Zusammenfassung:
Dieser Beitrag behandelt die Frage, wie ein individuelles Kostenmodell für die digitale Langzeitarchivierung aufgestellt werden könnte. Mit einem Blick auf national und international existierende Ansätze und Aktivitäten in diesem Bereich werden einige notwendige Entscheidungen, die stets getroffen werden müssen, thematisiert. Hierdurch soll den Lesern eine mögliche Herangehensweise zur Erstellung eines auf die eigene Organisation angepassten Kostenmodells für die digitale Bestandserhaltung vorgeschlagen werden.
Abstract:
This article deals with the question how an individual cost model for digital long-term archiving could be worked out. With a view on approaches and activities existing nationally and internationally in this area, it discusses some necessary decisions which have always to be made. This is to give a suggestion to the readers of a possible approach to working out a cost model for digital long-term archiving suited to their own organisation.
1 Einleitung
Die Rolle der digitalen Bestandserhaltung gewinnt in der Bibliothekslandschaft immer mehr an Bedeutung. Zum einen wächst die Zahl der Materialien, die heute ausschließlich digital veröffentlicht werden, an und zum anderen wird durch die Verzahnung digitaler und analoger Bestandserhaltungsstrategien, vor allem durch Digitalisierungsprojekte, die strategische Relevanz für das Gesamtkonzept der Bestandserhaltung unterstrichen.
Sehr schnell stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Finanzierbarkeit und deren nachhaltigen Sicherung. IT-Dienstleistungen – und zu einem nicht unerheblichen Teil bestehen digitale Bestandserhaltungsmaßnahmen genau daraus – gelten im Allgemeinen als sehr kritische Komponenten bei der Kostenplanung. Die rasante Entwicklung der Technologien und deren zunehmende Komplexität bewirken meist, dass die Kosten für deren Bereitstellung und Betrieb wesentlich schneller und unberechenbarer wachsen als andere Kosten.
Von Vorteil wäre in dieser Hinsicht, wenn das Rechnungswesen einer Organisation die Kosten den jeweiligen Dienstleistungen verursachungsgerecht zuordnen könnte. Allerdings erfordert ein solches Rechnungswesen einen hohen organisatorischen und personellen Aufwand, so dass oftmals ein Kompromiss Umsetzung findet. Für die Steuerung von Investitions- und Erneuerungsentscheidungen oder zur Identifikation schlechter Kosten-Nutzen-Verhältnisse wird ein entsprechend dimensioniertes Rechnungswesen aufgebaut. Für bestehende übergeordnete Gesamtposten werden dagegen in regelmäßigen Verhandlungen Budgets mit finanziellen Auflagen festgesetzt.
Vor der Entscheidung für oder gegen den Aufbau und den Betrieb eines digitalen Langzeitarchivs (LZA) muss auch für diese Aufgabe zumindest ein Budget geschätzt werden. Ohne entsprechende Erfahrungen mit der Langzeitarchivierung oder ähnlich komplexen Systemen birgt diese Aufgabe jedoch die Gefahr von Fehleinschätzungen. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wird die Entscheidung für oder gegen ein LZA oftmals nur zögerlich oder gar nicht getroffen.
Kostenmodelle für die Langzeitarchivierung können hier Abhilfe schaffen. Kostenmodelle stellen Rahmenstrukturen dar, in denen sämtliche Kosten einer Aufgabe zum einen erfasst und zum anderen zu spezifischen Kunden, Aktivitäten oder gar Standorten zugewiesen werden können. Abhängig vom Detailgrad können Budgets besser geschätzt oder gar einzelne Teilleistungen exakt verrechnet werden.
Dieser Beitrag soll einige Hinweise geben, wie ein Kostenmodell für ein LZA aufgebaut werden könnte. Hierfür wird im ersten Abschnitt eine kurze Übersicht über existierende nationale und internationale Kostenmodelle und Aktivitäten gegeben. Im zweiten Teil wird ein mögliches Vorgehensmodell zur Erstellung eines Kostenmodells beschrieben.
2 Übersicht über existierende Kostenmodelle und Aktivitäten
Die Frage nach den Kosten der digitalen Langzeitarchivierung und deren nachhaltiger Finanzierbarkeit wurde in der letzten Dekade verstärkt in der Öffentlichkeit diskutiert. Dennoch können in der nationalen und internationalen Literatur lediglich ein knappes Dutzend mehr oder weniger öffentlich zugängliche Kostenmodelle gefunden werden.
Folgende Modelle konnten identifiziert werden:
Lifecycle Information for E-Literature, LIFE3 [4],
Keeping Research Data Safe 1 and 2, KRDS [6],
Cost Estimation Toolkit, CET [8],
Cost Model for Digital Preservation, CMDP [5],
Activity based costing of archiving datasets, DANS [10],
PrestoPRIME cost model for digital storage [7],
Digital Preservation for libraries, DP4lib [9],
Costing cloud based preservation systems, ENSURE [11],
Total Cost of Preservation [13],
Economic Model for Long-Term Storage (EMLTS) [12],
Test bed cost model for digital preservation [14].
Die Mehrzahl der Modelle wurde im Rahmen befristeter Projekte entwickelt. Oftmals fand hierbei sowohl die Konzeption eines speziellen LZA als auch die organisationsnahe Erstellung eines passenden Kostenmodells statt. So bestand bspw. beim im Jahr 2005 gestarteten LIFE-Projekt das Ziel, den Lebenszyklus ausgewählter digitaler Materialien beginnend bei ihrer Entstehung bis hin zur Archivierung sowohl zu analysieren als auch die in den einzelnen „Lebensabschnitten“ anfallenden Kosten zu ermitteln. Das LIFE-Kostenmodell wurde bis zum Jahr 2010 sowohl vom University College London als auch von der British Library entwickelt. KRDS wurde im Zeitraum zwischen 2008 und 2011 gemeinsam von sechs Institutionen und Firmen mit dem Ziel entwickelt, die Effizienz digitaler Aktivitäten durch ökonomische Informationen zu verbessern. Auch das KRDS ist ein Lebenszyklus-Modell, welches aufgestellt worden ist, um exemplarisch die Kosten, in diesem Fall von Forschungsdaten, zu ermitteln. Der Unterschied zum LIFE-Projekt besteht jedoch darin, dass in diesem Modell die Lebenszykluskosten eines spezifischen Prozesses ermittelt werden. Sämtliche messbaren Aktivitäten und Ressourcen wurden identifiziert und deren Kosten ermittelt. Auf diese Weise konnten die Investitions- und Betriebskosten eines Prozesses errechnet werden. Allerdings sind die Prozesse sehr auf die Bedürfnisse des Projektes zugeschnitten, so dass von einer Übertragbarkeit auf andere Prozesse nicht ausgegangen werden kann.
Ein ursprünglich nicht für die Langzeitarchivierung entwickelter Ansatz, der ebenfalls auf der Lebenszyklus-Idee beruht, ist das im Jahr 2004 erstmals veröffentlichte CET. Dieses Modell hatte zum Ziel, die Budget-Planung der NASA für die Bereiche der Generierung und Verarbeitung von Forschungsdaten zu verbessern. Praktische Anwendung findet dieses Modell – soweit bekannt – heute nicht mehr.
Das DP4lib-Kostenmodell ist im Rahmen eines von der DFG geförderten Projektes im Jahr 2012 entstanden, welches von der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) entwickelt worden ist. Hier bestand u. a. das Ziel, ein Kostenmodell aufzubauen, welches für den Betrieb einer Langzeitarchivierungsdienstleistung für Dritte verwendet werden konnte. Neben der Budgetierung stand hier auch der Aufbau einer Leistungsverrechnung im Mittelpunkt der Entwicklung. Bis heute ist dieses Modell weiterentwickelt worden und wird aktuell für das Kooperationsangebot Archivierung und dauerhafte Erhaltung digitaler Objekte (AREDO[1] ), welches ausschließlich von der DNB angeboten wird, als Grundlage zur gegenseitigen Leistungsverrechnung verwendet. Ein ähnlicher Ansatz wurde vom University of California Center und von der California Digital Library entwickelt. Hier wurden die vorhandenen Services zur Langzeitarchivierung in zwei verschiedene Preismodelle (Pay-as-you-go und Paid-up) überführt, indem die Total Cost of Preservation erhoben worden sind. Auch dieses Kostenmodell wird bis heute weiterentwickelt.
Das CMDP wurde vom Dänischen National Archiv und der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, der Dänischen Nationalbibliothek, im Jahr 2011 gemeinsam entwickelt und stellt einen eher generischen Ansatz dar, Kosten für LZA zu ermitteln. Das Modell baut auf den Erfahrungen des DANS-Projektes aus dem Jahr 2012 auf, in dem der Ansatz verfolgt worden ist, gemäß dem OAIS-Referenzmodells und seinen Haupt-Kategorien Ingest, Access, Preservation Planning, Data Management und Administration anhand eines sehr konkreten Beispiels Kosten für die jeweiligen Kategorien zu ermitteln. Das DANS-Projekt wurde vom Data Archiving and Networking Institut aus den Niederlanden aufgestellt.
PrestoPrime wurde im Rahmen des siebten Forschungsrahmenprogrammes (FRP) der Europäischen Kommission entwickelt und hatte im Wesentlichen zum Ziel, die Kosten der Archivierung und des Access von vorwiegend audiovisuellen Medien zu evaluieren. Eine Besonderheit in diesem Modell besteht darin, dass es auch über einen Ansatz verfügt, Kosten von Risiken wie bspw. dem Verlust von Dateien zu evaluieren. ENSURE, das ebenfalls im Rahmen des siebten FRP der Europäischen Kommission entstanden ist, ist eines der wenigen Kostenmodelle, das die Speicherung in einer Cloud-Lösung evaluiert. Das von David Rosenthal mit EMLTS abgekürzte Modell berechnet Kosten aller LZA-Tätigkeiten im Hinblick auf den genutzten Speicher.
Allen Kostenmodellen ist gemeinsam, dass sie zu Recht auf die jeweiligen individuellen LZA und Gegebenheiten von Organisationen angepasst worden sind und deshalb nur sehr bedingt auf andere Organisationen übertragen werden können. Dennoch – oder gerade deshalb – ist in den letzten Jahren der Versuch unternommen worden, Gemeinsamkeiten von Kostenmodellen zu identifizieren und – wenn möglich– das Kostenmodell für die digitale Langzeitarchivierung aufzubauen.
Erstmalig wurde dieser Versuch im Projekt APARSEN (Alliance Permanent Access to the Records of Science in Europe Network) im Jahr 2013 unternommen (siehe [2] und [3]). Hierbei wurden die ersten acht Kostenmodelle der vorangestellten obigen Aufzählung verwendet, um auf Basis des OAIS-Referenzmodells [1] ein möglichst allgemeingültiges Kostenmodell zu entwickeln. Leider ist dies im APARSEN-Projekt nicht gelungen. Die oben genannten Kostenmodelle wiesen zu große Unterschiede in den Zielsetzungen, den Aufgabengebieten und den Organisationsstrukturen auf und ließen sich nicht zusammenführen oder aufeinander abbilden.
Das im Februar 2013 begonnene 4C-Projekt[2] (Collaboration to Clarify the costs of curation) wählte einen anderen Ansatz, um anderen Organisationen eine Hilfestellung in diesem Bereich geben zu können. Das Projekt hatte zum Ziel, relevante Projekte (siehe Auflistung) und Initiativen auf diesem Gebiet zu identifizieren und für Interessenten aufzubereiten. Die aus den betrachteten Projekten vorliegenden Werkzeuge zur Kostenberechnung wurden deshalb aufbereitet und für andere Organisationen gebrauchstauglich auf der Online-Plattform Curation Costs Exchange[3] verfügbar gemacht. Ein kurzer Fragenkatalog ermöglicht es Organisationen, ein Kostenmodell zu ermitteln, das am ehesten auf die individuellen Anforderungen zutrifft bzw. übertragbar ist. Eine direkte Nachnutzbarkeit eines existierenden Kostenmodells ist jedoch in keinem Fall möglich. Es bleibt stets die Aufgabe, das Kostenmodell auf die individuellen Bedürfnisse weiter anzupassen.
Doch wie könnte man hierbei vorgehen?
3 Ein mögliches Vorgehensmodell zur Erstellung eines individuellen Kostenmodells für die Langzeitarchivierung
Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass nur wenige Kostenmodelle existieren, die jedes für sich und in den jeweiligen Organisationen hervorragend funktionieren. Jedoch ist eine Übertragbarkeit bzw. eine Verallgemeinerung, wenn überhaupt, nur in sehr eingeschränktem Maße möglich. Es sei hier schon erwähnt, dass dies auch für das im Folgenden als Beispiel herangezogene DP4lib-Kostenmodell gilt. Aus diesem Grunde wird in diesem Artikel auch nicht das Ergebnis – das resultierende Kostenmodell – in den Mittelpunkt der Ausführungen gestellt, sondern das Vorgehen, die Arbeiten und die Entscheidungen, die notwendig waren, um das auf den speziellen Langzeitarchivierungsservice angepasste Kostenmodell zu entwickeln.
3.1 Entscheidung über den Rahmen des Kostenmodells: Das digitale Langzeitarchiv
Grundlegend sowohl für den Umfang als auch die Wahl eines spezifischen Kostenmodells ist sicherlich als erstes das LZA, das mit einem Kostenmodell ökonomisch betrieben und gesteuert werden soll. Aus diesem Grunde gehört die Betrachtung des LZA und seiner Arbeitsweise zur Thematik der Kostenmodelle. Im Folgenden wird der im DP4lib-Projekt verwendete Ansatz zur Kostenermittlung als Basis genutzt. Das Projekt hatte die Aufgabe, ein Langzeitarchivierungssystem zur kommissarischen Archivierung digitaler Publikationen aufzubauen. Hierbei kam dem klassischen, aus der Privatwirtschaft bekannten Dienstleistungsgedanken ein besonderer Stellenwert zu. Im aufgebauten Kooperationsmodell nahmen die DNB und die SUB als Projektpartner die Rolle des Dienstleisters eines Portfolios von Langzeitarchivierungsdiensten ein, die es im Projektverlauf aufzubauen galt. Sechs weitere externe Partner, das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg, das Deutsche Institut für Pädagogische Forschung, Frankfurt, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die Technische Informationsbibliothek Hannover, die Thüringer Landes- und Universitätsbibliothek Jena und die Verbundzentrale des GBV (VZG), nahmen im Projektverlauf die Rolle von potenziellen Dienstnehmern der Dienste ein.
Nach einer intensiven Phase der Anforderungsdefinition wurden zwischen Dienstleistern und Dienstnehmern die gewünschten Dienste spezifiziert. Tabelle 1 gibt einen Überblick über das Portfolio. Zu sehen ist, dass im Projekt generell zwischen drei Hauptdienstleistungen unterschieden wurde: Ingest, Curation und Access. Jede Hauptdienstleistung bestand aus mehreren Teildiensten, die auf Wunsch individuell von jedem Dienstnehmer in Anspruch genommen werden können. Auf diese Weise war es innerhalb des Dienstleistungsmodells möglich, auf die individuellen Voraussetzungen und Ziele der Dienstnehmer einzugehen und individuelle Ingest-, Curation- und Access-Prozesse für jeden Dienstnehmer aufzubauen und anzubieten.
Tab. 1: Dienste innerhalb des DP4lib-Projektes.
Ingest | Curation | Access |
Übernahme von Transferpaketen | Erhaltungsmaßnahmen | Authentifizierung |
Dateiintegritätsprüfung | Integritätsprüfung und Erhaltung | Suche |
Technische Metadaten | Retrieval | Bereitstellung |
Deskriptive Metadaten | ||
Qualitätsprüfung | ||
Berichtswesen | ||
Fehlerprotokoll | ||
Incident-Management |
Die Bereitstellung dieser modularen Dienstleistungen erforderte bei den Dienstleistern den Auf- und Ausbau einer ausreichend dimensionierten technischen Infrastruktur, die Programmierung der geforderten Dienste und den Aufbau eines Organisations- und Betriebsmodells, um die Dienstleistungen langfristig anbieten und organisatorisch betreuen und managen zu können. Eine ausführliche Beschreibung der Infrastruktur und Projektergebnisse ist auf der Projekt-Homepage[4] zu finden und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter erfolgen.
3.2 Entscheidung über das Ziel des Kostenmodells
Nach der Festlegung des Umfangs des zu betrachtenden LZA muss als nächstes eine Entscheidung über das Ziel des Kostenmodells und damit über die inhärenten Steuerungsmöglichkeiten für das Management getroffen werden.
Prinzipiell können mit dem Aufbau eines Kostenmodells drei Hauptziele unterstützt werden:
Budgetierung,
Internes Rechnungswesen und
Leistungsverrechnungsprozesse.
Mit Hilfe der Budgetierung ist es u. a. möglich, den Bedarf an finanziellen Mitteln für den Betrieb eines Service über einen bestimmten Zeitraum zu prognostizieren. Ebenso kann eine Organisation mit der Budgetierung sicherstellen, dass die tatsächlichen Ausgaben mit den vorhergesagten verglichen werden können. Die auf der Budgetierung aufbauenden Prozesse des Rechnungswesens versetzen Organisationen darüber hinaus in die Lage, über verwendete Gelder jederzeit Rechenschaft ablegen zu können und Kosten für die Bereitstellung und Änderung eines Service sowohl exakt kalkulieren als auch identifizieren zu können. Kosten sollten nach der Einführung dieser Prozesse verursachungsgerecht zugewiesen werden können.
Die Verwendung von Leistungsverrechnungsprozessen ermöglicht es letztendlich, dass Kosten für einen Service durch Entgelte der Kunden gedeckt werden können. Alle drei Prozesse erfordern die Existenz eines Kostenmodells, das beginnend mit der Budgetierung von einem relativ einfachen bis hin zu einem immer komplexeren Kostenmodell ausgebaut werden muss. Abzuwägen ist hierbei jedoch stets der Kosten-Nutzen-Aspekt zwischen erforderlichem Aufwand zum Aufbau eines entsprechenden Kostenmodells und dessen Nutzen für das Management. Da für das DP4lib-Modell eine Dienstleistung für Dritte angestrebt war, war der Aufbau einer Leistungsverrechnung erforderlich.
3.3 Zur Aufschlüsselung des Kostenmodells
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Aufschlüsselung eines Kostenmodells. Eine mögliche Einteilung kann über die folgenden drei Bereiche erfolgen:
Cost-by-Customer,
Cost-by-Service und
Cost-by-Location.
Üblicherweise beruhen Kostenmodelle auf der Berechnung der Kosten für jeden einzelnen Kunden (Cost-by-Customer). Der Begriff des Kunden kann in diesem Zusammenhang sehr breit interpretiert werden. Kunden können interne Abteilungen sein, die Services von anderen internen Abteilungen entgegennehmen, aber auch externe Kunden, die Dienstleistungen bei einer Organisation beauftragen. Es kann aber auch sinnvoll sein, die Berechnung der Kosten so zu gestalten, dass Aussagen über die Kosten der Bereitstellung eines Service getroffen werden können. In diesem Fall muss die Aufschlüsselung der Kosten so gestaltet werden, dass alle Kostenelemente den spezifischen Services zugeordnet werden können (Cost-By-Service). Eine weitere seltenere Variante ist die Aufschlüsselung der Kosten nach verschiedenen Standorten. Für eine Evaluation, welcher Standort einer Organisation die meisten Kosten verursacht, ist dies eine Möglichkeit, relativ schnell die kostentreibenden Orte zu identifizieren. Innerhalb des DP4lib-Projektes wurde ein Cost-By-Service-Kostenmodell entwickelt, um die tatsächlichen Kosten der Bereitstellung und des Betriebs der eigenen LZA-Dienstleistungen kennenzulernen.
3.4 Sammeln und Sortieren von Kostenelementen: Das Aufstellen von Kostenkategorien
Um Kosten eines Service vollständig berechnen zu können, müssen sämtliche Elemente, die an der Erbringung des Service beteiligt sind, identifiziert und gesammelt werden. Diese werden im Folgenden als Kostenelemente bezeichnet. Um den Überblick über die Kostenelemente nicht zu verlieren, wird häufig eine Sortierung der Kostenelemente in sogenannte Kostenkategorien vorgeschlagen. Die Wahl der Kategorien ist vollkommen willkürlich und sollte am besten den jeweiligen Erfordernissen angepasst werden. Zwingendes Kriterium für eine Kategorie ist, dass Kostenelemente eindeutig einer Kategorie zugeordnet werden können, so dass eine doppelte Einsortierung eines Kostenelementes vermieden wird.
Üblicherweise werden folgende Kostenkategorien verwendet:
Hardware-Kosten,
Software-Kosten,
Personal-Kosten,
Kosten für Räumlichkeiten,
Kosten für externe Service und
Transfer-Kosten.
Die Kategorie der Transfer-Kosten bedarf einer näheren Erklärung: Unter Transfer-Kosten werden interne Verrechnungen zwischen Organisationsteilen oder Kooperationspartnern verstanden. Hierbei stellt bspw. die IT-Abteilung einer Organisation der Vertriebsabteilung die Bereitstellung eines Abrechnungssystems in Rechnung.
Beispiele für Kostenelemente können sein:
Tab. 2: Beispiele für Kostenkategorien und ihnen zugeordneten Kostenelementen.
Kostenkategorie | Kostenelemente |
Hardware | Festplatten, Server, Router, … |
Software | Betriebssysteme, Lizenzen, Datenbanken, … |
Personal | Gehalt, Firmenwagen, Spesen, … |
Räumlichkeiten | Büro, Serverraum, … |
Externe Service | Hausmeister-Service, Provider, … |
Transfer | Interne Geldforderungen, Kooperationsforderungen, … |
3.5 Aufteilung der Kostenelemente in direkte und indirekte Kosten
Nach der Aufstellung der Kostenkategorien und ihrer jeweils zugeordneten Kostenelemente muss eine nähere Unterscheidung der Kostenelemente in direkt und indirekt beteiligte Kostenelemente getroffen werden.
Direkte Kosten sind Kosten, die eindeutig einem einzelnen Service, Kunden oder Standort zugeordnet werden können. Ein Server, der ausschließlich von diesem Service verwendet wird, würde zu den direkten Kosten gezählt werden. Indirekte Kosten sind Kosten, die für mehrere oder alle Services entstehen. Das Netzwerk oder ein Server, auf dem alle Services laufen, sind gute Beispiele hierfür. Oftmals werden bei der Ermittlung aller indirekten Kosten auch solche festgestellt, die keinem Service zugeordnet werden können (nicht verrechenbare indirekte Kosten). In solchen Fällen muss versucht werden, diese Kosten in möglichst fairer Weise (Aufschlag) auf alle Services zu verteilen.
Abbildung 1 zeigt die resultierende Grundstruktur des Kostenmodells, anhand dessen die Kosten jedweder Service-Bereitstellung ermittelt werden können.

Kostenmodell – nach Service aufgeschlüsselte Kosten.[5]
4 Ein Beispiel aus dem DP4lib-Kostenmodell
Exemplarisch soll in diesem Abschnitt skizziert werden, wie komplex eine scheinbar einfache Aufnahme eines Kostenelementes in das Kostenmodell werden kann.
Als Kostenelement wird ein neuer Server eingefügt, der für alle drei Dienstleistungen (Ingest, Curation, Access) verwendet werden soll. Sofern keine weiteren Services darauf laufen sollen, können die Kosten des Servers als direkte Kosten angesehen werden und ausschließlich in die Kosten-Kategorie Hardware eingestuft werden. Da der Server jedoch für alle drei Services verwendet werden soll, muss ein fairer Verteilungsschlüssel gesucht werden, der die Kosten auf alle drei Services verteilt. Für das Budgetierungsziel ist es vollkommen ausreichend, wenn die Kosten gedrittelt werden und jeweils unter die direkten Hardwarekosten einsortiert werden. Für eine verursachungsgerechte Verrechnung müssen aber weitere Aspekte beachtet werden. Ein besserer Verteilungsschlüssel wird erforderlich. Als gerechterer Verteilungsschlüssel kann in diesem Fall die von den einzelnen Services genutzte CPU-Zeit des Servers gewählt werden. Ein Monitoring-Verfahren, welches diese Zeit misst, ermöglicht eine genaue Zuordnung. Als weitere Komponente müssen aber nun die Erstellung und der Betrieb des Monitoring-Verfahrens sowie dessen Kosten ebenso in die Kostenaufstellung aufgenommen werden. Da dieses Verfahren für alle Services in einer Organisation verwendet werden kann, fallen diese Kosten unter die indirekten Personalkosten. Darüber hinaus müssen die Betriebskosten des Servers berücksichtigt werden. Diese können entweder wiederum geschätzt oder exakt ermittelt werden. Auch hierfür müssen dann wieder spezielle Monitoring-Verfahren etabliert werden.
Wie bereits an dieser kurzen Kette von Entscheidungen zu sehen ist, kann die Integration eines neuen Kostenelementes, welches direkt für einen Service angeschafft worden ist, beliebig komplex werden. Aus diesem Grunde ist eine Entscheidung über den erforderlichen Detailgrad des Kostenmodells in Abhängigkeit zum erwarteten Nutzen stets zu Beginn der Erstellung zu treffen.
5 Schlusswort
Die Aufgabe, betriebsinterne Kostenmodelle für die Langzeitarchivierung zu erstellen, wird stets eine Herausforderung bleiben, der sich Organisationen im Dreieck zwischen eigenem LZA-System, den organisationseigenen Gegebenheiten und den Zielsetzungen für das Kostenmodell stellen müssen. Jedoch sind die Vorgehensweisen und Entscheidungen, denen sich Organisationen gegenübersehen, meist vergleichbar. Ein möglicher Ansatz für einen abstrakten Vergleich von Kostenmodellen könnte deshalb über die einheitliche Definition und Verwendung von Kosten-Kategorien hergestellt werden. Bei einer ausreichend großen Beteiligung von Organisationen über alle Sparten hinweg, könnte so zumindest eine bessere Schätzung bzgl. der benötigten Personal- oder Hardware-Kosten erreicht werden – doch hier stehen wir erst am Anfang.
About the author

Karlheinz Schmitt
Deutsche Nationalbibliothek
Informationstechnik
Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main
Literatur:
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