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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter April 14, 2021

Joan D. Ruelle (Ed.): The Engaged Library. High-Impact Educational Practices in Academic Libraries. ARCL, 2020, 184 Seiten, 62 $, ISBN 978-0-8389-4784-5

  • Richard Stang EMAIL logo

Rezensierte Publikation:

Joan D. Ruelle (Ed.): The Engaged Library. High-Impact Educational Practices in Academic Libraries. 2020, 184 Seiten, 62 $, ISBN 978-0-8389-4784-5


The Engaged Library herausgegeben von Joan D. Ruelle gibt anhand von reflektierenden Beiträgen, Fallstudien und Beispielen einen sehr guten Überblick darüber, wie wissenschaftliche Bibliotheken durch pädagogische Konzepte und Kooperationen gute Lehr-Lernangebote entwickeln können, um die Qualität der Lernzugänge für Studierende zu verbessern.

In ihrer Einführung weisen Joan D. Ruelle und Deandra Little darauf hin, dass die Ausgangspunkte dieses Bandes die stark rezipierten und diskutierten Liberal Education and America’s Promise (LEAP) Initiative der American Association of Colleges and Universities’ (AAC&U)[1] und die Überlegungen von George Kuh zu „high-impact educational practices (HIPs)“[2] darstellen. Besonders die 2008 von Kuh formulierten HIPs stellen einen Orientierungsrahmen für die folgenden Beiträge dar (S. 2):

  1. First-year seminars and experiences

  2. Common intellectual experiences

  3. Learning communities

  4. Writing-intensive courses

  5. Collaborative assignments and projects

  6. Undergraduate research

  7. Diversity/global learning

  8. Service learning, community-based learning

  9. Internships

  10. Capstone courses and projects

  11. E-Portfolios (ergänzt 2016).

Die hier aufgeführten Dimensionen schaffen einen Rahmen, um die Qualität von Aktivitäten zu bewerten, die dazu dienen sollen, das Lernen von Studierenden zu unterstützen und zu verbessern. Empirische Studien haben gezeigt, dass mit der Orientierung an diesem Modell die Lernqualität von Studierenden verbessert werden kann. In der Einleitung wird der Band gut und prägnant gerahmt, so dass die Lesenden die folgenden Einzelbeiträge sehr gut in einem Gesamtzusammenhang rezipieren können.

Bei dem Projekt, das im ersten Beitrag von Tiffany Davis First-Year Experiences and Seminars – Systematic Information Literacy Instruction within a First-Year Experience Program: A Case Study from Mount Saint Mary College vorgestellt wird, wurden die beiden HIPs „learning community“ und „first-year experience“ an einer Kunsthochschule zu einem Konzept gebündelt. Ziel war es, vor allem die Erstsemester an ein hochschuladäquates Lernen heranzuführen, um damit die Grundlage für ein erfolgreiches Studium zu schaffen. Wichtig dabei war es, Netzwerke für die Studierenden aufzubauen. Ein besonderes Augenmerk wurde auf Studierende gerichtet, die keinen ausgeprägten familiären Bildungshintergrund hatten. Dabei wurden die Studierenden nicht nur mit den Services der Bibliothek vertraut gemacht, sondern auch Vermittlungsangebote zur Informationskompetenz zur Verfügung gestellt. Interessant ist die Etablierung einer Task Force First Year Education (FYE), in der hochschulweit alle Abteilungen, die mit Erstsemestern zu tun haben, gemeinsam die Angebote abstimmen. Die Studierenden müssen in den zentralen vier Bereichen jeweils zwei Angebote wahrnehmen, um überhaupt ihren Studienabschluss machen zu können. Dies sind Angebote in den Bereichen: „Community-Based Learning“, „Academic Success“, „College Life“ und „College Connection“. Mitarbeitende der Bibliothek sind wichtige Beteiligte an diesen Angeboten. Mit einer detaillierten Beschreibung des Vorgehens liefert der Beitrag interessante Hinweise für die Umsetzung eines solchen Konzeptes.

Der Beitrag Common Intellectual Experiences and Academic Libraries von Susan E. Montgomery und Jonathan H. Harwell beschäftigt sich mit der im Bibliotheksbereich bislang wenig beachteten HIP „common intellectual experiences“. Auch hier wurde in einem Projekt interdisziplinär an Konzepten gearbeitet, um Studierenden den Zugang zum wissenschaftlichen Arbeiten und speziell zur wissenschaftlichen Lektüre zu vermitteln. Im Zentrum stand dabei die Vermittlung von Informationskompetenz. Die Arbeiten der Studierenden wurden über eine interdisziplinäre Rückmeldestruktur, an der auch die Mitarbeitenden der Bibliothek beteiligt sind, anonym bewertet, sodass Studierende ein fundiertes Feedback erhielten, ob ihre Texte, Präsentationen etc. den Anforderungen entsprachen. Dabei gab es unterschiedliche Level. Für ein Level wurden nur die formalen Aspekte bewertet, für ein weiteres auch die inhaltliche Qualität. Die Kooperation von Bibliothek und den Fakultäten hat sich dabei als wichtiges Element für die Qualitätssicherung erwiesen. Der Beitrag zeigt auf, wie sich Bibliotheken an Hochschulen effektiv in die Curriculumentwicklung einbringen können.

Joan D. Ruelle and Shannon Lundeen beleuchten in ihrem Beitrag Learning Communities – The Role of the Library in Residential Learning, wie integrierte Lernmöglichkeiten für Studierende am Campus, auf dem diese auch wohnen, gestaltet werden können. Dabei geht es darum zu zeigen, wie das Lernen im Seminarraum und im Wohnheim sinnvoll verknüpft werden können. Dabei liefern die Autorinnen zunächst einen historischen Überblick über die Entwicklung der Verknüpfung des Lernens in Seminarräumen und Wohnheimen. Ausgehend von den aktuellen Herausforderungen wurde ein integriertes Konzept entwickelt, in dem die Bibliotheken eine tragende Rolle spielen. Ziel war es, das Lernen und Engagement der Studierenden zu verbessern. Dabei sollte eine Lernkultur entwickelt werden, die über formale Lehrangebote wie Vorlesungen etc. hinaus geht und das soziale Umfeld am Campus als Lernraum einbezieht. Die Betreuung durch Peers – auch Mitarbeitende der Bibliothek – ist in diesem Kontext von zentraler Bedeutung. So bieten Bibliothekarinnen und Bibliothekare Services in den Wohnheimen der Studierenden an und es werden spezifische Angebote wie Leseclubs entwickelt. Ein wichtiger Aspekt des Konzeptes ist, dass Bibliothekarinnen und Bibliothekare ihre „Komfortzone“ der Bibliothek verlassen und sich ins Lebensumfeld der Studierenden begeben.

Writing-Intensive Courses – The Impact of Co-ownership and Community: Reimagining the Relationship between Library and Writing Instruction as a Teaching and Learning Partnership lautet das Thema des Beitrags von Paula Patch and Patrick Rudd. Schreibkurse gehören zu den zentralen Elementen bei der Vermittlung von Informationskompetenz und wissenschaftlichem Arbeiten. Dabei ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen der Bibliothek und den Lehrenden im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens gleichberechtigt ist und gut funktioniert. In der vorgestellten Fallstudie wird präsentiert, wie die Vermittlung von Informationskompetenz studierendenorientiert gestaltet werden kann. Dabei zeigt sich als besonders wichtig, das sowohl die Bibliothekarinnen und Bibliothekare als auch die Lehrenden ihre Rolle reflektieren und ihre Angebote nutzendenorientiert gestalten, was auch bedeuten kann, das bisherige Vorgehen ad acta zu legen. Dies bedeutet aber auch eine Intensivierung des Austausches bei der Vorbereitung von Angeboten. Im Rahmen des Projektes konnte gezeigt werden, dass sich die Qualität der Lernergebnisse bei den Studierenden durch diesen neuen Zugang verbessert hat.

Leslie Ward, Trikartikaningsih Byas, Alisa Cercone, Barbara L. Lynch und Kathleen Wentrack stellen in ihrem Beitrag Collaborative Assignments and Projects – Interdisciplinary Collaborative Assignments and Projects: Case Studies in Information Literacy and Higher Order Thinking Skills vor, wie die Vermittlung von Informationskompetenz vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung gestaltet werden sollte. Im Zentrum des hier vorgestellten Projektes steht, Studierende zu befähigen, in interdisziplinären, kollaborativen Strukturen mithilfe neuer Technologien ihr wissenschaftliches Arbeiten zu verbessern. Auf der Basis des Konzeptes der „embedded librarians“ verändert auch die Bibliothek ihre Dienstleitungen, um Studierende in ihren Recherche- und Lernprozessen zu unterstützen. Der Beitrag macht deutlich, wie sich die Rolle einer Bibliothek an Hochschulen verändert, wenn sie sich den neuen Herausforderungen im Lehr-Lernkontext zielgerichtet stellt.

Im Beitrag Undergraduate – a Research Librarian Mentorship of Undergraduate Research widmen sich Courtney Paddick and Carrie Pirmann der Frage, wie die Bibliothek Forschungsprojekte von Studierenden auf Bachelorniveau unterstützen kann. Im Zentrum stehen dabei digitale Tools und Methoden, die helfen, die Forschungsfragen zu bearbeiten. In Form von „embedded librarians“ entwickelt die Bibliothek ein Konzept zur Unterstützung. Im Rahmen eines „Digital Scholarship Summer Research Fellows Program“, das acht Wochen dauert, werden Studierenden grundlegende Kompetenzen bezogen auf Forschungsarbeit vermittelt. Mit Workshops zu Posterpräsentationen und zur wissenschaftlichen Kommunikation werden Studierende unterstützt, ihre Ergebnisse einem breiten Publikum vorzustellen. Gerade hier zeigt sich, welche Kompetenzen die Bibliothek einbringen kann. Der Beitrag zeigt auch, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Abteilungen (Bibliothek, IT etc.) von den Studierenden sehr positiv bewertet wird.

Diversity/Global Learning steht im Zentrum des Beitrags von Dianne Ford, Vicki Siler und Shannon Tennant. Diversity/Global Learning soll Studierenden ermöglichen, andere Kulturen besser zu verstehen und einen Einblick unter anderem durch Studieren im Ausland zu erhalten. Wissenschaftliche Bibliotheken können dabei Partnerinnen für die Studierenden sein, die im Ausland oder in anderen Staaten der USA als Teil ihres Studiums studieren wollen. Dabei beteiligen sich die Bibliothekarinnen und Bibliothekare auch an der Lehre. Mithilfe eines Online-Chats oder via Skype werden Studierende während der Öffnungszeiten der Bibliothek betreut, auch wenn diese im Ausland oder an einem anderen Ort in den USA sind. Dieses Beispiel zeigt, wie mit einfachen Mitteln, Studierenden ein Support – auch im Ausland – bereitgestellt werden kann, der für die Studierenden – laut Evaluation – auch ein Mehrwert bedeutet.

Nicole A. Branch, Jennifer E. Nutefall und Anne Marie Gruber beschäftigen sich in ihrem Beitrag Service Learning, Community-Based Learning mit den zentralen Dimensionen des Service Learning. Für sie gibt es drei Hauptkompetenten, die dabei zur berücksichtigen sind: Verknüpfung von Individuum, Hochschule und Gemeinschaft, kritische Reflexion von Aktivitäten, die das Lernen der Studierenden fördern sollen, und die Verbesserung des Bürgersinns bei Studierenden. Kritisches Denken wird als Grundlage für Lernprozesse gesehen, bürgerschaftliche Kompetenz als wichtiges Ziel, um soziale Gerechtigkeit zu entwickeln. Welche Rolle gerade Bibliotheken im Kontext der Vermittlung von Informationskompetenz beim Service Learning einnehmen können, wird in diesem Beitrag entfaltet. Dabei werden viele interessante Hinweise gegeben, wie sich Bibliotheken hier positionieren könnten. Grundlage dafür bildet die literaturanalytische Nachzeichnung der geschichtlichen Entwicklung des Service Learning. An zwei Fallstudien werden die zentralen Dimensionen expliziert.

Teresa W. LePors rückt in ihrem Beitrag Internships – Academic Libraries and Internships: Creating New Opportunities die Relevanz der Unterstützung von Praktika in den Blick. Dabei stellt sie die Frage, wie wissenschaftliche Bibliotheken ihre Kompetenz zur Unterstützung von Lernprozessen an Hochschulen sichtbar machen können. Die Unterstützung von Praktika ist hier eine Antwort. Bibliotheken können eine Vielfalt von Maßnahmen ergreifen, um Studierende bei ihrem Weg in die Arbeitswelt zu unterstützen. Im Zentrum steht dabei die Intensivierung der Kooperation mit Berufsberatungsstellen an Hochschulen. Doch nicht nur Services zur Unterstützung externer Praktika liefern hier interessante Perspektiven, sondern auch die Integration von Praktika in die Bibliothek. Im Beitrag werden die verschiedenen Facetten aufgefächert und anhand von praktischen Beispielen anschaulich gemacht.

Im Beitrag Capstone Courses and Projects – Working with Capstones: Case Studies from the University of North Carolina at Greensboro zeigen Rachel Olsen, Maggie Murphy und Amy Harris Houk auf, wie spezifische Abschlusskurse von Bibliotheken unterstützt werden können. „Capstones“ können Forschungsprojekte oder -arbeiten, aber auch Performances, Portfolios oder Exponate sein, in denen der Kompetenzerwerb während des Studiums nochmals deutlich gemacht werden soll. Wie stark Bibliotheken dabei beteiligt sind, variiert in den USA sehr stark. Anhand einer Fallstudie wird deutlich gemacht, wie sich Bibliotheken in unterschiedlichen Fächern beteiligen können. Auf der Basis der Analyse werden zwei Grundmodelle herausgearbeitet. In einem Modell sind die Bibliothekarinnen und Bibliothekare als Lehrende in die Capstone-Kurse integriert, im anderen Modell liefern sie Bausteine in Form von Grundlagenangeboten zur Vermittlung von Informationskompetenz.

Im abschließenden Beitrag Why High-Impact Practices Matter to Universities and Their Libraries bündelt Gretel Stock die Herausforderungen, wenn HIPs hochschulweit ausgerollt werden. Hier steht die Organisationsperspektive im Fokus. Mit ihren Überlegungen will Stock die Positionierung der Bibliothek im Hochschulkontext unterstützen. Für sie sind vier Aspekte zentral: (1) Ziele der Bibliothek an den Gesamtzielen der Hochschule ausrichten, (2) die Effekte der Kompetenz der Bibliothek für andere Bereiche der Hochschule deutlich machen, (3) Partnerschaften intensivieren und (4) die Effekte für die Bibliothek langfristig in den Blick nehmen. Im Zentrum der Überlegungen steht die Frage, wie sich Bibliotheken als zentrale strategische Partnerinnen an Hochschulen etablieren können. Hierzu werden wichtige Hinweise geliefert.

Auch wenn sich die Situation von Hochschulen in den USA und Deutschland grundlegend unterscheidet, bietet der Band interessante Einblicke in die Gestaltung pädagogischer Praxis von wissenschaftlichen Bibliotheken. Viele der vorgestellten Projekte und Initiativen ließen sich auch in Deutschland umsetzen. Dabei wird deutlich, dass die Bibliotheken sich perspektivisch proaktiver in den Diskurs über die Gestaltung von Lehr- und Lernwelten an Hochschulen einbringen sollten. Der Band liefert vielfältige Anregungen, wobei auch hier bei den Ausführungen eine grundlegende Darstellung der pädagogischen Grundlagen, auf die die Konzepte aufbauen, fehlt. Mit diesem Defizit steht dieser Band im bibliothekspädagogischen Kontext leider nicht alleine. Gleichwohl muss das Anregungspotenzial des Bandes für die Weiterentwicklung der Lernwelt wissenschaftliche Bibliothek gewürdigt werden.

Online erschienen: 2021-04-14
Erschienen im Druck: 2021-04-26

© 2021 Richard Stang, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 2.6.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/bfp-2021-0001/html
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