Zusammenfassung
Die Webseite abiLehre.com repräsentiert den in Österreich angebotenen Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent und wurde eigeninitiativ von zwei Absolventen im Jahr 2016 ins Leben gerufen. Diese Plattform unterstützt Auszubildende und Absolventen und bietet ein sehr breites Angebot an allgemeinen und fachbezogenen Informationen für alle Interessenten.
Abstract
The website abiLehre.com represents the apprenticeship archive, library, and information assistant offered in Austria and was initiated by two graduates in 2016. This platform supports apprentices and graduates and offers a wide range of general and subject-specific information for all interested parties.
1 Über den Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent (kurz ABI)
Die Ausbildung wurde im Jahr 2004 aufgrund einer gesetzlichen Forderung geschaffen und zählt zu den kaufmännisch-administrativen Lehrberufen in Österreich. Sie bildet das Pendant zur Lehre Fachangestellter für Medien- und Informationsdienste (DE) und Fachmann Information und Dokumentation EFZ (CH). Die Ausbildungszeit beträgt nach Vollendung der Schulpflicht in der Regel drei Jahre und ist nach dem Bundesgesetzblatt (BGBl) II Nr. 451/2004 geregelt.[1] Es kann jedoch ein höherer Schulabschluss (Matura/Abitur) und/oder eine andere begonnene oder zuvor abgeschlossene Lehre angerechnet werden. Die Lehrlinge werden österreichweit ausgebildet, jedoch findet der theoretische Blockunterricht ausschließlich an der Berufsschule für Handel und Reisen in Wien statt. Während des geblockten Pflichtunterrichts, in einem Ausmaß von ungefähr 36 Kalenderwochen, erhalten die Lehrlinge nicht nur eine kaufmännische und fachspezifische Ausbildung, sondern besuchen auch mehrtägige Praktika an öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Universität Wien, Büchereien Wien, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Österreichisches Staatsarchiv, etc. Die Ausbildung findet im Rahmen des dualen Ausbildungssystems statt und ist mit ähnlichen Lehrberufen wie Buchhändler oder Bürokaufleute gleichgestellt. Diese Ausbildungsvariante verbindet die Praxis aus dem Lehrbetrieb mit dem theoretischen Wissen, welches in der Berufsschule vermittelt wird. Die Lehrabschlussprüfung (LAP) selbst kann auch als Externist absolviert werden, hierfür wird allerdings eine einschlägige Anlerntätigkeit, sonstige praktische Tätigkeiten und/oder einschlägige Kursveranstaltungen seitens der Wirtschaftskammer Österreich verlangt.[2]
Das Berufsprofil der Auszubildenden umfasst u. a. das Beschaffen, Erwerben und die Formalerschließung von Medien, Informationen und Daten, die technische Medienbearbeitung, Bestandspflege und Revision. Im Übrigen wird den Heranwachsenden der Umgang mit Benutzern, das Erteilen von Auskünften im Rahmen des Informationsdienstes und die Recherche in Datenbanken und -netzen vermittelt. In Archiven bzw. Sammlungen wird ihnen zusätzlich der fachgerechte Umgang mit besonderen Bestandsgruppen, wie z. B. historische Fotografien, Plakate, Pläne, Personalakten, Autografen usw., vermittelt. Die Lehrlinge erwerben, unabhängig von der Art ihres Lehrbetriebs, im Zuge des Berufsschulunterrichts die Grundkenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen (bspw. gesetzliche Sperrfristen, Medien- und Urheberrecht, Verfassungsrecht etc.).
2 Ausgangssituation und Problematik
Jährlich werden rund 25 Fachkräfte in dem Lehrberuf ABI ausgebildet, aber nur wenige haben nach ihrem Abschluss die Möglichkeit, eine adäquate Stelle zu finden, geschweige denn in der Einrichtung zu bleiben, in welcher sie ausgebildet wurden. Viele müssen sich mit befristeten Teilzeitjobs oder als Karenzvertretungen über Wasser halten bzw. sich gegenüber der Konkurrenz mit akademischer Ausbildung beweisen.
Der Fokus der ABI-Lehre liegt hauptsächlich im Bereich des wissenschaftlichen Bibliothekswesens, welches den Großteil von potentiellen Arbeitgebern ausmacht. Wer allerdings nicht direkt in einer wissenschaftlichen Bibliothek ausgebildet wurde, kann hier durchaus Nachteile bei zukünftigen Bewerbungsprozessen erfahren. Viele der Absolventen sind in unterschiedlichen Bibliotheks- und Archivtypen tätig und haben im Zuge ihrer Lehrzeit bereits das eine oder andere Programm kennengelernt. Zu den gängigsten Bibliothekssystemen mit denen zahlreiche Lehrlinge ausgebildet wurden, zählen u. a. Alma, Aleph(ino), Bibliotheca(Plus), SISIS-SunRise und im Archivwesen bspw. Scope Archiv, Augias, Adlib, TMS und MuseumPlus.
Durch Gespräche, zum Beispiel im Rahmen von Veranstaltungen mit Kollegen aus den Bereichen Archiv und Bibliothek, welche nicht unmittelbar mit der ABI-Ausbildung in Verbindung stehen, konnte festgestellt werden, dass vielen Personen aus der Branche der Lehrberuf bis vor einiger Zeit zur Gänze unbekannt war. Mit dieser Ausgangssituation entstand die Idee, den Beruf aktiv zu bewerben und auf das vorhandene Potential, die mehrjährige branchenübergreifende Erfahrung und das im Rahmen der Ausbildung erworbene Fachwissen hinzuweisen.
3 Idee und Motivation: Wissensvermittlung mit Nachhaltigkeit
Der berufliche Erfolg und die persönliche und professionelle Weiterentwicklung von Auszubildenden ist ein wesentlicher Hintergrundgedanke dieser Initiative. Durch die informative Verbreitung des Berufsbildes und das Erreichen einer bestmöglichen Abschlussprüfung soll das Image der ABIs sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber attraktiver gestaltet werden. Das Finden eines Arbeitsplatzes nach Ablegen der Lehrabschlussprüfung wäre anschließend wesentlich einfacher und womöglich auch zielstrebiger.

Screenshot abiLehre.com
Gemäß dem Motto: „Nur wer die Zukunft mitgestaltet, kann diese nachhaltig verändern“, wurde aus eigener Initiative von Nathalie Feitsch im April 2015 eine geschlossene Facebook-Gruppe ins Leben gerufen, um eine bessere Vernetzung und gegenseitige Unterstützung unter den Absolventen und aktuellen Lehrlingen zu ermöglichen. Der Grundstein war somit gelegt, jedoch sollten die Inhalte als Open-Access-Variante jedem zugänglich sein, was eine von sozialen Netzwerken und von Unternehmen unabhängige Plattform erforderte. Das heißt, es sollte niemand zu einer Registrierung bei einer Firma (wie z. B. Facebook Inc.) gezwungen werden, um die Inhalte nutzen zu können. Andreas Habermayer entwickelte diese Idee weiter und konzipierte gemeinsam mit Nathalie Feitsch die Webseite abiLehre.com. Auf jener Seite erhalten Besucher Informationen über den Lehrberuf, Einblicke in das Tätigkeitsfeld, Berichte über aktuelle Geschehnisse aus dem Archiv- und Bibliothekswesen, Mitteilungen über Fachtagungen und Weiterbildungsmöglichkeiten im Fachbereich sowie einen Überblick über adäquate Stellenausschreibungen im In- und Ausland. Des Weiteren lassen sich interessante Buchrezensionen – auch über Fachliteratur – bzw. allgemeine Anregungen aus Kunst und Kultur finden.
Die Schaffung neuer Standards und dem daraus resultierenden Potential für die Verbesserung des Berufsimages – nicht nur im Bereich Archiv- und Bibliothekswesen, sondern auch allgemein in der Lehrlingsausbildung – sollen aktiv dazu beitragen, dass Stellen speziell für ABI-Absolventen geschaffen bzw. mit den bereits ausgebildeten Fachkräften besetzt werden.
4 Aktivitäten, Zusammenarbeit und Partnerschaften
Mithilfe des bereits vorhandenen Netzwerks (Facebook-Gruppe) und der Webseite werden Hilfestellungen als Kollektiv geleistet und Probleme gelöst. Beispiele sind hierfür Unterstützung bei der Arbeitssuche oder bei der Lösung von Arbeitsaufträgen nach Best-Practice-Beispielen. Hierbei ist es jedoch nicht relevant, ob es sich um Fragestellungen in der Berufsschule oder im Arbeitsalltag handelt. Um die gegenseitige Vernetzung und Zusammenarbeit zu intensivieren, findet mindestens einmal im Jahr ein jahrgangsübergreifendes ABI-Treffen statt. Hierzu sind nicht nur Absolventen und Lehrer, sondern auch aktuelle Auszubildende eingeladen und haben die Möglichkeit zum gemeinsamen Austausch.
Die Verbindung zur Berufsschule für Handel und Reisen und ihrer Lehrkräfte war von Beginn an sehr eng, nicht nur wegen der weiteren Lehrlingsausbildung in der Arbeitsstätte von Nathalie Feitsch, sondern auch durch die Tätigkeit von Andreas Habermayer als Vortragender des Vorbereitungskurses für die Lehrabschlussprüfung. Zudem erhalten Lehrlinge, Absolventen und Interessenten eine Vielzahl an kostenfreien und maßgeschneiderten Leitfäden, Lernhilfen und Glossare auf der Webseite. Durch die gewonnenen Informationen und das regelmäßige Feedback gestaltet sich die Entwicklung bzw. Anpassung von Lernunterlagen einfacher und zielführender.

Werbeplakat abiLehre.com (Version 2018), © abiLehre.com/Andreas Habermayer
Bereits kurz nach dem Launch von abiLehre.com, wurde eine Partnerschaft mit der Fachgruppe Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Wien im Rahmen der Kampagne „read global, buy local“ geschlossen.[3] Die Werbeaktion hatte die Kernaufgabe, Konsumenten für einen bewussten Einkauf im Buchhandel zu sensibilisieren und auf den jährlich durch global agierende Konzerne entstandenen Schaden in der heimischen Wirtschaft hinzuweisen, da durch einen lokalen Einkauf nicht nur Arbeitsplätze gesichert, sondern auch geschaffen werden können. Zu den Beweggründen ein Teil dieser Aktion zu werden, zählte mitunter die Nähe des Lehrberufs zu jenem der Buch- und Medienwirtschaftler (Buchhändler) und die im Internet vorhandene Beitragsreichweite sinnvoll einzusetzen.
Auf Nachfrage der Berufsschule für Handel und Reisen konnten am 9. November 2017 Interessierte im Rahmen des Projekts „Büchermenschen“ auf der Messe Buch Wien Auskunft über den Lehrberuf der Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistenten erhalten. Außerdem wurden potenzielle Karrieremöglichkeiten sowie das Tätigkeitsfeld durch die beiden Gründer von abiLehre.com den Besuchern nähergebracht. Das Konzept der Veranstaltung beruhte auf jenem eines Speed Datings. Die Besucher hatten die Gelegenheit, sämtliche Facetten der Medienbranche (Autor, Verleger, Illustrator, Buchhändler, Antiquar und Archivar/Bibliothekar) kennenzulernen.[4]
Aufgrund zu geringer Nachfrage wurde mit Ende 2017 das Weiterbildungsangebot „Brain-Pool“ der Österreichischen Nationalbibliothek eingestellt. Es handelte sich hierbei um eine der wenigen Möglichkeiten, Weiterbildungen im Bibliothekswesen zu besuchen. Um Lehrlingen und Absolventen eine kostengünstige Alternative und Übergangslösung zu bieten, wurde seitens abiLehre.com im März 2018 mit dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels eine Kooperation für Kurse im Rahmen des „mediakollegs“ abgeschlossen, bei der lediglich der Mitgliedspreis bei ein- oder mehrtägigen Seminaren zu entrichten ist, ohne dass eine aktive Mitgliedschaft vorhanden sein muss. Durch dieses Übereinkommen können vor allem Personen, welche schon länger nicht mehr im Archiv- oder Bibliotheksbereich gearbeitet haben, kostengünstige Fortbildungen zu den Themengebieten aus der Buch- und Medienbranche absolvieren, um ihr Wissen zu erweitern oder aufzufrischen.
Im weiteren Verlauf des Jahres begann die Zusammenarbeit mit dem Trainer und Psychologen Christian Novotny. Er bildet am Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich (WIFI) Lehrlingsausbilder aus und bietet zudem diverse Schulungen für Lehrlinge und Betriebe an. Im Zuge der Kooperation wurde auf der Webseite die finale Version der „Zeugnisreflexion nach C. G. Novotny“ vorgestellt. Sie soll bei der Auswahl von Lehrlingen im Rahmen des Bewerbungsprozesses als Ergänzung zum Schulzeugnis (Fremdbewertungsinstrument) dienen. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, zu ihren erhaltenen Noten Stellung zu beziehen und dadurch womöglich mehr Chancen und Potenzial am Lehrstellenmarkt bekommen.
5 Ausblick und geplante Projekte
Aktuell arbeiten Nathalie Feitsch und Andreas Habermayer an einer eigenständigen e-Learning-Plattform mit dem Namen eduLehre.com. Auf dieser Webseite sollen zukünftig diverse Webinare und teils interaktive Lernunterlagen für Lehrlinge aus der Medienbranche zu finden sein. Die Online-Kurse werden auf einem Modulsystem basieren und je nach Bedarf bzw. Schulstufe freigeschaltet.
Des Weiteren ist für das Jahr 2019 eine Lehrlingsumfrage unter den Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistenten geplant. Im Zuge dieser Online-Befragung sollen nicht nur demografische Daten erhoben, sondern auch die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt ermittelt werden. Mit dem erworbenen Wissen ist es möglich, noch besser bedarfsorientiert zu agieren, statistische Daten und das erhaltene Feedback an Ausbildungsstätten zu übermitteln und so Änderungen und Bedürfnisse am Lehrstellenmarkt zu kommunizieren. Ein wichtiges Kriterium stellt hier die Anonymität der Lehrlinge und Absolventen dar, um keine Verfälschung der Daten zu erhalten.
About the authors

Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv, Postgasse 6/Mezz., A-1010 Wien

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsbibliothek, Welthandelsplatz 1, A-1020 Wien
Literaturverzeichnis
Berufsschule für Handel und Reisen (2018): Buch Wien. Verfügbar unter https://www.bshr.at/single-post/2018/11/27/Buch-Wien.Search in Google Scholar
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2004): Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der Ausbildungsvorschriften für den Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent/Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistentin erlassen werden. BGBl. II Nr. 451/2004. Verfügbar unter https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2004/451/20041201.Search in Google Scholar
Habermayer, Andreas (Der-anonyme-Bibliothekar) (2017): Read Global, Buy Local. Verfügbar unter https://abilehre.com/2017/01/14/read-global-buy-local/.Search in Google Scholar
Wirtschaftskammer Österreich (2015): Ausnahmsweise Zulassung zur Lehrabschlussprüfung. Verfügbar unter https://www.wko.at/service/bildung-lehre/Zulassung_LAP_ausnahmsweise.html.Search in Google Scholar
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston