Zusammenfassung
Der Aufsatz widmet sich dem bedrohten Naturraum des Moors in Sarah Kirschs Prosatext Allerlei-Rauh (1988). In der autofiktionalen Chronik verbinden sich Topoi der Melancholietradition mit einer akribisch fürsorglichen Naturbetrachtung und -dokumentation, die den Naturdichtungen Annette von Droste-Hülshoffs ebenso nahestehen wie dem Genre des Nature Writing. So bezeugt und ästhetisiert eine melancholisch affizierte Instanz die schleswig-holsteinische Moorlandschaft als Ort gelungener Interspezies- Begegnungen und doch als prekäres Idyll, an dem die zerstörerischen Folgen anthropozäner Moorkolonisierung und Naturausbeutung im ausgehenden 20. Jahrhundert bereits deutlich zutage treten. Negiert wird somit eine langwährende hierarchisch und dichotomisch geprägte Tradition des Schreibens über das Moor als wüster und artenarmer locus terribilis, den es durch den Menschen zu zivilisieren und auszubeuten gilt.