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Publicly Available Published by De Gruyter April 9, 2021

Doval, Irene; Liste Lamas, Elsa (Hrsg.): Germanistik im Umbruch – Linguistik, Übersetzung und DaF. Berlin: Frank & Timme, 2019 (Germanistik International, 7). – ISBN 978-3-7329-0327-6. 192 Seiten, € 39,80.

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Rezensierte Publikation:

Doval, Irene; Liste Lamas, Elsa (Hrsg.): Germanistik im Umbruch – Linguistik, Übersetzung und DaF. Berlin: Frank & Timme, 2019 (Germanistik International, 7). – ISBN 978-3-7329-0327-6. 192 Seiten, € 39,80.


Der hier besprochene Sammelband Germanistik im Umbruch – Linguistik, Übersetzung und DaF von Irene Doval und Elsa Liste Lamas widmet sich hochaktuellen, teilweise noch zu wenig erforschten Fragen der germanistischen Linguistik, der Übersetzungswissenschaft und der DaF-Didaktik. Das Buch setzt sich aus drei Teilen zusammen, die die Ergebnisse der internationalen Konferenz „Umbrüche gestalten: Germanistik in bewegter Zeit“ dokumentieren, die vom 13.–16.09.2017 an der Philologischen Fakultät der Universität Santiago de Compostela stattfand.

Der erste Teil Lexikografie, Lexikologie, Semantik und Syntax des Deutschen umfasst sieben Beiträge, in denen ein breites Spektrum von lexikografischen, lexikologisch-semantischen und syntaktischen Phänomenen behandelt wird. In dem diesen Teil einleitenden Beitrag „Herausforderungen eines innovativen lexikografischen Projekts zu Besonderheiten des gesprochenen Deutsch in der Interaktion“ verweisen Meike Meliss und Christine Möhrs auf neue Perspektiven für lexikografische Arbeiten und stellen die sowohl methodologischen als auch wissenschaftlichen Herausforderungen des Projekts LeGeDe (Lexik des Gesprochenen Deutsch) vor, das darauf abzielt, ein innovatives, korpusbasiertes Wörterbuch zur Lexik des gesprochenen Deutsch in unterschiedlichen Interaktionstypen zu erstellen. Die Autorinnen beleuchten die Mikrostruktur des Wörterbuches und entwickeln ein Tool für die Gewinnung quantitativer Informationen. Im Fokus des Beitrags „Abwertende personengruppenbezogene Bezeichnungen (slurs): Semantische Verschiebungen im Deutschen als Zeichen sozialer und kultureller Veränderungen“ von Sabine Geck stehen „slurs“, d. h. Begriffe, mit denen Menschen wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit beleidigt werden. Untersucht werden die Semantik und verschiedene Möglichkeiten der Bedeutungsverschiebungen von „slurs“ aus dem Deutschen, Spanischen und Englischen. Hervorhebung verdient das von der Autorin entwickelte Modell zur semantischen Beschreibung von „slurs“ nach dem Ansatz der Natural Semantic Metalanguage. Ulrike Oster führt in ihrem Beitrag „Vier Jahrhunderte Wut. Entwicklung eines vielschichtigen Emotionsworts“ eine breit angelegte, quantitative und qualitative Untersuchung des deutschen Emotionswortes Wut durch, um die in diesem Bereich sichtbaren Veränderungen seit dem 17. Jahrhundert bis heute zu identifizieren sowie die Verlässlichkeit der ermittelten Trends und mögliche Hintergründe dieser Verän„derungen kennenzulernen. Im Beitrag „Besonderheiten des medizinischen Vokabulars fremden Ursprungs und sein Transfer in den deutschsprachigen Fachzeitschriften“ geht Ewa Maria Majewska auf die morphologischen und orthographischen Hauptmerkmale des medizinischen Fachwortschatzes fremder „Herkunft ein. Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen darüber, wie medizinische Angaben durch Lehnwörter in deutschsprachigen medizinischen Fachzeitschriftenartikeln überliefert und auf welche Art und Weise die Fachbegriffe fremden Ursprungs an das Deutsche angepasst werden. Herbert J. Holzinger fokussiert in seinem Beitrag „In Zukunft vs. in der Zukunft. Ein korpusbasierter Vergleich von Verwendungsweisen, Musterbildung und Festigkeit“ auf Strukturen des Typs [Präposition + Substantiv] und [Präposition + Artikel + Substantiv]. Im Mittelpunkt der Studie stehen Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Gebrauch, in der Musterbildung und in der internen Festigkeit der beiden Wortverbindungen. Ziel des nächsten Beitrags „Viel mehr als nur zu zweit! Korpusgesteuerte Beschreibung des Musters [für + ADJ + Stunden zu zweit]“ von Nely M. Iglesias Iglesias und Alejandro Alonso Santos ist es, usuelle temporale Präposition-Nomen-Verbindungen empirisch zu erschließen. Diese Konstruktionen sind als ein konventionalisiertes, holistisches Form-Bedeutungspaar zu betrachten, das in hohem Maße durch seine Textsortenspezifik und Kontextgebundenheit geprägt wird. Die Autoren zeigen die Möglichkeiten auf, wie solche Wortverbindungsmuster lexikografisch behandelt werden können. Ireneusz Gaworski analysiert in seinem Beitrag „Zur emotionalisierenden Wirkung der Verb-Erst-Nachfeldbesetzung in der Sprache der protestantischen Leichenpredigten“ Imperativsätze und rhetorische Fragesätze im späten Frühneuhochdeutschen und im frühen Neuhochdeutschen, um die Funktion der Nachfeldbesetzung in Verb-Erst-Strukturen zu beschreiben. Beachtenswert ist, dass darunter eine stets fakultative, syntaktische Struktur zu verstehen ist, die „trotz Sprachwandelprozessen im Vergleich zu den ältesten schriftlich belegten Entwicklungsstufen des Deutschen [...] im Sprachgebrauch bis heute präsent ist“ (77).

Im zweiten Teil Kontrastive Linguistik und Übersetzung sind vier Beiträge enthalten, in denen Übersetzungsstrategien, Konstruktionen und Wortbildungsmechanismen aus mehrsprachiger und/oder kontrastiver Sicht untersucht werden. Diesen Teil eröffnet der Beitrag „Fremdheit oder Befremdlichkeit? Anredeformen in dem Roman La sombra del viento von Carlos Ruiz Zafón und seinen Übersetzungen ins Deutsche, Italienische und Englische“, in dem sich Christiane Nord mit der Übersetzung von Anredeformen in literarischen Texten befasst. Diese gelten als ein Forschungsbereich, der in Grammatiken und Stilistiken bisher kaum erforscht wurde. Von besonderer Bedeutung sind aber vor allem die Befunde dazu, wie die Strategien der Verfremdung, der Adaptation und der Neutralisierung bei diesem Prozess sprachlich kodiert werden und sich auf die Rezeption des übersetzten Werkes auswirken können. Ana Mansilla Pérez thematisiert in ihrem Beitrag „Schematisierung im Deutschen und im Spanischen: Das idiomatische Satzmuster [Du kannst mich + INF] aus konstruktionsgrammatischer Sicht“ den Gebrauch der Konstruktion zum Ausdruck von Sprechakten des Ablehnens, Zurückweisens und Kritisierens. Die gewonnenen Ergebnisse verdeutlichen, inwieweit die Konstruktionsgrammatik zur holistischen Beschreibung und Analyse der deutschen und spanischen Grammatik dienen kann. Irene Szumlakowski Morodo beschreibt in ihrem Beitrag „Redundanz in der Beschreibung von Fortbewegung in der vertikalen Achse im Deutschen und im Spanischen“, auf welche Art und Weise spanische vektorielle Verben im Deutschen wiedergegeben werden und inwieweit Fortbewegungsbeschreibungen mit doppelter Richtungsbestimmung im Deutschen und im Spanischen als redundant zu deuten sind. „Neue sprachliche Abkürzungen als eine der Folgen der Welt- und Sprachdigitalisierung am Beispiel des Polnischen, Deutschen und Schwedischen“ ist das Thema des Beitrags von Ewa Wojaczek. Die Autorin bespricht unterschiedliche Funktionen von Abkürzungen und schlägt ihre neuartige Typologie vor, die durch Beispiele aus der polnischen, deutschen und schwedischen Sprache veranschaulicht wird. Außerdem werden Abkürzungen von Anrede-, Gruß- und Abschiedsformeln sowie von emotiven Gefühlslagen und geografischen Orten einer eingehenden Analyse unterzogen, die in den stark verbreiteten schriftlichen Textsorten wie E-Mails und SMS vorkommen.

Der dritte und letzte Teil DaF-Didaktik beinhaltet sechs Aufsätze, die sich auf die Didaktik des Deutschen und die Germanistik im spanischen Kontext beziehen. Irene Doval und Elsa Liste Lamas konzentrieren sich in ihrem Beitrag „Vorschläge zum Einsatz von Parallelkorpora im DaF-Unterricht“ auf die Arbeitsmöglichkeiten mit dem Parallelkorpus PaGeS (Parallel Corpus German/Spanish) und stellen praktische Anleitungen und Anregungen für dessen Anwendung im fortgeschrittenen DaF-Unterricht vor. Das Einsatzpotenzial dieses Korpus wird exemplarisch anhand von zwei Aufgaben zur deutschen Grammatik und zum Wortschatz illustriert. Im Beitrag „Typische Sprachstrukturen im DaF-Unterricht: Adverbien, trennbare Verbpartikeln und Richtungsadverbien“ plädiert Roswitha Althoff für einen früheren und expliziten Einsatz von adverbialen Strukturen im DaF-Unterricht für spanische Muttersprachler und Muttersprachlerinnen. Untersucht wird, ob deutsche Adverbien und adverbiale Elemente wie Modaladverbien, Verbpartikeln oder andere unveränderbare Partikeln wie Richtungsadverbien als alternative Übersetzungsmöglichkeiten für spanische Verben verwendet werden können. Begoña Velasco Arranz präsentiert in ihrem Beitrag „Ausarbeitung eines Tools zur Analyse und Bewertung von Software für das Erlernen der deutschen Sprache in heterogenen Gruppen von Lernenden“ das Konzept der Heterogenität im DaF-Unterricht und schlägt ein innovatives Tool zur Bewertung der Adäquatheit digitaler Inhalte und Materialien vor, das sich insbesondere für gemischte Gruppen von Lernenden eignet. In dem Beitrag „Die Sprachen in der Sprache und über die Sprache: korpusgestützte Förderung von fachgerechten Diskursfähigkeiten am Beispiel der deutschen Sprachgeschichte“ von Mireia Calvet Creizet werden die Lehre und das Studium der deutschen Sprachgeschichte im Kontext der Bologna-Hochschulreform beschrieben. Die Autorin reflektiert mehrere Umbrüche im Zuge dieser Reform und zeigt anhand eines konkreten Didaktisierungsbeispiels zur Arbeit mit diachronen Daten auf, wie man mit solchen Umbruchsituationen im Unterricht umgehen kann. Marta Panadés Guerrero beschäftigt sich in ihrem Beitrag „Sich beschweren als expressiver Sprechakt in professionellen Umgebungen: emotionale Werte im Kommunikationsstil didaktisierter Beschwerden Spanisch/Deutsch“ damit, wie der Sprechakt des Beschwerens in Lehrwerken für Wirtschaftsdeutsch und -spanisch behandelt wird. Im Fokus stehen die Struktur und die für diesen Sprechakt charakteristischen kommunikativen Strategien und Sprachmittel, was die Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Kommunikationsstilen beider Sprachen ermitteln lässt. Mit dem Beitrag „Kiezdeutsch und seine Einführung in den DaF-Unterricht“ von María Mar Soliño Pazó und Amador García Tercero wird der Sammelband abgerundet. Die Autoren erfassen grundlegende Merkmale des Kiezdeutschen, einer relativ neuen deutschen sprachlichen, urbanen Varietät, die in den Medien verbreitet und besonders von Jugendlichen mit Migrationshintergrund verwendet wird. Von hohem didaktischem Wert sind die Ausführungen darüber, welche Vorteile die Einbeziehung dieser Varietät in den DaF-Unterricht mit sich bringt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die im besprochenen Band versammelten Beiträge aufschlussreiche Erkenntnisse liefern, die neue Sichtweisen auf die moderne Germanistik im Bereich der Sprachwissenschaft, Sprachdidaktik und Translationswissenschaft aus kontrastiver Perspektive eröffnen. Die Autorinnen und Autoren aus Spanien, Deutschland, Polen und der Schweiz setzen sich mit unterschiedlichen theoretischen und methodologischen Ansätzen vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung, Digitalisierung und Mehrsprachigkeit auseinander und geben somit zahlreiche wertvolle Anregungen für anschlussfähige Forschungen in der germanistischen Sprach- und Literaturwissenschaft.

Online erschienen: 2021-04-09
Erschienen im Druck: 2021-04-01

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 20.3.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/infodaf-2021-0021/html
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