Wenn Paul Celan in seiner Büchnerpreis-Rede Der Meridian das Gedicht gerade den Ort nennt, „wo alle Tropen und Metaphern ad absurdum geführt werden wollen“, zeigt er unzweideutig, daß er den Begriff Metapher nicht als adäquates Beschreibungsinstrument für seine Gedichte sieht. In den Notizen zur Vorbereitung der Rede ist er da erheblich deutlicher, und, für den mit dem traditionellen Metaphernbegriff Vertrauten, auch verwirrender: Den berühmten Beginn seiner Todesfuge, „Schwarze Milch der Frühe“, nennt er „keine jener Genitivmetaphern, wie sie uns von unseren sogenannten Kritikern vorgesetzt“ werden, „damit wir nicht mehr zum Gedicht gehen; das ist keine Redefigur und kein Oxymoron mehr, das ist Wirklichkeit“. Dabei ist natürlich davon auszugehen, daß sich Celan über die Implikationen einer solchen Aussage im klaren war. Notizen wie „Wer das Gedicht aufsucht, um nach Metaphern zu schnüffeln, wird immer nur – Metaphern finden“ haben aber Astrid Poppenhusen nicht davon abgehalten, sich in ihrer Münchner Dissertation mit der Metapher bei Celan zu befassen. Zu Recht, meine ich, denn ebensowenig, wie man sich mit der Feststellung begnügen darf, Celans Dichtung sei nicht hermetisch, weil ihr Autor sie nicht dafür hielt, darf man das Metaphern-Problem wegen Celans kritischer Stellung dazu ad acta legen. Im Gegenteil: Sowohl nach dem Textbefund vor dem Hintergrund der traditionellen Metaphorologie als auch nach dem Warum für Celans Haltung ist zu fragen.
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003