Die Qualität menschlicher Arbeit wird durch Gestaltung und Aneignung innovativer Anwendungen der Informatik maßgeblich bestimmt. Die genauere Exploration dieses Zusammenhangs war Gegenstand des Symposiums: „Arbeitswelten der Zukunft gestalten!“
Zur Begrüßung hielt Prof. Dr. Hannes Federrath, Präsident der Gesellschaft für Informatik e. V., einen Vortrag über „IT-Sicherheit und Usability – Ein Widerspruch?“. Darin führte er aus, wieso es für E-Mails bisher keine gut nutzbaren Verschlüsselungsmethoden gebe. IT-Sicherheit spiele aber eine wichtige Rolle für die Arbeitswelten der Zukunft. Sie habe nicht nur eine technische Dimension, sondern müsse auch so gestaltet sein, dass Menschen damit umgehen können.
Dieses Problem verdeutlichte er am Beispiel der Verschlüsselung von E-Mails im Gegensatz zur Verschlüsselung von proprietären Messenger-Diensten. Der Messenger Telegram biete etwa eine firmeneigene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an. E-Mails zu verschlüsseln, sei hingegen sehr nutzerunfreundlich. Deshalb würden viele Menschen gar keine Verschlüsselung für ihre Mails nutzen. Der Inhalt von Mails gleiche dadurch aber eher dem Text auf einer Postkarte und könne leicht mitgelesen werden. Aber auch proprietäre Verschlüsselungen seien problematisch. Zwar seien dadurch Nachrichten besser geschützt, aber niemand wisse, ob die Firmen, die diese Verschlüsselungen entwickelt hätten, nicht selbst mitlesen.
Im nächsten Vortrag stellte der Referatsleiter im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Dr. Otto Bode, die Konzeption des Wissenschaftsjahres zum Thema Arbeitswelten der Zukunft vor. Mit dieser Veranstaltungsreihe soll erreicht werden, dass die moderne Arbeitswelt menschlich und sozial gestaltet werden kann. Es gehe darum, die Arbeitsbedingungen im Alltag zu verbessern, Arbeitsplätze in Deutschland langfristig zu sichern, neue zu generieren und insgesamt zum wirtschaftlichen Erfolg beizutragen. Dafür müssen Betriebsräte, Gewerkschaften, Unternehmen, Verbände, Arbeitsforscher und die Beschäftigten zusammenarbeiten, sagte er. Deshalb sei das Programm in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern entwickelt worden.
Es würden Projekte gefördert, in den Technik und menschengerechte Arbeitsbedingungen gleichzeitig entwickelt werden. Die Projekte können dabei verschiedenen Handlungsfeldern zugeordnet werden. Dazu gehören zum Beispiel Projekte, die die Beschäftigungsfähigkeit verbessern, weil die Arbeitsplätze altersgerecht gestaltet werden. Oder welche, in denen es um Mensch-Maschine-Interaktionen für das neue digitale Miteinander geht. Eine Förderung sei auch möglich, wenn das Arbeitsumfeld so neu gestaltet wird, dass es auch bei digitalen und mobilen Tätigkeiten die Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter fördert. Von besonderer Bedeutung sei es, an den Stärken einer jeweiligen Region anzusetzen, also zum Beispiel an historisch gewachsenen Themenschwerpunkten, speziellen Technologien oder branchenübergreifenden Netzwerken, führte Bode aus.
Über Arbeitsgestaltung als Forschungsfeld der Mensch-Computer-Interaktion sprach Prof. Dr. Michael Koch von der Universität der Bundeswehr München. Beim Thema Industrie 4.0 würden viele Menschen immer noch hauptsächlich daran denken, dass Maschinen mit Computern kommunizieren und dass es durch die Automatisierung dann zu einem Jobverlust komme.
Aus Sicht der Mensch-Computer-Interaktion stehe aber nicht die Technik, sondern der Mensch im Mittelpunkt. Deshalb müsse Arbeit gestaltet werden, die eng mit Technik und IT verbunden ist. Die Rolle der IT müsse dabei immer sein, die Arbeit der Menschen zu ergänzen und sie nicht zu ersetzen.
Als Beispiel nannte Koch das EU-Projekt Facts4Workers. Darin werden mehrere wichtige Punkte für die Arbeitsgestaltung in der Industrie 4.0 genannt. Dazu gehöre zum Beispiel die Orientierung an Praktiken. Damit ist gemeint, dass menschliche Arbeitspraktiken verbessert werden können, wenn Informationstechnologie bereitgestellt wird. Ein weiterer Punkt ist Design für Flexibilität. Denn die Stärke der Facharbeiter ist auch ihre Flexibilität – und diese soll durch IT nicht eingeschränkt, sondern unterstützt werden. Ein drittes wichtiges Anliegen in dem Projekt ist die gemeinsame Entwicklung mit den Arbeitern. All diese Punkte seien auch die wesentlichen Aspekte der Mensch-Computer-Interaktion, führte Koch aus.
Prof. Dr. Svenja Falk von der Universität Gießen fasste anschließend die aktuelle Diskussion zur Zukunft der Arbeit zusammen. Modellbasierte Einschätzungen gehen meist davon aus, dass nach und nach immer mehr Beschäftigte abgebaut werden, je nachdem, welche Rollen und Kompetenz sie haben. Die beiden britischen Wissenschaftler Osborne und Frey etwa schätzen, dass 47 Prozent der Jobs in den USA automatisierbar seien.
Diese Analysen vernachlässigen aber, dass Facharbeiter sich Technologie aneignen können und daraus auch neue Jobprofile entstehen können. Aktuell können wir davon ausgehen, dass sich bestehende Jobprofile an der Schnittstelle Mensch und Maschine am meisten verändern werden. Deshalb müssen sich alle Akteure gemeinsam anstrengen.
Prof. Dr. Susanne Boll von der Universität Oldenburg knüpfte an diese Einschätzung an, dass die Digitalisierung und Automatisierung die Arbeitswelten verändern, aber nicht unbedingt zu weniger Arbeitsplätzen führen wird. Sie zeigte auf, dass die Mensch-Technik-Interaktion eine wichtige Rolle spielt, um diese neuen Arbeitswelten mitzugestalten. Durch innovative und interaktive Systeme können Menschen und Technik so miteinander kooperieren, dass die Stärken der menschlichen Arbeit von den automatisierten Systemen ergänzt werden.
Dadurch können die Arbeitnehmer auch komplexe Systeme beherrschen, um zum Beispiel ein Schiff sicher durch die dicht befahrene deutsche Bucht zu navigieren. Neue Technologie könne eingesetzt werden, um belastende Tätigkeiten etwa in der Pflege zu unterstützen und wieder mehr Raum für die menschlichen Stärken in der Pflege zu ermöglichen. Es wird immer wichtiger werden, technische Systeme zu schaffen, in denen sich die Arbeitnehmer mit den Technologien weiterentwickeln können und so wichtige Fähigkeiten und Kompetenzen für die Arbeitswelt erhalten werden.
Danach referierte Prof. Dr. Volker Wulf von der Universität Siegen über „Arbeitsgestaltung als Herausforderung von Industrie 4.0“. Er berichtete über Erfahrungen aus der Region Südwestfalen, in der es die dritthöchste Dichte von produzierenden Mittelständlern im bundesweiten Vergleich gibt. Dort sei der Stand der IT-Entwicklung und der Bedarfe sehr differenziert. Oft gebe es in den kleinen und mittleren Betrieben aber keine eigene IT-Abteilung. Deshalb wurde im Oktober 2017 das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen eröffnet, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird und genau solche Firmen bei der Digitalisierung unterstützt.
Wulf stellte Fallstudien zum Thema vor. In einer ging es etwa darum, wie das Rüsten an Biegemaschinen unterstützt werden kann. Die Qualitätskontrolle finde in dem Bereich häufig durch Augenmaß statt und das Rüsten der Biegemaschinen beruhe meist auf Erfahrungswissen. Um die Arbeitspraxis der erfahrenen Facharbeiter zu verstehen, seien ihnen Augmented-Reality-Brillen aufgesetzt worden. Damit habe man nachvollziehen können, was ein Facharbeiter wann macht. Danach sei ein Prototyp entwickelt worden, mit dem unerfahrene Facharbeiter diese Informationen passend zur jeweiligen Rüstsituation angezeigt bekommen.
Auf dem Podium wurde Prof. Dr. Eckehard F. Moritz von der Innovationsmanufaktur München, deutlich. Seine zentrale These war, dass die Arbeitswelten der Zukunft daran angepasst werden müssen, wie Menschen in Zukunft leben wollen, welche Rolle Arbeit dabei spielt und wie diese organisiert werden sollte. In der nahen Zukunft sollte überlegt werden, wie ein drohender Kompetenzverlust des Menschen ausgeglichen werden kann. Also wie zum Beispiel beim autonomen Fahren zumindest in einer Übergangszeit auch Systeme angeboten werden, mit denen der Mensch in Notsituationen selbst die Kontrolle übernehmen kann. Abschließend wies Moritz noch darauf hin, dass eine weitgehende Automatisierung von Arbeit unbedingt mit Diskursen darüber einhergehen muss, wer denn von den Effizienzgewinnen profitiert, wie diese also verteilt werden.
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