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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter August 9, 2022

Going digital – Ein digitaler Lesesaal für die Staatsarchive Basel-Stadt und St.Gallen

Going Digital: A Digital Reading Room for the State Archives of Basel-Stadt and St.Gallen
  • Lambert Kansy

    Lambert Kansy

    ORCID logo EMAIL logo
    and Martin Lüthi

    Martin Lüthi

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From the journal ABI Technik

Zusammenfassung

Der Beitrag stellt den digitalen Lesesaal (DLS) der Staatsarchive Basel-Stadt und St.Gallen vor. Ziele, Vorarbeiten und agile Umsetzung sowie Architektur, Design und Funktionen werden auf dem aktuellen Stand präsentiert. Abschließend wird das Vorgehen zur Einführung skizziert.

Der DLS ist die zentrale Schnittstelle zum Archivgut. Er schafft direkten Zugang zu digitalem Archivgut und bildet den gesamten Benutzungsprozess des Archivs ab. Der DLS bietet Werkzeuge für Vermittlung von Archivgut und ermöglicht mit Tools für User Generated Content auch Partizipation von Benutzenden.

Abstract

The article presents the digital reading room (DLS) of the State Archives of Basel-Stadt and St.Gallen. Goals, preliminary work and agile implementation as well as architecture, design and functions are presented at the current state. Finally, the procedure for the introduction is outlined.

The DLS is the central interface to the archives. It offers direct access to digital archives and maps the entire archive access process. The DLS contains tools for the mediation of archive material and also enables user participation with tools for user-generated content.

1 Einleitung

Wer digital archiviert, analoges Archivgut digitalisiert und weiterhin einen Lesesaal vor Ort betreibt, braucht einen digitalen Lesesaal – zumindest, wenn es sich hierbei um ein öffentliches Archiv handelt. Das waren die Prämissen, als vor rund zehn Jahren die ersten Überlegungen hinsichtlich eines digitalen Lesesaals in den Staatsarchiven Basel-Stadt und St.Gallen entstanden – zuerst unabhängig, seit 2013 im Dialog zwischen beiden Institutionen. Daraus entwickelte sich ein gemeinsames Projekt, das sich nach umfangreichen konzeptionellen Vorarbeiten seit 2020 in der Realisierung befindet.

Der vorliegende Beitrag zeichnet die Entwicklung des Projekts zur Konzipierung und Realisierung eines digitalen Lesesaales von den Anfängen bis zur – zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrags noch laufenden – Realisierung nach.

2 Ausgangslage

Eine Kernaufgabe öffentlicher Archive ist neben der Überlieferungsbildung und Erhaltung die Zugänglichmachung von Archivgut. Dies gilt unabhängig von der Materialität des Archivguts auch für Born-digital-Unterlagen.[1] Sobald digitales Archivgut übernommen wird, ist die Notwendigkeit vorhanden, es Benutzenden zur Verfügung stellen zu können. Zudem muss digitales Archivgut – ebenso wie analoges – im Rahmen der archivrechtlichen Vorgaben für die Provenienzstellen auch innerhalb der Schutzfristen zugänglich gemacht werden können.[2] Auch im OAIS-Modell ist die Benutzung digitalen Archivguts vorgesehen. Die Funktionseinheit „Zugriff“ definiert die für Zugang und Nutzung von Archivgut notwendigen Funktionen.[3] Generell fördert das OAIS-Modell die Nutzerorientierung, indem bereits bei der Übernahme verlangt wird, die „Vorgesehene Zielgruppe“ resp. „Designated Community“ zu definieren, um sicherzustellen, dass archivierte Unterlagen langfristig von den Benutzenden verstanden werden können.[4]

Beide Staatsarchive begannen 2012 mit der Archivierung von Born-digital-Unterlagen. Es gab jedoch keine Geschäftsprozesse und Applikationen, um die Benutzung digitalen Archivguts zu ermöglichen. Die Digitalisierung des Benutzungsprozesses hatte im Staatsarchiv Basel-Stadt bereits 2005 mit der Einführung des Online-Archivkatalogs und 2011 mit der des Bestellschalters zur Bestellung von analogem Archivgut begonnen. Im Staatsarchiv St.Gallen wurde der Online-Archivkatalog ebenfalls 2005 in Betrieb genommen.

Für die Online-Präsentation von Digitalisaten wurden 2010 im Staatsarchiv Basel-Stadt erstmals systematisch große Mengen von Akten, Urkunden und Plänen digitalisiert und über einen separaten Viewer zugänglich gemacht. Im Staatsarchiv St.Gallen wird analoges Archivgut seit 2008 digitalisiert und ebenfalls über den Archivkatalog zugänglich gemacht. Eine separate Nutzungsplattform für digitalisiertes Archivgut wurde in St.Gallen 2018 eingeführt.

Es bestand eine große Übereinstimmung hinsichtlich der eingesetzten Applikationen und bei der Digitalisierung der archivischen Tätigkeit: Archivinformationssystem (scopeArchiv) (AIS), Online-Archivkatalog (scopeQuery) und Digitales Repository für digitales Archivgut (Fedora Commons) waren in beiden Archiven die gleichen.[5] Aufgrund dieser Ausgangslage wurden die Überlegungen der beiden Staatsarchive zur Schaffung einer Lösung für die Benutzung digitalen Archivguts mit dem analogen Benutzungsprozess zusammengeführt.

3 Ziele

Mit der Realisierung eines digitalen Lesesaales wird die Zugänglichmachung analogen und digitalen inkl. digitalisierten Archivguts unter Einhaltung der archivrechtlichen Regelungen in Basel-Stadt und St.Gallen in zeitgemäßer Form und auf der Basis eines definierten Benutzungsprozesses angestrebt. Für die Benutzerinnen und Benutzer ist der digitale Lesesaal die zentrale Schnittstelle zum Archiv und dem Archivgut; für die Archivmitarbeitenden wird er zum zentralen Werkzeug bei der Abwicklung ihrer Aufgaben im Benutzungsprozess. Um dies zu erreichen, wurden folgende Geschäftsziele definiert.

Angebotsbezogene Ziele

  • Die Suche nach und die Benutzung von Archivgut ist möglich und erfolgt im Rahmen der archivrechtlichen Benutzungsbestimmungen; bei digital verfügbarem Archivgut im Regelfall online und damit zeit- und ortsunabhängig.

  • Metadaten und digital verfügbares Archivgut können – soweit archivrechtlich zulässig – über Schnittstellen angefordert und genutzt werden.

  • Sofern aus archivrechtlichen Benutzungsbestimmungen eine Benutzung digital verfügbaren Archivguts vor Ort erforderlich ist, wird diese IT-gestützt abgewickelt.

  • Verwaltungsinterne Benutzerinnen und Benutzer können im Rahmen der archivrechtlichen Benutzungsbestimmungen archivierte Unterlagen ihrer Organisationseinheit auch vor Ablauf der Schutzfristen recherchieren und auf diese zugreifen.

  • Die Benutzerinnen und Benutzer können User Generated Content erstellen und mit den Informationsobjekten des digitalen Lesesaals verknüpfen.

  • Archivgut und Metadaten können in Form von Kollektionen zusammengestellt und für Vermittlungsarbeiten genutzt werden.

Betriebswirtschaftliche/organisatorische Ziele

  • Abläufe und Verfahren werden optimiert gestaltet, unter Vermeidung von Medienbrüchen und Informationsredundanzen sowie mittels möglichst durchgängiger Nutzung von IT-Werkzeugen.

  • Die Umsetzung des Projekts erfolgt unter Berücksichtigung der in Basel-Stadt resp. St.Gallen vorhandenen E-Government-Services und der jeweiligen E-Government-Strategien.

  • Die Lösung wird nach Möglichkeit als Open-Source-Software realisiert.

4 Konzeption

Diese Ziele wurden ab 2013 schrittweise erarbeitet. Der Prozess startete mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie, die Ziele und Voraussetzungen für eine Realisierung ebenso umfasste wie erste Konzeptionen der Geschäftsprozesse. Der Funktionsumfang reicht über die „klassischen“ Funktionen archivischer Benutzung (Suche, Benutzerverwaltung, Bestellabwicklung und Berechtigungsverwaltung) hinaus und umfasst auch Komponenten zur Generierung und Verwaltung von User Generated Content, da der digitale Lesesaal auch aus partizipativen Elementen (Citizen Science) besteht. Die Studie zeigte Varianten für eine mögliche Umsetzung auf. Dabei wurde die Nutzung von E-Government-Services der beiden Kantone und eine modulare Lösung, die auf den Grundsatz der losen Koppelung der einzelnen Komponenten abstellt, als zielführende Lösungsvariante gewählt. Abschließend wurden fünf potentielle Anbieter eingeladen, die Machbarkeitsstudie zu kommentieren und die Umsetzung aus ihrer Sicht einzuschätzen. Die Ergebnisse flossen in die Machbarkeitsstudie ein. Die Studie wurde um einen ersten Entwurf eines Anforderungskatalogs ergänzt.[6]

Gestützt auf die Machbarkeitsstudie und zwei in der Zwischenzeit durch die KOST resp. den VSA erarbeitete konzeptionelle Grundlagen[7] wurde in den Jahren 2016 und 2017 in beiden Archiven mit externer Unterstützung eine Service-Design-Studie durchgeführt.[8] Diese befasste sich zum einen mit den bestehenden Dienstleistungen im Bereich Benutzung unter Einschluss von Online- und Onsite-Services. Sie wurden aus Archiv- und Nutzungsperspektive betrachtet und auf Problemstellen und Verbesserungspotential untersucht. Hierbei wurden für alle untersuchten Dienstleistungen Customer Journey Maps erstellt, die Ist-Prozesse, Werkzeuge und Interaktionen sichtbar machen.

Als Teil des Service Designs wurden Zielgruppen eruiert und in Form von Personas beschrieben sowie eine Stakeholdermatrix erstellt.

Es wurden 12 Benutzergruppen definiert und weitere Stakeholder identifiziert. Dabei wurden nicht nur die bekannten Nutzergruppen wie Wissenschaft, Schule oder Genealogie erfasst, sondern auch Gruppen, die das Archiv kaum oder nicht nutzen, es aber nutzen könnten, wenn die Services sich entsprechend veränderten. Der Einbezug potentieller Nutzergruppen soll es ermöglichen, mit dem digitalen Lesesaal diese Personenkreise neu und gezielt anzusprechen.

Die Anforderungen – funktionale wie nichtfunktionale – sowie Schnittstellen zum Archivinformationssystem, zum digitalen Repository und zum Records Management System wurden in einem Lösungs- und Integrationskonzept zusammenfassend dargestellt, in das auch die Ergebnisse der Service-Design-Studie einflossen. Für folgende Teilbereiche wurden mit externen Spezialisten vertiefende Studien erarbeitet: Informationsarchitektur und Search & Retrieval (Firma Yaay) sowie technische Systemarchitektur (Berner Fachhochschule).

Die in der Machbarkeitsstudie skizzierten Prozesse wurden in einem Geschäftsorganisationskonzept detaillierter modelliert und beschrieben. Dabei wurden Rollen für Archivbenutzende und Anwendungsfälle für die Nutzung von Metadaten und Archivgut festgelegt.

Aufgrund des Ergebnisses der vorgeschriebenen Schutzbedarfs- und Risikoanalyse wurde ein Informationssicherheits- und Datenschutz-Konzept erarbeitet, das 2019 von den departementalen und kantonalen Informationssicherheitsbeauftragten geprüft wurde. Damit wurden die Kernanforderungen an eine sichere Gestaltung des digitalen Lesesaals definiert. Hierzu gehören die Grundsätze Privacy-by-Design und Security-by-Design.

Es werden im digitalen Lesesaal grundsätzlich zwei Arten von Daten bearbeitet:

  • Archivgut: Archivgut kann Personendaten enthalten, die auf eine Person bezogen oder beziehbar sind; in der Terminologie umfasst Archivgut auch besondere Personendaten (Terminologie Basel-Stadt) resp. besonders schützenswerte Personendaten (Terminologie St.Gallen). Bei Archivgut ist gemäß Fachstelle Datenschutz das Archivgesetz maßgebend, bei Benutzerdaten des DLS das Datenschutzgesetz.

  • Benutzerdaten inkl. Kontaktinformationen und Aktivitätsdaten (Recherchen, Bestellungen, Anträge) sowie User Generated Content (UGC): Hier können in Bezug auf die Angaben des jeweiligen Urhebers über die Zeit zahlreiche Informationen entstehen, die ggf. Teil eines Persönlichkeitsprofils werden können.

Bei der Eruierung des Schutzbedarfs wurde in Bezug auf die Schutzziele Vertraulichkeit, Integrität, Verfügbarkeit sowie Nachvollziehbarkeit und Zurechenbarkeit jeweils erhöhter Schutzbedarf festgestellt.

Abb. 1: StABS Visualisierung der Stakeholder (Quelle: Evert Ypma, Service Design-Strategie des Staatsarchivs Basel-Stadt)
Abb. 1:

StABS Visualisierung der Stakeholder (Quelle: Evert Ypma, Service Design-Strategie des Staatsarchivs Basel-Stadt)

5 Umsetzung

Die Umsetzung des Projekts begann mit dem Beschaffungsdesign: Gemeinsam Vergeben, agil Entwickeln und Einführen sowie offene Lösungen waren die Eckwerte. Eine gemeinsame Ausschreibung für beide Archive durch die Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen (KFöB) des Kantons Basel-Stadt wurde beschlossen. Die zu beschaffende Lösung sollte mit agilen Softwareentwicklungsmethoden entwickelt werden und unter einer Copyleft-Lizenz zur freien Nachnutzung lizenziert werden.

Auf dieser Basis erfolgte im Mai 2020 die Publikation der Submission als offenes Verfahren nach GATT/WTO. Dieses Verfahren musste nach Prüfung der im Juli 2020 eingegangenen Angebote abgebrochen werden, da keines der eingegangenen Angebote den Anforderungen entsprach. Die Beschaffung konnte – mit identischem Lasten- und Pflichtenheft inkl. des Kostendaches von CHF 550 000 – im November 2020 erneut ausgeschrieben werden – im freihändigen Verfahren. Hierbei wurden die Anbieter der ersten Ausschreibung erneut einbezogen. Die eingegangenen Angebote wurden ab Dezember evaluiert. Im März 2021 erfolgte die Publikation des Zuschlags, den die Firma 4teamwork erhielt.

Das Kick-off-Meeting für die Realisierungsphase fand Anfang Mai 2021 statt. Sie unterteilt sich in die zwei Grundleistungen GL01 Detailkonzeption und GL02 Agile Entwicklung und Einführung. Die erste Grundleistung wurde bewusst sehr knapp gehalten – einerseits aufgrund der umfangreichen konzeptionellen Vorarbeiten, andererseits aufgrund der anschließend agilen Entwicklung. Inhaltlich wurde ein Blueprint des digitalen Lesesaals erarbeitet, der die Zuordnung der funktionalen Anforderungen zu den drei geplanten Iterationen des digitalen Lesesaals und die Priorisierung der einzelnen Features beinhaltet. Zudem wurden die Systemarchitektur, die Schnittstelle zum AIS, das Betriebskonzept und ein detailliertes Designkonzept erarbeitet. Letzteres wurde durch einen Design- und UX-Spezialisten umgesetzt. Ferner wurde das Informationssicherheits- und Datenschutzkonzept weiterentwickelt.

Die Konstellation mit zwei Archiven als Auftraggebern, einem großen Projektteam, in das die betroffenen Abteilungen und Teams beider Archive jeweils für ihre Aufgabenbereiche direkt einbezogen sind, und den anfänglichen pandemiebedingten Einschränkungen erwies sich als anspruchsvoll für die Projektorganisation. Auch ist agile Softwareentwicklung den Mitarbeitenden der Archive nicht vertraut, und die Arbeitsweisen und Rahmenbedingungen in Basel und St.Gallen sind – trotz erheblicher Übereinstimmungen – nicht identisch. So mussten auch die Beteiligten beider Archive erst einmal zu einem Projektteam zusammenwachsen. Der Arbeitsrhythmus von 4teamwork in Sprints von jeweils zwei Wochen bedeutet eine hohe Kadenz an Sitzungen und Workshops. Bedingt durch die agile Entwicklung sind Entscheidungen rasch und möglichst von den direkt Beteiligten zu treffen. Dieses Vorgehen wurde abgestimmt mit den Anforderungen an die Durchführung von IT-Projekten der kantonalen Verwaltung mit einem bikantonalen Projektsteuerungsausschuss und Einbezug von je zwei kantonalen Informatikdiensten und Datenschutzbeauftragten.

Die Hauptarbeit des Projektteams besteht in der zweiten Phase der Realisierung in der Vorbereitung und anschließenden Durchführung von Workshops zur Entwicklung von Features und User Stories gemeinsam mit 4teamwork sowie in der Teilnahme an den Sprintreviews sowie der anschließenden Feedbackrunde zu jeder Review. Bei einem Projektteam von 11 Personen ergeben sich so erhebliche Aufwände pro Woche, selbst wenn – in Abhängigkeit von den behandelten Themen – nicht alle Mitglieder an allen Workshops und Reviews teilnehmen müssen. Überdies werden durch die Co-Projektleiter und die Archivinformatiker beider Archive die benötigten Infrastrukturen durch die IT-Dienstleister der beiden Archive aufgebaut und Datenmigration, Inbetriebnahme sowie Integration, Tests und Abnahme geplant und vorbereitet. Dies gilt nicht nur für den digitalen Lesesaal, sondern auch für die parallel als eigenständige Lösung realisierte Kontaktverwaltung.

6 Lösungsbeschreibung

6.1 Architektur

Die Systemarchitektur sieht eine strikte Trennung in einen internen und einen externen Teil vor. Die interne Komponente wird in den Rechenzentren der Kantone Basel-Stadt und St.Gallen betrieben. Die externe Komponente wird in der Cloud durch 4teamwork betrieben. Alle Verbindungen sind HTTPS-verschlüsselt, in der Cloud werden geschützte oder schützenswerte Daten nur verschlüsselt und temporär gespeichert.

Die öffentlichen Daten werden in der ETL-Pipeline im internen Teil aufbereitet und im externen Teil für die Suche zur Verfügung gestellt. Die ETL-Pipeline übernimmt die Metadaten gemäß festgelegten Filtern aus scopeArchiv in die öffentliche SQL-Datenbank. Ebenso erfolgen Textextraktionen aus Mediendaten, werden die Metadaten in Solr indexiert sowie die Bildkonvertierung und -speicherung für den S3 Object Storage bzw. IIIF und die Videokonvertierung durchgeführt.

Die Digitalisate sowie Videos und bei Bedarf weitere digitale Unterlagen werden auf einem S3 Object Storage vorgehalten. Dieser dient einem schnellen Zugriff auf diese Unterlagen. Für die geschützten Daten wird ein Filesystem mit den temporär zur Verfügung gestellten, geschützten Daten in einem verschlüsselten ZIP erstellt. Es befinden sich zu keinem Zeitpunkt geschützte Daten in unverschlüsselter Form im öffentlichen Teil des digitalen Lesesaals. Die Anfragen und Bestellungen der Kundinnen und Kunden werden vom Archiv über das Management Frontend verarbeitet.

Abb. 2: Skizze der Systemarchitektur DLS (Quelle: 4teamwork, Systemarchitektur)
Abb. 2:

Skizze der Systemarchitektur DLS (Quelle: 4teamwork, Systemarchitektur)

6.2 Betrieb

Wie bereits aus der Systemarchitektur ersichtlich, besteht die Lösung aus zwei Teilen, die in unterschiedlichen Netzwerken betrieben werden. Einerseits werden die internen Komponenten im jeweiligen Rechenzentrum der Kantone Basel-Stadt bzw. St.Gallen betrieben. Die öffentlichen Metadaten und Primärdaten sowie das Frontend werden in der Cloud gehalten und durch 4teamwork betrieben.

6.3 Design

Ganz grundsätzlich lösen wir das Problem, dass die analoge Nutzung eines Archives/Lesesaals in den digitalen Raum überführt werden soll. Die analoge Benutzung des Lesesaals mit der Bestellung, Konsultation und Rückgabe von Material soll medienbruchfrei über ein neues Online-Portal möglich gemacht werden. Über eine intuitive Oberfläche werden die verschiedenen Zugriffsbedürfnisse der Benutzer abgedeckt. Die verschiedenen Formate wie Texte, Bilder, Audio und Video werden über einen Viewer direkt zugänglich gemacht.

Der Fokus des Designs lag von Anfang an auf Mobile first, die Desktoplösung darf dabei aber auch nicht vernachlässigt werden. Zur Erarbeitung des Designs wurde ein Designspezialist zugezogen. Die Erarbeitung der Designlösung erfolgte in mehreren Workshops. Der erste Workshop diente dem Aufbau von Verständnis des Archivs und dessen Aufgaben. Anschließend wurden Informationen gesammelt. Was ist bereits bekannt? Was wurde bereits gemacht? Wie lösen andere das Problem? Abschließend erfolgte die Definition der Lösung sowie die Erarbeitung des Value Proposition Canvas.

Abb. 3: Value Proposition Canvas des DLS (Quelle: Florin Gruber)
Abb. 3:

Value Proposition Canvas des DLS (Quelle: Florin Gruber)

Abb. 4: Mockup DLS Erweiterte Suche (Quelle: Florin Gruber)
Abb. 4:

Mockup DLS Erweiterte Suche (Quelle: Florin Gruber)

Im Value Proposition Canvas wurden, ausgehend von den Nutzungsaspekten (rechts), die Gains und Pains der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer aufgelistet. Die Gain Creators und Pain Relievers befinden sich auf der linken Seite. Die Verbindung ist durch die Farbgebung sichergestellt. Graublaue Punkte ohne Nummer stellen allgemeine Gain Creators oder Pain Relievers dar, die allen Nutzungsgruppen entsprechen.

Anschließend wurde in drei Iterationen das Design des digitalen Lesesaals erarbeitet. Der Designer erstellte jeweils einen Prototyp mit dem Fokus Mobile first. Erst nach Abschluss des Prototyps für Mobile first wurde die Desktoplösung erstellt. Der Prototyp konnte durch die Mitarbeitenden der Staatsarchive Basel-Stadt und St.Gallen begutachtet und kommentiert werden. Aufgrund des letzten Prototyps wurde ein User Interface Kit erstellt. Dieses enthält die Farben, Schriftstile, Symbole etc., die für den digitalen Lesesaal genutzt werden.

6.4 Sicherheit

Zur Umsetzung der Anforderungen des Informationssicherheits- und Datenschutzkonzepts sind Schutzmaßnahmen auf drei Ebenen vorgesehen:

  • Architektonische und technische Maßnahmen: Die Architektur des DLS ist grundsätzlich so gewählt, dass geschützte und schützenswerte Daten nur temporär und verschlüsselt für Personen mit einer Bewilligung im Internet zugänglich gemacht werden. Ansonsten werden diese Daten nur in der internen Komponente des DLS und in den internen Netzwerkzonen der beiden Kantone verwaltet. Metadaten, die auf entsprechend geschützte oder schützenswerte Daten schließen lassen, werden in einem abgesicherten separaten Suchindex verwaltet. Nur berechtigte User erhalten Zugriff – und auch nur auf die Teile, für die sie berechtigt werden.

  • Applikatorische Maßnahmen: Es wird ein Rollen- und Berechtigungskonzept erarbeitet. Insbesondere werden Zugriffsberechtigungen auf Daten mit erhöhtem Schutzbedarf zeitlich befristet.

Nutzerdaten (Bestellungen sowie User Generated Content) werden gemäß den gesetzlichen Vorgaben gespeichert und nach definierten Fristen wieder gelöscht. Bei einem längeren Gebrauch der Nutzer- resp. Nutzungsdaten werden diese nur in anonymisierter Form länger aufbewahrt, wobei der User bestimmen kann, ob seine Daten länger in anonymisierter Form aufbewahrt werden dürfen. Für statistische Auswertungen werden Benutzeraktivitäten direkt bei der Generierung anonymisiert, so dass nicht mehr auf das individuelle Nutzungsverhalten geschlossen werden kann.

  • Organisatorische Maßnahmen: Verantwortlichkeiten und Rollen werden geregelt. Die Gestaltung der Prozesse Aufbereitung und Auslieferung erfolgt mit dem Vieraugenprinzip derart, dass Archivgut, das Zugangsrestriktionen unterliegt, nicht fälschlicherweise oder nicht berechtigten Personen zugänglich gemacht werden kann. Es werden Benutzungsfälle (Use Cases) definiert, bei denen eine Online-Zugänglichmachung nicht möglich ist, sondern nur eine Bereitstellung in einer geschützten Netzwerkumgebung vor Ort im Archiv. Es sind auch Maßnahmen gegen organisatorische oder vertragliche Risiken zu definieren, die insbesondere bei der Datenverarbeitung der angebundenen Unternehmen außerhalb der Verwaltungseinheiten bestehen.

6.5 Datenmodell

Das Datenmodell des digitalen Lesesaals muss die Metadatenmodelle der beteiligten Archive abbilden. Zusätzlich müssen auch nicht standardisierte, archivspezifische Metadaten abgebildet werden können, ohne dass das Datenmodell des Produkts erweitert werden muss. In Schnittstellen werden die Daten im Dublin-Core-Format repräsentiert, und wir verwenden aktuell noch den ISAD(G)-Standard, um die Daten zu präsentieren und zu gruppieren.

Im Datenmodell müssen unterschiedliche Informationsobjekte – Verzeichnungseinheiten, Deskriptoren, User Generated Content, Provenienzen und Ablieferungen – abgebildet werden. Der Fokus in der Umsetzung liegt auf den drei ersten Objekten.

Die Modellierung des Informationsobjekts Verzeichnungseinheiten besteht grundsätzlich aus standardisierten Feldern, die in einem digitalen Lesesaal üblicherweise benötigt werden. Diese Basismodellierung wird erweitert um sogenannte Custom Fields, mit denen kundenspezifische Felder im digitalen Lesesaal definiert werden können. Bereits bei den zwei involvierten Archiven ist die Unterschiedlichkeit der Daten innerhalb des AIS scopeArchiv erstaunlich.

Abb. 5: Vereinfachtes Beispiel des CustomFields-Models im DLS (Quelle: 4teamwork, Datenmodell)
Abb. 5:

Vereinfachtes Beispiel des CustomFields-Models im DLS (Quelle: 4teamwork, Datenmodell)

6.6 Funktionale Komponenten

6.6.1 Suche

Die Suche umfasst die einfache Suche analog zum „Google-Schlitz“. Diese Trefferliste kann mittels Nutzung von Filtern (Facetten) eingegrenzt werden. Es fand eine lange Diskussion über die erweiterte Suche bzw. Feldsuche statt, die immer noch nicht ganz abgeschlossen ist. Aus Sicht der Archive erscheint eine Feldsuche weiterhin notwendig, damit gezielt in bestimmten Feldern gesucht werden kann. Die Volltextsuche – auch in digital verfügbarem und indexierbarem Archivgut – sowie die Visualisierung nach Zeitraum sind selbstverständlich. Durchsuchbar sollen unterschiedliche Informationsobjekte des DLS sein: Verzeichnungseinheiten, Deskriptoren, Provenienzstellen. Die Herausforderungen insbesondere bei der Mobile-first-Variante sind die Darstellung von Zeit und Tektonik.

Abb. 6: Mockup DLS Resultatliste (Quelle: Florin Gruber)
Abb. 6:

Mockup DLS Resultatliste (Quelle: Florin Gruber)

6.6.2 Benutzerverwaltung

Die Benutzerverwaltung ist durch folgende Anwendungsfälle beschrieben: Benutzerregistrierung, Beantragen von Rechteerweiterungen, Zuweisung und Entzug von Rechten sowie Erstellung, Aktivierung, Deaktivierung, Reaktivierung resp. Löschung von Benutzerkonten.

Der digitale Lesesaal steht verschiedenen Benutzerkreisen aus verschiedenen Kontexten gleichermaßen zur Verfügung: Einerseits muss er für das Archiv selbst verfügbar sein, dann muss er Zugang für verschiedene Nutzerkreise anbieten, und schließlich steht er auch für ein anonymes Publikum im Internet zur Verfügung.

6.6.3 Kontaktverwaltung

Zum effizienten Verwalten der Kontakt- und Adressinformationen werden zusätzlich zu Personen auch Organisationen erfasst. Diese Kontaktdaten werden in einer eigenständigen Anwendung „Kontaktverwaltung“ gehalten, die neben dem digitalen Lesesaal mit weiteren Applikationen verbunden ist; u. a. OneGov GEVER. Damit können Kontakt- und Adressinformationen effizient und zentral bewirtschaftet werden.

6.6.4 Berechtigungen

Für den digitalen Lesesaal wurde ein Rollenkonzept erarbeitet. Dieses beschreibt Rollen und Aufgaben für den Betrieb der Lösung und fachliche Rollen und Aufgaben im Archiv. Gleichzeitig erfolgte die Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungen im Rahmen des Betriebs des digitalen Lesesaals. Die öffentliche Nutzung des digitalen Lesesaals verlangt eine differenzierte Definition von Rollen der Archivbenutzenden. Zusätzlich muss im digitalen Lesesaal eine gezielte, durch archivische Schutzfristen gesteuerte Kontrolle über die in Form von Dissemination Information Packages (DIP) ausgelieferten Informationen gewährleistet sein.

Das Identitätsmanagement eines digitalen Lesesaals erfordert die präzise Kategorisierung der möglichen Benutzertypen. Für die Benutzung des digitalen Lesesaals spielt die Stärke der Authentisierung eine Rolle. Je nach angefordertem Content ist aus Datenschutzgründen eine starke Authentisierung erforderlich (stark authentisierte, schwach authentisierte und anonyme Benutzerinnen und Benutzer).

Die Nutzung des jeweiligen E-Government-Kantonsportals für die Authentisierung bei der Anmeldung ist vorgesehen, wird aber noch nicht umgesetzt.

Während der Blueprint-Phase wurde das Rollenkonzept weiterentwickelt. Der digitale Lesesaal wird folgende Benutzerrollen kennen:

  • Öffentlicher Nutzer → keine Anmeldung (anonym)

  • Extern angemeldet (registriert)

  • Extern angemeldet mit besonderen Rechten (registriert und identifiziert) (temporär)

  • Archivpersonal → kann alles bestellen

  • Archivpersonal Benutzung → kann Bestellungen abwickeln, Einschreiben Benutzerinnen und Benutzer

  • Archivpersonal UGC → Administration UGC

  • Archivpersonal CMS → kann CMS bearbeiten

  • Archivpersonal Leitung → Freigaben

  • Archivpersonal Admin → Administration (Import, Statistiken, Benutzerverwaltung etc.)

  • Verwaltung (nach Organisationseinheiten) → Einsicht in Unterlagen OE während Schutzfrist ohne Personendaten etc. (über AD und ORG-Gruppe)

Die Freigabe der Metadaten sowie der Primärdaten erfolgt auf festgelegten Geschäftsfällen. Grundsätzlich sollen frei verfügbare öffentliche Metadaten wie bereits heute in scopeQuery allen auch ohne Anmeldung im digitalen Lesesaal zur Verfügung stehen. Bei der Freigabe von weiteren Metadaten gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen in den einzelnen Archiven. Diese müssen bei der Filterung in der ETL-Pipeline über die Geschäftsfälle gelöst werden. In dieser Pipeline wird über vorhandene Felder aus scopeArchiv festgelegt, ob Metadaten sichtbar und durchsuchbar sind, ob digitales Archivgut direkt am Bildschirm einsehbar ist und auch für eine weitere Nutzung wie einen Download zur Verfügung steht. Ebenso wird festgehalten, wenn eine örtliche Beschränkung vorliegt, z. B. digital, aber nur vor Ort. Analoges Archivgut wird nur vor Ort konsultiert.

Selbstredend ist dabei die Berücksichtigung der Datenschutzbestimmungen (Archivgesetze, Informations- und Datenschutzgesetze) und des Urheberrechts zwingend.

6.6.5 Bestellung

Benutzer und Benutzerinnen können Bestellungen auf verschiedenen Ebenen jeweils aus einem Rechercheergebnis auslösen. Die Bestellung kann direkt vom Archivgut aus erfolgen, aber auch über eine Merkliste oder eine Mappe.

Die wichtigsten Bestellfunktionen sind:

  1. Bestellung von analogen Unterlagen zur Vorlage im analogen Lesesaal sowie zur Ausleihe an Ausstellungen oder im Rahmen einer amtlichen Benutzung.

  2. Bestellung von digital(isiert)en Unterlagen zur Einsicht oder Nutzung in den digitalen oder analogen Lesesaal.

  3. Stellen eines Antrags auf Schutzfristunterschreitung.

  4. Stellen eines Antrags auf Einsicht in eigene Unterlagen.

  5. Einreichen eines Reproduktionsauftrags (Digitalisierung analoger Unterlagen inklusive Einsicht bzw. Nutzung).

  6. Anforderung einer Veröffentlichungsgenehmigung.

  7. Stellen einer schriftlichen Anfrage: Für deren Bearbeitung und Beantwortung muss das Archivpersonal in der Regel Archivgut konsultieren und benötigt Benutzerinformationen.

Die Ausgestaltung des Bestellwesens hängt wesentlich von der Verfügbarkeit (digital oder analog) sowie der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Archivguts ab. Wir können unterscheiden:

  1. Online: Die bestellte Archivalie ist online zugänglich, entweder

    1. Frei nutzbar: Das Archivgut ist öffentlich zugänglich und frei nutzbar. Die Bestellung wird in der Folge ohne weitere Prüfung unmittelbar in den Prozess Aufbereitung und Auslieferung weitervermittelt.

    2. Frei einsehbar: Das Archivgut ist zwar frei einsehbar, aber nicht frei nutzbar. Wird nur eine Einsicht gewünscht, erfolgt die nachfolgende Aufbereitung und Auslieferung vollautomatisch, wird aber (zu statistischen Zwecken) dokumentiert, da es sich um eine Bestellung handelt. Wird das Archivgut für eine externe Nutzung (z. B. Publikation) bestellt, erfolgt eine entsprechende Prüfung auf ausreichend erteilte Nutzungsrechte.

    3. Freigabe ad personam: Die Archivalie kann in diesem Fall nur für eine definierte Person zur Nutzung freigegeben werden. Die nachfolgende Aufbereitung und Auslieferung umfasst deshalb in der Regel noch einen Prüfschritt zur definitiven Freigabe.

  2. Lesesaalrechner: Die bestellte Archivalie ist nur an einem Lesesaalrechner in digitaler Form einsehbar und wird darauf im Prozess Aufbereitung und Auslieferung nur für authentisierte Personen zur Nutzung freigegeben.

  3. Reproduktionsauftrag: Bestellung einer digitalen Kopie von analogem Archivgut oder einer speziellen Ausprägung digitalen Archivguts. Wenn eine Archivalie bereits digitalisiert vorliegt, soll anstelle der Erfassung eines Reproduktionsauftrags das Masterdigitalisat direkt per Download ausgeliefert werden, sofern dies rechtlich möglich ist. Für die direkte Bezahlung dieser Bereitstellung soll der ePayment-Dienst des jeweiligen Kantons eingebunden werden.

  4. Analoges Original: Die bestellte Archivalie ist nur im Original im Lesesaal einsehbar. Der nachfolgende Prozess Aufbereitung und Auslieferung umfasst eine klassische Aushebung und Auslieferung von analogem Archivgut.

  5. Anfrage an das Archiv betreffend Archivgut, die anschließend (gegebenenfalls mit Rechnung/ePayment) beantwortet wird.

Die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Archivguts bzw. die verfügbaren Bestellarten müssen für Nutzerin oder Nutzer und für das System aus den entsprechend gepflegten Metadaten ersichtlich sein, so dass sich eine manuelle Prüfung der Bestellung hinsichtlich Einsichts- oder Nutzungsrechten erübrigt.

Jede Bestellung wird mit dem gleichen Prozess bearbeitet. In der Folge wird digitales Archivgut, auch wenn es frei von Benutzungsrestriktionen ist, als Bestellung behandelt – allerdings können in diesem Fall die einzelnen Schritte automatisiert und ohne Interaktion mit Archivpersonal abgewickelt werden. So kann auch bei diesem Archivgut die Nachvollziehbarkeit der Nutzung gewährleistet werden, eine Entlastung von manuellen Prozessaufgaben erfolgen und eine speditive Dienstleistungserbringung geboten werden.

Abb. 7: Mockup DLS Bestellung (Quelle: Florin Gruber)
Abb. 7:

Mockup DLS Bestellung (Quelle: Florin Gruber)

6.6.6 Viewer

Die Nutzung ausgelieferten digitalen Archivguts soll stets in einem Online-Viewer erfolgen. Der Viewer soll bei Bedarf neben dem Archivgut auch die Informationen des jeweiligen Benutzungsvorgangs darstellen. Für die Darstellung freier Digitalisate wird ein IIIF-Viewer verwendet. Bei audiovisuellen Inhalten werden spezialisierte Viewer verwendet. Für die Darstellung von DIP bei digitalem Archivgut wird ein generischer DIP-Viewer eingesetzt, der die Anforderungen von eCH-0193 erfüllt. Für die Anzeige der in einem DIP enthaltenen Primärdaten braucht es formatspezifische Viewer: Digitalisate-Viewer; SIARD-DB-Viewer; Web-Sites (WARC-Dateien); Audio- und Video etc. Der DIP-Viewer ermöglicht die Darstellung der physischen Struktur (Verzeichnisstruktur und Dateien des DIP) neben der logischen Struktur (wie in den deskriptiven Metadaten des DIP definiert). Dieser DIP-Viewer befindet sich noch in der Entwicklung.

6.6.7 Vermittlung

Kuratierte Angebote in Form von Kollektionen von Metadaten resp. digital verfügbarem Archivgut können vom Archiv erstellt und bewirtschaftet werden. Hierzu gehört perspektivisch die Erweiterung, Kollektionen für alle oder nur spezifische Benutzende freigeben zu können. Auf diese Weise können virtuelle Vitrinen, Online-Ausstellungen, angeboten werden, die einen anderen, direkteren Zugang zu Archivgut bieten als die Recherche. Kollektionen können manuell oder regelbasiert erstellt werden. Zu letzteren zählt etwa die Liste der im letzten Monat erschlossenen Bestände oder eine Zufallsauswahl von Archivalien. Kollektionen sollen mit begleitenden Informationen versehen werden können. Zudem sollen auch Inhalte, die nicht in AIS, Repository und UGC enthalten sind, zu Kollektionen hinzugefügt werden können; z. B. aufbereitetes Archivgut für archivpädagogische Angebote. Auch sollen externe Informationsquellen referenziert und nach Möglichkeit eingebunden werden können.

Abb. 8: Mockup DLS Vitrine (Quelle: Florin Gruber)
Abb. 8:

Mockup DLS Vitrine (Quelle: Florin Gruber)

6.6.8 User Generated Content

User Generated Content (UGC) muss im digitalen Lesesaal erstellt, verwaltet und anderen Benutzenden zur Verfügung gestellt werden können. Darunter fallen die folgenden Anwendungsfälle:

  • Kommentieren von Metadaten, digitalem Archivgut und UGC,

  • Taggen von Metadaten und Primärdaten sowie UGC von anderen Nutzenden,

  • Transkription von digitalisiertem Archivgut.

In einer ersten Version wird das Kommentieren von Metadaten und digitalem Archivgut möglich sein. Weitere Ausbaustufen sind vorgesehen, aber noch nicht umgesetzt. Angedacht ist auch die Einbindung eines fertigen UGC-Produktes. Dabei sind noch Fragen zur Freigabe von UGC, zu Benutzerrechten, zum Urheberrecht sowie zur Löschung von unerwünschtem Content zu klären.

7 Einführung

Die Umsetzung der Anforderungen an den digitalen Lesesaal erfolgt in drei Iterationen. In jeder Iteration wird eine nutzbare Version des DLS ausgeliefert.

Die Version 1 umfasst das Basissystem des DLS und wird die heute bestehenden Benutzungswerkzeuge ablösen. Neben scopeQuery werden die SRU-Schnittstelle für die Anbindung an Archives Online sowie das Modul Ausleihen in scopeArchiv abgelöst. Im StABS wird zusätzlich der in scopeQuery integrierte Bestellschalter außer Betrieb genommen. Ferner werden die Nutzungsplattform und der Digitalisate-Viewer abgelöst. Mit dem Funktionsumfang von Version 1 wird der vollständige Bestellprozess für analoges Archivgut abgedeckt, inkl. Benutzer- und Berechtigungsverwaltung und Authentisierung im DLS. Suchfunktionen wie einfache Suche, erweiterte Suche resp. Feldsuche, Archivplansuche, Suchassistent stehen zur Verfügung. Frei zugängliches digitalisiertes Archivgut kann online genutzt werden. Im Hintergrund bedeutet dies die Realisierung der Schnittstellen zum Archivinformationssystem scopeArchiv und zum Digitalisatespeicher. Die Anbindung des DLS an Archives Online wird umgesetzt. Schließlich werden erste Vermittlungswerkzeuge, Kollektionen mit Metadaten und digital verfügbarem Archivgut umgesetzt, und es wird eine Kommentarfunktion als erstes UGC-Feature in Betrieb genommen.

Die Version 2 wird den Zugang zu und die Nutzung von digitalem Archivgut ermöglichen. Dies bedeutet die Möglichkeit zur Aufbereitung von digitalen Unterlagen aus dem digitalen Langzeitarchiv Fedora Commons zu DIP und deren Anzeige in einem Online-DIP-Viewer. Neben frei zugänglichem digitalen Archivgut wird auch die Nutzung von geschütztem Archivgut in digitaler Form ermöglicht. Hierzu wird die Berechtigungsverwaltung um das Feature Fallbezogene Berechtigung auf dedizierte Archivalien erweitert. Die Einbindung externer Services wie eKonto bzw. ePortal für die Authentisierung wird umgesetzt. Die Erstellung von Reports und Statistiken ist ebenfalls Bestandteil dieser Iteration. Zusätzlich erfolgt bei Bedarf ein Ausbau der Suchfunktionen. Im Bereich Vermittlung werden regelbasierte Kollektionen ermöglicht. User Generated Content wird in Iteration 2 um die Möglichkeit für Benutzende, selber Kollektionen zu erstellen, erweitert. Schließlich wird ePayment für den Bezug von Masterdigitalisaten umgesetzt-

In Version 3 werden Beratungs-, Hilfe- und Supportfunktionen ausgebaut. Die Viewer für digitales und digitalisiertes Archivgut werden ebenfalls erweitert, etwa um Video- oder Audio- Streaming oder die Darstellung komplexer digitaler Objekte wie archivierte Webseiten aus warc-Dateien. Der Zugang von Mitarbeitenden von Provenienzstellen zu von ihnen übernommenen Unterlagen wird mit der Anbindung des DLS an die kantonalen IAM-Systeme umgesetzt. Die Bereiche User Generated Content und Vermittlung werden bedarfsgerecht ausgebaut, z. B. die Anreicherung von Verzeichnisinformationen um Normdaten oder ein Transkriptionswerkzeug. Auch kann eine Schnittstelle zum Service TOPOterm entwickelt werden.

8 Stand, Erfahrungen und Ausblick

In der Ausschreibung war als Projektabschluss Januar 2022 vorgesehen. Diese Planung wurde zweimal angepasst. Vorgesehen ist die Produktivstellung und Aufnahme des Regelbetriebs aktuell für September/Oktober 2022.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das Projekt in der Umsetzung sehr komplex ist, was jedoch durch eine agile Entwicklung weitgehend aufgefangen werden kann. Dies setzt allerdings seitens des Projektteams der Archive eine außergewöhnlich hohe Flexibilität und Bereitschaft zur termingerechten Bereitstellung von Informationen und Entscheidungen voraus. Nach einer Findungsphase funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb des Projektteams und mit 4teamwork gut. Fragen der Umsetzung können offen und lösungsorientiert besprochen werden. Die Umsetzung der Anforderungen und das Erreichen der gesetzten Ziele sind bis Ende 2022 absehbar.[9]

Mit Abschluss des Projektes ist die Einführung des digitalen Lesesaals zwar abgeschlossen. Doch ist die Entwicklung damit nicht beendet: Ausbauwünsche sind bereits jetzt vorhanden, so dass die Weiterentwicklung des digitalen Lesesaals angestrebt wird. Der digitale Lesesaal ist Open-Source-Software und wird frei unter der GNU General Public License der Free Software Foundation, Version 2 (GPL 2), zur Verfügung gestellt. Wir sind überzeugt, dass der digitale Lesesaal interessant für den Einsatz in weiteren Archiven ist und sich weiterentwickeln wird.

About the authors

Lambert Kansy

Lambert Kansy

Martin Lüthi

Martin Lüthi

Published Online: 2022-08-09
Published in Print: 2022-08-03

© 2022 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 11.12.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/abitech-2022-0028/html
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