Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde von der Justiz des „Dritten Reichs“ als „Hochverrat“ definiert. Anklage- und Urteilsschriften stellen daher eine erstrangige Quelle für die Geschichte des Widerstandes dar. Die Datenbank bündelt die Anklageschriften und Urteile gegen Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, Volksgerichtshof und Reichskriegsgericht mit den Verfahren in Österreich vor den Oberlandesgerichten Wien und Graz. Als Zusatzmaterial sind die politischen Schriften und Briefe Carl Friedrich Goerdelers enthalten.
Nähere Informationen zu diesen drei Quellen:
Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht
Der politische Widerstand gegen den Nationalsozialismus wurde von der Justiz des „Dritten Reichs“ als „Hochverrat“ definiert. Anklage- und Urteilsschriften der entsprechenden Verfahren vor den zuständigen zentralen Gerichten – Reichsgericht (1933 bis 1934), Volksgerichtshof (1934 bis 1945) und Reichskriegsgericht (1936 bis 1944) – stellen daher eine erstrangige Quelle für die Geschichte des deutschen Widerstandes dar. Die Akten berichten detailliert über die Widerstandstätigkeit, beleuchten die Struktur oppositioneller Gruppen und geben oft anderweitig nicht mehr greifbare Schriften des Widerstandes vollständig oder in umfangreichen Auszügen wieder. Das Institut für Zeitgeschichte ermittelte Anklage- und Urteilsschriften aus rund 2.500 Prozessen gegen ca. 7.500 deutsche Reichsangehörige. Darunter befinden sich die Prozesse gegen die Mitglieder der Gruppen „Weiße Rose“ und „Edelweißpiraten“, die „Hübner-Gruppe“ und andere Zusammenschlüsse von Jugendlichen, gegen den Kreisauer Kreis und den Goerdeler-Kreis, gegen die kommunistischen Widerstandsgruppen um Anton Saefkow und Herbert Baum und gegen die Mitglieder der „Roten Kapelle“ um Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, um nur einige der bekannteren Gruppen zu nennen.
Widerstand und Verfolgung in Österreich 1938 bis 1945. Die Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten Wien und Graz
Bald nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 setzte das NS-Regime die Strafjustiz zur Bekämpfung und Unterdrückung politischer Gegner in Österreich ein. Die einschlägigen Paragraphen des österreichischen Strafgesetzbuchs wurden mit der Verordnung vom 20. Juni 1938 aufgehoben und das politische NS-Strafrecht in modifizierter Form eingeführt. Hochverrat, Landesverrat und im Krieg auch Wehrkraftzersetzung waren die zentralen Delikte, die man Widerstandsgruppen und politischen Oppositionellen vorwarf. Strafrechtlich verfolgt wurde alles, was als Angriff auf die so genannte „Innere Front“ betrachtet wurde, aber auch Kontakte zu ausländischen Regierungen. Die Anklageschriften und Urteile des Volksgerichtshofs, des zentralen politischen Gerichts im Reich, vor allem aber die Akten des Oberlandesgerichts in Wien sowie ab Oktober 1944 des Oberlandesgerichts in Graz dokumentieren in einzigartiger Weise das Ausmaß der nationalsozialistischen Strafverfolgung in Österreich. Mitglieder und Sympathisanten der Kommunistischen Partei Österreichs und ihrer Unterorganisationen, Sozialdemokraten sowie Vertreter des politischen Katholizismus gerieten ebenso in die Mühlen der Justiz wie viele eher unpolitische Menschen, denen eine wie auch immer sich äußernde Kritik am Kriegsverlauf und den Durchhalteparolen der NS-Propaganda vorgeworfen wurde. Etwa 2.300 Anklage- und Urteilsschriften von den Oberlandesgerichten Wien und Graz sowie vom Volksgerichtshof – sofern Österreicher betroffen waren – wurden von Zeithistorikern im Bundesarchiv Berlin, in Moskauer Archiven, in staatlichen österreichischen Archiven, bei Behörden und im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands in Wien zusammengetragen und ediert. Die Anklageschriften und Urteile bieten eine breite Quellenbasis zur Erforschung der NS-Strafjustiz, der nationalsozialistischen Verfolgungsmaschinerie in Österreich sowie der verschiedenen Widerstandsbewegungen anhand von zahlreichen Einzelschicksalen.
Wiedergabe der Anklageschriften und Urteile in der Datenbank
Mit Hilfe des Browse-Buttons können die drei Quellen einzeln aufgerufen werden; im linken Filterbereich kann dann gezielt auf „Erläuternde Materialien“, „Quellen“ und „Register“ zugegriffen werden. Anklageschriften und Urteile sind zudem miteinander am Dokument der Quelle verlinkt, ganz unten, im Anschluss an das Faksimile unter „Zugehörige Dokumente“.
Politische Schriften und Briefe Carl Friedrich Goerdelers
Carl Friedrich Goerdeler, führender Kommunalpolitiker und langjähriger Oberbürgermeister von Leipzig, gehörte zu den maßgeblichen Vertretern der zivilen Opposition innerhalb der Bewegung des 20. Juli 1944. Nach vergeblichen Bemühungen, das NS-Regime vom Weg in den Krieg abzuhalten, trat er an die Spitze der zivilen Verschwörer und war als Reichskanzler der Umsturzregierung vorgesehen. Nach dem fehlgeschlagenen Attentat wurde er verhaftet und vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Carl Friedrich Goerdeler wurde am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Die politischen Schriften und Briefe Goerdelers zeigen exemplarisch die politischen Vorstellungen der rechtsstehenden bürgerlichen Elite seit dem ausgehenden Kaiserreich. Seine Schriften behandeln wirtschafts- und finanzpolitische, aber auch außen- und verfassungspolitische Fragen und spiegeln Goerdelers außergewöhnlich intensives Engagement in der Kommunal- und der Reichspolitik seit 1930, aber auch seine schrittweise Abwendung vom NS-Regime wider. Dazu treten Dokumente zu seinen verfassungs- und gesellschaftspolitischen Neuordnungsvorschlägen im Zusammenhang mit der Planung des Staatsstreiches. In den während der Gestapo-Haft verfassten Schriften beschäftigte Goerdeler sich teils mit Nachkriegsplanungen, teils zog er eine persönliche Lebensbilanz und appellierte leidenschaftlich an die Zeitgenossen, zu Frieden und ehrlicher Verständigung zu gelangen. Die ausgewählten Denkschriften, Redemanuskripte, Briefe und Reiseberichte stammen aus privaten Nachlässen und öffentlichen Archiven und sind mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat versehen. Sie werden in chronologisch-inhaltlich gegliederten Kapiteln wiedergegeben, in die mit kurzen Aufsätzen eingeführt wird. Ein Aufsatz widmet sich der Stellung Goerdelers innerhalb der Bewegung des 20. Juli.
Wiedergabe der Dokumente in der Datenbank
Die Schriften und Briefe Goerdelers sind im Browse gezielt anwählbar. Im linken Filterbereich kann unter „Erläuternde Materialien“ auf 18 zusätzlichen Dokumente (v.a. Einführungen und Verzeichnisse) zugegriffen werden.
Online-Erstveröffentlichung der Quellen dieser Datenbank in:
Deutsche Geschichte im 20. Jh.: Nationalsozialismus, Holocaust, Widerstand und Exil 1933-1945 Online, De Gruyter/K. G. Saur (2006–2022)
Die Datenbank basiert auf folgenden Werken:
Widerstand als „Hochverrat“ 1933–1945. Die Verfahren gegen deutsche Reichsangehörige vor dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichskriegsgericht
Herausgegeben vom Institut für Zeitgeschichte, München. Bearbeitet von Jürgen Zarusky und Hartmut Mehringer. Mikrofiche-Ausgabe mit Erschließungsband. München: K. G. Saur 1995 (Der Erschließungsband erschien in der Reihe Texte und Materialien zur Zeitgeschichte Bd. 7)
Widerstand und Verfolgung in Österreich 1938 bis 1945. Die Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten Wien und Graz
Herausgegeben von Wolfgang Form, Wolfgang Neugebauer und Theo Schiller in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv. Bearbeitet von Esther Krähwinkel und Wolfgang Form. Mikrofiche-Ausgabe mit Erschließungsband. München: K. G. Saur 2004
Politische Schriften und Briefe Carl Friedrich Goerdelers
Herausgegeben von Sabine Gillmann und Hans Mommsen. 2 Bde. München: K. G. Saur 2003