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BY-NC-ND 4.0 license Open Access Published by De Gruyter

Ioseph

Ἰωσήφ

  • Ralph-Johannes Lilie , Claudia Ludwig , Beate Zielke and Thomas Pratsch

Achtung: Dieses Lemma enthält gegenüber der gedruckten Fassung Veränderungen und Zusätze ohne Auswirkung auf die Angaben zur Person.

T: Mönch, Presbyteros, Hegumenos des Katharaklosters — ἡγούμενος τῶν Καθαρῶν in Bithynien, Oikonomos der Hagia Sophia (bzw. Megale Ekklesia) in Konstantinopel, Abbas.

V: I. wurde vermutlich zwischen 740 und 750 geboren, da er etwas älter als Theodoros Studites (# 7574) gewesen zu sein scheint, welcher angeblich bereits zwischen 806 und 808 mit seinem baldigem Tod gerechnet haben soll (1). Er hatte wenigstens einen Bruder (zu diesem s. unten), der ebenfalls Mönch geworden war. Am wahrscheinlichsten war er zunächst Mönch und stieg zum Hegumenos des Katharaklosters auf; später wurde er (2) in Konstantinopel Angehöriger des Patriarchatsklerus. Es gibt jedoch einige schwache Anhaltspunkte dafür, daß ihm das Katharakloster auch weiterhin unterstand und er es folglich aus der Ferne leitete (3). Im August 795 segnete er als Presbyteros und Oikonomos der Hagia Sophia wohl im Auftrage des Patriarchen Tarasios (# 7235) die zweite Ehe Kaiser Konstantins VI. mit der Kubikularia Theodote (# 7899) ein und rief dadurch den sogenannten “moichianischen Streit” hervor. Theodoros Studites protestierte gegen die zweite Ehe des Kaisers mit Theororos’ eigener Cousine Theodote, die er nicht anerkannte und als “Moicheia” (also: Ehebruch) bezeichnete, und wurde deshalb schließlich im Februar/März 797 vom Kaiser nach Thessalonike verbannt. Die Eheschließung war jedoch mit Sicherheit im Auftrag oder zumindest mit Billigung des Patriarchen Tarasios geschehen, der sich zwar geweigert hatte, die Trauung selbst zu vollziehen, aber doch dem Kaiser am Ende die Ehe nicht verweigern konnte. Vor allen Dingen spätere Quellen exkulpieren allerdings den Patriarchen, machen Ioseph allein für die Eheschließung verantwortlich und unterstellen ihm, eigenmächtig, also ohne Erlaubnis des Patriarchen, gehandelt zu haben. Die Laudatio Platonis aus der Feder des Theodoros Studites berichtet überdies (cap. 30), daß ihm im Jahre 797 die Bewachung des in Konstantinopel internierten Platon (# 6285) anvertraut worden sei, den er später dafür um Verzeihung gebeten haben soll. Nach der Blendung Konstantins VI. im Jahre 797 und zu Beginn der Alleinherrschaft Eirenes (# 1439) wendete sich das Blatt zu Ungunsten Iosephs: Eirene entließ Theodoros Studites und seine Anhänger aus der Verbannung und versöhnte diesen mit dem Patriarchen Tarasios. Zu diesem Zwecke wurde Ioseph fallengelassen, dem man damit die alleinige Schuld an der “unkanonischen” (4) Zweitehe des Kaisers anlastete. Man unterstellte ihm, er habe ohne die Erlaubnis des Patriarchen gehandelt, und setzte ihn daher vom Priesteramt ab (5). Möglicherweise durfte er jedoch sein Amt als Oikonomos der Hagia Sophia behalten und blieb somit Angehöriger des Patriarchatsklerus (6). Spätestens nach dem Sturz Eirenes am 30. Oktober des Jahres 802 und der Krönung des neuen Kaisers Nikephoros I. (am 31. Oktober) scheint er wieder in kaiserlicher Gunst gestanden zu haben, denn im Jahre 803 vermittelte er nach dem Synodicon vetus erfolgreich zwischen Kaiser Nikephoros I. und dem aufständischen Bardanes Turkos (# 766). Oder aber er erlangte umgekehrt die Gunst des Kaisers durch seine erfolgreiche Vermittlung zurück (7). Anscheinend auf Betreiben des Kaisers Nikephoros I. wurde I. durch eine Synode im Jahre 806 unter Leitung des Patriarchen Nikephoros (# 5301) wieder in das Priesteramt eingesetzt (8). Theodoros Studites war auf dieser Synode zugegen gewesen und hatte die Wiedereinsetzung I.s zunächst schweigend toleriert. Später aber, vor allem im Verlauf und gegen Ende des Jahres 808, erklärte Theodoros diese Wiedereinsetzung für “unkanonisch”, protestierte heftig dagegen und ging deshalb sogar so weit, die Gemeinschaft mit dem Patriarchen Nikephoros und dem Kaiser selbst aufzukündigen (9). Gegen Ende des Jahres 808 wurden Theodoros und andere Studiten, unter diesen vor allem der Archiepiskopos von Thessalonike, Ioseph (# 3448), von ihren Ämtern abgesetzt, im Januar 809 durch eine Synode als Schismatiker verurteilt und anschließend mit der Auflösung ihrer Klöster und Verbannung bestraft. I. wurde durch dieselbe Synode in seinen Ämtern und Würden bestätigt. Dieser Zustand währte jedoch nur bis zur Machtübernahme Michaels I. im Oktober 811. Der neue Kaiser entließ wiederum Theodoros und die Studiten aus der Verbannung und suchte erneut, eine Versöhnung zwischen Theodoros und dem Patriarchen (Nikephoros I.) herzustellen. Ein weiteres Mal wurde daher I. vom Priesteramt abgesetzt und zum Schuldigen an den Zerwürfnissen zwischen Studiten und Patriarch erklärt (BHG 1553). I. wird in zahlreichen Briefen des Theodoros Studites erwähnt, der sich im Verlaufe des moichianischen Streits mehrfach gegen I. gewandt hatte und für dessen zweimalige Absetzung vom Priesteramt die Hauptverantwortung trug. Im Jahre 816 war I. Adressat eines Versöhnungsbriefes des Theodoros (ep. 83), da auch er sich gegen das Verbot der Bilderverehrung ausgesprochen hatte. Offenbar wurde er aber im Frühjahr des Jahres 816 zusammen mit anderen Äbten von Kaiser Leon V. in die Hauptstadt beordert und dem ikonoklastischen Geistlichen Ioannes Grammatikos (# 3199) übergeben, der sie schließlich zur Gemeinschaft mit den Ikonoklasten überreden konnte. Dabei spielte I. wohl eine eher vermittelnde Rolle oder unterstützte sogar die Gegner der Ikonenverehrung (10). Anscheinend schloß er sich aber später wieder den Befürwortern der Ikonenverehrung an. Denn nach der Vita Ioannic. soll er unter Michael II. (821–829) im Beisein vieler anderer (ikonophiler) Metropoliten und Hegumenoi, unter denen auch sein leiblicher Bruder (s. unten) sowie Theodoros Studites gewesen sein sollen, in einem Metochion des Agauronklosters mit Ioannikios (# 3389) zusammengetroffen sein (11). Ioannikios sagte ihm bei dieser Gelegenheit seinen baldigen Tod voraus. Diese Voraussage soll sich bald darauf erfüllt haben. Dieses Treffen müßte zwischen ca. 821 und 826 (Tod des Theodoros Studites) stattgefunden haben, wahrscheinlich aber um 823/24 (12). Er starb also aller Wahrscheinlichkeit nach um 823/24.

I. war eine der führenden Figuren des Konstantinopler Patriarchats, wie bereits sein Werdegang nahelegt: Mönch, Abt, Presbyteros und Oikonomos der Hagia Sophia in unmittelbarer Nähe zu Patriarch und Kaiserhof. Er war ein Vertrauter des Patriarchen Tarasios und quasi dessen “rechte Hand” –. Dies ist vermutlich auch der Grund, warum gerade er, nämlich in direkter Stellvertretung des Patriarchen, die zweite Ehe Konstantins VI. einsegnete. Unter Nikephoros I. fungierte er erfolgreich als Gesandter des Kaisers in einer heiklen diplomatischen Angelegenheit. Einige hagiographische Nachrichten bestätigen seine Kontakte zu den führenden Klerikern seiner Zeit (beispielsweise Ioannikios). Dennoch wird sein Bildnis heute überschattet von den Auseinandersetzungen, die Theodoros Studites mittelbar gegen die Autorität der Patriarchen Tarasios und Nikephoros führte (13), die jedoch am Ende unmittelbar ihn betrafen und zu seiner zweimaligen Absetzung vom Priesteramt führten. Dadurch wird I. zu einer tragischen Figur – gewissermaßen zu einem Opfer des Sendungsbewußtseins des Theodoros Studites.

Anmerkungen: — (1) Theod. Stud., Ep. 23,25f.; cf. dazu Pratsch, Theodoros 156 mit Anm. 41. — (2) Möglicherweise als Anhänger und im Gefolge des Patriarchen Tarasios (# 7235) bei dessen Amtsübernahme im Jahre 784 oder wenig später. — (3) Cf. Pratsch, Theodoros 117. 129f. 149. — (4) Siehe dazu auch Pratsch, Theodoros 83–107. 315–318. — (5) Cf. dazu Pratsch, Theodoros 118 mit Anm. 22. — (6) Cf. vor allem Theod. Stud., Ep. 21,40f.; 22,128; zu diesen Briefstellen, die wohl ursprünglich einem Brief Platons entstammen, der in das Briefkorpus des Theodoros geraten ist, cf. Th. Pratsch, Ein Brief Platons in zwei Briefen des Theodoros Studites — eine textkritische Anmerkung, voraussichtlich in: JÖB 51 (2001). — (7) Cf. dazu auch Fatouros 161* Anm. 83 (Lit.). — (8) Cf. dazu Pratsch, Theodoros 147–149. — (9) Cf. zu den Ereignissen Pratsch, Theodoros 147–173. — (10) Cf. z. B. Theod. Stud., Ep. 231. — (11) Zu diesem Treffen, bei dem es sich vermutlich um eine Zusammenkunft der ikonophilen Partei gehandelt hat, cf. Pratsch, Theodoros 281– 288. — (12) Cf. dazu Pratsch, Theodoros 287. — (13) S. dazu Pratsch, Theodoros 293– 305.

Q: — (Hist.): Theophanes 470,27f.; 484,23f.; Georg. mon. 774,15; Georg. mon. (Muralt) 965C-D. 976A; Kedrenos II 36,13f. — (Ep.): Theod. Stud., Epp. 83 (Fatouros); 12 (Mai); erwähnt (teils ohne Namen) in epp. 3. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 30. 31. 32. 38. 43. 48. 49 (Fatouros); I 3. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 30. 31. 38. 32. 43. 48. 49 (PG 99); 135. 197. 222. 223 (Fatouros); 64. 123. 145. 146 (Mai); II 9. 10 (PG 99); 231. 267. 268. 281 (Fatouros); 152. 188. 189. 196 (Mai); 555 (Fatouros); II 221 (PG 99); NPB V,3 p. 101 (Mai). — (Hag.): Synodicon vetus cap. 153,5-10, p. 128; Vita Tarasii 411,33-36 (Heikel); § 46, p. 130,9f. (Efthymiadis); Vita Ioannic. (Sabas; BHG 935) cap. 28, p. 357B–358A; Vita Ioannic. (Petros; BHG 936) cap. 36, p. 404C–405C; Vita Ioannic., Metaphr. (BHG 937) cap. 32, col. 68B-C; Vita Nicet. Medic. (BHG 1342) 43; Theod. Stud., Laud. Plat. (BHG 1553) cap. 29, 832C; cap. 30, 833B (als φρουρέα)` cap. 31, 833C; cap. 35, 840A; cap. 38, 841A-B; cap 40, 844B; Vita A Theod. Stud. (BHG 1755) 137A. 141C. 156A-D. 157B. 160B. 165A; Vita B Theod. Stud. (BHG 1754) 252C-D. 256D. 265D. 268A; Vita C Theod. Stud. (BHG 1755d) 267. 269. 274f. 277; De Schismate 1852A-B. 1853A.

L: Dobroklonskij II 204f.; Bury, Later Rom. Emp. II 487; Menthon, Olympe 250 (Reg.); Alexander, Nicephorus 85–87. 283 (Reg.); Henry, in: JThSt 20 (1969) 520; Stiernon, in: REB 28 (1970) 118 Anm. 56; Speck, Konstantin VI. 254f.; Mango, Ioannikios 395 mit Anm. 9; Treadgold, Revival 490 (Reg.); Niavis, Nicephorus I 308 (Reg.); Rochow, Theophanes 263. 265. 280; Niavis, in: Byzantinos Domos 4 (1990) 85–97, engl. Résumé: 98; Fatouros loc. cit.; 9*– 14*. 161*–169*. 171*f. 192*. 220*; Lilie, Eirene 428 (Reg.); Leontaritou, Axiomata 428 (Nr. 149f); Pratsch, Theodoros 326 (Reg.); Treadgold, History 426. 430; Sullivan, in: Byzantine Defenders 292 Anm. 272; Efthymiadis, in: Vita Tarasii (BHG 1698; Efthymiadis) 237.

P: Nicht auszuschließen ist eine Identität mit ZV 1337 = Laurent, Corpus V 1638 (# 3450), das von den Herausgebern in die Periode zwischen 787 und 815 datiert wird. Sollte allerdings die Datierung Laurents in die zweite Hälfte des 9. Jh.s zutreffen, wäre eine Identität nicht möglich.

Angehörige (anonym):

1. Bruder 3447A

V: Er findet nur in den Viten des Ioannikios Erwähnung. Diesen Quellen zufolge traf er sich zwischen 821 und 826 zusammen mit seinem Bruder sowie mit dem Metropolites von Chalkedon, Ioannes (# 3205), dem Metropolites von Nikaia, Petros (# 6067), dann mit Theodoros Studites, dem Hegumenos Klemes (# 3653) und vielen anderen Metropoliten und Hegumenoi bei Ioannikios in einem Metochion des Agauronklosters auf dem bithynischen Olymp.

Q: — (Hag.): Vita Ioannic. (Sabas; BHG 935) cap. 28, p. 357B; Vita Ioannic. (Petros, BHG 936) cap. 36, p. 404C; Vita Ioannic., Metaphr. (BHG 937) cap. 32, col. 68B-C.

QuelleSource

Downloaded on 29.3.2024 from https://www.degruyter.com/database/PMBZ/entry/PMBZ14591/html
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