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Publicly Available Published by De Gruyter Saur March 15, 2016

Das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen – ein neuer Player in der deutschen Konsortiallandschaft

  • Mareike Grisse

    Mareike Grisse

    ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften

    Gleueler Straße 60

    50931 Köln

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    , Sindy Oswald

    Sindy Oswald, ZBW

    ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

    Neuer Jungfernstieg 21

    20354 Hamburg

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    and Alexander Pöche

    Dr. Alexander Pöche

    TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek

    Welfengarten 1 B

    30167 Hannover

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From the journal Bibliotheksdienst

Zusammenfassung:

Mit jedem Verlag schließen Bibliotheken teils im Alleingang, teils als Konsortium individuelle Lizenzverträge. Die Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen, Vertragsklauseln und Preisgestaltungen lassen den „Lizenzwald“ zu einem undurchdringlichen Dschungel werden. Das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen bündelt Wissen und Erfahrungen der drei Zentralen Fachbibliotheken TIB, ZB MED und ZBW im Bereich Lizenzen, um diese dann anderen Bibliotheken zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht in Form eines bundesweiten und fächerübergreifenden Informationsangebotes für Bibliothekarinnen und Bibliothekare und beinhaltet die Verhandlung von Konsortialverträgen sowie vielfältige mit dem Lizenzerwerb und der Lizenzverwaltung verbundene Dienstleistungen.

Abstract:

Libraries sign individual licence contracts with publishers, either only for themselves or within a consortium. The multitude of different conditions, contract clauses and pricing makes the “licence forest” an impenetrable jungle. The Goportis Competence Centre Licences compiles knowledge and experiences in the field of licences, coming from the three central specialist libraries TIB, ZB MED and ZBW, in order to put them at other libraries’ disposal. This takes the form of a nationwide and interdisciplinary information offer for librarians and contains the negotiation of consortium agreements as well as many services connected with licence acquisition and licence management.

Schlüsselwörter: : Lizenz; Konsortium; Vertragsverhandlung

1 Einleitung

Kaum eine Bibliothek kommt heute ohne den Erwerb digitaler Inhalte aus. Ob E-Books, Datenbanken oder Zeitschriften – viele Informationen lassen sich nur über einen elektronischen Zugang abrufen. Dies führt unweigerlich dazu, dass sich auch die Anforderungen an das Berufsbild „Bibliothekar“ verändert haben. Wer heute in der Erwerbung tätig ist, muss nicht nur fachlich entscheiden, welche Produkte lizenziert werden, sondern Verhandlungsgeschick, Kenntnisse im Vertrags- und Urheberrecht, sichere Englischkenntnisse und technisches Grundverständnis mitbringen. Noch dazu verändern sich die Nutzungsrechte und -anforderungen elektronischer Medien kontinuierlich. Der Erwerb und die Verwaltung einzelner elektronischer Lizenzen erfordert somit eine Fülle unterschiedlicher Fähigkeiten, die sich Bibliothekarinnen und Bibliothekare aneignen mussten. Insbesondere sogenannte One-Person-Libraries, wie sie bei Forschungsinstituten häufig vorkommen, suchen daher bei der Erwerbung elektronischer Medien Unterstützung. Doch auch große Einrichtungen haben Schwierigkeiten, den schnellen Veränderungen und den stetig wachsenden Anforderungen zu begegnen sowie den undurchsichtigen Markt der elektronischen Erwerbung zu überblicken.

Abb. 1:  Für das umfangreiche Aufgabenspektrum benötigt die Bibliothekarin/der Bibliothekar von heute vielfältige Fähigkeiten. Bildnachweis:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Desktop_computer_clipart_-_Yellow_theme.svg?uselang=deFlag UK:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flag_of_the_United_Kingdom.svg?uselang=deHandshake:https://commons.wikimedia.org/wiki/Handshake#/media/File:Collaboration_logo_V2.svgBook:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gray_book.png?uselang=deLightbulb:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lightbulb_icon_vectorized.svg?uselang=de
Abb. 1:

Für das umfangreiche Aufgabenspektrum benötigt die Bibliothekarin/der Bibliothekar von heute vielfältige Fähigkeiten.

Bildnachweis:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Desktop_computer_clipart_-_Yellow_theme.svg?uselang=de

Flag UK:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Flag_of_the_United_Kingdom.svg?uselang=de

Handshake:

https://commons.wikimedia.org/wiki/Handshake#/media/File:Collaboration_logo_V2.svg

Book:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gray_book.png?uselang=de

Lightbulb:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lightbulb_icon_vectorized.svg?uselang=de

2 Konsortiallandschaft

Seit Ende der 1990er-Jahre werden elektronische Medien lizenziert. Neben den individuellen Verträgen einzelner Bibliotheken mit einzelnen Verlagen haben sich konsortiale Erwerbungsstrukturen und Lizenztypen etabliert. Der Verhandlungsaufwand mit dem Verlag wird minimiert. Dieser Zusammenschluss zu Einkaufsgemeinschaften wird in Deutschland von verschiedenen Konsortialverhandlungsführerinnen und -führern organisiert. Die teilnehmenden Einrichtungen lizenzieren dabei zu denselben rechtlichen Bedingungen ein elektronisches Produkt, das heißt, Konsortien sind in der Regel produktspezifisch. Die Folge: Eine Einrichtung kann an sehr vielen verschiedenen Einkaufsgemeinschaften beteiligt sein.

Umgekehrt kann die Teilnahme an einem Konsortium auch auf eine bestimmte Teilnehmergruppe beschränkt sein, was verschiedene Gründe haben kann: Eine Konzentration auf einen bestimmten Einrichtungstyp macht dann Sinn, wenn die unterschiedlichen Anforderungen und Strukturen der Hochschulen, Forschungseinrichtungen oder öffentlichen Bibliotheken für die Lizenzierung relevant sind und berücksichtigt werden müssen. Auch der länderspezifische Versorgungsauftrag, den viele Konsortialstellen haben, oder der Einsatz von Landesmitteln können dafür sorgen, dass die Teilnahmeberechtigung an einem Konsortium an der Grenze eines Bundeslandes endet. Schließlich schränken oft auch die Anbieterinnen und Anbieter von sich aus den Teilnehmerkreis auf bestimmte Einrichtungstypen oder Regionen als Voraussetzung für den Start von Verhandlungen ein.

Die deutsche Konsortiallandschaft ist dezentral organisiert und allein dadurch unübersichtlich. Konsortialstellen wurden bereits auf Länderebene installiert, einige davon sind inzwischen auch überregional aktiv. Die Forschungsgesellschaften und -gemeinschaften haben je nach Struktur mehr oder weniger zentrale Erwerbungsstrukturen. Das Lizenzangebot beschränkt sich dabei in der Regel auf die jeweils eigenen Forschungsinstitute.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat konsortial erworbene Lizenzen seit 2004 unterschiedlich gefördert. Nationallizenzen und Allianz-Lizenzen wurden bislang von sieben Bibliotheken verhandelt: von der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB), der Staatsbibliothek zu Berlin (SSB), der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB), der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek, der Universitätsbibliothek Frankfurt (UBF) sowie von ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften und ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Informationen zu den verhandelten Produkten finden sich auf der Website www.nationallizenzen.de. Von 2004 bis 2010 wurden Nationallizenzen „Classics“ gefördert. „Insgesamt wurden in diesem Förderprogramm für mehr als 100 Mio. € über 140 Nationallizenzen erworben und können nun deutschlandweit dauerhaft und entgeltfrei von Wissenschaftlern, Studierenden und registrierten Einzelpersonen genutzt werden.[1]“ Seit 2011 werden die sogenannten Allianz-Lizenzen gefördert[2]. Bei den Allianz-Lizenzen übernimmt die DFG 25 Prozent der Lizenzgebühren, 75 Prozent müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst tragen. Die Mitglieder des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen verhandeln, beziehungsweise verwalten sowohl Nationallizenzen „Classics“ als auch Allianz-Lizenzen.

Abb. 2:  Große Konsortialstellen in Deutschland und Standorte des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen. Bildnachweis:https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/af/Pin_red_right.png?uselang=deKarte:https://commons.wikimedia.org/wiki/Atlas_of_Germany#/media/File:Deutschland_Bundeslaender_1990.png
Abb. 2:

Große Konsortialstellen in Deutschland und Standorte des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen.

Bildnachweis:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/af/Pin_red_right.png?uselang=de

Karte:

https://commons.wikimedia.org/wiki/Atlas_of_Germany#/media/File:Deutschland_Bundeslaender_1990.png

Einen Überblick über die Konsortialstellen und die lizenzierten Produkte bietet die Internetseite der GASCO (German, Austrian and Swiss Consortia Organisation). Die GASCO ist eine Arbeitsgemeinschaft deutscher, österreichischer und Schweizer Konsortien. Sie bildet eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und eine strategische Zusammenarbeit der Bibliotheken im deutschsprachigen Raum.

Dass neben der GASCO weiterer Bedarf an der Zentralisierung von Wissen und Erfahrung bezüglich Lizenzverhandlungen besteht, erkannte auch die DFG und fördert seit Beginn des Jahres 2014 das Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen im DFG-geförderten System der „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (KfL).[3] Das KfL wird von den Fachinformationsdiensten (FIDs) mit der Verhandlung von Lizenzen beauftragt. Andere Bibliotheken können auf das KfL nicht zurückgreifen.

Für nicht DFG-geförderte Produkte bestand bislang keine zentrale Anlaufstelle für Forschungs- und Bildungseinrichtungen, die Unterstützung bei der Verhandlung und Verwaltung von Lizenzen bot oder Interessenten zu neuen Konsortien zusammenbrachte.

3 Vorstellung Goportis und beteiligte Zentrale Fachbibliotheken

Das 2015 gegründete Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen hat sich das Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen. Im Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen haben sich die Lizenzabteilungen von TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek, ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften und ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft zusammengeschlossen. ZBW, TIB und ZB MED sind die drei Zentralen Fachbibliotheken Deutschlands, die für die Bereiche STM (Science, Technology, Medicine) und Wirtschaft Lizenzen für elektronische Publikationen verhandeln und verwalten. Neben der Deckung des eigenen Bedarfs sind sie auch als Konsortialführer für Nationallizenzen „Classics“, Allianz-Lizenzen, Leibniz-Lizenzen, regionale und nationale Lizenzen aktiv und nehmen damit ihre Aufgabe als überregionale Literaturversorger wahr. Das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen wurde im Rahmen von Goportis – Leibniz-Bibliotheksverbund Forschungsinformation gegründet, der bereits seit 2009 existiert.[4]

In diesen drei Informationszentren der Leibniz-Gemeinschaft gibt es auf dem Gebiet der Lizenzen vergleichbare Aufgaben, auch wenn jede Fachbibliothek ihr eigenes Fächerspektrum betreut. Doch für die vielen unübersichtlichen Einzelprozesse der Konsortialführerschaft haben sich in den vergangenen Jahren an den Standorten eigenständige Abläufe entwickelt und es wurden Erfahrungen im unterschiedlichen Umfang gesammelt, die durch das Kompetenzzentrum gebündelt werden.

Die TIB verhandelt schon seit vielen Jahren nationale Lizenzen und Konsortien. Im Jahr 2016 werden insgesamt 35 aktuelle Konsortien und 16 Nationallizenzen betreut. Neben den konsortialen Aktivitäten hält die TIB ein umfangreiches Pay-per-View-Angebot für ihre Kundinnen und Kunden bereit. Dieses besteht aktuell aus den Zeitschriften, Proceedings und E-Books von 28 Verlagen und Fachgesellschaften und wird kontinuierlich ausgebaut.

ZB MED verhandelt und betreut neun Nationallizenzen „Classics“ mit lebenswissenschaftlichen Inhalten sowie zwei Leibniz-Konsortien. Seit Anfang 2016 ermöglicht ZB MED registrierten ZB MED Nutzerinnen und Nutzern den kostenlosen ortsunabhängigen Zugriff auf lizenzierte E-Books.

Die ZBW verhandelt neben den bundesweiten Nationallizenzen und Allianz-Lizenzen auch nationale Konsortien für wirtschaftswissenschaftliche Produkte, an denen sich akademische Einrichtungen über Opt-In-Modelle beteiligen können. Die ZBW arbeitet in einem überwiegenden Teil der Fälle mit Sammelrechnungen, die sie (oftmals in Vorleistung) an den Verlag bezahlt und woraus Einzelrechnungen für die am Konsortium teilnehmenden Institutionen resultieren. Derzeit betreut die ZBW insgesamt 13 überregionale Lizenzen.

Der Aufbau des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen erfolgt über einen Zeitraum von etwas mehr als drei Jahren bei laufendem Betrieb. In dieser Zeit werden die angebotenen Serviceleistungen unter Berücksichtigung der Interessen der Konsortialteilnehmerinnen und -teilnehmer kontinuierlich erweitert.

4 Dienstleistungen

4.1 Information/Auswahl

Eines der wichtigsten Ziele des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen liegt in der Schaffung eines spezifischen gebündelten Informationsangebotes. Bibliothekarinnen und Bibliothekare können sich an einer zentralen Anlaufstelle über vorhandene Angebote informieren und Fragen, Anregungen und Verhandlungswünsche anbringen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen sind Expertinnen und Experten auf ihrem Gebiet. Sie sind über die aktuellen Themen informiert und in den wichtigen Gremien der GASCO und der Allianz-Initiative „Digitale Information“ vertreten. Darüber hinaus sind sie mit Verlagen und der bibliothekarischen Community gut vernetzt.

Damit sich Interessenten auch selbst informieren können, hat das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen eine Webpräsenz (www.goportis.de/lizenzen) eingerichtet, die einen vollständigen und aktuellen Überblick über alle – von den Goportis-Partnern betreuten – überregionalen Lizenzen bietet. Potenzielle Kundinnen und Kunden können sich hier über aktuell verfügbare Lizenzen informieren. Zu jedem Produkt hält ein druckbares Datenblatt Informationen zu Lizenzzeitraum, Konditionen und Umfang der Inhalte bereit. Zusätzlich wird eine Gesamtübersicht zum Download mit weitergehenden Informationen zu Teilnehmerkreis, abgedeckten Lizenzzeiträumen und Fachgebieten angeboten. Die Interessenten können so auf einen Blick feststellen, an welchen Lizenzen sie teilnahmeberechtigt sind.

Zusätzlich bieten die Unterseiten „Veranstaltungstipps“ und „Links“ informativen Mehrwert zu Themen aus dem Bibliotheks- und Lizenzsektor. Die Veranstaltungstipps weisen auf Fortbildungen, Konferenzen und Tagungen zu lizenzrechtlichen Themen hin. Erfasst werden auch Veranstaltungen, die sich mit der administrativen Verwaltung der Zugänge befassen.

Während die Hilfestellung bei der Auswahl zwischen verschiedenen Optionen innerhalb einer Lizenz als selbstverständlich angesehen wird, erfolgt derzeit keine fachspezifische Erwerbungsberatung. Dies ist die originäre Aufgabe einer jeden Erwerbungsleitung, denn diese entscheidet über die Ausrichtung und das Sammelprofil der eigenen Bibliothek.

4.2 Verhandlung

Kernaufgabe ist und bleibt die Verhandlung von Konsortien zu vorteilhaften Konditionen. Dazu gehören einerseits Rabattvereinbarungen, andererseits die Verhandlung eines umfassenden Rechtekatalogs. Auch auf umsichtige Haftungsbedingungen und zivilrechtliche Besonderheiten in den Verträgen wird geachtet.

Um den Kundinnen und Kunden ein fachlich umfassendes Angebot anbieten zu können, soll die Zahl der von ZB MED, ZBW und TIB verhandelten Lizenzen stetig zunehmen. Die Initiierung von Verhandlungen erfolgt, wenn Umfragen und Recherchen die Nachfrage an neuen Konsortien aufdecken oder von Forschungs- und Bildungseinrichtungen Bedarf gemeldet wird.

Grundsätzlich müssen Lizenzverträge immer auf das Produkt, den Teilnehmerkreis oder die Auftraggeberin oder den Auftraggeber angepasst werden. Gemeinsam entwickelte Mindeststandards sollen dabei eine Basis für den Lizenzerwerb bilden und eine hohe Qualität der lizenzierten Nutzungsrechte gewährleisten.

Bei der Verhandlung wird auf eine größtmögliche Nutzbarkeit des Produktes Wert gelegt. So sollten zum Beispiel Rechte zur Nutzung des Produktes im Rahmen der Fernleihe/Dokumentenlieferung unabhängig von der jeweils geltenden Gesetzeslage eingeräumt werden. Bestehende Lizenzen werden in regelmäßigen Abständen überprüft und einzelne Rechte gegebenenfalls nachverhandelt. Das ist besonders bei sich weiterentwickelnden technischen Möglichkeiten wichtig. So sind beispielsweise Hosting-, Text- und Dataminingrechte erst in den vergangenen Jahren zu einem Thema bei Lizenzverhandlungen geworden und in vielen bestehenden Verträgen noch nicht enthalten.

Die Bedeutung von Regelungen zu Open Access und Article Processing Charges (APC) als Bestandteil von Lizenzverträgen oder in Form separater Vereinbarungen nimmt ständig zu. Während bestehende Regelungen zu Open Access oftmals zu viel Interpretationsspielraum bieten und damit einer gesicherten Auswertung entgegenstehen, schränken zahlreiche unterschiedliche Regelungen zu APC jede Form von automatisierten Abläufen in der Praxis dramatisch ein. In beiden Fällen hat es sich das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen zur Aufgaben gemacht, praxiserprobte Regelungen zu finden und als Standards durchzusetzen.

Mangelnde Qualität gelieferter Metadaten wird vielfach moniert. Die Metadatenexpertinnen und -experten von ZBW haben sich mit den Lizenzabteilungen abgestimmt und fordern, bereits in den Verhandlungen eine verbesserte Metadatenqualität nach bibliotheksspezifischen Vorgaben festzulegen und einzufordern. Eine aufwändige manuelle Nacharbeit soll damit weitgehend vermieden werden. Langfristig soll durch einen Austausch mit den Verlagen darauf hingearbeitet werden, die Metadatenqualität der Verlage zu verbessern, indem die Anbieter für die Bedürfnisse von Bibliotheken diesbezüglich sensibilisiert werden. Eine Vereinheitlichung der Anforderungen im Goportis-Verbund wird die Verhandlungsposition stärken und dabei helfen, hochwertige Metadatenstandards durchzusetzen.

Durch das Entstehen neuer Produkte und Vertriebsmodelle, aber auch dadurch, dass sich Nutzerverhalten und Nutzergruppen stetig verändern und weiterentwickeln, ergibt sich automatisch ein Bedarf zur Anpassung bestehender Lizenzmodelle. Dies umfasst auch die Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle, um den sich verändernden Konsortialstrukturen gerecht zu werden.

Aufgrund der Komplexität eines Lizenzvertrages und der Bedeutung hinsichtlich der umfassten Rechte bietet das Kompetenzzentrum zu den von TIB, ZB MED und ZBW verhandelten Lizenzen eine umfassende Beratung an. Diese beschäftigt sich mit Fragen zu Klauseln, Rechten oder Konditionen der lizenzierten Produkte.

4.3 Betreuung und Bereitstellung

Sobald ein Konsortialvertrag unterzeichnet und teilnehmende Bibliotheken gefunden wurden, steht die Betreuung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vordergrund. Die wichtigste Arbeit ist dabei, den unterbrechungsfreien Zugang der Lizenznehmerinnen und -nehmer zu sichern, zum Beispiel indem Daten wie IP-Adressen aktualisiert werden.

Zentrale Aufgabe bei laufenden Lizenzen sind die regelmäßigen Erneuerungsabfragen, die unter bestehenden und potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern jährlich neu initiiert werden müssen.

Des Weiteren erfolgt durch das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen die Bereitstellung von Vertragsdokumenten, die Bearbeitung von Zugangsproblemen und die Übermittlung von Metadaten und Nutzungsstatistiken sowie gegebenenfalls die Rechnungsbearbeitung und die Rechnungsstellung. Zur Bereitstellung zählen auch das Anlegen und die Pflege der Produkte in den bibliothekarischen Nachweissystemen, wie zum Beispiel EZB, ZDB, DBIS und den Datenbanken auf www.nationallizenzen.de und GASCO.

Der Verhandlung von Hostingrechten kommt eine nicht unerhebliche Rolle zu. Das Hosting dient der Sicherung des dauerhaften Zugangs auf die lizenzierten elektronischen Inhalte. Dies ist relevant bei zwischenzeitlichen Zugriffsproblemen (zum Beispiel bei einem Plattformwechsel), bei dauerhaften Veränderungen von Lizenzinhalten (zum Beispiel bei dem Verkauf von Zeitschriften durch den Anbieter) und insbesondere nach dem Auslaufen von Lizenzen, unter anderem auch um Zugangsgebühren für Archivzugänge zu vermeiden. Bereits jetzt wird daher bei DFG-geförderten Lizenzen die Einräumung von Hostingrechten und das Hosting der Inhalte erwartet. Insbesondere für verhandlungsführende Einrichtungen ergibt sich daher zunehmend die Notwendigkeit, die Lizenzinhalte nach Möglichkeit selbst zu hosten und den Konsortialteilnehmerinnen und -teilnehmern zur Verfügung zu stellen.

4.4 Verwaltung/ERMS/Software

Während der Verhandlung einer Lizenz mit dem Verlag entstehen unzählige E-Mails, Gesprächsvermerke, Entwürfe und Präsentationen. In diesen Dokumenten befinden sich häufig Erklärungen zu einzelnen Klauseln und eine Historie wird erkennbar. Deshalb ist es wichtig, solche Dokumente systematisch, sicher und wieder auffindbar abzulegen.

Bei Konsortialverhandlungsführerinnen und -führern multipliziert sich die geführte Korrespondenz, denn auch die Bestellungen, Teilnahmeerklärungen, Fragen und Erläuterungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen gespeichert werden. Für jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer werden Kontaktdaten und wichtige Informationen angelegt und ständig aktualisiert.

Um bei den großen Mengen an Dokumenten nicht den Überblick zu verlieren, ist der Erwerb eines Dokumentmanagementsystems (DMS) essenziell. Auf dieses DMS werden alle Mitglieder des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen Zugriff haben. Zum Beispiel müssen Kontakte dann nur einmal an einer zentralen Stelle aktualisiert werden.

Zwar ist der Prozess der Lizenzverhandlung und -verwaltung vor allem im Rahmen eines Konsortiums komplex, dennoch fällt ein Großteil der Aufgaben auch bei Einzellizenzen an. Eine besondere Hürde ist in diesem Zusammenhang die Erfassung der einzelnen Nutzungsrechte subskribierter elektronischer Produkte. Aufgrund der Fülle und Variation an Regelungen lassen sich diese kaum überblicken, noch systematisch vergleichen. Bisher gibt es nur eine Handvoll elektronischer Lösungen, mit denen sich die Lizenzen und praktischerweise auch die Inhalte, wie Titellisten, sinnvoll abbilden lassen. Dieser Markt wird derzeit von kommerziellen Anbietern entdeckt und sogenannte ERMS (Electronic Resource Management Systems) werden entwickelt und zunehmend von Bibliotheken eingesetzt.

ZB MED, ZBW und TIB haben 2014 begonnen, eine geeignete Software zu finden. Für das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen ist eine gemeinsame Software essenziell, um den Überblick über die bestehenden Lizenzen und die laufenden Aktivitäten in allen drei Häusern zu behalten. Dies wiederum ist die Voraussetzung für kompetente Reaktionen auf Anfragen von Kundinnen und Kunden. Nach ausführlicher Markterkundung stellten die zentralen Fachbibliotheken fest, dass derzeit keine Softwarelösung auf dem Markt existiert, die alle Anforderungen des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen erfüllt. Die klassischen ERM-Systeme werden für einzelne Bibliotheken entwickelt und berücksichtigen nach Einschätzung des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen die Bedürfnisse von Konsortialverhandlungsführerinnen und -führern nicht angemessen.

Diesen Handlungsbedarf erkennend, arbeiten das Hochschulbibliothekszentrum des Landes NRW (hbz), die Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, die Universitätsbibliothek Freiburg und die Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) derzeit im Rahmen des Projektes „LASeR“ (Lizenz- Administrationssystem für e-Ressourcen)[5] an der Entwicklung eines Systems. Das DFG-geförderte Projekt soll nicht nur einzelnen Einrichtungen einen Mehrwert bieten, sondern auch Konsortialführerinnen und -führern das Konsortialgeschäft erleichtern. Die für 2018 erwartete Softwarelösung ist für das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen von großer Bedeutung. Deshalb gab es bereits verschiedene Treffen mit der Projektgruppe.

Der Bedarf für softwaregestützte Lösungen besteht jedoch bereits jetzt und nicht erst ab 2018. Denn auch einzelne Serviceleistungen lassen sich nur mit technischer Unterstützung erbringen. Marktanalysen zeigen, dass Vertrags- oder Dokumentmanagementsysteme für viele der anfallenden Aufgaben geeignet sind. Ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) soll insbesondere dabei helfen, die Ablage aller vertragsrelevanten Dokumente sowie die Verwaltung bestimmter Informationen zu organisieren. Mit der Implementierung einer solchen Software werden notwendigerweise die Abläufe in den drei Häusern überprüft und gegebenenfalls angepasst sowie – soweit möglich – vereinheitlicht und vereinfacht. Zentrale Funktion der Software wird die Verwaltung der umfangreichen Teilnehmerdatenbank sein. Langfristig sollen die Konsortialteilnehmerinnen und -teilnehmer auf einzelne Bereiche des Systems selbst zugreifen und Daten, zum Beispiel IP-Adressen, selbst einpflegen können, so dass die Verwaltung sowohl für die Konsortialstelle als auch für die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erleichtert wird.

Bisher haben TIB, ZB MED und ZBW keinen Zugriff auf Daten der jeweils anderen Verhandlungsführer, so dass bestimmte an das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen gerichtete Anfragen kaum beantwortet werden können, sondern immer eine interne Weiterleitung an den jeweils zuständigen Goportis-Partner notwendig ist. Sobald die Implementierung der Software abgeschlossen ist, werden auch die jeweils anderen Goportis-Partner in die Lage versetzt, mehr Anfragen bezogen auf Produkte eines anderen Verhandlungsführers zu beantworten. So können sie den Kundinnen und Kunden eine schnelle Lösung bieten.

4.5 Weitere Angebote

Zu den geplanten Serviceleistungen, die durch das ERMS zusätzlich möglich werden sollen, gehören unter anderem die Aufbereitung von Statistiken und eine Kosten-Nutzen-Analyse. Diese Werkzeuge sollen die Kundinnen und Kunden unterstützen, die richtigen Entscheidungen in der Erwerbung zu treffen. Eine Kosten-Nutzen-Analyse geht über eine einfache Preisbewertung hinaus und versucht, weitere Kosten-, Nutzen- und Qualitätsfaktoren einzubeziehen.

Darüber hinaus ist das Kompetenzzentrum offen für die Entwicklungen neuer Dienstleistungen. Dazu zählen zum Beispiel softwareunabhängige Angebote wie Workshops zu Lizenzthemen. Auch ist denkbar, zentrale Schulungen zu Produkten oder Verlagspräsentationen zu organisieren. Eine intensive Marktbeobachtung und die Flexibilität, auf Veränderungen am Markt, auf neue Kundinnen und Kunden, auf neue Anbieter, auf neue Produkte, auf neue rechtliche Vorgaben und auf technische Entwicklungen zeitnah reagieren zu können, sind Voraussetzung für die Einführung neuer Services und die Verbesserung bestehender Angebote. Dies bedeutet auch, die derzeit existierenden sowie geplanten Angebote gegebenenfalls auszuweiten oder zu ersetzen, wenn sich der Bedarf ändert. Für Bibliothekarinnen und Bibliothekare ist wichtig, dass sich die angebotenen Dienstleistungen an ihren Bedarf anpassen und dass jederzeit aktuelle Informationen zu den Dienstleistungen bereitstehen.

5 Zukunft/Fazit

Im Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen werden ein reicher Erfahrungsschatz sowie erhebliche rechtliche und praktische Expertise gebündelt und weiter ausgebaut. Auf dieses Wissen sollen Bibliothekarinnen und Bibliothekare rege zurückgreifen. Praktisch alle anerkannten Forschungs- und Bildungseinrichtungen in Deutschland werden als Zielgruppe des Goportis-Kompetenzzentrums Lizenzen angesprochen. Insbesondere kleinere Einrichtungen, so beispielsweise viele Institute der Leibniz-Gemeinschaft, in denen der Betrieb der Bibliotheken nur als Nebentätigkeit wahrgenommen wird, sind auf Dienstleistungen angewiesen, die ihren Beratungsbedarf bezüglich elektronischer Publikationen und Lizenzverträge decken. Das Goportis-Kompetenzzentrum Lizenzen hat das Ziel, sich als kompetenter Ansprechpartner und Anbieter für Dienstleistungen im Bereich elektronischer Publikationen zu etablieren.

About the authors

Mareike Grisse

Mareike Grisse

ZB MED – Leibniz-Informationszentrum Lebenswissenschaften

Gleueler Straße 60

50931 Köln

Sindy Oswald

Sindy Oswald, ZBW

ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Neuer Jungfernstieg 21

20354 Hamburg

Alexander Pöche

Dr. Alexander Pöche

TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek

Welfengarten 1 B

30167 Hannover

Published Online: 2016-03-15
Published in Print: 2016-03-01

© 2016 by De Gruyter

Downloaded on 9.12.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bd-2016-0034/html
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