Abstract
Die Einleitung zur Tugendlehre als Ganzes dient der Darstellung der zentralen Positionen, welche die Tugendlehre als ethischen Teil des „System[s] der allgemeinen Pflichtenlehre“ (379) charakterisieren. Der Nachvollzug des Argumentationsgangs ist nicht immer einfach, die offenkundigen „Inkohärenzen des Textes“ der Einleitung in die Tugendlehre könnten - wie Bernd Ludwig vermutet hat - darin begründet sein, „daß der Text [der Einleitung zur Tugendlehre, D. H.] aus z.T. schon länger bei Kant bereitliegenden Teilen zusammengesetzt wurde und eine gründliche Zusammenarbeitung zu einer Gesamtkonzeption unterblieben ist“ (Ludwig 1990, XXIII). Die Abschnitte XIII-XVIII der Einleitung behandeln im Rahmen dieser allgemeinen Aufgabenstellung in der Hauptsache drei für das Verständnis des kantischen Projekts einer Tugendlehre konstitutive Themen: 1. den Begriff der Tugend innerhalb einer ethischen Pflichtenlehre, 2. die systematischen Voraussetzungen der Tugendpraxis und 3. die Prinzipien der Einteilung der Tugendlehre. Bernd Ludwig hat in seiner Neuedition der Tugendlehre den Abschnitt „Von der Tugend überhaupt“ als neuen Abschnitt XIV bezeichnet und damit die Zählung der Akademie-Ausgabe verändert (Ludwig, 1990, XXVII). Werner Euler dagegen erachtet diesen Eingriff „weder für erforderlich noch für überzeugend“ (Euler 2012, 250), weil der besagte Abschnitt - ähnlich wie dies auch in Abschnitt XIV der Fall sei - eine bloß erläuternde Anmerkung zum Haupttext darstelle. Euler hat darüber hinaus eine „kritische Auseinandersetzung mit Ludwigs Kritik am Textkorpus“ der Tugendlehre angekündigt, die m.W. aber bisher nicht erschienen ist. Der Einfachheit halber bleibe ich bei der Zählung der Akademie-Ausgabe. Der Darstellung Eulers verdankt die vorliegende Abhandlung wichtige Anregungen.