Abstract
1. Das Problem und die hier vertretene These
Das für Paulus autoritative Schriftcorpus waren bekanntlich die heiligen Schriften Israels. Er hat sie in der griechischen, in den Diasporasynagogen seiner Zeit geläufigen Übersetzung der Septuaginta gekannt und gebraucht. Mit dem Pentateuch, den Propheten und Schriften argumentiert er in seinen Hauptbriefen, zu denen auch der Erste Korintherbrief zählt, in breiter und eindrucksvoller Weise. Allein in 1Kor 11,2–16 leistet sich Paulus im Hinblick auf die Überzeugungskraft seiner Ausführungen eine offenbar doch recht unglückliche Ausnahme. Mit seiner komplexen Struktur aus Thesen, biblischen sowie unbiblischen Begründungen und Appellen gilt dieser Text als eine der inkonsistentesten und schwächsten, ja, merkwürdigsten Argumentationen des Apostels überhaupt. So ist schon unklar, worum es hier eigentlich geht. Und dann sieht man Paulus hintereinander und oft zusammenhanglos die Argumentationsebenen wechseln und dabei alle möglichen Thesen aufstellen und Begründungen heranziehen. Vielleicht, so Max Küchler, hat der Apostel einfach gehofft, dass davon bei dem einen dies, bei dem anderen das ankommt.
© Walter de Gruyter