Zusammenfassung
Die am Beispiel von Karen Duve, Thomas Kling und Marcel Beyer untersuchten Moore der Gegenwartsliteratur dienen mit Blick auf die dargelegten literaturgeschichtlichen, aber auch historisch bedingten Implikationen als anthropogen und geschichtlich kontaminierte Speicher, die eine öko-, geschichts- und selbstkritisch verschränkte Poetik entwerfen. Während bei Karen Duve der Schauereffekt der unheilbringenden Natur weitertradiert und um neue, dezidiert ökokritische, der Selbstkonfrontation dienende Aspekte ergänzt wird, schreitet auch das lyrische Subjekt bei Thomas Kling im Spiegel der Vergangenheit die Ränder einer anthropozentrisch geprägten Zeit selbstreflexiv ab, das Gedicht wird zum Wahrnehmungsmedium der Gegenwart mit historischem Bezugspunkt. Klings ‚Moorpoetik‘ beruht auf einer „spracharchäologischen“ Auseinandersetzung, an die ein Erkenntnisanspruch in der Gegenwart geknüpft ist. Die reflexive Standortbestimmung bei Marcel Beyer erfolgt schließlich als Form historisch- und historiographie-kritischer Auseinandersetzung, doch bleibt beim Eintauchen in historische Tiefen das körperliche Erleben und damit eine permanente Rückbindung an die Gegenwartserfahrung des lyrischen Subjekts präsent. Auch wenn die Modi der Erkenntnis und Perspektivierung in den untersuchten Texten divergieren, weisen sie doch alle in ihrer kritischen Dimension einen Gegenwartsbezug auf. Dabei wird deutlich, wie die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, die Frage nach Vergangenheitsbewältigung immer auch eine der Zukunftsgestaltung ist.