Abstract
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass in den Debatten der Degrowth-Bewegung das Thema Männlichkeit bisher kaum eine Rolle spielt. Dies ist insofern überraschend, als der Aufstieg des wachstumsorientierten Kapitalismus mit der Herausbildung einer spezifischen männlichen Subjektivierungsweise verknüpft ist. Anhand des Konzeptes der imperialen Lebensweise (Brand/Wissen) diskutieren wir exemplarisch, wie die Kategorie Männlichkeit in die Analyse kapitalistischer Wachstumsgesellschaften einbezogen werden kann und welche Erkenntnisse dadurch zu gewinnen sind. Anschließend wenden wir uns der Frage nach möglichen Bündnissen zwischen gleichstellungsorientierten Männlichkeitspolitiken und Degrowth-Bewegung zu. Wir argumentieren, dass sie sich bezüglich einer Politik der De-Privilegierung überschneiden und sich gegenseitig stärken könnten, um eine solidarische Lebensweise auf den Weg zu bringen.
Abstract
The article starts off by observing that the subject of masculinity does not currently play a role in debates within the edgrowth movement. This is surprising, as the rise of growth-oriented capitalism is linked to the emergence of a specifically masculine way of subject-orientation. Using the concept of imperial lifestyle (Brand/Wissen) as an example, we discuss how the categories masculinity are integrated into the analysis of capitalist growth societies and which insights can be obtained from this. We then turn to the question of potential alliances between equality-oriented masculinity politics and the degrowth movement. We argue that they strongly intersect in relation of de-privileging politics and could strengthen one another in order to encourage lifestyles based on solidarity.
About the authors
Andreas Heilmann, ist Referent im Förderprogramm der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechtersoziologie, insbesondere theoretische und empirische Männlichkeitsforschung, Arbeitssoziologie und qualitative Methoden der Sozialforschung.
Sylka Scholz ist Professorin für Qualitative Methoden und Mikrosoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Geschlechtersoziologie, insbesondere theoretische und empirische Männlichkeitsforschung sowie die Entwicklung von qualitativen Methoden, speziell Methoden der Bild- und Filmanalyse.
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