Zusammenfassung
Die Frage, welchen Zweck bibliothekarische Kataloge jenseits der Bestandsdokumentation haben, kann man sowohl aus der Perspektive der Bibliotheken wie aus derjenigen der Forschung aufwerfen. Im System der deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken gibt es Kataloge, die regional organisiert sind (Verbundkataloge) und solche, die bestimmte Medien betreffen wie Papyri, Bilder oder Münzen. Andere sind chronologisch orientiert (Verzeichnis der Drucke für das 16., 17. und 18. Jahrhundert). Vor allem diese haben das Erbe des 1943 unvollständig abgebrochenen „Deutschen Gesamtkatalogs“ angetreten und bemühen sich um nationalweit vollständige Nachweise in hoher bibliografischer Qualität. Aus der Sicht der Forschung sind solche Katalogdaten ideale Forschungsdaten, die zur Auswertung im Sinne eines „data mining“ einladen. Allerdings sind die Bibliothekskataloge in Deutschland qualitativ und quantitativ defizitär. Eine genauere Bestandsaufnahme kann nur dann zu ihrer Verbesserung führen, wenn im deutschen Bibliothekssystem das Problem erkannt und Wege gefunden werden, organisatorisch und förderpraktisch die Katalogisierungsleistungen für die Forschung, vor allem der Digital Humanities, besser nutzbar zu machen.
Abstracts
When asked what purpose library catalogues serve, aside from listing different holdings, answers may be given from the perspective of the libraries and from a research point of view. Within the system of German academic libraries there are regionally-organized catalogues (Verbundkataloge) or those focusing on specific media such as papyri, images or coins. Others observe a chronological order (cataloguing printed books for the 16th, 17th, and 18th century) and try to establish data in high quality for every book in a German library, thus stepping in where the German National Catalogue (Deutscher Gesamtkatalog) stopped in 1943. From a research point of view, such catalogue data is ideal research data that lends itself to ‘data mining’ approaches. Yet German catalogues are deficient in terms of both quality and quantity. A detailed review can only lead to an improvement of the situation if the problem is recognized and means of organization and of funding are found to make the outcome of cataloguing useful for research purposes, especially for the Digital Humanities.
Hinweis
Ein persönlicher Hinweis vorweg: Die folgenden Überlegungen sind ein Appell, der sich an die Gemeinschaft der wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekare richtet; eine vorläufige Vortragsfassung wurde am 22. Oktober 2019 auf der Sektion IV des Deutschen Bibliotheksverbandes diskutiert. Den Appell zu formulieren traue ich mir nach zwanzig Jahren aktiver Mitarbeit in Bibliotheksleitungsstrukturen (1999–2005 an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, seit 2006 an der Universitätsbibliothek Leipzig) zu; so lange dauerte es auch, bis mir die grundsätzlichen Perspektiven klargeworden sind, denen ich mich im Folgenden verschreibe. Die sechs Jahre Mitgliedschaft im Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2013–2019) haben geholfen, Kriterien für die Beurteilung der bibliothekarischen Praxis zu gewinnen; an die DFG und die in ihr Aktiven richten sich meine Bemerkungen ebenfalls, denn durch Drittmittelförderung sind die meisten der im Folgenden erwähnten Katalogisierungsleistungen ermöglicht worden. Die Frage ist heute: Welche Zukunft haben sie?<fnote> Die Nachweise im Text sind auf das Nötigste beschränkt.</fnote>
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Ulrich Johannes Schneider
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