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Publicly Available Published by De Gruyter Saur October 31, 2015

Buchbesprechung

Eine Rezension und eine Liste von Büchern, die ähnlich dem rezensierten Werk über Google als Unternehmen im Lauf der Jahre veröffentlicht wurden (Quelle: KVK)

  • Constantin Cazan EMAIL logo

Google Inside. Wie Google denkt, arbeitet und unser Leben verändert. Steven Levy. Übersetzung aus dem Amerikanischen von Gerhard Franke. Heidelberg: mitp.de, 2012. 539 Seiten (mit Quellen und Index). ISBN: 978-3-8266-9243-7; 24,95 Euro.

Es lag schon eine Weile herum, dieses Buch mit dem anziehenden Titel, das einen, der Google seit frühester Zeit genützt hatte, von Altavista, Northern light und Inktomi kommend und der sich als Retrievalspezialist nicht nur intensiver mit der Google-Suche befasst und Seminare dazu abgehalten hatte, reizte, das zu studieren. Allein knapp 500 Text Seiten führten dann doch dazu, dass es lange Zeit liegen blieb. Mittlerweile ist es in den Zeitdimensionen des Internet fast als historisch anzusehen – ohne deswegen an Aktualität zu verlieren[1]; erschien doch das englische Original 2011 unter dem Titel, „In the Plex. How Google thinks, works and shapes our lives.“.[2]

Steven Levy ist ein gut geeigneter Guide für dieses Thema. Lange Jahre hat er als Technologie-Kolumnist der amerikanischen Zeitschrift Newsweek seit dem ersten Erscheinen von Google die Entwicklung begleitet. Dazu ergaben sich im Lauf der Jahre zahlreiche persönliche Kontakte und Verbindungen mit dem Unternehmen, vielen Mitarbeitern, den Gründern, der Führungstroika. „Persönliche“ ist kursiv gesetzt, denn Google ist vor allem einmal Larry Page, der – wie man später im Buch erfährt – alles möglichst für sich behält; übrigens eine wichtige Lektion dieses Buches, das sich auch „Larry Page inside“ betiteln ließe. Ohne beste persönliche Beziehungen ginge da wohl gar nichts oder deutlich weniger. Irgendwie scheint das Buch auch für Google eine Art „Risiko-Projekt“ gewesen zu sein, inwieweit Google Inc. (Larry Page notabene) sich da in die Karten schauen lassen möchte – vielleicht aber auch das kalkulierte Risiko mit einem Fan von Google (s. später) vielleicht einem Google affineren Publikum zu kommunizieren, dass Google nicht böse ist. Dazu hat Steven Levy Bücher über Apple und die Hacker-Szene verfasst. Zur Zeit des Erscheinens des Buches war Steven Levy Redakteur von Wired.

Das Buch gliedert sich in einen Prolog, sieben Teile und einen Epilog, Quellen (an sich eine große Sammlung von Anmerkungen, die sich über den Text verteilen) und einen mäßig guten Index. Da das Buch sehr detailreich ist, muss die Rezension zwangsläufig eine Auswahl treffen und beschränkt sich auf den aus Sicht des Rezensenten wichtigsten Inhalt, wohl wissen ob der Subjektivität. Gleichzeitig sei damit auch schon eine erste kritische Anmerkung gemacht: ob des Detailreichtums in den einzelnen Teilen fällt es etwas schwer, jeweils einen roten Faden auszumachen.

Als ich das Buch zu lesen begann, war von meiner Ausgangslage als Retrievalspezialist der erste Teil „Die Welt aus der Sicht von Google: Biografie einer Suchmaschine“ das, was mich rasch fesselte, als es die Wurzeln der Entwicklung der Suchmaschine und die Entstehung des Unternehmens beschreibt. Da geht es natürlich vor allem um die Geschichte und die Disziplin des Text-Retrievals, den Einstieg von Sergey Brin und Larry Page in dieses Thema. Es ist aber auch eine Art biographisch historisches Lexikon dieser Szene, die es ermöglicht, wie ein Amazon-Rezensent schreibt, jene Leute namentlich zu identifizieren, die die Suchmaschine Google neben Page und Brin entwickelt haben. Denn schon gleich nach dem allerersten Code-Entwurf der Suchmaschine von Larry Page, der „nicht gerade ein überragender Programmierer war“ (Zitat, S.26), in dem damals noch recht neuen Java, übernahm ein befreundeter Forschungsassistent in Stanford, Scott Hassan, das Programmieren. Nachdem dieser erfolglos versucht hatte, die Fehler zu beheben, schrieb er das ganze Programm neu in Python. Später, als dann das Unternehmen Google gegründet wurde und klar wurde, dass man für das absehbare exponentielle Wachstum deutlich mehr Leistung und Robustheit benötigen würde, wurde auch diese Version von den damals gerade neu angestellten und besten Leuten wieder vollkommen neu geschrieben.

Die amerikanischen Erfolgsgeschichten von Unternehmen des Typs „Microsoft Garage“ [ja auch Google bezog anfangs eine Garage] sind bekannt und trotzdem ist die Google Story eine noch etwas andere. Es fasziniert, wie ein kleines Start-up von Anfang an Schritte macht mit dem unbedingten Willen, im Bereich Web Retrieval etwas Besonderes zu erreichen. Ohne zu technisch zu werden, dazu gibt es sicher bessere Texte, wird gezeigt wie Google – stark durch seine Gründer geprägt, aber auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die echt etwas drauf hatten, – tickt und sich dieses Google zum Platzhirsch unter den Suchmaschinen entwickelt. Im Grunde ein strategisch organisatorisches Lehrstück aus dem Bereich „Human Resources“, das sich durch das ganze Buch zieht.

Der zweite Teil mit dem Titel „Googlenomics. Das Geheimnis des Internet-Profits“ war für mich ziemliches Neuland: Natürlich hatte ich wie viele andere über die Jahre mitbekommen, dass da ein effizientes Geschäftsmodell der Internet-Werbung entstanden war, rund um kontextsensitive Werbung, bezahlte Links und das sich daraus entwickelnde SEO Business; aber die dahinter stehende Ideengeschichte zu Adwords, Adsense, Google Analytics, wie das genau entstand und funktioniert und insbesondere die Bedeutung für das Geschäftsmodell von Google Inc. habe ich erst jetzt begriffen. Das hat meine Sicht auf Google doch wesentlich verändert.

Es ist wie bei allen Unternehmen: Letztlich braucht jedes Unternehmen, jede Organisation, die erfolgreich sein will eine „cash-cow“. Irgendwo muss das Geld her kommen, um etwa Entwicklung und besondere Produkte erst möglich zu machen. Das ist immer die Nagelprobe und im Fall von Google eine besondere Herausforderung gewesen, an der lange mit hohem Einsatz gearbeitet und getüftelt wurde: Am Ende hatte man den Werbemarkt aber vollständig verändert (sic). Ich hatte seit den ersten deutlicheren Anzeichen der Personalisierung der Suchmaschine und der Einführung von Google+ zunehmend das Gefühl, dass die Suchmaschine an Qualität einbüßt, schlechter wird und bedauerte diese Entwicklung insofern, als ich nicht ganz verstand, warum diese zentrale Qualität von Google aufgegeben wird. Jetzt ist mir zunehmend klarer, dass die Ziele woanders liegen oder sich mit den Jahren deutlich verschieben. Die meisten Info-Profis sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind bei Google wohl auf das Thema Suche fokussiert und erwarten ein möglichst umfassendes und präzises Instrument zur Informationsbeschaffung. Das Unternehmen Google scheint aber mittlerweile mit der Suchmaschine viel stärker auf das Werbe-Geschäft fokussiert zu sein, das die eigentliche Geldquelle für alles andere bildet. Es erscheint logisch, dass man nicht beide Ziele zur Deckung bringen kann, zumal die Suchmaschine längst nicht mehr der einzige Kanal der Informationsbeschaffung für den globalen Datensammler ist.

Fast alle in diesem Buch behandelten Personen haben einen US-amerikanischen Pass und behandelt wird ein US-amerikanisches Unternehmen: Das bedeutet – und das ist gerade aus europäischer/deutschsprachiger Sicht wichtig – bewusst wahrzunehmen, dass Ideen grundsätzlich und egal in welchem Umfeld diese entstehen unternehmerisch gelöst und verwirklicht werden. Da geht es nicht um Förderungen oder Versuche, vielleicht im Dunstkreis mit staatlicher oder EU-Hilfe Unterstützung zu bekommen, sondern sobald man es mit Bordmitteln so weit wie nur denkbar gebracht hat, schaut man sich nach Risikokapital um bzw. wird angesprochen und setzt dann alles daran, um so rasch wie möglich Geld zu verdienen oder noch potentere Risikobeteiligungen zu erreichen und an die Börse zu kommen. Unter Umständen verkauft man das eigene Unternehmen auch, um als Millionär auszusteigen oder unter dem Mantel eines größeren Unternehmens weiterzumachen. Das ist eine weitgehend andere Denke als sie vielleicht hierzulande in unserer Szene verbreitet ist, in der es natürlich auch erfolgreiche Start-ups gibt. Die US-amerikanische Unternehmerkultur ist jedoch eine erkennbar andere, wie an verschiedenen Stellen deutlich wird. Das ist wesentlich zu berücksichtigen, wenn man Unternehmen wie Google verstehen will.

Wer sich eingehender mit Google beschäftigte erfuhr früher oder später, dass Google in der einen oder anderen Art ein Unternehmen mit recht eigener Unternehmenskultur ist, womit sich der dritte Teil des Buches unter der Überschrift „Sei nicht böse: Wie die Google Kultur entstand“ beschäftigt. Sei es, dass man hörte, dass da alle möglichen Spiel- und Sportgeräte in den Büros herumstünden, sei es, dass man vielleicht hörte, dass den Beschäftigten ein gewisses Zeitpensum für eigene Ideenverwirklichung zugestanden wurde, sei es, dass man das Unternehmensmotto, „Don’t be evil“ mitbekommen hatte; jedenfalls erwies sich Google schon bald als irgendwie besonders. Nicht nur in den informatischen Berufsgruppen entwickelte sich Google bald zu einem wahren Magnet als attraktiver Arbeitgeber, um den sich zig-tausende mit der Zeit bemühten, aber auf außergewöhnliche und weit überdurchschnittliche Anforderungen stießen. Hatte man diese sehr hohen Hürden und die persönliche Prüfung durch Larry Page persönlich bestanden, landete man in einer Art beruflichem Paradies, in dem nicht nur sehr liberale und Ideen fördernde Arbeitsbedingungen gegeben waren, sondern rundherum alles in hoher Qualität und Vollständigkeit organisiert wurde, um ein möglichst unbelastetes Arbeiten zu gewährleisten. Heute erstreckt sich das Hauptquartier von Google nahe seinem Ursprung, der Stanford University, auf einem riesigen Areal, das mittlerweile zahlreiche Gebäudeblöcke und Straßenzüge umfasst; quasi eine eigene kleine Stadt mit eigener Infrastruktur. Wer Glück hatte und schon früh dazu gestoßen war, fand sich plötzlich auf Grund von verteilten Aktienanteilen zusätzlich als (Multi)Millionär wieder. Diese Unternehmenskultur hat genuin mit den beiden Gründern Sergej Brin und Larry Page zu tun, die stark von ihrer Montessori Erziehung/Schule und dem universitären Stanford-Umfeld geprägt wurden. Diese Prägung hat allerdings auch ihre Schattenseiten, insbesondere was die Anerkennung oder den Respekt vor Strukturen, Randbedingungen oder anderen Gegebenheiten betrifft, denen Sie grundsätzlich alles hinterfragend und quasi respektlos gegenübertreten und einfach nach ihrem Gutdünken und ihrer Überzeugung handeln: Das kann super, toll sein, siehe Suchmaschine, kann aber auch furchtbar viel Ärger machen, siehe Google Books (Copyright) oder bei dem IPO mit sehr eigenen Vorstellungen wie das laufen soll oder sogar beängstigend werden, siehe Google Streetview oder GPS mapping via Android oder die kürzliche Übernahme eines Unternehmens das militärische Roboter entwickelt. Man wird sich zunehmend unsicher ob der Bedeutung des Unternehmensmottos. Anmerkung der Redaktion: Inzwischen hat Google die Umwandlung zum neuen Mutterkonzern Alphabet vollzogen. Im Verhaltenskodex für Mitarbeiter heißt es jetzt „do the right things“. Das Motto der neuen Tochtergesellchaft Google lautet weiterhin „don’t be evil“. Es gibt noch einen sehr wichtigen Personal bezogenen Aspekt bei Google, der viel mit dem besonderen Erfolg von Google Inc. zu tun hat und auf den Steven Levy an verschiedenen Stellen Bezug nimmt, den ich aber hier nicht erwähnen will. Das ist ja keine Inhaltsangabe und nicht alles möchte ich verraten ;-).

Im Teil 4 „Google Wolke ... “ widmet sich Steven Levy wieder mehr technischen Aspekten, die wiederum interessant und packend zeigen, was den Erfolg von Google ausmacht: Wenn man etwas benötigt oder auf ein Problem stößt oder eine Idee hat, dann wird das Problem nicht nur hinreichend gelöst, sondern quasi revolutioniert. Am Ende der Entwicklung gibt es dann nicht nur ein neues Produkt oder einen neuen Service, sondern die Welt in diesem Bereich wird gleichzeitig stark verändert. Es gelingt dem Autor und vielleicht ist es auch dem deutschen Übersetzer geschuldet, gut diesen absoluten Willen und Einsatz verständlich zu machen. So ist für die Gründer Geschwindigkeit ein ganz zentraler Bestandteil ihrer Sicht auf die Werkzeuge, die sie herstellen und hat sehr hohe Priorität. Wer sich diesem Problem z. B. schon beim eigenen PC stellt, kann sich ausmalen, welche Komplexität sich hier entwickelt mit zigtausenden Servern, Petabyte von Daten und weltumspannenden Leitungen eines global arbeitenden Unternehmens. Dem Autor gelingt es immer wieder den Lesern die Stimmung und die Strategie innerhalb von Google und der beteiligten Personen zu vermitteln, wenn es notwendig wird Dinge, die die Weiterentwicklung behindern grundlegend zu lösen: „Mein Job bestand darin, ins Auto oder ein Flugzeug zu springen und Datenzentren aufzutreiben“ (Zitat, S.234).

Google hat mittlerweile sehr viele Bereiche erfasst, unter denen die Themen Telefonie und Video je für sich genommen locker eigene Unternehmen ausfüllen könnten. Es ist bemerkenswert, im Teil 5 „Jenseits der eigenen Gefilde...“ zu lesen, wie früh Google sowohl am Telefongeschäft wie an einem eigenen Videoportal arbeitete. Da finden sich interessante Einblicke in den Wettbewerb, der sich erst nach und nach – man kannte sich ja z. T. sehr gut und arbeitete auch fallweise zusammen – zwischen Google und Apple auftat (Zitat: „Apple hat sich nicht in das Suchgeschäft begeben, warum mischt sich also Google in das Telefongeschäft ein?“ S.290) oder [später im Buch, Seite 360] zwischen Google und Microsoft.

Mit diesem Kapitel entwickelt Levy gleichzeitig einen neuen Aspekt zum Unternehmen Google, der sich dann bis zum Ende des Buches im Epilog ziehen wird: Keine Erfolgsstory ist endlos und irgendwann zeigen sich bei jedem Unternehmen und jedem Projekt Erosionserscheinungen. Gleichzeitig entstehen neue Unternehmen mit vergleichbaren Geschäftsmodellen, die weil sie neu und im Wachsen sind, attraktiver wirken. Mark Zuckerbergs Facebook beginnt bald Leute von Google abzuziehen bis in die höchsten Managementebenen (Sheryl Sandberg, die Adwords Managerin, ist heute leitende Geschäftsführerin von Facebook). Zitat: „Alle gingen mit großem Respekt und Dankbarkeit, meinten aber, anderswo würden aufregendere Herausforderungen auf sie warten (S.332)“. Zwischenzeitlich so um 2004 bis 2007 ist Google längst groß und finanzstark genug, um neue Ideen oder neues Know-how einzukaufen. Trotz des „brain-drain“ kommen Picasa, Google Earth oder es wird 2007 ein Unternehmen namens Postini für 625 Millionen Dollar gekauft, das sich mit der Spam-Bekämpfung von E-Mails befasst. Ab nun wird Google fast jedes Jahr so um die zehn Unternehmen kaufen, ohne dass man den Eindruck hat, dass das Eigenkapital weniger wird... .

Aber auch ein Unternehmen wie Google, mit sehr großen Ressourcen an Geld und Intelligenz stößt mitunter an unüberwindbare Grenzen, die sich schlicht und einfach in Form einer Weltmacht stellen. Im Teil 6 „GuGe. Googles moralisches Dilemma“ dokumentiert Steven Levy den Versuch Googles ein Tochter-Unternehmen mit der ihm eigenen Kultur und seiner Suchmaschine in China unter dem Namen GuGe zu etablieren. Mögen die Randbedingungen auch noch so schwierig sein, riskieren möchte man das doch allemal – aber letzten Endes scheitert das Projekt und Google zieht sich aus China wieder zurück. Dieser Rückzug ist nicht unumstritten in der damaligen Führung von Google, aber Steven Levy gelingt es, den Ablauf darzustellen und warum Google letztlich aufgibt, aufgeben muss.

Dieser Rückzug war natürlich unangenehm für alle Beteiligten, aber Google ist 2010 ein riesiges weltweit operierendes Unternehmen mit damals über 50 Tausend Beschäftigten (heute ca. 70 Tsd.), zahlreichen Geschäftsfeldern und Projekten, das hier wohl eher erleichtert als belastet aussteigt, wie sich aus der Darstellung ergibt.

Der siebente und letzte Teil thematisiert unter dem Titel „Google.gov. Ist das, was für Google gut ist, auch gut für die Regierung und die Öffentlichkeit“ Google im eigenen Land. Obwohl der Titel etwas irreführend auf die Interaktion zwischen dem riesigen Internet-Unternehmen und der US-amerikanischen Politik – insbesondere der zur Zeit vor dem Erscheinen des Buches aktuellen neuen Präsidentschaft von Barack Obama und die damit verbundenen Hoffnungen einer vermehrten Unterstützung – verweist, wird in diesem Kapitel das gerade für Bibliotheken hoch relevante Thema Google Books ausführlich dargestellt und entwickelt. Gleichzeitig wird dargestellt wie das Unternehmen Google durch den schon angesprochenen Typus der Gründer zunehmend an vielen Strukturen des gesamten Informationsbereichs anstreift, aneckt, was zahlreiche Auseinandersetzungen mit sich bringt. Andererseits wird gut dargestellt, dass ein so großes Unternehmen, mit so vielen Ressourcen unter den Bedingungen der westlichen Welt durch Beschäftigung von Lobbyisten, zahllosen Rechtsanwältinnen und ‑anwälten sich durchaus auch zur Wehr setzen kann, um seine Interessen durchzusetzen; gleichzeitig aber auch Grenzen zur Kenntnis nehmen muss – vorderhand.

Der Epilog nimmt zuerst noch einmal das Thema Facebook auf und den Umstand, dass Google sich in einigen Bereichen in der neuen Rolle das Nachahmers wieder findet, und stellt die Schwierigkeiten dar, die Google mit Produkten des Social Web hat, die nicht so recht funktionieren. Aber es gab damals auch noch andere Probleme: Obwohl Bing klar und weit hinter Google als Suchmaschine rangierte, hatte Microsoft für das Erscheinungsbild und die Darstellung von Inhalten etwa im Videosegment eine Reihe von Neuerungen entwickelt, die plötzlich Google etwas alt aussehen ließ, was gehörigen Stress und Hektik auslöste. Auch wenn sich die Verhältnisse nicht umkehrten, zeigte dies immerhin, dass auch Google leicht einmal ins Hintertreffen geraten kann. Gleichzeitig geriet Google durch Streetview und einige Pannen bei anderen Projekten in mehrere gesellschaftliche Konflikte, die sich sogar in einer Demonstration vor dem Google-Gebäude manifestierten, womit Levy deutlich macht, dass Google zu Zeiten des Redaktionsschlusses seines Buches Anfang 2011 zwar ein riesiges, hochprofitables Unternehmen ist und nach wie vor ununterbrochen viele Innovationen hervorbringt und ständig neue Märkte öffnet, um seine zentrale Macht der globalen und unbeschränkten Informationsgewinnung weiter auszubauen, dass aber auch die Konfliktfelder wachsen und die Zahl der Fehleinschätzungen hinsichtlich der öffentlichen oder staatlichen Akzeptanz weltweit zunehmen.

Steven Levy ist ein Fan, vielleicht sogar ein Freund von Google, kein Kritiker. Dies hat wahrscheinlich dieses Buch überhaupt erst ermöglicht und damit die zum Teil sehr detailreiche Darstellung erbracht. Zugegeben, das Thema ließe sich vielleicht kürzer und straffer darstellen, aber erst die Vielzahl der Details ermöglicht mit zunehmendem Fortschreiten durch das Buch einen breiten und vielfältigen Eindruck, wie Google arbeitet und funktioniert.

Unangenehm ist die auch in anderen Rezensionen angesprochene fehlende zeitliche Struktur mit vielen Überschneidungen: Der Gliederung in sieben thematische Teilthemen fehlt wesentlich ein Art Zeitstrang über die Entwicklung vom Beginn 1997/98 bis 2010/11.

Die auf 21 Seiten zusammengefassten Anmerkungen, die viel Material und Detailinformationen behandeln, leiden einerseits unter den kleinen Anmerkungsziffern im Text, die man schnell mal übersieht, umgekehrt ist es unmöglich diese Anmerkungen gesondert zu studieren, weil die korrespondierenden Seiten nicht angegeben sind.

Im amerikanischen Original sind die Seiten bei den Anmerkungen angegeben – in der dem Rezensenten vorliegenden Ausgabe fehlen aber Verweise im Text.

[... und kaum ein Leser wird sich wohl die Mühe machen, wie der Rezensent alle Anmerkungsnummern farblich zu markieren und dann noch die korrespondierenden Seiten bei den Anmerkungen zu notieren. Will man aber den bestmöglichen Gewinn aus diesem Buch ziehen, oder zu Zwecken der Lehre etwa oder anderer Google bezogenen Projekte, wird man möglicherweise nicht um den Aufwand zumindest Kapitel oder abschnittsweise herumkommen.]. Zudem fällt auf, dass die deutsche Ausgabe 277 Anmerkungen zählt, während das amerikanische Original nur 220 umfasst.

Von sehr mäßiger Qualität ist das Buchregister der deutschen Übersetzung, das höchstens im Hinblick auf eine längere Liste von Google-Projekten und der zahlreichen Personen, die darin gelistet sind, eine gewisse Hilfestellung bei der Rezeption bietet. Eine Reihe von Einträgen ohne sachlich erkennbaren Sinn und Bezug, wie z. B. Rindsuppe, Usain Bolt, Dalai Lama, Dilbert Cartoon, Geiz usw. lassen hier eher an eine automatisch generierte Pflichtübung der Buchproduktion denken, als an einen intellektuellen Prozess, die Rezeption zu unterstützen.

Dies steht in Gegensatz zur amerikanischen Originalausgabe, die nicht nur 114 Indexeinträge mehr hat, sondern auch bei den einzelnen Indexeinträgen deutlich mehr Seitenverweise beinhaltet: So finden sich z. B. unter dem Buchstaben „A“ im Index der deutschen Übersetzung 62 Einträge mit 72 Verweisen, im amerikanischen Original 129 Einträge mit 321 Verweisen. Buchstabe „B“ enthält in der deutschen Ausgabe 71 Indexbegriffe mit 94 Verweisen, die amerikanische Ausgabe 97 Indexbegriffe mit 265 Verweisen.

Als Manko wurde empfunden, dass das Inhaltsverzeichnis die Unterkapitel nicht verzeichnet.

Anmerkung: Leider lag dem Rezensenten erst kurz vor Abgabetermin der Rezension die amerikanische Ausgabe vor, sodass eine genauere Analyse zwischen Original und deutscher Übersetzung nicht mehr möglich war. Für ein genaueres Studium des Buches erscheint es ratsam, den Index der Original Ausgabe zu verwenden.

Der hohe Detaillierungsgrad macht das Buch zur Spezialliteratur, die mit Geduld gelesen werden muss. Trotz gewisser Mängel, wie dem schon eingangs erwähnten fehlenden „roten Faden“, ist das Buch eine hervorragende Möglichkeit das Unternehmen Google und seine Projekte – nicht alle, aber viele – genauer zu studieren. Es ist fast als Pflichttitel anzusehen für jene, die beruflich mit Google zu tun haben, Google nutzen, sich mit Google beschäftigen, beschäftigen müssen oder mit Google zusammenarbeiten.

Wie schon angedeutet ist das Buch auch ein Wirtschaftsbuch, ein Business Case: Ein Lehrstück, wie sich ein Start-up hochziehen lässt, wie sich Leadership gestalten lässt, wie Personal akquiriert wird, wenn man Weltspitze werden möchte, und was sich so entwickeln kann, wenn ein Unternehmen mit der Zeit wirklich groß und bedeutend wird. Ich denke, das Studium des Buches lohnt sich.

Am meisten könnten wohl junge Studierende profitieren wie ein Amazon Rezensent meint: This book gave me as a student a boost in drive to innovate and has changed the way I think about what my work will be in the future.

Bücher über das Unternehmen Google (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Im gleichen Maß, in dem das Unternehmen Google wuchs, die Suchmaschine und die vielen Features und Produkte, wuchs die Zahl der Veröffentlichungen und Bücher zu Google. Den größten Anteil bildet dabei die sog. Ratgeber Literatur, zur Suchmaschine, insbesondere zum Bereich des SEO-Geschäfts und den Marketing-Angeboten für alle Arten von Unternehmen. Dazu kommt eine wachsende Zahl von Veröffentlichungen, die sich mit wirtschaftlichen, juristischen und gesellschaftspolitischen Fragen im Zusammenhang der Unternehmenstätigkeit von Google beschäftigen, wie z. B. mit dem Projekt Google Buch. Diese Literatur wird hier nicht berücksichtigt, sondern nur jene Literatur, die sich wie das rezensierte Buch im engeren Sinne mit Google als Unternehmen und den Gründern beschäftigt. Ausgangsmenge waren ca. 500 Werke einer ausführlichen Suche im KVK, aus der sich am Ende eine doch sehr überschaubare Zahl von Werken zum gesuchten Thema ergab:

Ein sehr ähnliches Werk zu Google Inside erschien kürzlich unter Mitwirkung von Eric Schmidt, der viele Jahre lang neben Larry Page und Sergej Brin, CEO von Google war und heute Chef des Aufsichtsrats von Google ist:Search in Google Scholar

Eric Schmidt and Jonathan Rosenberg, with Alan Eagle: Google. how Google works. New York: Grand Central, 2014. (xiv–286 p.); illSearch in Google Scholar

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Online erschienen: 2015-10-31
Erschienen im Druck: 2015-11-1

© 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 29.11.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2015-0061/html
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