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Publicly Available Published by De Gruyter Saur July 23, 2020

Das Informationsverhalten von jugendlichen Asylbewerbern in Deutschland

Information behavior of young asylum seekers in Germany
Le comportement des jeunes demandeurs d’asile en Allemagne en matière d’information
  • Rasia Haji

    Rasia Haji studierte Geschichte und Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und schließt derzeit einen Master an der Universität Bielefeld an, der sich „Interdisziplinäre Medienwissenschaft“ nennt. Diesen wird sie voraussichtlich in einem Jahr erfolgreich beenden.

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    , Katrin Scheibe

    Katrin Scheibe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie forscht in den Themenbereichen Social Media, Gamification sowie Informationsverhalten und hält Lehrveranstaltungen in den Modulen Information Retrieval und Informetrie.

    and Franziska Zimmer

    Franziska Zimmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie forscht in den Themenbereichen Social Media, Informationsverhalten sowie Fake News und hält Lehrveranstaltungen in den Modulen Informationsmarkt und „Studi 2.0“ (Der mitforschende Student) ab.

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie untersucht das Informations- und Kommunikationsverhalten von zwanzig jugendlichen Asylbewerbern, die aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland geflüchtet sind. Hierbei wird das Informationsverhalten in Bezug auf Social Media, andere Online-Dienste und Offline-Medien erforscht. Unter Verwendung der Uses-and-Gratification-Theorie wird herausgearbeitet, welche Dienste die Kinder und Jugendlichen nutzen, um ihre Informationsbedürfnisse nach Wissen, Selbstdarstellung, sozialer Interaktion und Unterhaltung zu befriedigen. Die zwanzig Personen im Alter zwischen acht und 18 Jahren wurden mithilfe eines Fragebogens und eines halbstrukturierten Interviewleitfadens befragt. Am meisten werden Social Media Dienste, insbesondere WhatsApp, YouTube, aber auch Instagram und TikTok genutzt sowie – allerdings nur bei der Suche nach Informationen – Google.

Abstract

This study examines the information and communication behavior of asylum seekers’ children who have fled to Germany from the Near and Middle East. We focus on their use of social media, other online services, and offline media. By applying the Uses and Gratification Theory, we investigate what services children and adolescents use to satisfy their information needs for knowledge, self-presentation, social interaction, and entertainment. For this purpose, 20 asylum seekers (aged between eight and 18 years) were interviewed face-to-face by using a questionnaire and a semi-structured interview guideline. Most used services are social media, especially WhatsApp, YouTube, but also Instagram and TikTok, and – concerning the search for information – Google.

Résumé

Cette étude examine le comportement en matière d’information et de communication de vingt jeunes demandeurs d’asile qui ont fui le Proche et le Moyen-Orient pour se réfugier en Allemagne. Le comportement en matière d’information par rapport aux médias sociaux, aux autres services en ligne et aux médias hors ligne fait l’objet d’une enquête. En utilisant la théorie de des usages et des gratifications, nous identifierons les services que les enfants et les adolescents utilisent pour satisfaire leurs besoins d’information en matière de connaissances, autoreprésentation, d’interaction sociale et de divertissement. Les vingt personnes âgées de 8 à 18 ans ont été interrogées à l’aide d’un questionnaire et d’un guide d’entretien semi-structuré. Les services les plus fréquemment utilisés sont les médias sociaux, notamment WhatsApp, YouTube, mais aussi Instagram et TikTok, et – mais uniquement pour la recherche d’informations – Google.

Einleitung

Welche Informationsdienste und -inhalte nutzen Kinder und Jugendliche, die aus den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens nach Deutschland geflohen sind? Es gibt bereits Studien zum Informationsverhalten von Asylbewerbern in Deutschland (z. B. von Emmer, Richter, & Kunst (2016) oder von Scheibe, Zimmer, & Stock (2019)), mit der spezifischen Fokussierung auf Kinder und Jugendliche betreten wir jedoch wissenschaftliches Neuland.

Die humanitären Katastrophen in weiten Teilen der Länder des Nahen und Mittleren Ostens sind mittlerweile wichtige Themen – auch für die deutsche Bevölkerung. Aufgrund von Konflikten, Bürgerkriegen und Terror im eigenen Land suchen Millionen von Menschen nach Schutz und Frieden in anderen Ländern (Hinte, Rinne, & Zimmermann, 2015, S. 1).

Besonders Deutschland nimmt in den vergangenen Jahren zahlreiche Flüchtlinge auf. Im Herbst des Jahres 2015 erreicht Deutschland den Höhepunkt an Flüchtlingszuwächsen. Die meisten von ihnen kommen aus Kriegs- und Krisengebieten im Mittleren Osten, vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak (Hinte et al., 2015, S. 4). In unserer Arbeit soll es um das Informationsverhalten von jugendlichen Asylbewerbern gehen, die einst als Flüchtlinge nach Deutschland kamen und hier nach ihrer Einreise Asyl beantragt haben (Lafazani, 2018). Die Grundgesamtheit an jungen Asylbewerbern können wir nur schätzen. Im Januar 2020 gab es für die Erstanträge aller Asylbewerber einen Anteil von rund 17 Prozent von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und unter 18 Jahren (BaMF, 2020, S. 8).

Informationsverhalten umfasst alle Situationen, in denen sich ein Mensch mit Informationen auseinandersetzen muss. Wilson (2000, S. 59) definiert Informationsverhalten sehr allgemein als „ the totality of human behavior in relation to sources and channels of information, including both active and passive information seeking, and information use. Thus, it includes face-to-face communication with others, as well as the passive reception of information as in, for example, watching TV advertisements, without any intention to act on the information given “. Er betrachtet also das menschliche Verhalten bezüglich Informationsquellen, die sowohl aktive als auch passive Informationssuche und Nutzung einschließen. Darin ist die persönliche Kommunikation wie auch der unbewusste Empfang von Informationen etwa durch Fernsehwerbung enthalten. Laut Sonnenwald (2005) müssen beim Informationsverhalten des Menschen die sozialen Kontakte und Netzwerke, also der Informationshorizont, stets berücksichtigt werden.

Case und Given (2018, S. 48) erklären, dass „context and situation are important concepts for information behavior research“. In unserer Studie liegt der Kontext einerseits auf dem speziellen Informationshorizont von Asylbewerbern, zum andern auf den von ihnen verwendeten Medien. Hierbei unterscheiden wir nach Social Media (einschließlich Messaging Services), anderen Online-Diensten (etwa Suchmaschinen oder E-Mail) und Offline-Medien (wie Zeitungen oder Fernsehen). Solche Medien geben Menschen die Möglichkeit, nicht nur passiv mit Informationen versorgt zu werden, sondern auch aktiv Inhalte zu erzeugen (Hettler, 2010, S. 21). Wir gehen demnach vom Informationsverhalten eines Prosumers aus, einem Nutzenden, der Informationen erstellt, diese konsumiert und möglicherweise auch kommentiert (Linde & Stock, 2011; Stock & Stock, 2013).

Unsere Untersuchung verfolgt keinen medienorientierten Ansatz, etwa wie Medien den Menschen zu ihrer Nutzung bewegen. Vielmehr orientieren wir uns am Rezipienten; übernommen wird zu diesem Zweck die Uses-and-Gratification-Theorie nach Katz und Foulkes aus dem Jahr 1962. Hier geht es weniger darum, was Medien mit den Menschen machen, sondern „what do people do with the media“ (Katz & Foulkes, 1962, S. 379). Genau darum – was die Menschen mit Medien machen – soll es in dieser Studie gehen. Für uns heißt hier die Frage also, was die Flüchtlingskinder mit den Medien machen.

Bei der Theorie von Katz und Foulkes (1962) geht es um die Motive und Bedürfnisse bei der Mediennutzung. Dieser Nutzungsansatz wurde von Katz, Blumler und Gurevitch (1974) weiterentwickelt. Mit dieser erweiterten Uses-and-Gratification-Theorie kann erforscht werden, welche Bedürfnisse Nutzende haben und wie sie durch die Verwendung der Medien befriedigt werden. Oder umgekehrt, „we observe gratifications and look for the needs that are gratified“ (Zimmer, Scheibe, & Stock, 2018, S. 434). So kann zuerst untersucht werden, wie die Informationsbefriedigung erfolgt und, davon abgeleitet, das dahinterstehende Bedürfnis freigelegt werden. Katz et al. (1974) stellen in ihrer Theorie vier grundlegende Dimensionen der Befriedigung fest: (1.) Information, (2.) persönliche Identität, (3.) Unterhaltung sowie (4.) Integration und soziale Interaktion. Information bedeutet hierbei alle Informationsinhalte (also gesuchtes wie kommuniziertes Wissen), das Suchen und Finden von Informationen sowohl in aktiver als auch in passiver Form im Alltag sowie das Verbreiten von Informationen. Unter persönliche Identität verstehen Katz et al. (1974) die Definition oder Selbstdarstellung unserer Identität. Beispiele sind das Posten von Videos und Fotos auf Facebook oder YouTube zur Präsentation der eigenen Person und des eigenen Lebens. Mit Unterhaltung ist beispielsweise das Betrachten von Videos gemeint. Motive für die Suche nach Unterhaltung sind zum einen das Entfliehen vor Problemen, der Wunsch nach Entspannung und zum anderen auch Zeitvertreib und Ablenkung. Soziale Interaktion bzw. Integration bezeichnet das Kommunizieren zwischen den Nutzenden über Informations- und Kommunikationstechnologien (Shao, 2009).

Es gibt bereits zahlreiche Studien zum Informationsverhalten von Menschen. Uns ist jedoch der Kontext von Medien und Asylbewerbern wichtig. Auch hier gibt es einige Studien, etwa von Komito und Bates aus dem Jahr 2011. Sie analysieren die Informationspraktiken und die Nutzung von Social Media von Migranten in Irland. Kaufmann (2016) untersucht in ihrer Studie das Informationsverhalten von Flüchtlingen durch qualitative Interviews mit syrischen Schutzsuchenden in Österreich und zeigt, wie diese ihre Smartphones während ihrer Flucht und auf der Reise nach Österreich verwenden. Dekker, Engbersen, Klaver and Vonk (2018) gehen ebenfalls dem Informationsverhalten von syrischen Flüchtlingen nach, jedoch in den Niederlanden. Gillespie et al. (2016) erforschen die Medien- und Informationsressourcen, die Flüchtlinge auf ihrer Fluchtroute und über die verschiedenen Grenzen der Länder bis hin zu ihrem Zielort nutzen.

Zum Informationsverhalten von Asylbewerbern in Deutschland gibt es ebenfalls einige Ergebnisse. Zentral ist der Bericht von Emmer, Richter und Kunst (2016), der die Mediennutzung von Flüchtlingen vor, während und nach der Flucht beschreibt. Allerdings werden hier kaum Jugendliche (N = 13) und gar keine Kinder befragt. Stiller und Trkulja (2018) untersuchen die Rolle der digitalen Kompetenzen von Asylbewerbern in Deutschland bei der Suche eines Arbeitsplatzes. Grundlage für die vorliegende Arbeit bildet die empirische Studie zum Informationsverhalten von Asylbewerbern in Deutschland von Scheibe et al. (2019). Darin wird das Informationsverhalten von Asylbewerbern im Erwachsenenalter untersucht. Das eröffnet die Forschungslücke für unsere Arbeit, denn das Informationsverhalten von Flüchtlingskindern lassen Scheibe et al. (2019) aus. Nach unserem Kenntnisstand gibt es auch weiterhin keine wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Informationsverhalten von Asylbewerbern im Kindes- und Jugendalter in Deutschland befassen. Daher ist es uns wichtig, auch dieses zu beleuchten und die Forschungslücke zu schließen.

Abbildung 1 
Unser Forschungsmodell: Informationsbedarf unterteilt nach Information, Unterhaltung, soziale Interaktion und Selbstdarstellung von jugendlichen Asylbewerbern in Deutschland.
Abbildung 1

Unser Forschungsmodell: Informationsbedarf unterteilt nach Information, Unterhaltung, soziale Interaktion und Selbstdarstellung von jugendlichen Asylbewerbern in Deutschland.

Das Forschungsmodell (Abb. 1) ergibt sich zum einen aus der Uses-and-Gratification-Theorie nach Katz et al. (1974) (Einteilung der Motive in Information, Unterhaltung, soziale Interaktion und Selbstdarstellung gemäß Zimmer et al., 2018) und zum anderen aus der Informationsbedarfsforschung (Gegenüberstellung von Informationsbedarfen und Dienstleistungsangeboten). Die vier Arten von Motiven nach Katz et al. (1974) finden sich auch in den Forschungsfragen Ff3 bis Ff6 wieder.

Wir charakterisieren die befragten Asylbewerber in unserer Arbeit sowohl anhand ihres Geschlechts, Alters und ihrer Nationalität als auch anhand ihres Sprachniveaus und ihrer Kompetenz, mit digitalen Geräten umzugehen. Wenn es zu einem Informationsbedarf kommt, wie z. B. einer sozialen Interaktion, in der man Informationen erhalten oder verschicken möchte, wird eine Informationsanforderung ausgelöst. Solch ein Informationsbedarf kann etwa ein Gespräch mit einem Familienmitglied in der Heimat sein. Dieser Anforderung entspricht (im günstigen Fall) ein Dienstangebot einer Social-Media-Plattform, ein Messaging-Dienst oder ein anderer Online- wie Offline-Dienst. In unserem Beispiel kann über die Anruf-Funktion in WhatsApp das Familienmitglied kontaktiert werden. Der Informationsbedarf stimmt mit einer der vier Anforderungen Informationsinhalte, Unterhaltung, soziale Interaktion und Selbstdarstellung überein. Unsere Forschungsfragen (Ff) lassen sich aus dem Forschungsmodell ableiten:

  1. Über welche Deutschkenntnisse verfügen die jugendlichen Asylbewerber?

  2. Welche Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nutzen die Asylbewerber und wie sind ihre Fähigkeiten, mit diesen adäquat umzugehen?

  3. Welche Dienste nutzen jugendliche Asylbewerber zum Befriedigen ihres Bedarfs an Informationsinhalten?

  4. Welche Dienste nutzen jugendliche Asylbewerber zum Befriedigen ihres Bedarfs an Unterhaltung?

  5. Welche Dienste nutzen jugendliche Asylbewerber zum Befriedigen ihres Bedarfs an sozialer Interaktion?

  6. Welche Dienste nutzen jugendliche Asylbewerber zum Befriedigen ihres Bedarfs an Selbstdarstellung?

  7. Gibt es Unterschiede bei der Social-Media-Nutzung zwischen erwachsenen und jugendlichen Asylbewerbern?

Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfragen verwendeten wir einen gemischten Ansatz mit dem wir sowohl quantitative wie auch qualitative Daten sammeln konnten, indem wir gleichzeitig mit einem strukturierten Fragebogen (zur Erfassung quantitativer Daten) und halb-strukturierten Interviews (zur Erhebung qualitativer Angaben) arbeiteten. Der Fragebogen wurde von Scheibe et al. (2019) übernommen und für Kinder und Jugendliche angepasst. Die Interviewten konnten die Fragen im persönlichen Gespräch beantworten und von ihren individuellen Erfahrungen erzählen. Insgesamt wurden 20 Kinder und Jugendliche befragt. Die Befragung der Personen wurde im Jahr 2019 in Einrichtungen von Sprach- und Lerngruppen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Jedes Interview dauerte aufgrund der geringen Aufmerksamkeitsspanne von Kindern nur rund 15 Minuten und bestand aus 29 Fragen. Die Gespräche wurden in deutscher Sprache durchgeführt, bei Kommunikationsproblemen konnten ehrenamtliche Helfer der jeweiligen Einrichtungen vor Ort helfen und übersetzen. Alle Interviews wurden aufgezeichnet und systematisch ausgewertet.

Begonnen wurde stets mit demografischen Fragen und persönlichen Details (etwa nach dem „Traumberuf“). Anschließend ging es um die Gerätenutzung. Es wurde gefragt, welche Informations- und Kommunikationsmedien und weitere Geräte seit der Einwanderung in Deutschland verwendet werden. Als nächstes wurde um eine Selbsteinschätzung der Fähigkeiten gebeten, mit den Medien und Geräten umgehen zu können. Diese konnten auf einer fünf-Punkte-Skala nach Likert (1932) eingestuft werden. Die Werte eins und zwei kennzeichneten einen sehr schlechten Umgang mit den Medien und Geräten, drei bedeutete einen mittelmäßig adäquaten Umgang und die Werte vier und fünf standen für einen guten bis sehr guten Umgang. Anschließend wurden Fragen zu den Motiven der Informationsproduktion und -konsumption, also nach Information, Unterhaltung, sozialer Interaktion sowie Selbstdarstellung gestellt. Hierbei wurden sowohl Themen (z. B. Nachrichten, Dokumentationen und Reportagen, Informationen über Deutschland oder das Herkunftsland, Arbeitsstellen und Jobangebote, Bildung, rechtliche Fragen, gesundheitliche oder religiöse Themen) als auch Informationsdienste (wie Twitter, Facebook, WhatsApp, Reddit, YouTube, Instagram oder TikTok) vorgegeben, wobei auch zusätzliche Antworten möglich waren. Für die Auswertung der Umfrage wurde ausschließlich das Tabellenkalkulationsprogramm Excel verwendet. Sofern eine Ordinalskalierung vorliegt, werden stets der Median und Interquartilsabstand angegeben (Bamberg, Baur, & Krapp, 2009, S. 17).

Ergebnisse

In diesem Teil beschreiben wir die empirischen Resultate, die uns gestatten, die Forschungsfragen zu beantworten. Zuerst wenden wir uns allerdings den demografischen Angaben zu.

Demografische Daten

Von den insgesamt 20 befragten Kindern und Jugendlichen (N=20) kommen sechs (30 %) ursprünglich aus Syrien. Weitere sechs (30 %) Personen sind afghanischer Abstammung, davon ist jedoch eine im Irak geboren und eine im Iran aufgewachsen. Drei der befragten Kinder bzw. Jugendlichen kommen aus der Türkei und zwei weitere (10 %) aus Aserbaidschan. Weitere zehn Prozent stammen aus dem Irak und eine Person (5 %) ist aus dem Libanon nach Deutschland geflüchtet. Alle Befragten geben an, dass sie mit ihren Familien nach Deutschland eingewandert sind und hier leben.

Die Kinder und Jugendlichen aus Syrien haben unterschiedliche Muttersprachen. Vier sprechen Arabisch, zwei Kurdisch. Sie gehören also zu unterschiedlichen Ethnien, nämlich Arabern und Kurden. Auch die beiden Befragten aus dem Irak sind kurdischer Abstammung und haben kurdisch als Muttersprache. Alle afghanischen Teilnehmenden sprechen Dari, einer davon zusätzlich noch Persisch. Die drei aus der Türkei stammenden haben Türkisch, die zwei aus Aserbaidschan Geflüchteten Aserbaidschanisch und die Person aus dem Libanon Arabisch als Muttersprache.

Der Bildungsgrad der Befragten reicht von der zweiten Klasse bis hin zum Berufskolleg. Drei der Befragten besuchen die zweite Klasse und zwei die dritte Klasse. Vier sind im vierten Schuljahr, zwei in der fünften Klasse und zwei weitere in der sechsten Klasse. Einer besucht die siebte Klasse, drei die achte Klasse. Das neunte Schuljahr wird von zwei Kindern besucht und das Berufskolleg von einer Person.

Einige der befragten Kinder können schon ihren zukünftigen Traumberuf nennen: Vier (10 %) wünschen sich, später Arzt zu werden und drei (15 %) sehen sich als Polizist. Eine Person will Anwalt werden; auch Schönheitschirurgin wird von einer Schülerin als Traumberuf genannt. Ein Schüler wünscht sich, Pilot zu werden und ein weiterer sieht sich als Fußballer oder ebenfalls als Arzt. Neun (45 %) Kinder können noch keine Angaben über ihren Traumberuf machen.

Zwei der Kinder (10 %) sind erst seit vier Monaten in Deutschland, eine weitere Person seit fünf Monaten. Alle anderen Befragten leben schon mehr als ein Jahr in Deutschland, eine Person gibt an, seit 16 Monaten hier zu sein und sieben Befragte (35 %) sind seit 24 Monaten in Deutschland. Zwei Kinder (10 %) sind mit ihren Familien vor 36 Monaten nach Deutschland geflohen und eine Person vor 37 Monaten. Insgesamt sind fünf Kinder (25 %) vor genau vier Jahren nach Deutschland gekommen und die übrige Person (5 %) ist bereits seit 72 Monaten in Deutschland.

Das Alter der Befragten erstreckt sich von acht bis 18 Jahren. Insgesamt gibt es ein achtjähriges (5 %), drei neunjährige (15 %), zwei zehnjährige (19 %), zwei elfjährige (10 %) und vier zwölfjährige Teilnehmende (20 %). Zwei Befragte sind dreizehn Jahre (10 %) und weitere zwei vierzehn Jahre alt (10 %). Drei (15 %) sind bereits sechzehn Jahre und eine Person (5 %) ist volljährig. Insgesamt sind es dreizehn (65 %) männliche Flüchtlingskinder und -jugendliche und sieben (35 %) weibliche.

Sprachkenntnisse (Forschungsfrage 1)

Elf der Kinder und Jugendlichen haben keinen Sprachkurs absolviert. Zwei Kinder (10 %) haben mit ihrem Sprachkurs das Sprachniveau A1 erreicht und zwei weitere Kinder das Niveau A2. Vier der Befragten (20 %) haben das Niveau B1 mit einem Sprachkurs absolviert und eine Person (5 %) das Sprachniveau B2.

19 Kinder und Jugendliche sind in der Lage, ihre Deutschkenntnisse anhand der Fünf-Punkte-Likert-Skala einzuschätzen. Wie zu sehen ist (Abb. 2), konzentrieren sich die Antworten um den mittleren bis guten Bereich. Fast 80 Prozent gehen also davon aus, dass sie mittlere bis gute Deutschkenntnisse besitzen. Nur eine Person gibt an, sehr schlechte Deutschkenntnisse zu haben und ein weiterer kleiner Teil bewertet die eigenen Deutschkenntnisse mit einem sehr gut. Der Median dieser Antworten beträgt 4,0 und der Interquartilsabstand liegt bei 1,0.

Abbildung 2 
Selbsteinschätzung der eigenen Deutschkenntnisse (N=19).
Abbildung 2

Selbsteinschätzung der eigenen Deutschkenntnisse (N=19).

IuK-Nutzung und Kenntnisse (Forschungsfrage 2)

Bezüglich der Frage, welche Informations- und Kommunikationsmedien und -geräte die Kinder und Jugendlichen verwenden, stellt sich heraus, dass 95 Prozent der Befragten Zugang zum Internet haben und diesen auch nutzen. Fast alle (95 %) nutzen auch ein Fernsehgerät. 90 Prozent haben Zugang zu einem Smartphone, welches sie regelmäßig verwenden. Der Großteil der Teilnehmenden benutzt auch Bücher als Informationsmedium. Nur elf Personen (55 %) verwenden einen Laptop. Noch geringer wird die Häufigkeit bei den Tablets (45 %). Bei der Verwendung eines Radios liegt die Quote bei 35 Prozent, Zeitschriften werden von nur sechs Personen genutzt (30 %). Zugang zu einem klassischen Computer (PC) haben nur fünf (25 %) und ein sehr kleiner Teil der Befragten mit jeweils vier Personen (20 %) nutzt noch das Festnetztelefon und liest Zeitung. Die Befragten nennen keine weiteren Geräte.

Abbildung 3 
Selbsteinschätzung des Umgangs mit IuK-Medien und -Geräten (N=20).
Abbildung 3

Selbsteinschätzung des Umgangs mit IuK-Medien und -Geräten (N=20).

Abbildung 3 zeigt die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden bezüglich ihrer Fähigkeiten, mit den Medien und Geräten adäquat umzugehen. Hier bündeln sich alle Antworten im mittelmäßigen bis sehr positiven Bereich. 35 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind der Meinung, dass sie richtig mit den Medien umgehen und schätzen ihre Fähigkeiten daher als sehr gut ein. Weitere 35 Prozent sind der Ansicht, ihre Fähigkeiten diesbezüglich seien gut, und der Rest (30 %) findet, dass ihre Fähigkeiten im mittelmäßigen Bereich liegen. Niemand schätzt den eigenen Umgang mit den Medien und Geräten als schlecht oder sehr schlecht ein. Die Antwortverteilungen weisen einen Median von 4,0 und einen Interquartilsabstand von 2,0 auf.

Informationsbedarf nach Inhalten (Forschungsfrage 3)

Auf die Frage, ob sich die Kinder und Jugendlichen über Themen informieren, beantworten 90 Prozent, also 18 der 20 Teilnehmenden, diese Frage mit einem Ja. Dementsprechend werden 18 Schüler näher zu diesem Thema befragt.

Die daran anschließende Frage, nach welchen Informationsinhalten die Schüler suchen (keine Face-to-Face-Kommunikation) ergibt, dass alle Schüler nach Informationen bezüglich ihrer Bildung suchen. 14 von allen (fast 80 %) informieren sich über Nachrichten. Diese suchen 55 Prozent aller Befragten in ihrer Herkunftssprache, die Hälfte auch in deutscher und zwei in englischer Sprache. Mehr als ein Drittel (38,89 %) findet Informationsinhalte durch Dokumentationen und Reportagen. Eine Person sucht nach Informationen über ihr Heimatland und eine weitere nach Informationen über Arbeitsstellen und Jobangebote. Keiner sucht Informationen über Deutschland, über rechtliche, religiöse oder gesundheitliche Themen.

Tabelle 1

Informationsverhalten beim Informationsbedarf nach Inhalten (N=18).

1. Wissen
1.1 Welche Social-Media-Dienste nutzen Sie, um sich zu informieren?
Social-Media-Kanal Anzahl (relative Häufigkeit)
Twitter 2 (11,11 %)
Facebook 8 (44,44 %)
WhatsApp 15 (83,33 %)
Reddit 0 (0 %)
YouTube 14 (77,78 %)
Instagram 7 (38,89 %)
Live Streaming 1 (5,56 %)
Weitere Line Live
1.2 Welche weiteren Online-Medien nutzen Sie hierfür?
Weitere Online-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
Webseiten von Nachrichtensendern 1 (5,56 %)
Suchmaschinen (Google) 18 (100 %)
Wikipedia 4 (22,22 %)
Weitere 0 (0 %)
1.3 Welche Offline-Medien nutzen Sie hierfür?
Offline-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
Zeitungen 1 (5,56 %)
Zeitschriften 0 (0 %)
Broschüren 0 (0 %)
Bücher 0 (0 %)
Radio 0 (0 %)
Fernseher 2 (11,11 %)
Bibliothek 10 (55,56 %)
Weitere 0 (0 %)

WhatsApp wird von 15 der 18 Befragten (83,33 %) für ihren Informationsbedarf genutzt (Tabelle 1.1). Fast 80 Prozent verwenden auch YouTube als Informationsquelle, gefolgt von Facebook (40 %), Instagram (38,89 %) und Twitter (11,11 %). Live Streaming wird von einem Teilnehmenden eingesetzt, Line Live wird im Zuge dessen als Streaming-Portal angegeben. Der Nachrichten-Aggregator Reddit wird von keinem Befragten verwendet.

Tabelle 1.2 gibt Aufschluss darüber, welche weiteren Online-Medien für die Informationsbeschaffung verwendet werden. Alle verwendeten Suchmaschinen wie Google hierfür. Weitere vier Befragte (22,22 %) nutzten ebenfalls Wikipedia und eine Person (5,56 %) suchte nach Informationsinhalten auf Webseiten von Nachrichtensendern.

Tabelle 1.3 zeigt, dass über die Hälfte aller Befragten (55,56 %) Bibliotheken als Offline-Medium nutzen, um sich Informationen zu beschaffen. Zwei Befragte (11,11 %) verwenden als weiteres Offline-Medium den Fernseher und eine Person informiert sich auch über Zeitungen. Alle weiteren Offline-Medien wie Zeitschriften, Broschüren, Bücher oder das Radio werden von den Kindern und Jugendlichen nicht als Medium für die Beschaffung von Wissen verwendet.

Informationsbedarf nach Unterhaltung (Forschungsfrage 4)

Alle Befragten geben an, dass sie Social Media, andere Online-Dienste und Offline-Medien zum Zeitvertreib und damit zum Zweck der Unterhaltung verwenden.

Tabelle 2

Informationsverhalten beim Informationsbedarf nach Unterhaltung (N=20).

2. Unterhaltung
2.1 Welche Social-Media-Dienste nutzen Sie zur Unterhaltung?
Social-Media-Kanal Anzahl (relative Häufigkeit)
Twitter 0 (0 %)
Facebook 3 (15,00 %)
WhatsApp 6 (30,00 %)
Reddit 0 (0 %)
YouTube 18 (90,00 %)
Instagram 8 (40,00 %)
Live Streaming 2 (10,00 %)
9gag 0 (0 %)
Pinterest 0 (0 %)
TikTok 9 (45,00 %)
Snapchat 2 (10,00 %)
Weitere 0 (0 %)
2.2 Welche weiteren Online-Medien nutzen Sie hierfür?
Weitere Online-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
Digitale Spiele 18 (90,00 %)
Pornos 0 (0 %)
Suchmaschinen 3 (15,00 %)
Netflix 7 (35,00 %)
Weitere (Cinema4You) 1 (5,00 %)
2.3 Welche Offline-Medien nutzen Sie hierfür?
Offline-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
Fernseher 7 (35,00 %)
Konsolenspiele 8 (40,00 %)
Zeitungen 0 (0 %)
Zeitschriften 1 (5,00 %)
Bücher 3 (15,00 %)
Radio 0 (0 %)
Weitere 0 (0 %)

Tabelle 2.1 zeigt, dass 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen YouTube zur Unterhaltung nutzen. Weniger als die Hälfte nutzt auch TikTok (45 %) und Instagram, während ein kleiner Teil WhatsApp und Facebook einsetzt. Vereinzelt kommen auch Snapchat und Live Streaming zum Einsatz (jeweils 10 %). Die Befragten nutzen kein Twitter, Reddit, 9gag oder Pinterest zum Vergnügen. Wenn es um die Verwendung weiterer Online-Medien geht, zeigt 2.2, dass fast alle Kinder und Jugendliche digitale Spiele spielen. Netflix wird von einem kleinen Teil (35 %) zum Vergnügen genutzt. Weniger als die Hälfte der Befragten nutzen Konsolenspiele und ein noch kleinerer Teil den Fernseher. Offline- und Printmedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Radio werden kaum verwendet.

Informationsbedarf nach sozialer Interaktion (Forschungsfrage 5)

Auf die Frage, ob sie soziale Kontakte sowohl online als auch offline pflegen, antworteten 18 Kinder und Jugendliche (90 %) mit Ja. Etwa 95 Prozent der Befragten pflegen soziale Kontakte mit Familienmitgliedern und fast 80 Prozent zu Freunden innerhalb Deutschlands. Die Hälfte hält den sozialen Kontakt zu Familienmitgliedern und zwei (11,11 %) zu Freunden in der Heimat.

Tabelle 3

Informationsverhalten beim Informationsbedarf nach sozialer Interaktion (N=18).

3. Soziale Interaktion
3.1 Welche Social-Media-Dienste nutzen Sie zur sozialen Interaktion?
Social-Media-Kanal Anzahl (relative Häufigkeit)
Twitter 0 (0 %)
Facebook 3 (16,67 %)
WhatsApp 14 (77,78 %)
Reddit 0 (0 %)
YouTube 0 (0 %)
Instagram 1 (5,56 %)
Live Streaming 0 (0 %)
Snapchat 2 (11,11 %)
Skype 0 (0 %)
TikTok 1 (5,56 %)
Weitere imo
3.2 Welche weiteren Online-Medien nutzen Sie hierfür?
Weitere Online-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
E-Mail 3 (16,67 %)
SMS 4 (22,22 %)
Weitere 0 (0 %)
3.3 Welche Offline-Medien nutzen Sie hierfür?
Offline-Medien Anzahl (relative Häufigkeit)
Brief / Postkarten 5 (27,78 %)
Festnetztelefon 2 (11,11 %)

Tabelle 3.1 zeigt, dass WhatsApp für die soziale Interaktion und zur Pflege von Kontakten von fast 80 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen genutzt wird. Es ist damit das meist verwendete Medium für diesen Themenbereich. Andere Social Media wie Facebook und Snapchat werden nur vereinzelt genutzt. E-Mails und SMS werden von den Kindern nur wenig gebraucht. Tabelle 3.3 zeigt die gar nicht so geringe Bedeutung von Briefen und Postkarten (27,78 %) – ein Wert, der oberhalb der Nutzungshäufigkeiten von E-Mails und SMS liegt.

Informationsbedarf nach Selbstdarstellung (Forschungsfrage 6)

Nur elf Kinder und Jugendliche pflegen eine eigene Präsenz im Internet, um sich selbst darzustellen. WhatsApp und TikTok werden hierbei von jeweils sechs Befragten genutzt. Fast die Hälfte der elf Interviewten nutzt noch Instagram. Vereinzelt werden auch Snapchat (36,36 %), Facebook (27,27 %) und YouTube (9,09 %) von den Befragten eingesetzt, um sich selbst darzustellen. Die Gründe, warum die Kinder und Jugendlichen Anerkennung von anderen Leuten wünschen, sind vielseitig. Zehn der elf Befragten nennen den Faktor Spaß. Die Selbstpräsentation und die Anerkennung durch andere macht ihnen einfach Spaß. Außerdem wollen sieben (63,64 %) über die eigene Situation berichten. Drei der Befragten (27,27 %) geben als Grund den Aufbau sozialer Kontakte an.

Tabelle 4

Informationsverhalten beim Informationsbedarf nach Selbstdarstellung (N=11).

4. Selbstdarstellung
4.1 Welche Social-Media-Dienste nutzen Sie zur Selbstdarstellung?
Social-Media-Kanal Anzahl (relative Häufigkeit)
Twitter 0 (0 %)
Facebook 3 (27,27 %)
WhatsApp 6 (54,55 %)
Reddit 0 (0 %)
YouTube 1 (9,09 %)
Instagram 5 (45,46 %)
Live Streaming 0 (0 %)
Snapchat 4 (36,36 %)
Pinterest 0 (0 %)
Skype 0 (0 %)
TikTok 6 (54,55 %)
Weitere 0 (0 %)

Unterschiede bei der Social-Media-Nutzung zwischen erwachsenen und jugendlichen Asylbewerbern (Forschungsfrage 7)

Unterscheidet sich das Informationsverhalten der erwachsenen Asylbewerber vom Verhalten der Kinder und Jugendlichen? Wir können Vergleiche der Social-Media-Dienste anstellen, weil darüber in der Untersuchung der erwachsenen Asylbewerber von Scheibe et al. (2019) berichtet wird. Der Vergleich berücksichtigt 19 Erwachsene im Alter zwischen 21 und 55 Jahren (in Tabelle 5 als „Erwachsene“ bezeichnet) und die 20 Kinder und Jugendlichen aus unserer Studie („Kinder“).

Tabelle 5:

Informationsverhalten von erwachsenen und jugendlichen Asylbewerbern bei Social Media.

Wissen Unterhaltung Soziale Interaktion Selbstdarstellung
Dienst Erwachsene Kinder Erwachsene Kinder Erwachsene Kinder Erwachsene Kinder
Facebook 95 % 44 % 74 % 15 % 74 % 17 % 93 % 27 %
Twitter 32 % 11 % 5 % 0 % 5 % 0 % 0 % 0 %
WhatsApp 90 % 83 % 58 % 30 % 100 % 78 % 53 % 55 %
YouTube 90 % 78 % 90 % 90 % 0 % 0 % 0 % 9 %
Instagram 63 % 39 % 37 % 40 % 26 % 6 % 40 % 46 %
TikTok 0 % 0 % 11 % 45 % 11 % 6 % 13 % 55 %
N 19 18 19 20 19 18 15 11

Facebook wird bei allen vier Informationsbedürfnissen von Erwachsenen weitaus mehr eingesetzt als von jungen Asylbewerbern. Twitter nutzen nahezu ausschließlich Erwachsene für die Informationsbeschaffung. Bei WhatsApp verhalten sich die beiden Altersgruppen fast gleich; es ist zentral für die soziale Interaktion (insbesondere von Erwachsenen) und den Austausch von Wissen. YouTube dient für beide Altersgruppen zur Unterhaltung und zum Wissensaustausch. Instagram kommt bei rund der Hälfte der Befragten zum Einsatz; Nutzungsmotive sind Wissen (eher bei den Erwachsenen), Unterhaltung und Selbstdarstellung. Der Kurzvideodienst TikTok wird von jugendlichen Asylbewerbern vor allem zur Unterhaltung und zur Selbstdarstellung genutzt, während die Erwachsenen diesen Dienst kaum einsetzen.

Diskussion

Es ist festzustellen, dass alle befragten Kinder vor allem Social Media verwenden, um ihre Informationsbedürfnisse zu befriedigen. 90 Prozent der Befragten besitzen ein eigenes Smartphone und 95 Prozent haben zu Hause Zugang zum Internet. Es ist davon auszugehen, dass das Smartphone das Hauptgerät ist, mit dem die Kinder sich mit dem Internet verbinden und Social Media verwenden. Auch internetfähige Geräte wie Tablets und Laptops besitzen einige der Befragten. Alle Kinder und Jugendlichen meinen, dass ihre Fähigkeiten, mit den Medien und Geräten adäquat umzugehen, mindestens mittelmäßig sind. Dies könnte daran liegen, dass sie die angegebenen Medien regelmäßig verwenden und in dieser Nutzung sehr geübt sind. So können sie ihre Bedürfnisse zufriedenstellen und schätzen ihren Umgang mit den Medien und Geräten eher positiv ein.

Unabhängig vom Informationsbedürfnis werden stets die Dienste WhatsApp, YouTube, Facebook und Instagram verwendet. Auffallend ist, dass der Social Networking Service Snapchat auch zu den meist verwendeten Medien gehört. Nach Statista (2019a) liegen die Nutzungszahlen nicht weit unter denen von Instagram; Kinder und Jugendliche verwenden es sogar häufiger als Facebook. Unsere begrenzte Studie zeigt das Gegenteil. Facebook wird hier im Vergleich zu Snapchat in allen Kategorien von einigen Kindern und Jugendlichen verwendet und zeigt in dieser Studie höhere Nutzungszahlen als Snapchat.

WhatsApp sticht bei der Mediennutzung definitiv hervor; nur wenn es um Unterhaltung geht, liegt YouTube auf Platz eins, sonst wird WhatsApp am meisten verwendet. Die Kinder nutzen es zur Informationsbeschaffung, Kontaktpflege und um sich selbst darzustellen. Erhebungen aus dem Jahr 2019 zum Thema Jugend und Medien zeigen, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland am wenigsten auf WhatsApp verzichten würden (Vom Orde & Durner, 2019). Dies gilt wohl ebenso für die Kinder und Jugendliche in unserer Studie, da sie überwiegend WhatsApp in allen abgebildeten Kategorien verwendeten. Auch die Ergebnisse von Statista (2019b) zeigen, dass WhatsApp bei 6- bis 13-jährigen Kindern nach den Suchmaschinen am zweithäufigsten verwendet wird.

Für die Informationsbeschaffung geben 90 Prozent an Social Media zu nutzen. Diese sind also für die Flüchtlinge zu einer wichtigen Wissensquelle geworden. Wie bereits genannt, steht WhatsApp hierbei an erster Stelle. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Kinder sich über WhatsApp mit ihren Klassenkameraden austauschen und hier auch Informationen etwa zu gemeinsamen Hausaufgaben miteinander teilen. Am zweithäufigsten unter den Social Media-Diensten wird YouTube genutzt, nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Informationsbeschaffung. Es wird von Kindern auch zu schulischen und weiterbildenden Zwecken eingesetzt. Vor allem wenn es um „die Inhaltsvermittlung in Online- oder Fernlehrphasen geht, sind Videos als zentrales Lerninstrument kaum mehr wegzudenken“ (Meller, 2017, S. 123). Daher ist auch von einem weiteren Anstieg der YouTube-Nutzung für schulische Belange auszugehen. YouTube hat eine große Bandbreite an Videos, die Lerninhalte leicht verständlich aufbereiten und vermitteln, daher ergibt es durchaus Sinn, dass es von den befragten Flüchtlingskindern sehr oft für die Informationsbeschaffung genutzt wird.

Alle, die angaben, dass sie sich über Themen informieren (N=18), verwenden für die Informationsbeschaffung – abgesehen von den Social Media – die Suchmaschine Google. Bei den anderen Informationsbedürfnisarten werden Suchmaschinen wie Google kaum angegeben. Das heißt, dass die Kinder hier lediglich eine sinnvolle Methode sehen, um sich Wissen zu beschaffen. Wenn es um Unterhaltung geht, so nutzen alle Befragten Social Media. YouTube wird hier von 90 Prozent zur Unterhaltung verwendet. 45 Prozent nutzen außerdem TikTok und 40 Prozent Instagram zum Zeitvertreib. Weiterhin setzen 90 Prozent der Befragten digitale Online-Spiele zu Entertainment-Zwecken ein. Konsolenspiele (40 %) haben eine geringere Bedeutung. Netflix und Fernsehen dienen nur 35 Prozent zur Unterhaltung. Dies zeigt, dass die befragten Kinder mehr Spaß und Interesse an digitalen Spielen haben als an Filmen und Serien.

Zur Selbstdarstellung setzt fast die Hälfte unserer befragten Kinder und Jugendlichen Social Media ein, wobei TikTok und WhatsApp dafür von den Interviewpartnern am meisten genutzt werden. Die persönlichen Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen ergaben, dass sie hierfür Fotos privat verschicken oder für ihre Kontakte öffentlich in der Funktion Story hochladen, um ihren Freunden und Familienmitgliedern zu zeigen, was sie unternehmen, und um schöne Momente aus ihrem Leben zu teilen. Über TikTok erstellen sie gerne Videos, die sich in erster Linie nicht einmal um sie selbst drehen müssen, sondern sich eher auf andere Dinge beziehen. Sie haben hierbei Spaß und hoffen, dass die auf TikTok geteilten Kurzvideos anderen gefallen.

Auffällig ist, dass einige Social Media-Dienste von den Kindern und Jugendlichen gar nicht oder kaum verwendet werden. Hierzu zählen Reddit, Skype, 9gag und Pinterest ohne eine einzige Nennung. Auch Twitter und Live Streaming werden kaum genutzt. Live Streaming wird für die Informationsbeschaffung von einer einzigen Person genutzt und zur Unterhaltung von nur zwei Personen. Twitter hingegen wird nur zur Zufriedenstellung des Bedürfnisses nach Wissen, und das auch nur von zwei Personen, verwendet.

Limitationen und Ausblick

Die vorliegende Studie unterliegt teilweise Limitationen. Es wurden insgesamt 20 Personen befragt, davon sind mehr männlich (n=13) als weiblich (n=7). Als Repräsentation aller Asylbewerberkinder und -jugendlichen in Deutschland kann die vorliegende Studie also nicht dienen. Sie wirft lediglich ein Schlaglicht auf eine zufällig angetroffene Gruppe. Für weitere Forschungen wäre es interessant, eine größere Anzahl an Kindern und Jugendlichen zu befragen und dann Unterschiede hinsichtlich des Herkunftslandes, des Geschlechts und des Alters zu untersuchen. Außerdem wäre es in diesem Zuge interessant zu untersuchen, ob es Unterschiede im Informationsverhalten von Kindern gibt, die schon seit einigen Jahren in Deutschland leben im Vergleich zu denen, die erst kurze Zeit hier sind. Weiterhin wäre es hilfreich, die Studie auszuweiten und in anderen Ländern Europas durchzuführen, denn es ist durchaus relevant zu untersuchen, ob die Flüchtlingskinder in anderen Ländern Europas dasselbe Informationsverhalten aufweisen wie die Befragten in Deutschland. Es wäre letztlich empfehlenswert, Vergleiche zwischen der Mediennutzung und den Informationsbedarfen deutscher Kinder und Jugendlicher im Vergleich zu denen der Asylbewerber zu ziehen.

Über die Autoren

Rasia Haji

Rasia Haji studierte Geschichte und Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und schließt derzeit einen Master an der Universität Bielefeld an, der sich „Interdisziplinäre Medienwissenschaft“ nennt. Diesen wird sie voraussichtlich in einem Jahr erfolgreich beenden.

Katrin Scheibe

Katrin Scheibe ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie forscht in den Themenbereichen Social Media, Gamification sowie Informationsverhalten und hält Lehrveranstaltungen in den Modulen Information Retrieval und Informetrie.

Franziska Zimmer

Franziska Zimmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung für Informationswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie forscht in den Themenbereichen Social Media, Informationsverhalten sowie Fake News und hält Lehrveranstaltungen in den Modulen Informationsmarkt und „Studi 2.0“ (Der mitforschende Student) ab.

Danksagung

Wir bedanken uns bei der Leitung der Institution dafür, dass wir die Kinder und Jugendlichen, die bei den Sprach- und Lerngruppen im Jahr 2019 mitgemacht haben, interviewen durften. Außerdem danken wir allen befragten Kindern und Jugendlichen, dass wir mit ihnen sprechen durften.

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Online erschienen: 2020-07-23
Erschienen im Druck: 2020-07-03

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 3.10.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/iwp-2020-2092/html
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