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Open Access Published by De Gruyter Saur March 22, 2013

Bibliotheksgesetzgebung in der Schweiz

Die Entwicklung zu einem Bibliotheksgesetz für den Kanton St. Gallen

  • Christopher Rühle

    Dr. rer. publ. Christopher Rühle, Leiter Recht und Projektsupport

    Kanton St. Gallen

    Departement des Innern Amt für Kultur

    St. Leonhard-Straße 40

    CH-9001 St. Gallen

    Tel.: +41 58 229 21 51

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From the journal Bibliotheksdienst

Zusammenfassung:

Im Januar 2012 wurde im Schweizer Kanton St. Gallen mit einer Rekordzahl von über 10 000 Unterschriften das Volksbegehren „für zeitgemäße Bibliotheken im Kanton St. Gallen (Bibliotheksinitiative)“ eingereicht. Die St. Galler Bibliotheksinitiative will eine zeitgemäße, qualitativ gute bibliothekarische Versorgung der Bevölkerung im ganzen Kanton erreichen. Im Juli 2012 hat die Kantonsregierung einen Gegenvorschlag zur Bibliotheksinitiative in Form eines Bibliotheksgesetzes vorgelegt – das erste dieser Art in der Schweiz. Nachfolgend sollen die Entwicklung und die Erfahrungen im Kanton St. Gallen und der Entwurf für ein St. Galler Bibliotheksgesetz vor dem Hintergrund bestehender kantonaler Gesetzesgrundlagen mit Bibliotheksbezug vorgestellt werden.

Abstract:

In January 2012 in the canton of St. Gallen, Switzerland, a petition “for modern libraries in the canton of St. Gallen (Library Initiative)”, which was signed by over 10 000 people, was submitted. The St. Gallen library initiative aims to achieve a modern, high-quality library supplies to the population in the entire canton. In July 2012 the state government submitted a counter proposal to the library initiative in the form of a library law – the first of its kind in Switzerland. This report presents the development and the experiences in the canton of St. Gallen and the draft of the Law Library St. Gallen.

Am 27. Januar 2012 wurde im Schweizer Kanton St. Gallen mit einer Rekordzahl von über 10 000 Unterschriften das Volksbegehren „für zeitgemäße Bibliotheken im Kanton St. Gallen (Bibliotheksinitiative)“ eingereicht. Die St. Galler Bibliotheksinitiative will eine zeitgemäße, qualitativ gute bibliothekarische Versorgung der Bevölkerung im ganzen Kanton erreichen. Die Kantonsregierung hat am 3. Juli 2012 einen Gegenvorschlag zur Bibliotheksinitiative in Form eines Bibliotheksgesetzes vorgelegt – das erste dieser Art in der Schweiz. Nachfolgend sollen die Entwicklung und die Erfahrungen im Kanton St. Gallen und der Entwurf für ein St. Galler Bibliotheksgesetz vor dem Hintergrund bestehender kantonaler Gesetzesgrundlagen mit Bibliotheksbezug vorgestellt werden. Dabei sollen auch aus staats- und verwaltungsrechtlicher sowie kultur- und bildungspolitischer Perspektive Antworten auf die folgenden Fragen gegeben werden: Braucht es überhaupt Bibliotheksgesetze und wenn ja, warum? Was können Bibliotheksgesetze leisten?

1 Warum braucht es Bibliotheksgesetze?

1.1 Begriff des Bibliotheksgesetzes

Unter einem Bibliotheksgesetz wird im Folgenden eine Sammlung generell-abstrakter Normen (Rechtssätze) verstanden, die im ordentlichen Verfahren der Gesetzgebung erlassen wird und das Bibliothekswesen in regionaler oder nationaler Perspektive regelt.[2] Kriterien für diesen Begriff des Bibliotheksgesetzes sind das Verfahren des Zustandekommens des Erlasses, die Normstruktur beziehungsweise der Inhalt des Erlasses und der Regelungs- oder Geltungsbereich:

  1. Verfahren des Zustandekommens: Auf Bundesebene werden die Gesetze von der Bundesversammlung unter Mitwirkung des Volkes (fakultatives Referendum) erlassen,[3] auf Kantonsebene von den Kantonsparlamenten unter Mitwirkung der Stimmberechtigten (obligatorisches oder fakultatives Referendum, Gesetzesinitiative).[4] Erlasse, die im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen wurden, werden als Gesetze im formellen Sinn bezeichnet. Bibliotheksgesetze, so wie sie hier verstanden werden, sind immer Gesetze im formellen Sinn.

  2. Normstruktur des Erlasses: Ein Bibliotheksgesetz enthält generell-abstrakte Normen (Rechtssätze), die natürlichen und juristischen Personen (Private, Bund, Kanton und Gemeinden sowie weitere Körperschaften des öffentlichen Rechts) Pflichten auferlegen (z. B. Aufgaben oder finanzielle Verpflichtungen) oder Rechte einräumen (z. B. Anspruch auf finanzielle oder anderweitige Unterstützung), die Organisation und die Zuständigkeiten der Behörden regeln oder das Verfahren ordnen. Es ist damit auch Gesetz im materiellen Sinn. Es richtet sich an eine unbestimmte Zahl von Adressaten (generell) und erfasst eine unbestimmte Anzahl von Fällen (abstrakt).[5]

  3. Regelungs- oder Geltungsbereich: Ein Bibliotheksgesetz, wie es nachfolgend verstanden wird und wie es die Enquête-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages in ihrem Abschlussbericht vom 11. Dezember 2007 gefordert hat und die politische Diskussion in Deutschland versteht, bezieht sich nicht bloß auf eine konkrete Bibliothek (im Sinn eines Organisationsgesetzes) oder regelt nicht nur einen Teilaspekt der bibliothekarischen Arbeit (Spartengesetz), sondern ein Bibliothekswesen insgesamt in regionaler oder nationaler Perspektive.[6] In den deutschen Bundesländern kann man aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre von einem gewissen Trend hin zu einer zusammenfassenden Gesetzgebung aller bibliotheksbezogenen Rechtsfragen in Form von Bibliotheksgesetzen nach dem Vorbild der Archivgesetze sprechen.[7] In der Schweiz ist diese Entwicklung noch nicht angekommen. Ein Bibliotheksgesetz des Bundes müsste das gesamte Schweizer Bibliothekswesen erfassen, ein kantonales Bibliotheksgesetz das gesamte Bibliothekswesen des jeweiligen Kantons. Ein Bibliotheksgesetz betrifft damit eine Vielzahl von Bibliotheken und schafft einen Rahmen für diese.

In diesem Sinn betrifft ein Bibliotheksgesetz nicht bloß Bibliotheken, deren Organisation, Aufgaben und Finanzierung, sondern regelt insbesondere auch Pflichten (Aufgaben, Finanzierung), Organisation und Verfahren der öffentlichen Hand in Bezug auf das Bibliothekswesen. Es beschreibt damit den Umfang der öffentlichen Aufgabe „Bibliotheken“, wer dafür verantwortlich ist und wie sie finanziert wird.

Nach Beantwortung der Frage, was ein Bibliotheksgesetz ist, soll einleitend auch die Frage beantwortet werden, warum es aus staats- und verwaltungsrechtlicher Perspektive überhaupt Bibliotheksgesetze braucht (vgl. Ziff. 1.2). Zudem ist häufig die Frage nach dem Nutzen von Bibliotheksgesetzen zu hören: „Was bringt ein Bibliotheksgesetz? Bis anhin sind die Bibliotheken doch auch ohne eigene Gesetze gut über die Runden gekommen!“ Hier kann ein kurzer Blick auf die Zwecke, die mit Rechtssetzung verfolgt werden, Antworten geben (Vgl. Ziff. 1.3).

1.2 Gesetze als Grundlagen und Schranken staatlicher Tätigkeit

Bibliotheksangebote und -dienstleistungen oder Leistungen des Staates gegenüber Bibliotheken zählen zur so genannten Leistungsverwaltung. Zur Leistungsverwaltung wird jene Verwaltungstätigkeit gezählt, durch die namentlich den Privaten staatliche Leistungen vermittelt werden. Ihr kommt eine fördernde, begünstigende und stützende Rolle zu. Beispiele für Leistungsverwaltung mit Bibliotheksbezug sind Angebote und Dienstleistungen von Bibliotheken, die von der öffentlichen Hand geführt werden, oder die Ausrichtung von Subventionen an Bibliotheken. Von der Leistungsverwaltung ist die Eingriffsverwaltung zu unterscheiden. Sie umfasst jene Verwaltungstätigkeit, die in die Rechte und Freiheiten der Privaten eingreift. In der Regel ist sie hoheitlicher Natur.[8] Aus der Regelungsthematik von Bibliotheksgesetzen zählt namentlich die Pflichtablieferung zur Eingriffsverwaltung.

Sowohl für die Eingriffsverwaltung als auch für die Leistungsverwaltung gilt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Legalitätsprinzip (in der deutschen Lehre wird vom „Vorrang des Gesetzes“ und „Vorbehalt des Gesetzes“ gesprochen).[9] Dieses bezweckt, alle Verwaltungstätigkeit an das Gesetz (formelles Gesetz, Verordnung) zu binden. Einerseits darf das Verwaltungshandeln nicht gegen das Gesetz verstoßen. Andererseits muss sich alle Verwaltungstätigkeit auf das Gesetz stützen. Verwaltungstätigkeiten, die keine gesetzliche Grundlage haben, sind – auch wenn sie nicht im Widerspruch zu einem Gesetz stehen – unzulässig.[10] Das Legalitätsprinzip verlangt zudem, dass wesentliche Wertungen mit ausreichender Bestimmtheit im formellen Gesetz enthalten sind. Entscheidungen von grundlegender Bedeutung dürfen sich nicht in Verordnungen verstecken, sondern sind dem Parlament vorbehalten.[11]

Weil die Leistungsverwaltung grundsätzlich begünstigt und nicht belastet, gelten die Anforderungen an die Normstufe (Gesetz im formellen Sinn oder Verordnung) und an die Normdichte (Bestimmtheit des Rechtssatzes) weniger strikt als im Bereich der Eingriffsverwaltung. Die Voraussetzungen staatlicher Leistungen müssen nicht immer bis ins Letzte normativ umschrieben sein; unter Umständen genügen auch allgemeine Ziel- und Aufgabennormen als gesetzliche Grundlage. Nach heutigem Verständnis müssen die Grundzüge der staatlichen Leistungen (das „Wesentliche“) aber in einem Gesetz im formellen Sinn verankert sein. Es ist am Gesetzgeber im Rahmen des Verfassungsrechts zu beurteilen, ob Wesentlichkeit vorliegt.[12] Als wesentlich kann eine Regelung beispielsweise eingestuft werden, wenn sie erhebliche finanzielle Folgen nach sich zieht (beispielsweise eine neue, mit erheblichen Kostenfolgen verbundene Bibliotheksförderung des Kantons und deren Finanzierung verbindlich verankert), für die politische Willensbildung, die Behördenorganisation oder das Verfahren (z. B. die Erarbeitung einer das gesamte Bibliothekswesen erfassenden Strategie) von bestimmender Bedeutung ist, besonders umstrittene Fragen zum Gegenstand hat oder stark in die bisherige Rechtsstellung der Adressaten eingreift (z. B. der Gemeinden als Träger von Bibliotheksaufgaben).

1.3 Zweck des Erlasses von Bibliotheksgesetzen

Das Setzen von Recht verstanden als Tätigkeit, die zum Erlass von Rechtsnormen führt, kann unterschiedliche Funktionen erfüllen beziehungsweise unterschiedliche Zwecke verfolgen, die auch beim Erlass eines Bibliotheksgesetzes zum Tragen kommen:[13]

  1. Ordnung und Stabilisierung des Verhaltens: Rechtssetzung bezweckt u.a. das Aufstellen einer Verhaltensordnung. Ziel ist es, Komplexität zu reduzieren und Erwartungen von Menschen über das Verhalten anderer Menschen zu generalisieren und zu stabilisieren und damit Rechtssicherheit im Sinne des Vertrauens auf Geltung, Realisierung und Bestand von Rechtsnormen zu gewährleisten.[14] Beispiele für solche Verhaltensordnungen mit Bezug zum Bibliothekswesen sind Regelungen zur Aufgabenteilung (Wer ist für welche Bibliothek verantwortlich?), zur Aufgabenzuordnung (Welche Bibliothek erfüllt welche Aufgaben?) oder der Voraussetzungen für Förderbeiträge des Kantons.

  2. Steuerung der gesellschaftlichen Entwicklung: Im modernen Leistungs- und Lenkungsstaat wird die Rechtssetzung hauptsächlich für die Verhaltenssteuerung eingesetzt. Mit dieser soll eine bestimmte gesellschaftliche Entwicklung erreicht werden. Dahinter steht der Gedanke, das sich künftiges Geschehen durch Rechtsnormen (finale Regelungen, Ge- und Verbote, positive und negative Anreize usw.) so programmieren lässt, dass gewisse politische Zielsetzungen erreicht, bestimmte gesellschaftliche Zustände verändert oder gerade nicht verändert werden.[15] Mit einem Bibliotheksgesetz lässt sich beispielsweise die Entwicklung des Bibliothekswesens insgesamt hin zu einer stärkeren Vernetzung oder das kommunale Bibliotheksangebot steuern. Letzteres beispielsweise über die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinden, das kommunale Bibliotheksangebot sicherzustellen (Gebot) oder über Unterstützungsleistungen des Kantons an Bibliotheken bei Erfüllung von Qualitätsvorgaben (positiver Anreiz).

  3. Legitimierung und Integration: Das Rechtssetzungsverfahren – insbesondere auf Verfassungs- und Gesetzesstufe, weniger auf Verordnungsstufe – ist so ausgestaltet, dass seine Ergebnisse demokratisch legitimiert werden und integrierend wirken. Ziel des Verfahrens ist es, dass die Adressaten und die Stimmberechtigten die Rechtsnormen als sachlich und politisch richtig anerkennen und sich mit ihnen identifizieren.[16] Eine gesetzlich verankerte Bibliotheksordnung und Bibliothekspolitik wird von den Adressaten und den Stimmberechtigten als richtig akzeptiert und mitgetragen. Sie ist stärker abgestützt und legitimiert als ein nicht gesetzlich geregeltes Bibliothekswesen. Bibliotheksgesetze werten Bibliotheken in diesem Sinn in ihrer Bedeutung als Einrichtungen für Information, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft auf und rücken sie stärker ins Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik.

  4. Politische Auseinandersetzung und Konsensfindung: Im Verfahren der Rechtssetzung werden unterschiedliche politische Standpunkte und Regelungsbedürfnisse und -möglichkeiten dargestellt und miteinander konfrontiert. Damit sollen Probleme offen gelegt und politische Diskussionen über deren Lösung sowie insbesondere Konsensfindungen ermöglicht werden. Ziel der Auseinandersetzungen ist eine Annäherung der Auffassungen und schließlich das Erreichen von Zustimmung. Mit einem Bibliotheksgesetz lässt sich beispielsweise die Frage nach der Verantwortung der Gemeinden für das kommunale Bibliotheksangebot beantworten (Pflicht- oder Wahlaufgabe) oder lassen sich unterschiedliche Standpunkte zur Koordination des Bibliothekswesens oder zur Förderrolle des Kantons einer Lösung zu führen.

2 Die bundesstaatliche Kompetenzordnung für das Bibliothekswesen

Wer ist nun in der Schweiz zuständig für die gesetzliche Regelung des Bibliothekswesens? Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist als Bundesstaat organisiert und weist eine föderale Struktur auf. Die Kompetenzausscheidung zwischen dem Bund und den Kantonen wird von der Bundesverfassung geregelt. Der Bund ist zuständig, soweit die Verfassung ihn ermächtigt; wenn eine solche Ermächtigung fehlt, sind die Kantone zuständig (System der Enumeration der Bundeskompetenzen mit subsidiärer Generalklausel zugunsten der Kantone).[17]

In der Bundesverfassung finden sich die folgenden Aufgabenbereiche mit Bibliotheksbezug:

  1. Der Bund betreibt die Eidgenössischen Technischen Hochschulen (Art. 63 a Abs. 1 BV) und damit deren Bibliotheken und sorgt gemeinsam mit den Kantonen für die Koordination und für die Gewährleistung der Qualitätssicherung im schweizerischen Hochschulwesen (Art. 63 a Abs. 3 BV);

  2. Der Bund kann kulturelle Bestrebungen von gesamt schweizerischem Interesse unterstützen (Art. 69 BV). Diese Bestimmung bildet die Grundlage für den Betrieb der Schweizerischen Nationalbibliothek durch den Bund.[18]

Die Bundesverfassung ermächtigt den Bund damit nicht, das Bibliothekswesen in der Schweiz in nationaler Perspektive zu regeln. Es fehlt eine Bundeskompetenz für eine allgemeine, gesamtstaatliche Bibliotheksgesetzgebung oder eine Bibliotheksrahmengesetzgebung des Bundes.[19] Die Regelung des Bibliothekswesens ist folglich Sache der Kantone, welche abgesehen von den angeführten Bundeskompetenzen für die Bereiche Bildung und Kultur zuständig sind. Im Schweizerischen Bundesstaat liegt die Bildungs- und Kulturhoheit primär bei den 26 Kantonen.

Aufgrund der ihm zugewiesenen Kompetenzen hat der Bund nur wenige Gesetze mit Bezug zu Bibliotheken erlassen.[20] Er beschränkt sich im Wesentlichen auf die Finanzierung der Schweizerischen Nationalbibliothek und der Sammlungen der beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen von Zürich und Lausanne. Subsidiär beteiligt er sich an den kantonalen Universitäten. Beispielsweise leistet er seit wenigen Jahren Anschubfinanzierungen für Bibliotheksprojekte von nationaler Bedeutung bei den wissenschaftlichen Bibliotheken.[21]

3 Die Bibliotheksgesetzgebung der Kantone, namentlich Luzern und St. Gallen

Die gesetzlichen Grundlagen der Kantone mit Bezug zum Bibliothekswesen zeichnen sich durch eine föderalistische Vielfalt aus. Im Allgemeinen bestehen, wenn überhaupt, nur sehr knappe Regelungen auf formell-gesetzlicher Stufe, die als Spartenregelungen nur Teilaspekte des jeweiligen Bibliothekswesens erfassen. Über eigentliche Bibliotheksgesetze verfügen nur die Kantone Luzern und Tessin. In den übrigen Kantonen finden sich die für Bibliotheken relevanten Gesetzgebungen in den kantonalen Kultur(förderungs-)gesetzen und den daran anschließenden Bibliotheksverordnungen sowie den Bildungs- oder Volksschulgesetzen. Erstere regeln Themen wie die Führung der Kantonsbibliotheken oder die Förderung der Schul- und Gemeindebibliotheken, letztere die Führung oder Förderung von Schulbibliotheken.[22] Die kantonalen Universitätsgesetze bilden die Grundlage für die Universitätsbibliotheken, wobei diese in den entsprechenden Erlassen nicht ausdrücklich geregelt werden.

Das Bibliotheksgesetz des Kantons Luzern aus dem Jahr 2007 umfasst lediglich fünf Artikel auf zwei Seiten und kann als eigentliches „Rumpfgesetz“ bezeichnet werden.[23] Trotz seiner Knappheit regelt es wesentliche Punkte: Es erfasst mit den Gemeinde-, Regional- und Volksschulbibliotheken sowie der Zentral- und Hochschulbibliothek als Landes- und wissenschaftliche Bibliothek einen wesentlichen, wenn auch nicht den gesamten Teil des Luzernischen Bibliothekswesens.[24] Es beauftragt Kanton und Gemeinden, ein ausreichendes und vielfältiges bibliothekarisches Angebot zu fördern und regelt die Leistungen des Kantons für das Bibliothekswesen. Dieser führt die Zentral- und Hochschulbibliothek und unterstützt die Gemeinden durch Beratung und Aus- und Weiterbildungsangebote. Weiter verpflichtet das Luzerner Bibliotheksgesetz die Gemeinden, das kommunale Bibliotheksangebot als Pflichtaufgabe zu gewährleisten, weil es für den Kanton wesentlich ist, dass diese Aufgabe erfüllt wird. Der Erlass bestimmt jedoch nur die Ziele (Grundsätze) für die kommunale Aufgabenerfüllung und für die allfällige Rechtssetzung (finale Rechtsetzung). Es ist dann Sache der Gemeinden, ob sie das Angebot selber, zusammen mit anderen Gemeinden oder durch Dritte erbringen.[25]

Im Kanton St. Gallen findet sich das für die Bibliotheken im Kanton maßgebende Recht wie in den meisten anderen Deutschschweizer Kantonen in der Bildungs- und Kulturförderungsgesetzgebung.[26] Der Kanton verfügt mit der Bibliotheksverordnung auch über einen eigentlichen Spezialerlass, der neben den Aufgaben der Kantonsbibliothek die Förderung und Koordination der Bibliotheken im Kanton und damit übergreifende Themen regelt.[27] Die kantonalen Hochschulen (Universität St. Gallen, Pädagogische Hochschule St. Gallen) sind als öffentlich-rechtliche Anstalten mit Recht auf Selbstverwaltung verfasst (Hochschulautonomie). Die sie betreffenden Gesetze regeln ihre Lehr- und Forschungsaufgaben, nicht aber Bestand und Aufgaben ihrer Bibliotheken, die Lehre und Forschung als verlängerter Arm dienen. Ihre Führung liegt dementsprechend in der Autonomie der Hochschulorgane. Die bibliothekarische Versorgung der Gemeinden gehört im Kanton St. Gallen bislang zu den Wahlaufgaben einer Gemeinde. Jede Gemeinde kann selber darüber entscheiden, ob dafür ein öffentliches Interesse besteht, und wenn ja, in welchem Umfang. Was auf formell-gesetzlicher Ebene insbesondere fehlt, ist ein verbindlicher, die allgemein zugänglichen Bibliotheksangebote von Kanton und Gemeinden, die Schulbibliotheken sowie die wissenschaftlichen Bibliotheken erfassender übergeordneter Rahmen, auf dessen Grundlage die Entwicklung des Bibliothekswesens im Kanton gesteuert und koordiniert werden kann, sowie eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten für die bibliothekarische Versorgung der Bevölkerung im Kanton.

4 Initiativen zur Verbesserung der Gesetzesgrundlagen

Die ungenügenden gesetzlichen Grundlagen der Kantone sind mit eine Ursache dafür, dass die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen Bibliotheken (SAB) im Mai 2011 beschlossen hat, mit dem Projekt „Initiative Bibliotheken Schweiz (IBS)“ in allen 26 Kantonen der Schweiz Bibliotheksinitiativen zu lancieren.[28] Mit den Initiativen sollen die gesetzlichen Grundlagen der Bibliotheken verbessert oder erst geschaffen werden, da Bibliotheken ohne solche Grundlagen keine öffentliche Aufgabe darstellen. Alle Gemeinden in der Schweiz sollen gesetzlich verpflichtet werden, für Bibliotheksangebote zu sorgen. Die Kantone sollen gleichzeitig verpflichtet werden, sie dabei mit Beiträgen zu unterstützen, sofern verbindliche Qualitätsstandards eingehalten werden.[29]

Bereits Mitte 2011 konnte das Anliegen erfolgreich im Kanton St. Gallen adaptiert werden. Dort wurde Ende August 2011 die sogenannte Bibliotheksinitiative lanciert.[30] Diese hat folgenden Wortlaut:

„Volksinitiative ‚für zeitgemäße Bibliotheken im Kanton St. Gallen (Bibliotheksinitiative)‘

Die unterzeichneten Stimmberechtigten des Kantons St. Gallen erteilen in der Form der Einheitsinitiative nach Art. 43 der Kantonsverfassung dem Kantonsrat folgenden Rechtsetzungsauftrag:

  1. Der Kanton fördert öffentliche Bibliotheken als Informations-, Bildungs- und Begegnungszentren.

  2. Der Kanton führt an zentraler Lage eine Publikumsbibliothek mit einem breiten multimedialen Angebot für die ganze Bevölkerung. Die Standortgemeinde trägt mindestens einen Viertel der Investitionen und der laufenden Kosten.

  3. Der Kanton leistet angemessene Beiträge an Aufbau und Betrieb von gut erreichbaren, attraktiv ausgestatteten und publikumsfreundlich geöffneten Bibliotheken in den Regionen.“[31]

In der sechsmonatigen Sammelfrist wurden über 10 700 Unterschriften gesammelt (das Quorum für das Zustandekommen beträgt 4 000 Unterschriften). Für den Kanton St. Gallen handelt es sich dabei um die höchste Unterschriftenzahl eines kantonalen Volksbegehrens seit fast 30 Jahren. An der Sammlung beteiligten sich viele kommunale Bibliotheken und ihre Kundinnen und Kunden. Die Unterschriften stammen aus nahezu allen Gemeinden im Kanton. Dies dokumentiert das Bedürfnis nach einer breiten Bibliotheksförderung in allen Regionen des Kantons.

Als Begründung für die Initiative diente den Initiationen der Umstand, dass die Kantonsregierung im Januar 2011 nach jahrelanger Planung insbesondere aus Spargründen den Abbruch eines Projekts für eine moderne, großzügige gemeinsame Publikumsbibliothek von Kanton und Stadt St. Gallen beschlossen hatte.[32] Weiter führten die Initiatoren an, dass die öffentlichen Bibliotheken im Kanton nur minimal ausgestattet und unterfinanziert sind und von weniger als 15 Prozent der Bevölkerung, im nationalen und internationalen Vergleich also unterdurchschnittlich, genutzt werden. Aus Sicht der Initiatoren ist dies unbefriedigend, weil moderne Bibliotheken multimediale Informations- und Bildungsstätten für die gesamte Bevölkerung und ein wichtiger Teil der Bildungsinfrastruktur sind.

Die Bibliotheksinitiative erteilt dem St. Galler Kantonsparlament einen Rechtssetzungsauftrag. Ihre Anliegen sind durch eine Teilrevision der St. Galler Kantonsverfassung oder durch Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Gesetzes zu erfüllen.

5 Der Entwurf für ein St. Galler Bibliotheksgesetz

Aus Sicht der St. Galler Regierung sind die grundsätzlichen Anliegen der Bibliotheksinitiative – die Zusammenlegung von Kantons- und Stadtbibliothek sowie die Verbesserung der bibliothekarischen Versorgung im Kanton – bildungs- und gesellschaftspolitisch wichtig und richtig.[33] Die von der Initiative geforderten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Anliegen fördern nach Ansicht der Regierung aber nur bedingt eine ausgewogene bibliothekarische Grundversorgung in allen Regionen des Kantons. Zudem würden sie kaum dem Mangel an Zusammenarbeit und Koordination im st. gallischen Bibliothekswesen begegnen und nur bedingt den in der Kantonsverfassung verankerten Grundsätzen der Kongruenz, Subsidiarität und Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden entsprechen.[34] Aus diesen Gründen beantragte die Regierung dem Kantonsparlament, die Initiative abzulehnen und gleichzeitig dem Volk aber zur Umsetzung ihrer berechtigten und wichtigen Kernanliegen einen Gegenvorschlag in Form eines Bibliotheksgesetzes zu unterbreiten – das erste dieser Art in der Schweiz.

Der Entwurf für das St. Galler Bibliotheksgesetz ist als Rahmengesetz konzipiert.[35] Das Gesetz regelt die wesentlichen Grundzüge des Bibliothekswesens im Kanton St. Gallen. Es normiert Ziele, Aufträge, Grundsätze (Leistungspflichten und deren Umfang, Aufgabenteilung usw.) und deren Adressaten und bestimmt so die Leistungserwartungen des kantonalen Gesetzgebers („Wer ist für was zuständig?“). Es regelt zudem übergreifende Themen, die das st. gallische Bibliothekswesen insgesamt betreffen, beispielsweise dessen Förderung und Koordination, sowie Spezialthemen wie das Pflichtexemplarrecht. Nicht geregelt wird, auf welche Art und Weise („Wie“) Kanton und Gemeinden ihre Aufgaben zu erfüllen haben. Entsprechend sind auch die einzelnen Bibliothekstypen, ihre Trägerschaft und die ihnen zugeordneten Aufgaben nicht geregelt. Ausnahmen bilden die Kantonsbibliothek sowie die geplante Kantons- und Stadtbibliothek. Als Rahmenerlass überlässt das Gesetz konkretisierende oder ergänzende Regelungen der Rechtssetzung und Rechtsanwendung von Kanton und Gemeinden (z. B. den Spezialerlassen des kantonalen Rechts, die einzelne Bibliotheksthemen regeln).

Mit dem neuen Bibliotheksgesetz werden zwei Hauptzwecksetzungen verfolgt (Vgl. Art. 1): Erstens soll damit die bibliothekarische Grundversorgung im Kanton St. Gallen sichergestellt und zweitens ein zeitgemäßes, leistungsfähiges und seine Mittel wirtschaftlich einsetzendes Bibliothekswesen gefördert werden.

Der Erlass erfasst nahezu das gesamte Bibliothekswesen im Kanton (Vgl. Art. 2): Er gilt für allgemein zugänglichen Bibliotheken sowie für die Schul- und Hochschulbibliotheken, die ihre Grundlage im kantonalen Recht haben.[36]

Die Bestimmungen zur Sicherstellung der bibliothekarische Grundversorgung in allen Regionen des Kantons St. Gallen bilden ein wesentliches Kernelement des Erlasses (Vgl. Art. 3 und 4): Sowohl die Bevölkerung als auch Schülerinnen und Schüler sollen kantonsweit Zugang zu einem bibliothekarischen Mindestangebot haben. Der Erlass beauftragt Kanton und Gemeinden, die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung, die Schulträger sämtlicher Stufen die bibliothekarische Grundversorgung ihrer Schülerinnen und Schüler als Pflichtaufgabe sicherzustellen.[37] Die Hauptverantwortung für die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung soll bei den Gemeinden liegen. Der Kanton ergänzt das Angebot der Gemeinden mit dem Angebot der Kantonsbibliothek. Ergänzend verpflichtet der Erlass die vom Gesetz erfassten Bibliotheken und ihre Träger, im Interesse eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes und einer wirksamen Aufgabenerfüllung bei der Sicherstellung der bibliothekarischen Grundversorgung zusammenzuarbeiten und ihre Angebote und Dienstleistungen zu koordinieren (Vgl. Art. 5).

Art. 3 und Art. 4 definieren gemeinsam die Leistungserwartungen des Gesetzgebers im Hinblick auf die bibliothekarische Grundversorgung. Diese setzen sich aus dem Gegenstand der Leistungserwartung (das „Was“, Vgl. Art. 3) sowie den Adressaten (das „Wer“, vgl. Art. 4) der Leistungserwartungen zusammen. Über das „Wie“, d. h. über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung, wird gemäß dem in der St. Galler Kantonsverfassung verankerten Grundsatz der Kongruenz nichts festgelegt. Es ist damit den Gemeinden überlassen, innerhalb der gesetzlichen Vorgaben über die Art und Weise der Erfüllung ihrer Sicherstellungsaufgabe zu entscheiden und für deren Finanzierung zu sorgen. Ihnen kommt dabei volle Gestaltungsfreiheit in Rechtsanwendung und Rechtssetzung zu.[38] Diese Lösung ist im Sinn der Gemeindeautonomie, der im Kanton

St. Gallen ein hoher Stellenwert zukommt. Sie trägt zudem den vielfältigen, historisch gewachsenen Strukturen des Bibliothekswesens im Kanton Rechnung. Ferner entspricht sie dem liberalen Staatsverständnis der Schweiz, gemäß dem der liberale Staat gerade im Kultur- und Bibliotheksbereich viele Aktivitäten an Private auslagert, sowie dem Grundsatz der Subsidiarität, gemäß dem in der Schweiz viele Aufgaben von öffentlichem Interesse von Privaten wahrgenommen und vom Staat nur subsidiär unterstützt werden, solange die Privaten die Aufgaben angemessen erfüllen.[39]

Neben Trägerschaft und Aufgaben der Kantonsbibliothek (Vgl. Art. 8 bis 10) regelt das Gesetz weiter, wie der Kanton das Bibliothekswesen fördert. Der Kanton wird beauftragt, (1.) im Interesse eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes und einer wirksamen Aufgabenerfüllung die Zusammenarbeit der Bibliotheken und die Koordination ihrer Angebote und Dienstleistungen, (2.) die Qualität der bibliothekarischen Angebote und Dienstleistungen und den Ausbildungsstand des Bibliothekspersonals sowie (3.) die Lese-, Medien- und Informationskompetenz der Bevölkerung zu fördern. Er hat diese Aufgaben insbesondere durch unterstützende Aufgaben der Kantonsbibliothek zu Gunsten anderer Bibliotheken, durch eine Bibliotheksstrategie und durch die Ausrichtung von Kantonsbeiträgen zu erfüllen (Vgl. Art. 6). Die Kantonsbibliothek wird vom Gesetz beauftragt, die Bibliotheken im Kanton in den eben aufgeführten Förderbereichen zu unterstützen, indem sie elektronische und weitere zentrale Dienstleistungen (z. B. in Bezug auf Bibliotheksverbünde) erbringt, bibliothekarische Weiterbildungsangebote bereitstellt und Beratungen anbietet (Vgl. Art. 9).

Mit der neu vorgesehenen kantonalen Bibliotheksstrategie für die öffentlichen, die Schul- und die wissenschaftlichen Bibliotheken (Vgl. Art. 13) sowie den Maßnahmen- und Projektvorschlägen zu deren Umsetzung soll im Interesse einer nachhaltigen Stärkung und Förderung des Bibliothekswesens im Kanton St. Gallen systematisch zur Nutzung von Synergien und Beseitigung von

Doppelspurigkeiten sowie zur Qualitätssteigerung im Bibliothekswesen beigetragen werden. Eine verbesserte Koordination und Zusammenarbeit der Bibliotheken bietet nach Ansicht der Regierung wesentliches Synergiepotenzial, denn im Zuge der Technologisierung funktioniert das Bibliothekswesen zunehmend als Netzwerk. Dieses soll genutzt werden und das Bibliothekswesen im Verbund wirksam und wirtschaftlich geführt werden. Für die Umsetzung der Strategie können Maßnahmen und Projekte durch kantonale Beiträge gefördert werden (Vgl. Art. 14 bis 18). Die Bibliotheksstrategie erstreckt sich dabei auf die in Art. 6 festgelegten Förderbereiche. Durch Beteiligung der betroffenen Bibliotheken und ihre Trägerschaften an der Ausarbeitung soll sichergestellt werden, dass sowohl die Bibliotheksstrategie als auch die Maßnahmen- und Projektvorschläge von den betroffenen Akteurinnen und Akteuren mitgetragen werden.

Die Förderbeiträge des Kantons haben zur Umsetzung der Bibliotheksstrategie beizutragen (Vgl. Art. 15). Damit wird eine zielgerichtete, koordinierte, klaren Prioritäten folgende, auf die Entwicklung des st. gallischen Bibliothekswesens als Ganzes ausgerichtete, nachhaltige Förderpolitik sichergestellt. Die Ausrichtung der Beiträge des Kantons kann zudem vom Einhalten von Standards zu den bibliothekarischen Angeboten abhängig gemacht werden (etwa von bestimmten Richtlinien der SAB). Auf diese Weise kann der Kanton zuhanden der Gemeinden und Schulträger positive Anreize setzen, die bibliothekarische Versorgung im Kanton zu verbessern.

Gemäß den Vorstellungen der St. Galler Regierung soll mit dem neuen Bibliotheksgesetz auch ein Netzpublikationen einschließendes Pflichtexemplarrecht eingeführt werden (Vgl. Art. 20 bis 23). Damit soll im Interesse der Bewahrung und Überlieferung des schriftlichen kulturellen Erbes des Kantons St. Gallen sichergestellt werden, dass die Kantonsbibliothek als Landesbibliothek ihren Sammelauftrag für Publikationen mit Bezug zum Kanton St. Gallen möglichst vollständig erfüllen kann. In der Schweiz findet sich ein solches, die Eigentumsfreiheit der Verlegerinnen und Verleger bzw. Urheberinnen und Urheber tangierendes Recht ansonsten lediglich in den Westschweizer Kantonen Waadt, Genf und Freiburg („depôt légal“).[40] Ursache dafür dürfte die wohl stärker etatistische Tradition in der französischen Schweiz sein, während die deutschsprachige Schweiz stärker liberal geprägt ist und die betroffenen Eigentümerrechte höher wertet als das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Sammlung und Archivierung aller Veröffentlichungen eines Kantons oder des Landes als Zeugnis des kulturellen Schaffens. Da die Ablieferungspflicht im Fall von körperlichen Medienerzeugnissen nach schweizerischem Rechtsverständnis eine formelle Enteignung der sachenrechtlichen Eigentumsrechte am Medienerzeugnis als bewegliche körperliche Sache (Art. 713 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, ZGB, SR 210) darstellt, muss diese voll, d. h. mit dem Verkehrswert und allen anderen nicht durch diesen abgegoltenen Nachteile entschädigt werden. Für die unkörperlichen Medienerzeugnisse ist eine unentgeltliche Ablieferungspflicht vorgesehen, da sie mangels Eingriff ins sachenrechtliche Eigentum bzw. mangels besonderer Intensität des Eingriffs in das urheberrechtliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht nicht als formelle beziehungsweise materielle Enteignung, sondern als entschädigungslos zu duldende öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung zu qualifizieren ist.

Zu guter Letzt normiert das neue Bibliotheksgesetz zuhanden von Kanton und Stadt St. Gallen den Auftrag, eine gemeinsame Kantons- und Stadtbibliothek zu errichten und zu führen, bezeichnet deren Aufgaben und legt die für die neue gemeinsame Bibliothek geltende Kostenteilung zwischen Kanton und Stadt fest (Vgl. Art. 24 und 25). Der Auftrag zur Errichtung und Führung einer zentralen Publikumsbibliothek von Kanton und Stadt nimmt eine wesentliche Forderung der Bibliotheksinitiative auf und ist ein zentraler Eckpunkt des neuen Gesetzes. Im Unterschied zur Initiative sieht der Erlass aber eine gemeinsame Trägerschaft von Kanton und Stadt (und damit eine Verbundaufgabe der beiden) vor und nicht bloß eine Trägerschaft des Kantons mit Finanzierungsbeteiligung der Stadt.

6 Politisches Verfahren im Kanton St. Gallen

Das St. Galler Kantonsparlament (der Kantonsrat) hat die Vorlage der Regierung mit den Anträgen zur Bibliotheksinitiative und dem Entwurf des Bibliotheksgesetzes in der November-Session 2012 in erster Lesung beraten. Es ist dabei mit großer Mehrheit dem Antrag der Regierung gefolgt, die Bibliotheksinitiative abzulehnen und ihr einen Gegenvorschlag in Form eines Bibliotheksgesetzes gegenüberzustellen. Zugleich ist das Kantonsparlament ebenfalls mit großer Mehrheit auf den Gesetzesentwurf der Regierung eingetreten.

Die Beratung des Gesetzes ergab nebst ein paar wenigen, von der vorberatenden parlamentarischen Kommission beantragten kleineren Anpassungen nur zwei heftig diskutierte Änderungen, wovon eine der beiden eine der zentralen Forderungen der Bibliotheksinitiative betrifft. So wurde im Interesse einer verbindlichen Sicherung eines „größtmöglichen Spielraums“ für die Gemeinden beschlossen, im Gesetz (Art. 4 Abs. 1, neuer Satz drei) festzuschreiben, dass die Gemeinden mit Blick auf den vom Gesetz vorgegebenen Sicherstellungsauftrag betreffend die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung „frei über Umfang, Ausgestaltung sowie Art und Weise der Aufgabenerfüllung entscheiden“ können. Aus juristischer Perspektive handelt es sich dabei um keine materielle Änderung. Bereits der Entwurf der Regierung regelt nur die Leistungserwartung des Gesetzgebers in Sachen bibliothekarische Grundversorgung und lässt die Art und Weise der Aufgabenerfüllung in Nachachtung des Kongruenzprinzips der Kantonsverfassung bewusst offen. Damit hat es auch bereits der Regierungsentwurf – wenn auch nur implizit – den Gemeinden überlassen, innerhalb der gesetzlichen Vorgaben frei über die Art und Weise der Erfüllung der Sicherstellungsaufgabe zu entscheiden. Mit der vom Kantonsrat vorgenommenen Änderung ist die diesbezügliche Kompetenz der Gemeinden nun explizit festgeschrieben und gesetzlich abgesichert. Offen bleibt, wie die Politik, die Initiatoren und die Gemeinden diese Änderung interpretieren. Von Seiten der Gegner der Änderung wird eine Aushöhlung des Grundsatzes befürchtet, eine Befürchtung, die angesichts erster Äußerungen von Gemeindepräsidenten, damit bleibe alles beim Alten, nicht unbegründet erscheint, die aber juristisch haltlos ist.

Als zweite Änderung beschloss der Kantonsrat, das Pflichtexemplarrecht aus dem Gesetz zu streichen und durch eine erweiterte Regelung des Sammelauftrags der Kantonsbibliothek zu ersetzen. Diese lehnt sich eng an die Regelung der Nationalbibliothek im Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbibliothek an und ersetzt die Ablieferungspflicht durch eine Abholpflicht der Kantonsbibliothek und den Auftrag, den Sammelauftrag mittels Abschluss von Vereinbarungen mit den Herstellerinnen und Herstellern sowie den Verlegerinnen und Verlegern sicherzustellen.

Ende Februar 2013 wird das St. Galler Kantonsparlament das Gesetz in zweiter Lesung (inkl. Schlussabstimmung) beraten. Danach haben die Initiatoren der Bibliotheksinitiative die Möglichkeit, binnen sieben Tagen ihren Gegenvorschlag zurückzuziehen. Ziehen sie ihre Initiative nicht zurück, wird es zur Volksabstimmung über den Status quo, die Initiative und das Bibliotheksgesetz als Gegenvorschlag kommen.

7 Fazit

Ohne die St. Galler Bibliotheksinitiative gäbe es im Kanton St. Gallen keine Diskussion um ein Bibliotheksgesetz. Und ohne Initiative wäre ein solches Gesetz auch in den nächsten zehn Jahren kein Thema gewesen. Zwar wurden das st. gallische Bibliothekswesen und seine Zukunft seit mehreren Jahren in Vorstößen und Vorhaben von Kantonsrat und Regierung (erfolglos) diskutiert, ohne die Initiative fehlte es den Vorhaben aber an einer entsprechenden Abstützung und Durchschlagskraft, an einem ausgewiesenen öffentlichen Interesse. Damit verbunden fehlte es an Mut und Vorstellungskraft, überhaupt über eine gesetzliche Regelung des Bibliothekswesens und damit über die Anerkennung von Bibliotheken als öffentliche Aufgabe nachzudenken. Die Bibliotheksinitiative muss daher als entscheidender Impuls für das St. Galler Bibliotheksgesetz bezeichnet werden.

Bei der Erarbeitung des St. Galler Bibliotheksgesetzes haben sich die Verantwortlichen insbesondere auch an den Bibliotheksgesetzen der deutschen Bundesländer und an den Entwicklungen in jenen Bundesländern orientiert, wo solche diskutiert werden. Dies insbesondere darum, weil in der Schweiz mit Ausnahme der Kantone Luzern und Tessin, deren Erlasse jedoch nur Teilbereiche beider Bibliothekswesen erfassen, eigentliche Bibliotheksgesetze fehlen. Bei der Erarbeitung waren jedoch verschiedene, teils spezifisch schweizerische, teils spezifisch st. gallische Eigenheiten zu beachten: So beispielsweise der Umstand, dass Schweizer Gesetze im Vergleich zu Deutschen Gesetzen knapper, stärker auf das „Wesentliche“ ausgerichtet und strukturierter formuliert sind sowie in der Regel keine beschreibenden Norminhalte (so genannte symbolische Gesetzgebung) aufweisen. Zudem galt es die für das Schweizer Bibliothekswesen typische Vielfalt an Trägerschaftsformen sowie spezifische st. gallische Verfassungsgrundsätze (Grundsätze der Kongruenz und Subsidiarität), Eigenheiten der kantonalen Politik (starkes Gewicht der Gemeindeautonomie) sowie den Umstand zu berücksichtigen, dass verschiedene spezialgesetzliche Regelungen (Hochschulgesetze, Volksschulgesetz) keine Änderung erfahren sollten. Aus diesem Grund wurde auf eine abschließende, umfassende gesetzliche Regelung des st. gallischen Bibliothekswesen verzichtet und ein Rahmengesetz erarbeitet.

Der Entwurf für ein St. Galler Bibliotheksgesetz enthält eine Reihe von schweizweiten Neuerungen: (1.) Das Gesetz erfasst das Bibliothekswesen im Kanton insgesamt und schafft für dieses einen einheitlichen, verbindlichen Rahmen. (2.) Das Gesetz normiert zuhanden von Kanton und Gemeinden sowie der Schulträger sämtlicher Stufen einen allgemeinen Auftrag zur Sicherstellung der bibliothekarischen Grundversorgung der Bevölkerung und der Schülerinnen und Schüler im Kanton. (3.) Das Gesetz schafft mit der vorgesehenen kantonalen Bibliotheksstrategie die Grundlagen für den Aufbau eines funktionierenden, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Bibliotheksnetzes im Kanton und damit für die Nutzung von Synergien und zur Qualitätssteigerung im Bibliothekswesen.

Damit soll abschließend auf die beiden Ausgangsfragen zurückgekommen werden: „Braucht es überhaupt Bibliotheksgesetze, und wenn ja, warum? Was können diese leisten?“ Diese können wie folgt beantwortet werden:

  1. Ohne Bibliotheksgesetze stellen Bibliotheken und das Bibliothekswesen keine öffentlichen Aufgaben dar. Dies kommt insbesondere in Zeiten knapper öffentlicher Finanzen zum Ausdruck, wenn in Sparrunden immer zuerst jene Aufgaben von Einsparungen betroffen sind, die nicht gesetzlich gebunden oder abgestützt sind. Fehlende gesetzliche Grundlagen wirken sich nachteilig auf das Bewusstsein der öffentlichen Hand um die Bedeutung der Aufgabe „Bibliothek“ und damit auf ihre Bereitschaft aus, Bibliotheken als öffentliche Aufgabe nachhaltig und adäquat zu finanzieren. Mit einem Bibliotheksgesetz werden Bibliotheken hingegen in ihrer Bedeutung für Information, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft legitimiert und rücken dadurch – wie die Diskussion der Bibliotheksinitiative und des Bibliotheksgesetzes im Kanton St. Gallen deutlich zeigt – stärker ins Bewusstsein von Öffentlichkeit und Politik. Die gesetzliche Ordnung wird als richtig anerkannt und mitgetragen.

  2. Bibliotheksgesetze können als Verhaltensordnungen darüber hinaus auf verbindliche Weise die Pflichten und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Akteure der öffentlichen Hand in Bezug auf das Bibliothekswesen regeln. Damit gewährleisten sie Rechtssicherheit im Sinne des Vertrauens auf eine bestimmte Ordnung und sichern die bibliothekarische Versorgung der Bevölkerung und die Leistungen der Bibliotheken rechtlich ab.

  3. Zu guter Letzt kann mit einem Bibliotheksgesetz die Entwicklung des Bibliothekswesens gesteuert werden. Bibliotheksgesetze eröffnen Perspektiven für die Weiterentwicklung des Bibliothekswesens. Mit diesem Anspruch tritt auch das St. Galler Bibliotheksgesetz an.

Bibliotheksgesetz Kanton St. Gallen

Entwurf der Regierung vom 3. Juli 2012

Der Kantonsrat des Kantons St. Gallen

hat von der Botschaft der Regierung vom 3. Juli 2012[41] Kenntnis genommen und

erlässt

in Ausführung von Art. 10 und 11 der Verfassung des Kantons St. Gallen vom 10. Juni 2001[42]

als Gesetz:

I. Allgemeine Bestimmungen

Zweck

Art. 1. Dieser Erlass dient insbesondere:

  1. der Sicherstellung der bibliothekarischen Grundversorgung;

  2. der Förderung eines zeitgemässen, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Bibliothekswesens.

Geltungsbereich

Art. 2. Dieser Erlass gilt für die:

  1. allgemein zugänglichen Bibliotheken von:

    1. Kanton und Gemeinden;

    2. weiteren öffentlich-rechtlichen Körperschaften des kantonalen Rechts;

    3. privaten Trägern, die Beiträge von Kanton und Gemeinden erhalten;

  2. Bibliotheken an Volksschulen, Mittelschulen und Berufsfachschulen;

  3. Bibliothek der Universität St. Gallen;

  4. Bibliothek der Pädagogischen Hochschule des Kantons St. Gallen.

Bibliothekarische Grundversorgung

a) Gegenstand

Art. 3. Die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung umfasst die angemessene Zugänglichkeit von Medienerzeugnissen für die allgemeine, schulische, berufliche und kulturelle Bildung sowie die Freizeitgestaltung und von Angeboten für die Leseförderung.

Die bibliothekarische Grundversorgung der Schülerinnen und Schüler umfasst die angemessene Zugänglichkeit von Medienerzeugnissen zur Unterstützung des Bildungsauftrags der Volks-, Mittel- und Berufsfachschulen sowie von Angeboten zur Förderung der Lese-, Medien- und Informationskompetenz.

Medienerzeugnisse sind Darstellungen in Schrift, Bild und Ton, die:

  1. auf Papier, elektronischen Datenträgern und anderen Trägern veröffentlicht werden (Medienerzeugnis in körperlicher Form);

  2. in einem elektronischen Netzwerk öffentlich zugänglich gemacht werden (Medienerzeugnis in unkörperlicher Form).

b) Zuständigkeit

Art. 4. Kanton und Gemeinden stellen im Verbund die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung sicher. Die Gemeinden tragen die Hauptverantwortung.

Die Träger der Volks-, Mittel- und Berufsfachschulen stellen die bibliothekarische Grundversorgung ihrer Schülerinnen und Schüler sicher.[43]

c) Zusammenarbeit

Art. 5. Die Bibliotheken arbeiten im Rahmen der verfügbaren Mittel bei der Sicherstellung der bibliothekarischen Grundversorgung zusammen und koordinieren ihre Angebote und Dienstleistungen.

Förderung des Bibliothekswesens

Art. 6. Der Kanton fördert:

  1. die Zusammenarbeit von Bibliotheken sowie die Koordination ihrer Angebote und Dienstleistungen;

  2. die Qualität der bibliothekarischen Angebote und Dienstleistungen und den Ausbildungsstand des Bibliothekspersonals;

  3. die Lese-, Medien- und Informationskompetenz der Bevölkerung.

Er erfüllt diese Aufgaben insbesondere durch:

  1. die unterstützenden Aufgaben der Kantonsbibliothek zu Gunsten der anderen Bibliotheken;

  2. die Bibliotheksstrategie;

  3. die Ausrichtung von Kantonsbeiträgen.

II. Kantonsbibliothek

Trägerschaft

Art. 7. Der Kanton führt in der Stadt St. Gallen die Kantonsbibliothek.

Allgemeine Aufgaben

Art. 8. Die Kantonsbibliothek:

  1. sammelt, erschliesst, bewahrt und vermittelt:

    1. ein breites Angebot an Medienerzeugnissen für die allgemeine, schulische, berufliche und kulturelle Bildung als Teil der bibliothekarischen Grundversorgung der Bevölkerung;

    2. Medienerzeugnisse für die wissenschaftliche Bildung;

    3. Medienerzeugnisse mit Bezug zum Kanton St. Gallen;

    4. Bestände, die von besonderer Bedeutung für das kulturelle Erbe des Kantons sind;

  2. unterstützt lebenslanges Lernen und wissenschaftliches Arbeiten;

  3. stellt Arbeitsplätze bereit;

  4. arbeitet mit anderen Bibliotheken zusammen.

Unterstützende Aufgaben

Art. 9. Die Kantonsbibliothek unterstützt Bibliotheken, indem sie insbesondere:

  1. elektronische und weitere zentrale Dienstleistungen erbringt;

  2. bibliothekarische Aus- und Weiterbildungsangebote bereitstellt;

  3. Beratung anbietet über:

    1. den wirtschaftlichen Mitteleinsatz und die wirksame Aufgabenerfüllung;

    2. die Vermittlung von Lese-, Medien- und Informationskompetenz.

Das zuständige Departement kann von den Trägerschaften der unterstützten Bibliotheken eine angemessene Kostenbeteiligung verlangen.

Übernahme von weiteren Aufgaben

Art. 10. Die Kantonsbibliothek kann weitere bibliothekarische Aufgaben übernehmen. Das zuständige Departement und die Trägerschaften der beteiligten Institutionen schliessen eine Leistungsvereinbarung ab. Diese regelt insbesondere die Leistungen der Kantonsbibliothek und die Kostenübernahme durch die Trägerschaften der beteiligten Institutionen.

Benutzung

Art. 11. Die Kantonsbibliothek ist allgemein zugänglich. Das zuständige Departement erlässt die Benutzungsordnung.

Gebühren

Art. 12. Für die Benutzung der Kantonsbibliothek können angemessene Gebühren verlangt werden. Das zuständige Departement erlässt einen Gebührentarif.

III. Fördermassnahmen

Bibliotheksstrategie

Art. 13. Die zuständigen Departemente erarbeiten zur Förderung des Bibliothekswesens nach Art. 6 Abs. 1 dieses Erlasses gemeinsam strategische Leitlinien (Bibliotheksstrategie) sowie Massnahmen- und Projektvorschläge zu deren Umsetzung.

Die Bibliotheksstrategie bedarf der Genehmigung der Regierung.

Die Bibliotheken und ihre Trägerschaften werden in die Ausarbeitung der Bibliotheksstrategie und der Massnahmen- und Projektevorschläge nach Abs. 1 dieser Bestimmung einbezogen oder zur Vernehmlassung eingeladen.

Kantonsbeiträge

a) Grundsatz

Art. 14. Der Kanton kann Beiträge zur Förderung des Bibliothekswesens nach Art. 6 Abs. 1 dieses Erlasses ausrichten.

b) Voraussetzung

Art. 15. Kantonsbeiträge tragen zur Umsetzung der Bibliotheksstrategie bei.

Ihre Ausrichtung kann abhängig gemachten werden von:

  1. Auflagen und Bedingungen namentlich zu Umfang und Qualität der bibliothekarischen Angebote und Dienstleistungen;

  2. Leistungen der Trägerschaften beteiligter Bibliotheken;

  3. Leistungen Dritter.

c) Form

Art. 16. Die Ausrichtung eines Beitrags nach Art. 14 dieses Erlasses erfolgt durch Verfügung oder Leistungsvereinbarung.

Das zuständige Departement schliesst mit den beteiligten Parteien eine Leistungsvereinbarung ab, wenn die Empfängerin oder der Empfänger zu besonderen Leistungen verpflichtet wird oder weitere Finanzierungsträger beteiligt sind.

d) Bemessung

Art. 17. Bei der Beitragsbemessung wird die Bedeutung der Massnahme oder des Projekts für die Umsetzung der Bibliotheksstrategie berücksichtigt.

Der Kantonsbeitrag beläuft sich in der Regel auf höchstens zwei Drittel der Gesamtkosten.

e) Finanzierung

Art. 18. Kantonsbeiträge werden finanziert aus Mitteln:

  1. des allgemeinen Staatshaushalts;

  2. des Lotteriefonds.

Berichterstattung

Art. 19. Die zuständigen Departemente erstatten der Regierung periodisch Bericht über:

  1. die bibliothekarische Grundversorgung;

  2. die Umsetzung der Bibliotheksstrategie;

  3. die Wirkung der Massnahmen und Projekte zur Förderung des Bibliothekswesens.

IV. Ablieferungspflicht

Grundsatz

Art. 20. Medienerzeugnisse mit Bezug zum Kanton St. Gallen werden der Kantonsbibliothek abgeliefert.

Zur Ablieferung verpflichtet sind Urheberinnen und Urheber sowie Verlegerinnen und Verleger mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte im Kanton St. Gallen.

Die Ablieferung von Unterlagen öffentlicher Organe richtet sich nach den besonderen Bestimmungen des Gesetzes über Aktenführung und Archivierung vom 19. April 2011.[44]

Form und Entschädigung

Art. 21. Körperliche Medienerzeugnisse nach Art. 3 Abs. 3 Bst. a dieses Erlasses werden in einfacher Ausfertigung abgeliefert. Die Kantonsbibliothek entschädigt alle damit verbundenen Nachteile, namentlich den Verkehrswert und die Versandkosten.

Unkörperliche Medienerzeugnisse nach Art. 3 Abs. 3 Bst. a dieses Erlasses werden in einer zur digitalen Ablage geeigneten Form abgeliefert. Die Ablieferung erfolgt unentgeltlich.

Frist

Art. 22. Die Ablieferung erfolgt spätestens nach Ablauf eines Monats seit der Veröffentlichung oder der öffentlichen Zugänglichmachung.

Verordnung

Art. 23. Die Regierung regelt durch Verordnung:

  1. Einschränkungen der Ablieferungspflicht von Medienerzeugnissen, für deren Sammlung, Erschliessung, Bewahrung und Vermittlung kein öffentliches Interesse besteht;

  2. Beschaffenheit der ablieferungspflichtigen Medienerzeugnisse;

  3. das Verfahren der Ablieferung;

  4. Verfahren und Folgen bei Säumnis.

V. Schlussbestimmungen

Kantons- und Stadtbibliothek

a) Errichtung und Führung

Art. 24. Kanton und Stadt St. Gallen errichten und führen an zentralem Standort gemeinsam eine allgemein zugängliche Kantons- und Stadtbibliothek.

Die Kantons- und Stadtbibliothek kann durch Abschluss einer Vereinbarung zwischen Kanton und Stadt St. Gallen als gemeinsame selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt oder öffentlich-rechtliche Stiftung errichtet werden. Die Bestimmungen der Kantonsverfassung vom 10. Juni 2001[45] über die zwischenstaatlichen Vereinbarungen mit Gesetzesrang und des Gemeindegesetzes vom 21. April 2009[46] über allgemeinverbindliche Vereinbarungen werden sachgemäss angewendet.

Die Kantons- und Stadtbibliothek ist Rechtsnachfolgerin der Kantonsbibliothek nach Art. 7 dieses Erlasses.

b) Aufgabenerfüllung und Kostenteilung

Art. 25. Die Kantons- und Stadtbibliothek:

  1. stellt die bibliothekarische Grundversorgung der Bevölkerung der Stadt St. Gallen nach Art. 3 dieses Erlasses sicher;

  2. erfüllt die der Kantonsbibliothek nach Art. 8, 9 und 10 dieses Erlasses übertragenen Aufgaben.

Die Stadt St. Gallen trägt die Kosten für die mit der Aufgabenerfüllung nach Abs. 1 Bst. a dieser Bestimmung anfallenden Kosten.

Der Kanton trägt die Kosten für die mit der Aufgabenerfüllung nach Abs. 1 Bst. b dieser Bestimmung anfallenden Kosten.

c) Vorlage

Art. 26. Die Regierung unterbreitet dem Kantonsrat im Einvernehmen mit dem Stadtrat der Stadt St. Gallen innert angemessener Frist nach Vollzugsbeginn dieses Erlasses eine Vorlage über Errichtung, Trägerschaft, Organisation und Finanzierung der Kantons- und Stadtbibliothek.

Die Regierung beantragt in ihrer Vorlage die mit Errichtung und Führung der Kantons- und Stadtbibliothek notwendigen Änderungen dieses Erlasses.

Vollzugsbeginn

Art. 27. Die Regierung bestimmt den Vollzugsbeginn dieses Erlasses.

Über den Autor / die Autorin

Christopher Rühle

Dr. rer. publ. Christopher Rühle, Leiter Recht und Projektsupport

Kanton St. Gallen

Departement des Innern Amt für Kultur

St. Leonhard-Straße 40

CH-9001 St. Gallen

Tel.: +41 58 229 21 51

Online erschienen: 2013-3-22
Erschienen im Druck: 2013-4-3

© 2013 by Walter de Gruyter Berlin Boston

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Downloaded on 28.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bd-2013-0020/html
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