Der Workshop Förderung von Informationskompetenz in (hoch)schulbezogenen Lernkontexten wurde von Joachim Griesbaum, Professor am Institut für Informationswissenschaft und Sprachtechnologie an der Universität Hildesheim, Elke Montanari, Professorin am Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Hildesheim sowie von Dirk Lewandowski, Professor an der HAW Hamburg am Department Information, organisiert.
Ziel der Veranstaltung mit Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Master-Studierenden, Doktoranden, Bibliothekaren und Vertretern wissenschaftlicher Verbände aus Berlin, Hannover, Hildesheim, Hamburg, Düsseldorf, Halle, Trier und Karlsruhe war der Informationsaustausch zum Ist-Zustand bei der Förderung von Informationskompetenz (IK) in Deutschland. Aus der Benennung der Probleme und der Zieldefinition wurden im Laufe des Nachmittags Maßnahmen und Projektideen herausgearbeitet.
Nach der Begrüßung durch Joachim Griesbaum und einer personellen und inhaltlichen Vorstellungsrunde berichtete Anne-Kathrin Mayer, Leiterin Forschungsliteralität und nutzerfreundliche Forschungsinfrastrukturen im Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) in Trier, in ihrer Keynote Vom „Wollen“ und „Können“ in fachbezogenen Informationswelten: Psychologische Perspektiven auf die Förderung von Informationskompetenzen.

Anne-Kathrin Mayer spricht in ihrer Keynote „Vom ‚Wollen‘ und ‚Können‘ in fachbezogenen Informationswelten“. (Foto: M. Henkel)
Das „Wollen“ betrifft Wege der Aneignung fachlicher IK: unsystematisch über Tipps, mittels Selbststudium (z. B. Projekt Lotse) sowie mittels extracurricularer Lehrveranstaltungen (z. B. der Bibliotheken). Im Rahmen einer Projektförderung hat das ZPID in einer Erhebungsstudie Fortschritte im Recherchewissen gemessen. Individuell förderlich sind hier epistemische Überzeugungen, persönliche Vorstellungen über die Natur des Wissens. Das „Können“ bildet sich in Begriffen wie dem IQ, dem Arbeitsgedächtnis, der verbalen Intelligenz, den Problemlösungsfertigkeiten sowie dem kritischen Denken ab – und hat großen Anteil beim Lernzuwachs. In der Wechselwirkung von „Wollen“ und „Können“ werden die interindividuellen Unterschiede zwischen „Selbstunterschätzern“ und „Selbstüberschätzern“ sichtbar, die in der Lehre und beim Lernen zu berücksichtigen sind. Noch fehlt für die Psychologie einer entsprechenden Fachdidaktik der IK. Weitere Ziele sind zunächst die Kompetenzerfassung auf empirische Weise und die Erklärung inter- und intraindividueller Kompetenzunterschiede.
Den ersten Sitzungsblock eröffnete Joachim Griesbaum mit seinem Beitrag Verhaltensbezogene Grenzen und motivationale Aspekte informationskompetenten Verhaltens. Anhand theoretischer Modelle zur Beziehung von Information Literacy und Information Behavior sowie praktischer Studien zum Informationsverhalten von Internetnutzern demonstrierte er die Schwierigkeiten, sich im komplexen, interessengesteuerten und intransparenten Informationsraum Internet orientieren zu können. Er ging auf aktuelle Forschungsansätze der Vermittlung von IK sowie zu Entscheidungsprozessen in Verbindung zum Informationsverhalten ein. Konvenienz erscheint als ein wesentliches Kriterium der Bewertung von Information, z. B. die Wahl einer Quelle, die gut genug ist. Nutzer versuchen, Anstrengungen zu minimieren und prüfen eher selten Informationen auf Vertrauenswürdigkeit. Lernende müssen dazu angetrieben werden, ihre Komfortzone zu verlassen und vor allem motiviert werden. Dabei sei es besonders wichtig, auch den Entstehungsprozess von Informationen zu hinterfragen und zu bewerten.
Worin sind zentrale Hürden einer Disziplin mit Blick auf IK zu sehen? In welchen Kontexten ist informationskompetentes Verhalten angebracht? Welche konzeptuellen Ansätze zur Förderung der Motivation zur IK erscheinen fruchtbar? Mit diesen Fragestellungen setzten sich die Anwesenden in einem folgenden Brainstorming auseinander.
Als Probleme wurden unter anderem die fehlende Verzahnung von Praxis und Wissenschaft, Selbstüberschätzung und fehlende Motivation von Studierenden aber auch von Dozierenden genannt. Außerdem stellt die empirische Messung von IK auch heute noch eine Herausforderung dar. Diese und weitere Themen werden schon seit längerer Zeit auch in der Literatur diskutiert. Die Teilnehmenden schlugen vor, die Bibliotheken stärker zu unterstützen und ihr Netzwerk auszubauen, um die Vermittlung von IK effektiver zu gestalten. Auch extrinsische Anreize und eine curriculare Einbindung wären möglich für die Etablierung im (Hoch)-Schulkontext. Die Vermittlung müsse auf jeden Fall schon vor der Hochschule beginnen.
Seitens FIZ Karlsruhe und für die DGI wies Luzian Weisel in seinem Statement auf die Problematik der fehlenden Begleitung von Forschenden in Wissenschaft und Wirtschaft in Sachen IK hin. Dies wirkt sich aber auch auf die data literacy – z. B. im Blick auf das Forschungsdatenmanagement – aus. Die Hochschulstandorte in Deutschland, die den Informationsnachwuchs ausbilden, sollten dringend ihre Curricula entsprechend anreichern und damit auch die Empfehlungen der Forschungspolitik (z. B. BMBF, DFG, WR, HRK, KII, RfII) annehmen.
Thomas Mandl, Hildesheim, berichtete vom Fortgang des EU-Erasmus-Projektes ILOInformation Literacy Online, das mittels Einsatz eines mehrsprachigen Onlinekurses (MOOC) Schülern und Studierenden verschiedener EU-Länder selbststeuerbare Schulungen in IK anbieten will. Dieses Projekt wird geleitet durch Stefan Dreisiebner (Karl-Franzens-Universität Graz) und soll im Sommer 2019 abgeschlossen werden.
Im zweiten Schwerpunkt lenkte Elke Montanari den Blick auf die Kompetenzbedarfe von Lehrern und Wege der Vermittlung von fachbezogener IK an Lehrkräfte und Schüler. Ihren Fokus legte sie hierbei auf das multiliterale Handeln in der Fachdidaktik der Lehrenden und die Lernbedarfe für neu zugewanderte Lernende. In der nachfolgenden Diskussion entwickelte sich allgemeine Ratlosigkeit, inwieweit sich dieser Ansatz von Critical Literacies mit dem klassischen Kompetenzverständnis aus Informationswissenschaft und Bibliotheken verträgt. Dennoch herrschte Einigkeit, dass der Blick über den Tellerrand nicht schadet. Schon allein die Definition des Kompetenzbegriffs ist schließlich ein soziales Konstrukt, das regelmäßig hinterfragt werden sollte, um auch Didaktik und Praxis an die sich stetig transformierende Umwelt anzupassen.

Beim Brainstorming wurden Probleme, Ziele und Maßnahmen zur Förderung von Informationskompetenz in (hoch)schulbezogenen Lernkontexten gesammelt. (Foto: L. Weisel)
In der Session 3 lotete Dirk Lewandowksi das Suchverhalten und die Grenzen von Suchdiensten anhand von Logfile-Analysen und Klickstudien aus. Er verglich dabei das Suchverhalten von Suchmaschinen und Profi-Suchsystemen. Können Nutzer den Erfolg ihrer Suchen objektiv bewerten? Seine Ergebnisse zeigten: „Wir wissen wenig über den Zusammenhang zwischen Informationsverhalten, Informationskompetenz und Information Retrieval.“ Und: „Es gibt keine klare Unterscheidung mehr zwischen Suche in Suchmaschinen und Suche anderswo.“ Wir müssen uns in diesem Bereich also noch mehr auf das Thema IK konzentrieren und dies bei der Systementwicklung berücksichtigen. Dabei sei es wichtig, zwischen verschiedenen Anwendungsfällen zu unterscheiden.
Wann ist informationskompetentes Verhalten überhaupt von Nöten? Sollten wir unsere Suchsysteme anpassen oder das Nutzerverhalten? Welche Rolle spielen Google & Co. bei heutigen Phänomenen wie Fake-News und Fehlinformation? Dies waren zentrale Fragen der Abschlussdiskussion. Im Laufe des eintägigen Workshops konnten nicht alle Fragen beantwortet und alle Probleme gelöst werden – hierfür ist sicherlich mehr Zeit von Nöten. Die eine oder andere Projektidee wurde aber angestoßen und der nächste Workshop zum Thema soll voraussichtlich im Frühjahr 2019 stattfinden.

Was können (und sollten) Suchmaschinen heutzutage leisten? (Foto: L. Weisel)
About the authors


© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston