885; Colnaghi, 1928; Kindler, ML I, 1964; DBI VI, 1964 (Lit.); DEB I, 1972; Fredericksen/Zeri, 1972; PittItalCinquec II, 1987. - Neuere Monogr.: H.Olsen, F.B., a critical study in Italian Cinquecento paint., Sth. 1955 (228 pp., Bibliogr.); id., F.B., Kopenhagen 1962 (303 pp., 206 Abb.; Rez.: W.Friedländer, BurlMag 106:1964, 186 s.; L.Hantecœur, GBA 1967, 16; M.A. Lavin, ArtB 46:1964, 251-254); A.Emiliani, F.B. (Urbino 1535-1612), Bo. 1985 (2Bde, zus. 464 pp., 961 Abb., Werk-Kat.); für die ältere Lit. v.e. die zit. Ausst.-Kat., v.a. Bologna 1975. - Weitere wichtige Lit.: Bellori, Vite, 1672; Baldinucci III, 1702, 110-119; Lanzi I, 1795, 474-477; A.Lazzari, Mem. di alcuni celebri pittori d'Urbino, Urbino 1800; A.Schmarsow, F.B., ein Begründer des Barockstils in der Malerei (Abh. der königl. sächs. Ges. d. Wiss., phil.-hist., 4, XXVI), L. 1909; id., F.B. Zchngn, I-IV, ibid., 5; XXVIII(1910)3; XXIX(1911)2; XXX(1914)1; H.R. Krommes, Stud. zu F.B., L. 1912; Studi e not. su F.B., Fi. 1913 (Aufs. v. L.Venturi, C.Ricci, Calzini u.a.); F.di Pietro, Disegni sconosciuti e disegni finora non identificati di F.B. negli Uffizi, Fi. 1913; A.Colasanti, Bd'A 7:1913, 203-208; P.Nerino Ferri, Bd'A 10:1916, 221-230; Bombe, 1929, 110-125; Venturi IX.7, 1934, 879-953; G.Gronau, Doc. artist. urbinati, Fi. 1936; T.P. Baird, Record of the Art Mus., Princeton Univ. 9:1950(1)11-16; M.A. Lavin, The Metrop. Mus. of Art Bull. 13:1955, 266-271; id., BurlMag 98:1956, 435-439; S.Tschudi Madsen, BurlMag 101:1959, 273-277; L.Moranti, Bibliogr. Urbinate, Fi. 1959; R.Linnekamp, Pantheon 19:1961(1)46-50; L.S. Richards, Bull. of the Cleveland Mus. of Arts 48:1961(4)63-65; H.Olsen, Artes 1:1965, 17-34; 2:1966, 72-74; id., Disegni anatomici di F.B., in: Atti della VI Bienn. della Marca e dello Studio Firmano, Fermo 1965, 256-264; A.E. Popham, Master Drawings 4:1966(2)149 s.; H.Olsen, Jb. Staatl. Kunst-Slgn Baden-Württ. 6:1969, 49-54; J.Byam Shaw, in: Miscellanea I.Q. van Regteren Altena, Am. 1969, 88 s.; H.Günther, FlorMitt 14:1969, 239-246; G.Kaufmann, Die Kunst des 16.Jh., B. 1970(PKG); Restauri Marche, 1973; G.Smith, Bull. of the Detroit Inst. of Arts 52:1973(2/3)83-91; L.C.J. Frerichs, Bull. van het Rijks-Mus. 25:1977(1)3-10; E.Pillsbury, Yale Univ. Art Gall. Bull. 36:1976(1)20-25; G.Smith, The Casino of Pius IV, Pr. 1977; Gibbons, 1977, 9 s.; F.Tabor y de Anitua, Goya 1977/78 (139-144)194-199; E.Pillsbury, Apollo 108:1978, 170-173; M.Cori, Atti e Mem. Accad. Clementina Bologna 13:1978, 23-63; G.R. Waters, F.B.: Anima naturaliter (Diss. Princeton Univ.), N.Y./Lo. 1978; L.Barroero u.a., Pitt. del Seicento e del Settecento. Ricerche in Umbria, Treviso 1980; N.Walch, in: Relations artist. entre les Pays-Bas et l'Italie à la Renaiss., Br. 1980, 239-249; M.Moranti, La Bibliofilia 83:1981, 133-149; P.Rosenberg, in: Festschr. A.E. Popham, Parma 1981, 131-135; C.H. Clough, Not. Pal. Albani 11:1982, 81-83; The ill. Bartsch, XXXIV, N.Y. 1982; F.Sangiorgi, Committenze milanesi a F.B. e alla sua scuola nel carteggio Vincenzi della Bibl. Univ. di Urbino, Urbino 1982; S.Eiche, FlorMitt 26:1982, 398-400; E.Bentivoglio, Arte lombarda 65:1983, 73-79; F.Mancini, Esercizi (Univ. Perugia) 6:1983, 18-47; F.Zeri, Not. Pal. Albani 12:1983(1/2)161-163; The age of Caravaggio (Aust.-Kat.), N.Y. 1985; N.Walch/H.Liebaers, in: Peter Paul Rubens, Antwerpen 1985, 171-178; D.De Grazia, Mus. Studies 12/1:1985, 30-41; L.Freeman Bauer, BurlMag 128:1986, 355-357; D.Ekserdjan, ibid. 524-526; M.Bury, FlorMitt 31:1987, 327-356; J.Goldmann, Master Drawings 26:1988(3)249-252; B.Scott, Apollo 127:1988(312), 130-133; P.Assmann, FlorMitt 33:1989, 343-354. - Florenz, Bibl. Naz., Cod. Magliab. V, cl. XXV: Francesco Maria II duca d'Urbino, Diario, 8.9.1582-1624; Urbino, Bibl. Univ., Ms. Urbino 73: V.Venturelli, Orazione funetre ..., 198v.-209v.; Pesaro, Bibl. Oliveriana, Ms. Oliv. 936: A.Antaldi, Not. di architetti ... di Urbino, Ms. (1805); ibid., Ms. 1145: P.G.Vernacci, Ser. degli nomini ... di Urbino; Loreto, Arch. stor. della S.Casa, Ms. Contrib. francesi 1796. - Mitt. F.Grimaldi, Loreto.
Artikel aus Thieme-Becker
Biogramm
Barocci (auch Baroccio), Federico, gen. Fiori da Urbino, geb. 1526 (nach älteren Angaben 1528) in Urbino, † daselbst 1612, ist der Urenkel des Mailänder Bildhauers Ambrogio B. und der Sohn des Ambrogio di Federico Barocci (s. oben). Seine erste artistische Erziehung verdankt er neben seinem Vater wahrscheinlich dem Maler Battista Franco, der, obgleich Venetianer, doch ganz in den Spuren Michelangelos wandelte; Franco malte 1546 (und 1551) Decken im Dom zu Urbino. Kaum zum Jüngling herangewachsen, begab sich B. nach Pesaro zu seinem Onkel Bartolommeo Genga, der damals Architekt des Herzogs Guidobaldo II. war. Dieser Genga brachte dem jungen B. Architektur, Geometrie und Perspektive bei, auch verschaffte er ihm Zutritt zu der herzoglichen Guardaroba, in der er hauptsächlich Werke von Tizian, aber auch von anderen Meistern studieren konnte. Als er ungefähr 20 Jahre alt war, schickte ihn sein Vater nach Rom, damit er dort an den Werken Raffaels sich weiterbilden könne. Durch Vermittlung eines anderen Onkels, der Hausmeister des Kardinals Giulio della Rovere war, kam er unter den Schutz dieses mächtigen Mannes, dessen Porträt er auch malte, und konnte sich nun ungestört dem Studium seines großen Landsmannes Raffael widmen. Nach einigen Jahren kehrte er nach Urbino zurück. Er führte dort viele Arbeiten aus, u. a. das große Gemälde des hl. Sebastian (1557), das sich jetzt im Dom zu Urbino befindet. Besonders die Madonna in den Wolken, die über dem hl. Sebastian schwebt, aber auch anderes in diesem Bild - das markante Gelb, das Eindringliche des Contraposto - erinnert stark an Correggio, obgleich Bellori (der Hauptbiograph B..) behauptet, daß ihm erst kurz nach dieser Zeit Zeichnungen und Pastelle dieses Meisters, die ein Maler von Parma nach Urbino brachte, bekannt geworden seien. Jedenfalls gerät er von nun an stark in den Bann Correggios, ohne ihn jedoch jemals sklavisch zu imitieren. Denn nach Parma selbst ist er - zu seinem Glück - niemals gekommen, und so konnte sich sein Farbengefühl ganz unabhängig entwickeln. 1560 ist er neuerdings in Rom und führt dort gemeinsam mit Fed. Zucchero Fresken aus speziell in dem sogenannten Kasino des Papstes Pins IV. in den vatikanischen Gärten, das um diese Zeit unter Leitung von Pirro Ligorio vollendet wurde. Diese Fresken sind noch erhalten (wenn auch teilweise beschädigt). Besonders die 4 Tugenden in den Zwickeln der Wölbung des vorderen Saales sind von außergewöhnlicher Kraft und Eleganz sowohl der Zeichnung, wie der Farbe und zeichnen sich bei weitem vor zeitgenössischen Werken dieser Art aus. Doch konnte B. diese Fresken nicht vollenden, da er mitten im Werke schwer erkrankte, nach Bellori infolge eines Vergiftungsversuches seiner auf sein Talent neidischer Kollegen. Die Krankheit hat ihm jahrelang zu schaffen gemacht, so daß er angeblich nur wenige Stunden am Tage zu arbeiten vermochte. Trotzdem hat er eine überaus große Anzahl von Ölgemälden, Zeichnungen und Pastellen hinterlassen. Er nahm von nun an in Urbino seinen ständigen Aufenthalt. Für verschiedene Kirchen der Stadt (S. Francesco, Cappucini) schuf er religiöse Bilder, u. a. die Madonna detta di S. Simone, jetzt in der Pinakothek zu Urbino - ein farbig sehr fortgeschrittenes Bild trotz Anklänge an Correggio. Sein Ruf verbreitete sich schnell, sodaß die Bürger von Perugia ihm das große Bild für den Altar der Kapelle S. Bernardino der Kathedrale in Auftrag gaben - eine Kreuzabnahme, die 1569 vollendet wurde. In der Lichtwirkung ist auch dieses große Gemälde noch von Correggio abhängig, farbig geht es aber darüber hinaus und läßt ebenso, wie in der Komposition fast schon an Rubens oder van Dyck denken. Ein wenig später fällt ein Gemälde "Die Flucht nach Ägypten", das er seinem Gastfreund Simone Anastagi als Dank nach Perugia sandte (1573). In der Galleria di S. Luca in Rom befindet sich ein kleineres Bild, das dieses Thema behandelt, es ist besonders in der Komposition stärker von Correggio abhängig, als gewöhnlich (eine Duplik befindet sich in engl. Privatbesitz). Nach diesem Zwischenspiel schuf er in Urbino für S. Francesco eine große Altartafel "il perdono di S. Francesco d'Assisi", das Innere einer Kirche, in der der hl. Franziskus zu der in Wolken thronenden Madonna als Fürsprecher betet. Er soll 7 Jahre an diesem Werk gearbeitet haben. Ein Originalstich danach erschien 1581. Für die Pieve in Arezzo malte er ein großes Gemälde einer Misericordia, die sogenannte Madonna del popolo - die Madonna als Fürsprecherin der Armen und Kinder (sign. 1579, jetzt in den Uffizien zu Florenz), ein Bild, das ihm ebenso, wie das Altarbild in Perugia großen Ruhm schon bei den Zeitgenossen eintrug. Im einzelnen, in Genrefiguren zeigt es malerisch große Schönheiten, wenn es auch im ganzen ziemlich zerflackert. Als er von Arezzo aus, wohin er das Bild persönlich gebracht hatte, Florenz besuchte, wollte ihn der Großherzog für Florenz gewinnen. Er lehnte aber diesen Antrag (ebenso wie die späteren von Kaiser Rudolph II. und Philipp II.) ab und blieb in Urbino. Sehr berühmt war auch die für die Confraternità di Santa Croce in Sinigaglia 1582 gemalte Grablegung, die viel kopiert wurde. (Sie ist von ihm selbst am Ende seines Lebens restauriert worden.) In der Brera zu Mailand befindet sich ein Martyrium des hl. Vitalis (aus S. Vitale in Ravenna stammend, gez. 1583), ein großes Bild, das dieselben Fehler in der Komposition und dieselbe virtuose Behandlung des Fleisches und des Stofflichen zeigt wie die Florentiner Madonna. In der Chiesa nuova zu Rom (S. Maria in Vallicella) befinden sich 2 Altarbilder von B.: eine Heimsuchung (jetzt sehr geschwärzt) und ein Tempelgang Mariä (der aber erst später, ca. 1594 entstand). Letzterer sehr schön im Ton und genremäßig in der Auffassung. 1534 vollendete er die Berufung der Apostel Andreas und Paulus zunächst für die Confraternità di S. Andrea in Pesaro; doch wurde das Bild von dem Herzog Francesco Maria II. als Geschenk für Philipp II. nach Spanien gesandt. (Ein Bild dieses Gegenstandes jetzt in Brüssel.) Für die Chiesa di S. Francesco in Pesaro entstand ein Bild der Beata Michelina im Pilgerkleid, die auf dem Kalvarienberg kniet, das sich jetzt in der vatikan. Galerie befindet. Ebenda ist auch eine Verkündigung, wahrscheinlich dieselbe, die ursprünglich für Loreto gemalt wurde (eine andere Verkündigung kam nach Spanien, eine dritte soll sich angeblich in der Sammlung Stroganoff in St. Petersburg befinden, eine Duplik des vatikan. Bildes in den Uffizien). Für Fossombrone malte B. eine Madonna auf einer Wolke thronend, vermutlich identisch mit dem Louvre-Bild zu Paris. 1590 ist die Darstellung der Beschneidung in Pesaro datiert. Ebenso das Noli me tangere in den Uffizien (ders. Gegenstand München Pin. und Pal. Corsini, Rom). Einige Jahre später fällt der Kruzifixus im Dom zu Genua, im Auftrag des Dogen gemalt, vom Cicerone für das beste Werk des Meisters erklärt. Ein anderer Kruzifixus mit der Jungfrau und Maria Magdalena, gemalt für die Compagnia della morte in Urbino, ist ungefähr um die Wende des Jahrhunderts entstanden (doch sind die Figuren von Alessandro Vitali, dem begabtesten Schüler B.s gemalt). Auch das einzige nicht religiöse Werk, das wir von B. kennen: der Brand von Troja mit der Errettung des Anchises, jetzt in der Galleria Borghese in Rom (ein identisches war von Kaiser Rudolph II. bestellt worden) fällt in diese Spätzeit (bez. 1598). Zwei Darstellungen des Abendmahls fallen in sein hohes Alter, die eine für den Papst Clemens VIII., jetzt in S. Maria sopra Minerva zu Rom, die andere größere und bedeutendere in der Kapelle des erzbischöflichen Palastes zu Urbino, sein letztes größeres Werk, aber vielleicht auch sein bedeutendstes - in der Raumwirkung schon fast seicentistisch und von einer unveränderten Süßigkeit des Tones im einzelnen. Von anderen Bildern des Meisters mögen noch erwähnt werden: eine Stigmatisation des hl. Franz für die Kapuzinerkirche in Urbino (jetzt in der Pinak. daselbst), ein ziemlich schwerflüssiges Bild, aber durch eine Radierung B.s sehr bekannt geworden; die sogen. Madonna del Gatto, eine hl. Familie mit einer Katze, ursprünglich für den Conte Brancaleoni gemalt - wahrscheinlich das jetzt in der Nationalgalerie zu London aufbewahrte Bild (dasselbe in Chantilly, und ein wenig verändert in der Galleria Corsini zu Rom); eine schöne und farbenfrohe hl. Familie in Spoleto; eine außerordentlich feine und auch in den Schatten von Licht erfüllte Geburt Christi (Joseph öffnet ein wenig die Tür des Stalles) in der Ambrosiana zu Mailand (vielleicht nur eine Kopie des im Prado zu Madrid befindlichen Originals), Bilder in Turin, Ferrara, Dresden, Bologna (letzteres unvollendet). Als Porträtist zeichnete er sich ebenfalls aus. Hier ist das glänzende Porträt des Herzogs Francesco Maria II. von Urbino in den Uffizien zu Florenz zu nennen, sowie das kleine Kinderporträt eines Prinzen, der gewickelt auf blauem Lager ruht, aus dem Jahr 1605, im Palazzo Pitti. Zahllos sind die Zeichnungen und Skizzen B.s, von denen die Uffizien eine reiche Sammlung besitzen. Besonders sind seine Pastellköpfe hervorzuheben. Auch als Radierer hat sich B. ausgezeichnet, ja eine ganz neue und eigenartige Technik punktierter Halbtöne erfunden. Nur wenige Radierungen B.s sind von seiner eigenen Hand (Verkündigung, Maria auf den Wolken, Stigmatisation des hl. Franz und der hl. Franz in der Kapelle), dagegen sind seine Gemälde vielfach und schon früh im Stich vervielfältigt worden. Bellori feiert B. als Bahnbrecher - er ist es auch in gewissem Sinne. Gegenüber den sich immer mehr in nüchterne Stilisierung verlaufenden Bestrebungen der Michelangelisten - der Vasari, Salviati usw. - betonte er das Studium der Natur, die eifrige Arbeit des Zeichnens, was seine vielen Studien beweisen. Es wird von ihm erzählt, daß er die Figuren seiner Bilder mitunter erst in weichem Wachs formte, was wohl vereinbar scheint mit der Weichheit seiner Umrisse, die von der schneidigen Kälte der Florentiner überaus absticht. Er übt dadurch einen großen Einfluß auf die spätere Generation aus und ist in diesem Sinne als ein Vorläufer der Carracci anzusehen. Sein Hauptverdienst liegt aber darin, daß er als erster wieder in Mittel-Italien ein stark malerisches Element vertritt im Sinne der weichen Verschmelzung der Töne. Besonders in seinen späteren Werken geht er über Correggio und die Norditaliener hinaus. Mitunter setzt er sogar ganz moderne blaue Töne in die Fleischschatten. Am meisten erinnert er in seiner Farbengebung an Rubens - ohne dessen Kraft. Sicherlich haben die Werke B.s auf Rubens während seines italienischen Aufenthalts großen Eindruck gemacht. A. Lazzari, Memorie di Federico Barocci. - Bel Iori, Le vite de' Pittori 1728 p. 98 ff. - Baldinucci, Opere IX. - Mezzanotte u. Vermiglioli, La Deposizione della Croce nella Cattedrale di Perugia, Perugia 1818. - D. C. Farabulini, Sopra una sacra farniglia di Barocci nell' Esposizione romana, Roma, 1870. 8°. - Calzini, Urbino e i suoi Monumenti, Rocca S. Casciano 1897 (an vielen Stellen). - The Athenaeum 30. 1. 1904 p. 153, 181. - Gazette des Beaux-Arts 1904 I p. 424. - Il Rosario. Memorie Domenicane, Nov. 1905 (Anselmi). - Schinerber, Italien. Malerei im 17. Jahrh. 1906 p. 150, 179-80. - Meyer, Kstlerlex. - Rassegna bibliogr. dell' arte ital. I 103 (Calzini) II 255 (Castellani und Grigioni). III 78 (Scatassa). IV 81 (Cantalamessa), 129 (Scatassa). VIII 140 (Anselmi). - E. Scatassaain Le Marche, giugno 1901. - F. Brogi, Invent. gen.. della Provincia di Siena 1897. - L'Arte IV 384 (Calzini). - Repertor. f. Kstwiss. XXV 444.
QuelleSource
- AKL Online
- subtitle
- Allgemeines Künstlerlexikon Online / Artists of the World Online
- De Gruyter
- De Gruyter | 2009