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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter (O) August 4, 2022

Modellprädikative Temperaturregelung eines Extruders

Model predictive temperature control of an extruder
  • Kevin Schwarzinger

    Kevin Schwarzinger erhielt im November 2019 den Titel Dipl.-Ing. in Mechatronik von der Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Österreich. Er ist derzeit Doktorand am Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung. Seine Forschungsinteressen umfassen Systemidentifikation und modellprädiktive Regelungen.

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    and Kurt Schlacher

    O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing., Dr. techn. Kurt Schlacher ist Leiter des Instituts für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung, Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Österreich. Forschungsschwerpunkte und Arbeitsgebiete: Modellierung und Regelung nichtlinearer Systeme mit konzentrierten und verteilten Parametern unter Berücksichtigung industrieller Anwendungen und Anwendung differentialgeometrischer und Computeralgebra-basierter Methoden.

Zusammenfassung

In dieser Arbeit wird eine Temperaturregelung für einen hocheffizienten und damit gut isolierten Extruder ohne aktive Kühlung vorgestellt. Über Heizbänder wird Wärme zugeführt. Die Abfuhr der Wärme erfolgt vornehmlich durch den Transport des Granulats bzw. durch die Schmelze. Basierend auf einen Finiten Volumina Modell für die Wärmeverteilung im Extruder wird eine Modellprädikative Regelung für den Extruderzylinder entworfen. Der Wärmefluss zwischen Zylinder und Kunststoffschmelze wird mithilfe eines Störgrößenbeobachters so erfasst, dass er in der Regelung entsprechend berücksichtigt werden kann. Die Modellprädikative Regelung berechnet geeignete Verläufe der Solltemperaturen der Heizbänder um gewünschte Temperaturprofile zu erreichen. Die Tauglichkeit des vorgeschlagenen Regelkonzepts für Extrusionsstart, Arbeitspunktwechsel und Störszenarien wird durch Simulationen, aber vor allem durch Versuche belegt.

Abstract

This paper presents a temperature control concept for a highly efficient and thus well isolated extruder without active cooling. Heat is supplied via heating bands. The heat is removed mainly by the transport of the granulate or by the melt. Based on a finite volume model for the heat distribution in an extruder, a model predictive control for the extruder barrel is designed. The heat flow between the barrel and the melt is measured with the help of a disturbance observer so that it can be taken into account in the control concept. The model predictive control calculates suitable temperature trajectories for the heating bands to achieve desired temperature profiles in the extruder. The suitability of the proposed control concept for extrusion startups, operating point changes and disturbance scenarios is proven by simulations but above all by experiments.

1 Einleitung

Ein Kunststoffextruder schmilzt Kunststoffgranulat auf und erzeugt eine Schmelze für die nachfolgenden Arbeitsmaschinen, die den flüssigen Kunststoff weiterverarbeiten. Das Granulat wird mit einer Förderschnecke durch den Extruderzylinder gepresst und dabei aufgeschmolzen. PID Regelungen von Temperaturen im Zylinder stellen den industriellen Standard dar. Die Arbeit [1] gibt eine gute Übersicht gängiger Regelungsansätze. PID Regler sorgen dafür, dass heizbandnahe Temperatursensoren auf einen vom Bediener vorgegebenen Wert gehalten werden. Für dieses einfache Regelungskonzept ist keine Modellierung notwendig, es werden aber weder Wechselwirkung zwischen den Heizzonen noch fertigungs- oder prozessspezifische Beschränkungen berücksichtigt. Eine modellbasierte Strategie ist in der Lage, diese Nachteile zu eliminieren, und sie bietet Vorteile wie schnelle Arbeitspunktwechsel oder gezieltes Eingreifen bei Störungen (z. B. Drehzahlabfall der Schnecke). Da die extrudierten Kunststoffe oftmals nicht in reiner Form verarbeitet, sondern mit recyceltem Material vermengt werden, ändert sich das Extrusionsverhalten je nach Mischverhältnis. Um eine Steuerung zu implementieren, müssten die Parameter des Kunststoffes (wie Dichte, chemische Zusammensetzung) exakt bekannt sein. Da die Eigenschaften des vermengten Granulates stark variieren können, ist es zielführend, ein materialunabhängiges Regelungskonzept zu entwickeln. Auch arbeiten die Dosiersysteme nicht exakt.

Die Temperatursensoren können frei im Extruder platziert werden, da aufgrund des modellbasierten Ansatzes die Dynamik zwischen den Heizbändern und den Temperatursensoren bekannt ist. Die Temperatursensoren werden im Zylinder nahe der Schmelze bzw. nahe der Schnecke installiert, um Wärmeflüsse zwischen Zylinder und Granulat schnellst möglich zu erfassen. Eine Übersicht zum derzeitigen Stand von Modellierung, Simulation und Optimierung von thermischen Produktionsprozessen findet man z. B. in [2], [3], [4], [5] und [6]. Das vorgestellte Regelungskonzept basiert auf einer physikalisch motivierten Modellierung, die eine Modellbeschreibung im Zustandsraum generiert, auf dem der Smart Sensor, die Modellprädikative Regelung (MPC) und das Temperatur Management basieren. Ein solcher Ansatz ist in der Übersicht der Regelungsansätze in [1] nicht zu finden und liefert bessere Ergebnisse als den Autoren bekannte Ansätze liefern und schneidet vor allem im Vergleich zu einer industriellen Standardregelung (siehe [7]) deutlich besser ab. Im Vergleich zu der industriellen Standardregelung ist das entwickelte Regelungskonzept in der Lage, die benötigte Dauer zum Erreichen eines stationären Temperaturprofils sowie die Dauer um einen Arbeitspunktwechsel durchzuführen, drastisch zu verkürzen.

In Kapitel 2 werden der Aufbau und das Funktionsprinzip des Extruders diskutiert. Ein mathematisches Modell des Extruders wird in Kapitel 3 entworfen. Aufbauend auf dem Modell aus Kapitel 3 wird ein Smart Sensor zur Wärmestromschätzung innerhalb des Extruders in Kapitel 4 präsentiert. Weitere Details zur Modellbildung und zum Smart Sensor Entwurf können in [8] nachvollzogen werden. Ein Modellprädikativer Regelansatz wird in Kapitel 5 vorgestellt. Die Funktionsweise des Temperatur Managements ist in Kapitel 6 angeführt. Weitere Informationen über das Temperatur Management und über den Modellprädikativen Regelungsansatz sind in [7] zu finden.

2 Extruderaufbau / Konzept

Abb. 1 
Prinzipbild des Extruderaufbaus in der oberen und der prinzipielle Aufbau einer Heizzone in der unteren Bildhälfte.
Abb. 1

Prinzipbild des Extruderaufbaus in der oberen und der prinzipielle Aufbau einer Heizzone in der unteren Bildhälfte.

Der Extruder besteht aus einem Zylinder, indem sich eine Förderschnecke befindet. Die Förderschnecke wird über eine Antriebseinheit angetrieben. Eine Dosiereinheit definiert die Einzugszone, in der das Granulat in den Zylinder eingefüllt wird, um anschließend durch die Rotationsbewegung der Förderschnecke durch den Zylinder befördert zu werden. Ein beträchtlicher Teil der benötigten Aufschmelzleistung wird durch Reibung, die während der Förderung des Granulates entsteht, erzeugt. Die Reibleistung wird durch die Geometrie der Förderschnecke und der Innenwand des Zylinders beeinflusst. Details über die speziellen Geometrien und deren Auswirkungen findet man in [9] oder in [10]. Die fehlende Aufschmelzleistung muss über Heizbänder, die den Zylinder umschlingen, bereitgestellt werden. Der gesamte Extruder ist von Isolationsmanschetten umgeben, um eine energieeffiziente Arbeitsweise zu gewährleisten. Das Granulat wird ausgehend von der Einzugszone durch mehrere Heizzonen gefördert. Der prinzipielle Aufbau einer Heizzone ist in der unteren Hälfte in Abb. 1 illustriert. Eine Heizzone hz i wird als eine elektrische Parallelschaltung von mehreren Heizbändern hb i , 1 , hb i , 2 , hb i , 3 aufgefasst, wodurch alle Heizbänder innerhalb einer Heizzone durch eine Stellgröße P i angesteuert werden. Unter dem mittleren Heizband ist ein Temperatursensor (blaue Markierung in Abb. 1) angebracht. Die Heizbandtemperatur T hb , i wird von der Schicht 0 geregelt. Im Inneren des Zylinders sind schmelzenahe Temperatursensoren T zi verbaut (rote Markierung in Abb. 1).

Der Extruder, auf dem die Versuche durchgeführt wurden (obere Hälfte von Abb. 1), besteht aus vier Heizzonen h i , die jeweils mit einem Heizbandsensor ausgestattet sind. Da es sich bei dem betrachteten Extruder um eine Testanlage handelt, stehen 14 Temperatursensoren T zi zur Verfügung. Der Sensor nahe der Dosiereinheit und der Sensor am Extruderende sind in Abb. 1 nicht dargestellt. Ein Extruder, der für die Serienproduktion verwendet wird, soll mit so wenig Temperatursensoren wie möglich versehen werden. Ein schmelzenaher, zentral liegender Sensor sowie ein Heizbandtemperatursensor pro Heizzone sind unerlässlich, und um die Wärmeentwicklung im Extruder gut abschätzen zu können, ist es sehr zu empfehlen, einen Sensor in der Einfüllzone und einen weiteren nach der letzten Heizzone zu platzieren. Die vorgeschlagene Sensorplatzierung wird in der nächsten Extrudergeneration umgesetzt. Ansonsten ist das vorgestellte Konzept eins zu eins anwendbar. Das Streckenmodell des Extruders ist nichtlinear, weil Wärme über die Heizbänder nur zugeführt werden kann, es gibt keine aktive Kühlung. Die Abfuhr der Wärme erfolgt vornehmlich über die Schmelze. Abhängig von der Art des Granulats kann ein wesentlicher Wärmeeintrag durch Reibung auftreten.

Abb. 2 
Blockschaltbild des modellbasierten Regelungsansatzes.
Abb. 2

Blockschaltbild des modellbasierten Regelungsansatzes.

Das gesamte, hier vorgestellte Regelungskonzept lässt sich in drei Schichten unterteilen. Die Hardware der Schicht 0 ist durch den Extruderhersteller festgelegt und besteht aus den Heizbändern, die über Pulsweitenmodulatoren angesteuert werden. Der Zusammenhang zwischen der elektrischen Leistung der Heizbänder P und den Temperaturen unter den Heizbändern T hb ist schwer modellierbar. Das thermische Modell vereinfacht sich, wenn die Größen T hb vorgegeben werden können. Mithilfe geeigneter Sensoren und einer einfachen PI Regelung wird dieses Ziel erreicht. Die Schnittstelle zur übergeordneten Schicht stellt T hb dar. Der Modellprädiktive Regler (MPC) und der Störgrößenbeobachter (im Weiteren mit Smart Sensor bezeichnet) bilden die Schicht 1. Die Aufgabe des Smart Sensors ist es, basierend auf der Kenntnis der Messung der Heizbandtemperatur T hb und der Temperaturen T zi (Sensorik sehr nahe an der Zylinderinnenwand), die Temperaturverteilung des Zylinders x ˆ z und den Wärmestrom, der zwischen Zylinder und des Kunststoffes q ˆ auftritt, zu schätzen. Die Aufgabe des MPC ist es, eine optimale Sollwertvorgabe für die Heizbandregelung (Schicht 0) T hb , d so zu berechnen, dass sich eine Wunschtemperatur T hz , d in den einzelnen Heizzonen einstellt. Es wurde ein MPC gewählt, weil dieser auf durch den Smart Sensor geschätzte Dynamikänderungen reagieren und gleichzeitig alle formulierten Systembeschränkungen einhalten kann. Aufgrund der langsamen Dynamik der Temperaturen im Extruder stellt die Auswertung der dem MPC zugrunde liegenden Optimierung kein zeitliches Problem dar. Der Stand der Technik ist es, dass der Operator Sollwerte für PI Regler vorgibt, deren Aufgabe es ist, den Extruder auf ein dem zu extrudierten Kunststoff abgestimmtes Temperaturprofil zu heizen. Diese Vorgehensweise schließt schnelles Hochfahren, optimales Vorheizen und schnelle Arbeitspunktwechsel aus. Die Schicht 2 stellt das Temperatur Management dar und ist für schnelle Arbeitspunktwechsel zuständig. Die Schicht 2 verarbeitet die Eingabe des Bedieners (Kunststoffart, Nenndrehzahl, Nenndruck) in Kombination mit den Messungen der Drehzahl n r o t , des Moments M und T hz , und bestimmt mithilfe einer Datenbank mögliche Einstellungen für den Extruder. Das Temperatur Management führt eine Optimierung unter Berücksichtigung der gefundenen Daten durch und generiert eine optimale Sollwertvorgabe von T hz , d .

3 Modellbildung

Abb. 3 
Vergleich zwischen der Messung eines Aufheizvorganges eines Extruders mit stillstehender Förderschnecke ohne Kunststoff und der Simulationsergebnisse des FV Modells.
Abb. 3

Vergleich zwischen der Messung eines Aufheizvorganges eines Extruders mit stillstehender Förderschnecke ohne Kunststoff und der Simulationsergebnisse des FV Modells.

Der Extruder wird mittels der Finiten Volumina (FV) Methode modelliert. Um die mathematische Genauigkeit des FV Modells bei möglichst geringer Systemordnung zu validieren, wird in [8] das FV Modell mit einem hochaufgelösten Finiten Elemente Modell verglichen. Das FV Modell benötigte zur Auswertung der in Kürze vorgestellten Simulationsergebnisse (Fig. 3) 4 s, das FE Modell hingegen benötigte in etwa 2500 mal solange, wobei das FE Modell nicht optimiert wurde, weil dieses lediglich eine hoch genaue Referenzlösung generieren soll. Die fundamentale Gleichung für den hier betrachteten thermischen Prozess stellt die Fouriersche Wärmeleitungsgleichung in Zylinderkoordinaten

(1) ρ ( x ) c p ( x , T ) T ( t , x ) t = 1 r r λ ( x , T ) r T ( t , x ) r + x λ ( x , T ) T ( t , x ) x

dar. Die vorkommenden Parameter sind Tab. 1 zu entnehmen. Aufgrund des rotationssymmetrischen Modellierungsansatzes Abb. 1 ergibt sich die Ortskoordinate zu x = x , r . Die Zusammensetzung des Modells mit den FV Elementen ist in Abb. 4 zu erkennen, die Unterteilung in n axiale und m radiale FV Elemente ist durch die punktierten schwarzen Linien angedeutet. Die Modellordnung ist N = n · m und entspricht der Anzahl der FV Elemente. Die FV beschreiben Ringelemente und können auf die örtliche Lage der Sensorik, Aktuatorik und Isolierung angepasst werden, das die Wahl eines nicht äquidistanten Gitters erklärt. Da der Extruderzylinder, die Förderschnecke und die Förderzone durch verschiedene Materialien charakterisiert werden können, wird der Extruder in 3 verschiedene Zonen mit konstanten Parametern ρ, λ und c p unterteilt, siehe Abb. 4. Die äußerste Zone Zylinderzone wird durch ρ z , λ z und c p , z , die mittlere Zone Förderzone durch ρ f , λ f und c p , f und die Schneckenzone durch ρ s , λ s und c p , s definiert. Folgende zwei Randbedingungen werden verwendet:

(2a) q ˙ u , i ( t , x ) = α i ( x ) T x , i ( t , x ) T u
(2b) q ˙ hb , i ( t , x ) = q ˙ u , i + α hb , i ( x ) T x , i ( t , x ) T hb ( t , x ) .
Die Interaktion mit der Umgebung wird durch die Randbedingung (2a) definiert. Die Temperatur des FV mit der Randbedingung wird mit T x , i bezeichnet. Der Wärmeübergangskoeffizient α i wirkt zwischen der Umgebung und dem Zylinder und der dazwischen fließende Wärmestrom ist durch q ˙ u , i definiert. Die konstante Umgebungstemperatur wird durch T u beschrieben. Weil sich der Extruder in einer großen Produktionshalle befindet, variiert T u hinreichend langsam, sodass von einer konstanten Temperatur ausgegangen werden kann. Die Heizbänder werden durch die Randbedingung (2b) berücksichtigt. Der am Rand auftretende Wärmestrom q ˙ hb , i wird durch die Summe von q ˙ u , i und durch die mit dem Wärmeübergangskoeffizienten α hb , i skalierte Differenz zwischen T x , i und der Heizbandtemperatur T hb gebildet. Der FV Ansatz liefert ein lineares Zustandsraummodell der Form

(3) x ˙ = A x + B u x ˙ = A 11 A 12 0 A 21 A 22 A 23 0 A 32 A 33 x z x f x s + B z B f B s u y = C x = C 1 0 0 x u = T hb , 1 T hb , N h , T u T .

Die Anzahl der vorhandenen Heizbandsensoren ist N h . Die detaillierte Vorgehensweise zur Erzeugung von (3) findet man in [8]. Der Zustandsvektor x wird durch die Temperaturverteilung in der Zylinderzone x z , die Temperaturverteilung in der Förderzone x f und durch die Temperaturverteilung in der Schneckenzone x s gebildet. Der Systemeingang u besteht aus den Heizbandtemperaturen T hb und der Umgebungstemperatur T u . Die Heizbänder stehen nur mit der Zylinderzone im direkten Kontakt ( B z 0). Die Umgebungstemperatur wirkt auf alle Zonen, da die Zonen am rechten und am linken Rand Abb. 4 mit der Umgebung interagieren ( B f 0 und B s 0). Die Geometrie des Extruders ist in (3) berücksichtigt. Um das reale Verhalten des Extruders mathematisch nachbilden zu können, müssen die unbekannten physikalischen Parameter p durch eine Anpassung an Messdaten mithilfe von Simulationen ermittelt werden.

(4) p = c p , f λ f α hb α α hb = α hb , 1 α hb , N hb α = α 1 α n + 2 m min p y mess ( · ) y ( · ) 2 2 s . t . : x ˙ = A ( p ) x + B ( p ) u y = C 1 x z .

Die Wärmeübergangskoeffizienten α spiegeln den Wärmeaustausch zur Umgebung und somit die Effektivität der verwendeten Isolation des Extruders wider. Die Wärmeübergangskoeffizienten α hb beschreiben den Zusammenhang zwischen T hb und dem Wärmefluss, der vom Heizband in Richtung des Zylinders übertragen wird. Die Anzahl der installierten Heizbänder wird durch N hb festgelegt. Auf die Bestimmung von α hb ist ein besonderes Augenmerk zu legen, da dadurch ein einfacher Zusammenhang zwischen T hb und dem Wärmefluss q hb zwischen Zylinder und Heizband hergestellt werden kann. Der Ansatz (4) wurde in [8] eingeführt. Die Ermittlung der Parameter in (4) erfolgt durch eine spezielle Messung y mess . Der leere stillstehende Extruder mit eingesetzter Schnecke wird dazu mit einer Trajektorie für die elektrische Leistung der Heizbänder im offenen Kreis angesteuert und der dabei entstehende Temperaturverlauf y mess wird durch die vorhandene Sensorik aufgezeichnet. Das ermittelte Modell beschreibt nur den Fall des leeren stillstehenden Extruders mit eingesetzter Schnecke. Im Extrusionsfall (hinzufügen eines Kunststoffes) würden die Parameter c p , f und λ f stark variieren. In Kapitel 4 wird erläutert, wie auch der Extrusionsfall durch Adaptieren des gewonnenen Modells, wodurch die Parameter c p , f und λ f nicht mehr benötigt werden und somit eine materialunabhängige Darstellung gewonnen wird, beschrieben werden kann. In Abb. 3 ist der gemessene Temperaturverlauf (farbige Verläufe) dem Simulationsergebnis des FV Modells (strichlierte farbige Verläufe) gegenübergestellt. Der quadratische Mittelwert des Fehlers zwischen FV Simulation und Messung ergab sich in Heizzone 1 zu 0.832 °C, in Heizzone 2 zu 1.006 °C, in Heizzone 3 zu 1.544 °C und in Heizzone 4 zu 0.958 °C. Der maximal auftretende Fehler beträgt 6.1 °C, der in der Heizzone 3 bei t = 71 min kurzzeitig auftritt. Das Modellierungsziel, die Dynamik des Extruders mathematisch nachzubilden, kann durch die hinreichend kleine Abweichung zwischen Messung und Simulation als erfüllt betrachtet werden. Aus der Validierung des FV Modells geht hervor, dass das FV Modell eine gute Basis für die modellbasierten Strategien darstellt.

Tab. 1

Vorkommende Parameter.

Name Symbol Einheit
Zeit t s
axiale Koordinate x m
radiale Koordinate r m
Temperatur T K
Dichte ρ kg / m 3
Wärmekapazität c p J / ( kg K )
Wärmeleitfähigkeit λ W / ( m K )
Wärmeübergangskoeffizient α W / ( m 2 K )

Abb. 4 
Unterteilung des Extruders in FV.
Abb. 4

Unterteilung des Extruders in FV.

4 Wärmeflussbeobachter – Smart Sensor

Der Wärmefluss zwischen Zylinder und dem Kunststoffgranulat charakterisiert die Güte des Extrusionsprozesses und ist daher von großem Interesse für den Extrusionsprozess. Die Information über diesen Wärmefluss kann bei der Konstruktion des gesamten Extruders berücksichtigt werden. Die Platzierung der Heizbänder, die Geometrie der Förderschnecke und die Geometrie des Zylinders (Längen und Durchmesser) können basierend auf dem beobachteten Wärmeflussverlauf optimiert werden. In diesem Abschnitt wird ein Smart Sensor, der diesen Wärmefluss schätzt, vorgestellt. Dieser Beobachter basiert auf einem adaptierten diskretisierten Modell des Extruders (3). Das adaptierte Modell

(5) x ˙ z = A 11 x z + B z B q u q y = C 1 x z

berücksichtigt lediglich die Zylinderzone x z aus (3). Das Innere des Zylinders (Förderzone und Schneckenkernzone) wird durch vorerst unbekannte Wärmequellen q k über die Matrix B ¯ q berücksichtigt. Die Systemgleichungen

(6) x z , k + 1 q k + 1 = A ¯ 11 B ¯ q 0 E x z , k q k + B ¯ z 0 u k y k = C ¯ 1 0 x z , k q k q k = q k , 1 q k , n T

können durch diskretisieren von (5), wobei nun q k als Zustand interpretiert wird, berechnet werden. E bezeichnet die Einheitsmatrix (mit passender Dimension). Die erzeugte Wärme durch Reibung hängt stark vom extrudierten Material ab. Da die Dynamik von q k langsam ist,ist ein LQG Störgrößenbeobachterentwurf [11] mit dem Störmodell q k + 1 = q k (Exosystem) zielführend. Das Resultat ist ein Beobachter, der keine Kenntnis der beschreibenden Kunststoffparameter benötigt Ein LQG Störgrößenbeobachterentwurf, basierend auf (6), stellt den Smart Sensor dar. Der Systemeingang des Beobachters umfasst u B , k = u k T zi , k und liefert eine Schätzung der Temperaturverteilung innerhalb des Zylinders x ˆ z , k und des Wärmestromes zwischen Kunststoff und Zylinder q ˆ k . Im nächsten Kapitel wird der Smart Sensor während eines Extrusionsstartversuchs (Abb. 7 und Abb. 6) getestet und analysiert. Der Smart Sensor wird in [8] eingeführt und zur Analyse des Extrusionsverhaltens von verschiedenen Granulaten in verschiedenen Arbeitspunkten verwendet. Der Einsatz des Smart Sensors erlaubt es, ein materialunabhängiges Regelungskonzept umzusetzen, da der Beobachter die Wirkung des Granulates ohne die Kenntnis von physikalischen Parametern charakterisieren kann.

5 Modellprädikative Regelung

Das erzeugte FV Modell (3) sowie die Schätzung des Smart Sensors (Zylindertemperatur x ˆ z , k und Wärmefluss zwischen Zylinder und Kunststoff q ˆ k ) stellen das Fundament für den Modellprädikativen Regelungsentwurf dar. Die Idee, einen Extruder mittels einer Modellprädikativen Regelung zu regeln, ist nicht neu. Ein Modellprädikativer Ansatz wird beispielsweise in [12] diskutiert und durch Simulationen getestet. Um die Rechenzeit des modellbasierten Regelkonzepts zu minimieren, wird eine Modellordnungsreduktion durchgeführt. Dabei wird das adaptierte Modell (5) herangezogen. Mithilfe der Modellordnungsreduktion-Software [13] wird das Modell (5) mit einer Ordnung von N = 140 auf ein Modell mit einer Ordnung von N red = 30 reduziert und anschließend diskretisiert. Das Verhältnis zwischen dem größten Hankelsingulärwert und dem Hankelsingulärwert an Stelle N red + 1 ergibt sich zu σ 1 / σ 31 1.5 · 10 5 . Die Abtastzeit des reduzierten diskretisierten Zustandsraummodelles

(7) z k + 1 = A ¯ red z k + B ¯ red u k q k T hz , r = C ¯ red z k z k = L x z , k

entspricht der Abtastzeit des MPC. Der Ausgang des reduzierten Modells wird durch die Sensormesspunkte

(8) T hz = T z , 1 , 3 T z , 2 , 3 T z , 3 , 3 T z , 4 , 3

(siehe Abb. 1) gebildet. Die Matrix L transformiert den Zustand x von der ursprünglichen in die reduzierte Darstellung z. Um das Verhalten des reduzierten Modells auf Plausibilität zu überprüfen, können die Bode-Diagramme der Übertragungsfunktionen des ursprünglichen mit den Bode-Diagrammen der Übertragungsfunkionen des reduzierten Systems verglichen werden. Da das Extrudermodell 40 Eingänge und 4 Ausgänge aufweist, können 160 Übertragungsfunktionen berechnet werden. Exemplarisch sind die Übertragungsfunktionen G T hz , 1 , T hb , 1 , zwischen der Heizbandtemperatur der Heizzone 1 mit T hb , 1 als Eingang und der Heizzonentemperatur 1 mit T hz , 1 als Ausgang, in Abb. 5 dargestellt.

Abb. 5 
Plausibilitätsüberprüfung durch Vergleich der Übertragungsfunktion 


G




T


hz
,
1


,


T


hb
,
1



{G_{{T_{\mathrm{hz},1}},{T_{\mathrm{hb},1}}}} des reduzierten 


G


red

{G_{\mathrm{red}}} mit der ursprünglichen Übertragungsfunktion 


G


voll

{G_{\mathrm{voll}}}.
Abb. 5

Plausibilitätsüberprüfung durch Vergleich der Übertragungsfunktion G T hz , 1 , T hb , 1 des reduzierten G red mit der ursprünglichen Übertragungsfunktion G voll .

Abb. 6 
Beobachteter Wärmeflussverlauf zwischen Zylinder und Kunststoff während des Extrusionsstarts von Granulat A.
Abb. 6

Beobachteter Wärmeflussverlauf zwischen Zylinder und Kunststoff während des Extrusionsstarts von Granulat A.

Die Betragsgänge der Übertragungsfunktionen (siehe Abb. 5) des reduzierten Systems G red und des ursprünglichen Systems G voll sind bis zu einer Frequenz ω 3 rad / s deckungsgleich und unterscheiden sich ab dieser Frequenz nur minimal. Da die betrachteten thermischen Prozesse langsam ablaufen, genügt es, eine Abtastzeit von 1 min ( t MPC = 60 s) zu wählen. Somit ergibt sich eine Abtastfrequenz von 2 π / 60 10 1 rad / s, womit gezeigt ist, dass im relevanten Bereich das kontinuierliche reduzierte System das nominelle sehr gut widerspiegelt. Das diskretisierte reduzierte Modell (7) wird für den MPC Entwurf

(9) min T hb T hz , d T hz e 1 + e + 0.3 Δ T hb 1

(10a) s . t . : a z r + 1 = A ¯ red z r + B ¯ red u r q r
(10b) T hz , r = C ¯ red z r a a a a a a a a , r = k , , k + p
(10c) z k = L x ˆ z , k
(10d) q r = q ˆ k
(10e) z min i z r i z max i a a a a a a a , i = 1 , , N red
(10f) u min j u r j u max j a a a a a a , j = 1 , , N hb
(10g) Δ u min j Δ u r j Δ u max j
herangezogen. Die Kostenfunktion stellt aufgrund von der Wahl von e 1 und e ein lineares Optimierungsproblem dar. Der Fehler e ist durch die Differenz zwischen der Vorgabetemperatur und der gemessenen Temperatur e = T hz , d T hz definiert. Um ein gutes Einschwingverhalten zu erhalten, wird die Änderungsrate der Heizbandtemperatur durch 0.3 Δ T hb 1 in der Kostenfunktion berücksichtigt. Das reduzierte Modell (10a) und (10b) wird zur Prädiktion der Wärmeentwicklung im Zylinder verwendet. Der Horizont p definiert, wie viele Zeitschritte, ausgehend vom momentanen Zeitschritt k, in die Zukunft prädiziert werden. Der Kontroll- p k und der Prädiktionshorizont p p wurden gleich p gewählt. Der Startzustand z k wird aus der aktuellen Beobachtung des Smart Sensors x ˆ z , k , mithilfe der Transformationsmatrix L berechnet. Die zwischen der Zylinderzone und der Förderzone eingeführten Wärmeflüsse entsprechen der momentanen Schätzung des Smart Sensors q ˆ k . Die Wärmeflüsse q r werden über den Horizont p als konstant (10d) angenommen. Einer der größten Vorteile, die der MPC Ansatz mit sich bringt, ist in (10e), (10f) und (10g) zu sehen. Es ist möglich, Zustandsbeschränkungen (10e), die aus prozesstechnischen Gründen und/oder aus Qualitätsgründen sinnvoll sind, zu definieren. Durch Eingangsbeschränkungen können maximale zulässige Temperaturen des Heizbandes (10f) und/oder maximale Anstiegsraten der Heizbandtemperaturen (10g) festgelegt werden. Mehr Details bezüglich des MPC Entwurfs können in der Arbeit [7] nachgelesen werden.

Das gesamte Regelungskonzept ist in einer Linux-Umgebung mit Echtzeit-Patch [14] unter Verwendung von C++ und dem Open-Source-Solver für lineare Programmierung GLPK [15] für die Optimierung implementiert worden. Im ersten Schritt (Dauer 3 s) ist noch kein guter Startwert für die Optimierung bekannt, während in allen weiteren Schritten (Dauer 0.1 s) die Startwerte aus den vorangegangenen Optimierungen zur Verfügung stehen. Die für die Auswertung der Optimierung benötigte Zeit ist im Vergleich zur Abtastzeit des MPC klein und kann daher vernachlässigt werden.

Abb. 7 
Extrusionsstart zur Analyse der Smart Sensor Dynamik.
Abb. 7

Extrusionsstart zur Analyse der Smart Sensor Dynamik.

Abb. 6 zeigt die Dynamik der Smart Sensor Schätzungen während eines Extrusionsstarts. Das Verhalten der Regelung während eines Extrusionsstarts ist in Abb. 7 zu finden. Das Ziel der Regelung T hz , d ist in der oberen Bildhälfte der gemessenen Temperatur T hz gegenüber gestellt. Nach Einleitung der Extrusion (bei t = 0 min) reagiert der Regelkreis mit einer sehr stark steigenden Rampe für die Heizbandtemperatur T hb , d , um dem kühlenden Effekt der Extrusion entgegenzuwirken. Die dem MPC unterlagerte Schicht 0 regelt den Regelfehler e PI = T hb , d T hb bestmöglich aus. Stationäre Extrusionsverhältnisse werden nach etwa 15 min erreicht. Die den Autoren bekannten industriellen Standardregelungen würden mindestens 2 mal so lange brauchen, um das gleiche Ziel zu erreichen. Das Ergebnis einer Standardregelung ist in [7] angeführt.

Der Extrusionsstart (Drehzahl der Förderschnecke n rot > 0) wird bei t = 0 min eingeleitet. Die Temperaturregelung beruht auf dem Modellprädikativen Ansatz, der erst im nächsten Kapitel vorgestellt wird. Die Regelung verfolgt das Ziel, einen für jede Heizzone repräsentativen Sensorwert T hz , i (farbliche Verläufe) auf vorgegebene Solltemperaturen (strichlierte Verläufe) zu regeln. Die Funktionsweise der Regelung wird im nächsten Kapitel diskutiert. Um die Dynamik des Smart Sensors analysieren zu können, wurden dessen Wärmestromschätzungen zu spezifischen Zeitpunkten (vertikale punktierte Linien in Abb. 7) in Abb. 6 dargestellt. Der Index i (x-Achse) kennzeichnet den Wärmefluss q i a (y-Achse) zwischen des i-ten FV Elements und des Kunststoffes. Da ein FV Modell mit einer Unterteilung in n = 35 FV Elemente in axialer Richtung herangezogen wurde, ergibt sich ein Indexbereich von i = 1 35. Ein positives q i a beschreibt einen Wärmefluss von der Förderzone Richtung Zylinderzone. Die Einfüllzone liegt bei i = 35 und das Extruderende bei i = 1.

Der erste abgebildete Zeitpunkt bei t = 1 min (Blau) beschreibt den Wärmeflussverlauf des leeren Extruders. Die Wärmeflussverteilung zeigt lediglich bei i = 2 eine positive Wärmeflussspitze, die auf den Wärmebeitrag der aktiv geheizten Arbeitsmaschine am Extruderende zurückzuführen ist. Nach Extrusionsstart bei t = 0 min wird der Zylinder nach t = 1 min (Rot) im Bereich i = 5 30 durch den Kunststoff gekühlt. Dafür erfährt der Zylinder aufgrund der hohen Reibleistung, die in der Einfüllzone durch die Reibung des unaufgeschmolzenen Granulats entsteht, einen positiven (heizenden) Wärmestrom. Die Wirkung der genannten Effekte wächst betraglich nach t = 4 min (Orange) an, bis ein näherungsweise stationäres Wärmeflussprofil nach etwa t = 14 min (Grau) beobachtet wird. Der Smart Sensor wurde mit einer Abtastzeit von 1 s entworfen und implementiert. Die Schätzung des Smart Sensors kann parallel zum Extrusionsprozess analysiert werden, womit man ungünstiges Extrusionsverhalten identifizieren und darauf reagieren kann. Es ist anzumerken, dass nicht jedes Granulat eine kühlende Wirkung auf den Extruderzylinder hat. Der Störgrößenbeobachter ist in der Lage, auch heizende Wirkungen der verarbeiteten Granulate zu charakterisieren.

6 Temperatur Management

Abb. 8 
Wiederinbetriebnahme des Extruders nach Drehzahlausfall mithilfe der Temperatur Management Strategie.
Abb. 8

Wiederinbetriebnahme des Extruders nach Drehzahlausfall mithilfe der Temperatur Management Strategie.

Schnelle Arbeitspunktwechsel (APW) verkürzen die ineffizienten Produktionsphasen, die ein zu kalter/heißer Extruder aufweist. Das Temperatur Management (TM) erlaubt einen schnellen APW und verringert daher die Menge des erzeugten Ausschussmaterials, verkürzt die Hochfahrzeit und erlaubt eine rasche Wiederinbetriebnahme nach einem Störfall. Dieses Konzept ist der MPC Regelung übergeordnet und errechnet Solltemperaturtrajektorien T hz , d , basierend auf der aus vergangenen Extrusionvorgängen gewonnenen Information. In [7] wird eine Möglichkeit vorgestellt, ein passendes Temperaturprofil für einen unbekannten Kunststoff zu ermitteln. Der Lernprozess für einen unbekannten Kunststoff erfordert die Analyse von zwei Arbeitspunkten (AP):

  1. AP Aufh : stillstehender aufgeheizter Extruder mit Schnecke ohne Kunststoff

    1. Beobachteter Wärmefluss (Smart Sensor) q ˆ l

    2. Eingestelltes Temperaturprofil T hz , l

  2. A P E x t r : Extruder im Extrusionszustand mit Kunststoff

    1. Beobachteter Wärmefluss (Smart Sensors) q ˆ ex

    2. Eingestelltes Temperaturprofil T hz , ex .

Der Lernprozess ist nach einem Extrusionsversuch abgeschlossen. Die Aufgabe des TM ist es, ein Temperaturprofil T hz , d so zu errechnen, dass optimal von A P 1 in den A P 2 gewechselt werden kann. Die Strategie beschäftigt sich mit allgemeinen APW, wobei die Maschine von einem Arbeitspunkt A P 1 in den A P 2 übergeführt wird (kurz A P 1 A P 2 ). Das Finden einer optimalen Vorheiztemperatur, um einen Extrusionsstart optimal einzuleiten, würde A P A u f h = A P 1 A P 2 = A P E x t r bedeuten. Basierend auf der Kenntnis des Extruderverhaltens in A P A u f h und A P E x t r kann die Optimierungsaufgabe des Temperatur Managements

(11) min T hb e 1 + e + 0.3 Δ T hb 1 + 5 Δ T hb , 1 1

(12a) s . t . : a z r + 1 = A ¯ red x r + B ¯ red u r q r
(12b) T hz , r = C ¯ red z r a a a a a a a r = 0 , , p
(12c) q r = q ˆ A P 2
(12d) z 0 = E A ¯ red 1 B ¯ red T hb , 0 T u q ˆ A P 1
(12e) Δ T hb , 1 = T hb , 1 T hb , 0
formuliert werden. Bei der Optimierungsaufgabe des TM handelt es sich um eine Erweiterung der MPC Formulierung von Kapitel 5. Das TM wird mit den selben Beschränkungen (10e), (10f) und (10g) versehen. Der zusätzliche Term 5 Δ T hb , 1 1 , hinsichtlich (9), beschreibt die Temperaturdifferenz (12e) zwischen der initialen optimierten Heizbandtemperatur T hb , 0 und der optimierten prädizierten Heizbandtemperatur nach dem ersten Zeitschritt T hb , 1 . Die Prädiktion beruht wieder auf dem reduzierten Modell (12a) und (12b). Die Wärmeströme q ˆ r (12c) entsprechen den aus dem Lernprozess bekannten auftretenden Wärmestrom im Arbeitspunkt q ˆ A P 2 und werden für die nächsten p Zeitschritte als konstant angenommen. Die Systeminitialisierung erfolgt durch z 0 (12d), der den Gleichgewichtszustand des in Abhängigkeit der Optimierungsvariable T hb , 0 , der Umgebungstemperatur T u und der auftretenden Wärmeströme q ˆ A P 1 im A P 1 , darstellt. Das Ergebnis der Optimierung ist ein optimales Temperaturprofil

(13) T hz , d = C ¯ red z ˜ 0

mit dem optimalen Startzustand z ˜ 0 . Die Idee ist es, eine optimale initiale Heizbandtemperatur T hb und somit ein optimales Initialprofil des Extruders z ˜ 0 so zu finden, dass beim Einleiten des APW die Heizbandtemperatur im ersten Zeitschritt (1 min) durch die MPC Regelung näherungsweise konstant gehalten wird. Mehr Details bezüglich des TM Entwurfs können in der Arbeit [7] nachgelesen werden.

Das Einleiten des APW kann durch Messgrößen erkannt werden, z. B. der APW von A P A u f h = A P 1 A P 2 = A P E x t r kann durch Messen der Drehzahl n rot 0 detektiert werden. Das TM berücksichtigt eine automatische APW Erkennung durch Analyse der Messdaten. Die Management Strategie führt auch eine automatisierte verzögerte Sollwertänderung T hz , d A P 1 T hz , d A P 2 durch. Die Arbeitsweise des Umschaltalgorithmus wird anhand des Extrusionsergebnisses in Abb. 8 in Kürze nachvollzogen. Mehr Details zum Umschaltalgorithmus sind in [7] angeführt.

Die Arbeitsweise des TM ist in Abb. 8, in dem ein Drehzahlausfall mit anschließender Wiederinbetriebnahme zu sehen ist, dargestellt. Der Extruder befindet sich für t < 0 im nominellen Extrusionszustand, bis die Drehzahl bei t = 0 ausfällt. Tritt eine Störung in der Produktionskette auf, so muss der Extruder gestoppt werden, wodurch das Szenario eines Drehzahlausfalles eintritt. Da aus Experimenten hervorging, dass die Wärmeströme q ˆ l ( A P A u f h ) den auftretenden Wärmeströmen des Störfalls q ˆ Stör ( AP Stör ) sehr ähnlich sind, wird q ˆ Stör = q ˆ l gewählt. Der APW vom Drehzahlausfallarbeitspunkt in den Extrusionsarbeitspunkt ( AP Stör = A P 1 A P 2 = A P E x t r ) beschreibt die Wiederinbetriebnahme des Extruders. Durch Auswerten der Optimierung (13) wird eine optimale Haltetemperatur T hz , d Stör ( A P 1 ), die während des Drehzahlausfalls angestrebt werden soll, berechnet.

Störfall – Wechsel vom Extrusion AP in den Drehzahlausfall AP: In Abb. 8 wird der nominelle Extrusionsvorgang zum Zeitpunkt t = 0 durch einen Drehzahlausfall unterbrochen. Der verarbeitete Kunststoff gibt die gespeicherte Wärmeenergie an den Zylinder ab und bewirkt ein Überheizen der Heizzonen ab t > 0. Das TM erkennt zum Zeitpunkt t = 0 den APW A P E x t r AP Stör . Ein vollständiger APW in den AP Stör impliziert alle Solltemperaturen der Heizzonen von T hz , d Extr nach T hz , d Stör umzuschalten. Die Umschaltstrategie schaltet nach 4.5 min (markiert durch die rote punktierte Linie) T hz , d , 1 Extr auf die berechnete optimale Haltetemperatur für die erste Heizzone T hz , d , 1 Stör um. Nach und nach schalten auch die anderen Heizzonen (markiert durch die farblichen punktierten Linien) um, bis alle Zonen nach 22 Minuten auf das Halteprofil umgeschaltet wurden.

Wiederinbetriebnahme – Wechsel vom Drehzahlausfall AP in den Extrusion AP: Das TM erkennt das Einleiten der Wiederinbetriebnahme ( n rot > 0) des Extruders bei t = 27 min. Ein APW der Form AP Stör A P E x t r wird detektiert. Die Solltemperaturen müssen von den Haltetemperaturen T hz , d Stör auf T hz , d Extr umgeschaltet werden. Da das TM die kühlende Wirkung des Extrusionsstarts in der Berechnung von T hz , d Stör berücksichtigt hat, sinken die gemessenen T hz nach etwa 4 min in einen Bereich von T hz , d Extr ± 5 C ° und verbleiben in diesem Bereich. Das zeitlich verzögerte Umschalten der Solltemperaturen ist durch die farblichen punktierten Linien markiert. In [7] wurde ein Extrusionsstart mit TM und MPC mit einem Extrusionsstart einer industriellen Standardregelung verglichen. Da die Extrusionsstartdynamik vergleichbar mit der Wiederinbetriebnahmedynamik ist, können die zum Erreichen von T hz , d Extr ± 5 C ° benötigten Zeithorizonte verglichen werden. Die in Abb. 8 illustrierte Wiederinbetriebnahme lag nach 4 min, der Extrusionsstart mit TM und MPC lag nach 5 min im Bereich T hz , d Extr ± 5 C °. Der industrielle Standardregler benötigte beim Extrusionsstart 35 min, um die Temperaturen in den genannten Bereich zu regeln. Das diskutierte Fallbeispiel veranschaulicht einen Störfall, dessen Fehlerbehebung t > 22 min gedauert hat. Es ist prinzipiell möglich, die Wiederinbetriebnahme zu jedem Zeitpunkt t > 0 min einzuleiten. Die den Autoren bekannten industriellen Standardregelungen sind nicht in der Lage, einen Drehzahlausfall ohne ein Eingreifen eines Bedieners auszuregeln.

7 Zusammenfassung

In dieser Arbeit wurde ein thermisches Modell eines Extruders erstellt. Dieses Modell stellt die Grundlage für den Smart Sensor für den Modellprädikativen Regler und für das Temperatur Management dar. Das entwickelte Gesamtkonzept ist in der Lage, sehr effiziente Arbeitspunktwechsel auszuführen. Messergebnisse zeigen eine sehr gute Regelgüte, wodurch Ausschussmaterial und benötigte Zeiten, um den Extruder in einen optimalen Produktionszustand zu regeln, reduziert wurden. Die Schätzung der Wärmeströme des Smart Sensors kann zur Analyse des Extrusionsprozesses aber auch zur Optimierung des mechanischen Extruderaufbaus (Schneckengeometrie, Abmaße) verwendet werden. Zukünftige Entwicklungen umfassen eine Erweiterung des Konzeptes, sodass die Schmelzetemperatur des Kunststoffes als Regelziel vorgegeben werden kann. Anschließend soll die vorgestellte Methodik auf verschiedenen Extrudern validiert werden.

Award Identifier / Grant number: 881844

Funding statement: Diese Arbeit wurde von der FFG unterstützt, Vertrag Nr. 881844: “Pro2Future”.

Über die Autoren

Kevin Schwarzinger

Kevin Schwarzinger erhielt im November 2019 den Titel Dipl.-Ing. in Mechatronik von der Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Österreich. Er ist derzeit Doktorand am Institut für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung. Seine Forschungsinteressen umfassen Systemidentifikation und modellprädiktive Regelungen.

Kurt Schlacher

O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing., Dr. techn. Kurt Schlacher ist Leiter des Instituts für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung, Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Österreich. Forschungsschwerpunkte und Arbeitsgebiete: Modellierung und Regelung nichtlinearer Systeme mit konzentrierten und verteilten Parametern unter Berücksichtigung industrieller Anwendungen und Anwendung differentialgeometrischer und Computeralgebra-basierter Methoden.

Danksagung

Diese Arbeit wurde in Zusammenarbeit mit Soplar sa entwickelt.

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Erhalten: 2022-02-18
Angenommen: 2022-06-24
Online erschienen: 2022-08-04
Erschienen im Druck: 2022-08-26

© 2022 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 8.6.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/auto-2022-0024/html
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