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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter August 24, 2022

Optimierung der Lernergebnisse durch Coaching: Ein trianguläres Modell der Lehr­kommunikation im Proseminar „Historiolinguistik II“

  • Erika Windberger-Heidenkummer EMAIL logo , Eva Present and Nadia Rungger

Abstract

Die aufbauende Lehrveranstaltung Historiolinguistik II ist an der Universität Graz im Bachelorstudium Germanistik als Pflichtfach und im Masterstudium Lehramt Deutsch als Wahlfach verankert. Der Fokus liegt auf grundlegenden Aspekten der historischen Grammatik des Deutschen. Lehrziel ist die Erweiterung und Vertiefung von sprachhistorischem Wissen und der Aufbau von entsprechenden Transferkompetenzen. Seit 2015 gibt es dazu ein begleitendes Coaching-Angebot: Ein bis zwei ausgezeichnete Absolvent:innen des Proseminars aus vergangenen Semestern unterstützen die Teilnehmer:innen bei der Lösung von kontinuierlich angebotenen Arbeitsaufträgen. Sie führen zwei begleitete Übungseinheiten durch und beantworten inhaltliche und methodische Fragen. Dieses trianguläre Modell der Lehrkommunikation (Lehrende, Coaches, Studierende) bewährt sich insbesondere auch bei Distanzlehre. Anhand des Coachings im Wintersemester 2020/21 soll im Zusammenhang mit Ablauf, Inhalten, Zielen und Ergebnissen der Lehrveranstaltung beispielhaft erläutert werden, welche Auswirkungen das Zusatzangebot auf die individuellen Leistungen der Studierenden und auf die Leistung der Gruppe im Gesamten hatte. Es wird auch thematisiert, in welchem Ausmaß die Studierenden auf das Angebot eingegangen sind, in welchen Zeiträumen des Semesters es besonders stark in Anspruch genommen wurde und wie die Qualität der gestellten Anfragen zu bewerten ist.

1 Voraussetzungen und Zielsetzung

Ein Bewusstsein für die Relevanz sprachhistorischer Bildung entsteht in der Wissensgesellschaft durch Vermittlungsleistungen der Bildungsinstitutionen, schreiben Harm, Runow & Schiwek (vgl. 2016: 11). Dieser Aussage ist aus unserer Sicht wenig hinzuzufügen, außer dass zusätzlich zur Intensivierung der Vermittlung sprachhistorischer Inhalte in den Bildungsinstitutionen eine medial gesteuerte Bewusstseinsbildung sinnvoll wäre, um eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Eine solche Werbung obliegt insbesondere der Wissenschaft. Es ist eine von ihren Vertreter:innen einzubegleitende Aufgabe, die Relevanz und den Nutzen sprachhistorischen Wissens durch geeignete mediale Positionierung zu unterstreichen, um im Bildungsgeschehen möglichst öffentlichkeitswirksam präsent zu sein. Das ist jedoch erst dann möglich, wenn sprachhistorische Ausbildung ihre Position rückerobert, gehalten und gestärkt hat.

Wir sind der Überzeugung, dass die Universitäten und Hochschulen am Ausgangspunkt jedweder Imagebildung stehen sollen und müssen. Sie haben es schließlich in der Hand, wie es im eigenen Forschungsfeld – und davon ausgehend an den Schulen – weitergeht und wofür Aufmerksamkeit geweckt wird. Der Forschungsbereich Linguistik (Sprachwissenschaft) einschließlich der Disziplin Historiolinguistik gehört zu jenen Wissenschaften, deren Essenzen es längst verdienen, stärker verbreitet zu werden. An Sprache, ihrem Fortbestehen und ihrer Entwicklung haben schließlich alle Sprecher:innen beständig mitgearbeitet – und sie tun es in jeder Sekunde – und deswegen muss sprachhistorische Ausbildung als Reflexion über dieses Geschehen auch als kulturelle Vermittlungsleistung begriffen werden.

Den Zielsetzungen der GGSG und der Thematik dieser Tagung entsprechend geht es in diesem Beitrag um ein universitäres Best-Practice-Beispiel, anhand dessen sowohl Probleme der sprachhistorischen Ausbildung an einer österreichischen Germanistik (KFU Graz) als auch eingeschlagene Lösungswege angesprochen und veranschaulicht werden sollen. Das Konzept, das als trianguläres Modell der Lehrkommunikation bezeichnet wird, ist eine genuine Entwicklung und verdankt seine Entstehung langjährigen Beobachtungen, Selbstevaluierungsergebnissen und Gesprächen mit Studierenden.

Die Probleme der Lehrenden und Studierenden mit der komplexen, detailreichen und faktenbeladenen historischen Sprachwissenschaft haben sich, so der Eindruck, in den beiden letzten Jahrzehnten verschärft. Während sich z. B. wissenschaftliche Zugänge zu Grammatik einschließlich historischer Grammatiken verdichten und differenzierter werden, nehmen grundlegende historische Orientierungsfähigkeit, grammatische Grundkenntnisse und ein souveräner Umgang mit dem Sprachsystem auf Basis von erworbener Einsicht in Systemzusammenhänge (Schäfer & Sayatz 2017; Sayatz & Schäfer 2019) mehr und mehr ab. Die systemische, sozio- und variationslinguistische Deskription von sprachhistorischen Prozessen überfordert die meisten Studierenden. Ein solches Spannungsverhältnis schafft Stress auf beiden Seiten.

Da der Mitgestaltung gesellschafts- und bildungspolitischer Ziele aus fachwissenschaftlicher Perspektive Grenzen gesetzt sind, erscheint als Lösungsschritt nur ein Anpassen und Gegensteuern vor Ort möglich. Dazu bedarf es auch einer gewissen Leitlinie, die aus unserer Sicht so lautet: Jeder Student bzw. jede Studentin, die i. w. S. sprachhistorische Phänomene oder Prozesse (bzw. deren theoretische Konstrukte) so verstanden hat, dass er/sie diese zu einem möglichst hohen Prozentsatz in Erinnerung rufen und sie situationsadaptiert (z. B. wissenschaftlich, öffentlichkeitswirksam, didaktisch) einsetzen kann, ist ein Gewinn und Multiplikator für das Fach.

2 Positionierungen sprachhistorischer Ausbildung in den Curricula der Grazer Germanistik

2.1 Bachelorstudium Germanistik

Im BA-Studium Germanistik ist die Lehrveranstaltung, die wir in den Mittelpunkt rücken wollen, als Pflichtlehrveranstaltung verankert. Das Proseminar (PS) „Historiolinguistik II“ mit 2 Semesterwochenstunden (= SWS) baut auf „Historiolinguistik I“ (2 SWS) auf. Seit dem Studienjahr 2003/2004 (Stj. 03/04) wird in Graz eine 4-stündige historiolinguistische Ausbildung angeboten, die eine ursprünglich 5-stündige Konzeption in Kooperation mit der Mediävistik abgelöst hat.

Tab. 1 
            Chronologie sprachhistorischer Ausbildung im Grazer BA-Studium Germanistik
Tab. 1

Chronologie sprachhistorischer Ausbildung im Grazer BA-Studium Germanistik

Das „Proseminar zur älteren Sprache“ wurde bis zum Stj. 02/03 gemeinsam mit Lehrenden der Mediävistik angeboten. Seit dem Stj. 03/04 gehen Sprachwissenschaft und Mediävistik jedoch getrennte Wege: Die Sprachwissenschaft hat die historische Komponente (Sprachwandel, Sprachvariation und historische Grammatik) stärker zu sich geholt und ist der „fachpolitischen ‚Falle‘“ (Harm, Runow & Schiwek 2016: 13) entkommen, die sich zwischen der überwiegend literatur- und kulturwissenschaftlich orientierten Mediävistik und der synchron orientierten Sprachwissenschaft aufgetan hat. Die zeitliche Verknappung von 3 SWS ging zu Lasten von sprachgeschichtlichen Inhalten der historiolinguistischen Lehrveranstaltungen, war aber unabdingbar für die Implementierung der Lehrveranstaltung „Mediävistische Textwissenschaft“ im Curriculum. In Graz ist es erstaunlicherweise früh und in Zeiten einer vakanten Professur gelungen, die historische Sprachwissenschaft innerhalb der germanistischen Sprachwissenschaft/Linguistik zu verankern. Man kann das als gute Ausgangslage bezeichnen, obwohl sich bei vielen Studierenden die studienrechtlich ermöglichte Absenz von Lateinkenntnissen als nachteilig für den Zugang und das Verständnis der diachronen Flexionsmorphologie erwies.

2017 gelang es durch den Konsens der Vertreter:innen der drei germanistischen Prüfungsfächer (Neuere deutsche Literatur, Mediävistik, Deutsche Sprache/Linguistik) und gegen den Widerstand der Österreichischen Hochschülerschaft Graz, den Nachweis von Lateinkenntnissen (durch Schulunterricht oder Ergänzungsprüfung) für bestimmte Lehrveranstaltungen der Mediävistik und Sprachwissenschaft zu implementieren. Eine reflexhafte und meist ideologisch motivierte Abwehr historischer Fragestellungen, wie das Fleischer (vgl. 2014: 369) ausdrückt, der Verlust der Fähigkeit zu prozessualem und vernetztem Denken und nicht zuletzt das Fehlen von unterstützender Lateinkompetenz, vgl. dazu Fruhwirth (2010), wurde von Lehrenden durchaus erkannt und sehr kritisch betrachtet.

Ziegler, der seit 2005 die sprachhistorische Ausbildung in Graz leitet, vertritt die Ansicht, dass sich die Verankerung der Sprachgeschichtsforschung als germanistisches (Forschungs-)Fach und in der Lehre als äußerst gut darstelle (vgl. Ziegler 2014: 381–382). Man wird ihm im Großen und Ganzen beipflichten, denn in Graz werden z. B. im BA-Studium Germanistik auch entsprechende Pflichtlehrveranstaltungen angeboten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, in Bachelorseminaren und später in Seminaren des Masterstudiums Germanistik sprachhistorische bzw. historiolinguistische Inhalte anzubieten, um das Interesse wachzuhalten und Studierende für diese Forschungsrichtung zu begeistern. Man erreicht bei Ausschöpfung dieser Möglichkeit der Vertiefung und Weiterführung aber im Schnitt nur rund 10 Studierende pro Semester.

Dort, wo sich traditionell die Mehrheit der Studierenden befindet und der Konnex zur Schule hergestellt wird, im Lehramtsstudium (LA-Studium), hat man versagt. Die Dringlichkeit und „Relevanz einer Auseinandersetzung mit Gegenständen der Sprachgeschichte“ (Ziegler 2014: 382) im schulischen Deutschunterricht wurde zwar von Lehrstuhlinhaber:innen und engagierten Linguist:innen wie z. B. Jäger & Böhnert (2018) überzeugend dargelegt und eingefordert, eine entsprechende Umsetzung konnte mit der Neustrukturierung des Hochschulstudiums bildungspolitisch nicht erreicht werden.

2.2 Diplomstudium Lehramt Deutsch und Verbundstudium Lehramt Unterrichtsfach Deutsch Sekundarstufe (Allgemeinbildung)

Studierende des mit 30.09.2021 ausgelaufenen Diplomstudiums Unterrichtsfach (UF) Deutsch konnten noch zwischen den Lehrveranstaltungen „Mediävistische Textwissenschaft“ und „Historiolinguistik II“ wählen. Die „Historiolinguistik II“ war gegenüber der „Mediävistischen Textwissenschaft“ bereits zu dieser Zeit durch den unterschiedlichen Zugang, den höheren Zeitaufwand und das Abstraktionsniveau nur für sprachwissenschaftlich Interessierte ein Attraktor. Diese Nachteile wurden durch erhöhten Lehreinsatz und unterstützende Rückmeldungen aus kontinuierlichen, kursbegleitenden Evaluierungsmaßnahmen (z. B. Einsatz von Written Reviews als Instrument studentischen Feedbacks) zu kompensieren versucht.[1]

Mit dem neuen Lehramtsstudium Sekundarstufe Allgemeinbildung (LA-Studium Sek. AB)[2], das 2015 als Verbundstudium (Entwicklungsverbund Süd-Ost)[3] implementiert wurde, ist die sprachhistorische Ausbildung zukünftiger Deutschlehrer:innen stark eingeschränkt worden. Das gemeinsame Curriculum des BA-Studiums (Versionen 15W/16W, 17W/18W, 19W/21W) eröffnet nur einen einmaligen Kontakt mit historischer Sprachwissenschaft im PS „Sprachgeschichte und Sprachwandel“. Dazu ein Ausschnitt aus der Homepage der Grazer Germanistik (vgl.: https://static.uni-graz.at/fileadmin/gewi-institute/Germanistik/Sonstiges/LA-Bachelor_Deutsch-19W_UEbersicht.pdf):

Tab. 2 
            Das Pflichtmodul DEK im BA-Studium LA UF Deutsch Sek. (AB)
Tab. 2

Das Pflichtmodul DEK im BA-Studium LA UF Deutsch Sek. (AB)

Das fachbezogene PS „Sprachgeschichte und Sprachwandel“ wird an der Karl-Franzens-Universität Graz (s. Hochzahl 2) mit einer maximalen Teilnehmerzahl (TZ) von 30 und an der Pädagogischen Hochschule Steiermark (s. Hochzahl 8) mit einer maximalen TZ von 27 angeboten. Die Lehrveranstaltung bildet gemeinsam mit der seitens der Mediävistik angebotenen Vorlesung „Literarische Traditionen I“ das Modul DEK. Der kurze Kontakt mit sprachhistorischen Inhalten im Ausmaß von 2 SWS reicht meist nicht aus, um angesichts der eröffneten Wahlmöglichkeiten in dem erst jetzt in Gang kommenden Masterstudium Seminare und Vorlesungen mit sprachhistorischen Inhalten besonders attraktiv erscheinen zu lassen.

Die beiden im Vergleich zum BA-Studium Germanistik fehlenden PS „Historiolinguistik II“ und „Mediävistische Textwissenschaft“ können im Masterstudium im UF Deutsch alternativ zu Seminaren oder Vorlesungen als Spezialgebiet der Sprachwissenschaft gewählt werden.[4] Dadurch wurde eine Möglichkeit geschaffen, diese von der Fachwissenschaft als inhaltlich wichtig bewerteten Lehrveranstaltungen zu absolvieren. Das LA-Studium setzt damit sowohl auf institutionelle Wahlmöglichkeiten als auch auf fachbezogene, weshalb Konkurrenzmechanismen den gesamten Studienablauf durchziehen. So vorteilhaft das Konkurrenzprinzip sich im Einzelnen auf die Qualität von Studien und Lehrveranstaltungen auswirken mag und so sehr es den Interessen und Stärken der Studierenden entgegenkommt, so nachteilig wirkt es sich auf eine in den Leitlinien wissenschaftlich fundierte und qualitative Umsetzung sprachhistorischer Inhalte durch die zukünftigen Lehrer:innen aus. Was man im Studium ausgespart hat, kann man ohne zeitintensives Eigenstudium nicht situationsadäquat unterrichten.

Im Unterschied zum alten Diplomstudium für das LA Deutsch wird die Übergangsphase von der Universität oder Hochschule in die berufliche Praxis nicht durch ein Probejahr an Höheren Schulen abgedeckt, sondern als praxisnahe, mit der Wissenschaft verzahnte Berufsvorbildung an Universitäten und Hochschulen absolviert. Studienrechtlich ist es deshalb möglich, dass Masterstudierende bereits selbstständig an Schulen unterrichten. Sobald aber Masterstudierende parallel zum Studium unterrichten, lässt diese Kombination aus zeitökonomischen Gründen keine zeitintensivere lehrveranstaltungsbegleitende Auseinandersetzung mit sprachhistorischen Inhalten zu. Das Vorurteil, dass man diese Inhalte im schulischen Unterricht ohnehin nicht einsetzen könne, hält sich hartnäckig.

Die Teilnehmer:innen des PS „Historiolinguistik II“ setzen sich den curricularen Wahlmöglichkeiten entsprechend aus Studierenden des BA-Studiums Germanistik, aus Kombinationsstudierenden BA-Studium Germanistik/LA-Studium UF Deutsch Sek. (AB), aus Masterstudierenden des UF Deutsch und aus Incoming-Studierenden (Erasmus-Studierenden) zusammen. Bis zum Stj. 19/20 haben erst 2 Studierende „Historiolinguistik II“ als Spezialgebiet absolviert.

2.3 Entwicklung der Studierendenzahlen in sprachhistorischen Lehrveranstaltungen: Bachelorstudium Germanistik und Bachelorstudium Lehramt Unterrichtsfach Deutsch Sekundarstufe (Allgemeinbildung)

Gerade dort, wo Lehrer:innen ausgebildet werden, die im Besonderen in der Lage sein müssten, situationsadaptiv zu unterrichten und dabei Norm und Variation sowohl fach- und schülergerecht zu vermitteln, verliert die Sprachgeschichte an Terrain, während sie im fachwissenschaftlich orientierten Studium ihren Stellenwert behält und Entwicklungen im Fach aufnehmen kann.

Abb. 1 
            Entwicklung der Studierendenzahlen (abschließende Teilnehmer:innen) in sprachhistorischen Kursen des BA-Studiums Germanistik und des LA UF Deutsch Sek. (AB)
Abb. 1

Entwicklung der Studierendenzahlen (abschließende Teilnehmer:innen) in sprachhistorischen Kursen des BA-Studiums Germanistik und des LA UF Deutsch Sek. (AB)

Die Daten zeigen deutlich, wie stark die Belegung der sprachwissenschaftlichen Grundausbildung für LA-Studierende im Stj. 20/21 ansteigt (147 Teilnehmer:innen) und wie sehr es zu einem Auseinanderklaffen zwischen den Ausbildungsrichtungen kommt. BA-Studierende besuchen nacheinander die PS „Historiolinguistik I“ und „Historiolinguistik II“; sie profitieren vom längeren Kontakt mit sprachhistorischen Inhalten, erleben eine Vertiefung und Erweiterung, während das Gros der Studierenden, nämlich LA-Studierende, in nur einer Lehrveranstaltung mit höherer Teilnehmerobergrenze (30 gegenüber 25) das Fach kennenlernen.

3 Das Proseminar „Historiolinguistik II“

3.1 Inhalte und Ziele

Der Fokus des PS „Historiolinguistik II“ liegt auf grundlegenden Aspekten der historischen Grammatik des Deutschen, wobei auch das Indogermanische und Germanische in entsprechenden Vereinfachungen einfließen. Den Schwerpunkt bilden Phonologie und Morphologie bzw. deren Schnittstellen sowie das Verstehen und Erkennen von Prozessualität und Variabilität. Die Beschreibung des PS im Intranet lautet:

  1. Basis: Die Lehrveranstaltung baut auf grundlegenden Kenntnissen zur Periodisierung des Deutschen sowie zu Beschreibungs- und Erklärungsmodellen von Sprachwandel und Sprachvariation auf.

  2. Rahmen: Gegenstand ist die historische Grammatik des Deutschen im Überblick, insbesondere sprachtypologisch relevante Kriterien unter Berücksichtigung der historischen Vorstufen des Deutschen.

  3. Thematische Schwerpunkte:

    1. Entwicklung der Vokale und Konsonanten vom Idg. bis zum Nhd., vor allem in Hinblick auf deren flexionsmorphologische Relevanz: Umlautphänomene, Grammatischer Wechsel, Ablaut und Ablautklassen der unregelmäßigen Verben – Grammatische Kategorien aus historiolinguistischer Perspektive; Grammatikalisierung – Flexionsmorphologische Entwicklungslinien der Adjektive, Substantive und Verben.

  4. Korpus: Neben isolierten Phänomenrepräsentanten und Paradigmen ausgewählter Lexeme werden zur Illustration und zum Nachweis der behandelten Aspekte ahd. Textpassagen (Tatian) sowie synoptische Bibelstellen (Tschirch 2013) verwendet, die einen geeigneten chronologischen Überblick vom Ahd. (um 830) bis zur Gegenwartssprache vermitteln. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, ausgewählte Bereiche des Sprachwandels anhand von Originalhandschriften und Transliterationen zu diskutieren.[Derzeit werden dazu Textseiten der indogermanistischen Datenbank Titus genutzt.]

Grundlegendes Lehrziel des PS „Historiolinguistik II“ ist die Erweiterung und Vertiefung von sprachhistorischem Wissen (anhand von Lexem- und Textbezügen) und vor allem der Aufbau von entsprechenden Transferkompetenzen. Die Studierenden sollen zu einem holistischen, die Sprachebenen übergreifenden Beschreiben angeleitet werden. Im Fokus stehen systemrelevante Entwicklungen und Grammatikalisierungsprozesse, die nicht nur temporär nachvollziehbar dargestellt, sondern verstanden werden sollen. Aus diesem Grund kann wöchentlich unter theoretischer und methodischer Anleitung an Beispielen und Texten selbstständig geübt werden. Die Studierenden sollen auf diese Weise eine höhere kognitive Behaltensquote der Inhalte und Methoden erreichen, damit deren längerfristige Verfügbarkeit zumindest angebahnt wird. Schließlich sollen die Studierenden eine nachhaltige sprachhistorische Kompetenz und Orientierungsfähigkeit in der Diachronie erwerben und ihr Wissen bei Bedarf auch für Fragen der Gegenwartssprache verfügbar machen können.

Im Fokus steht Sprachsystemgeschichte mit ihren strukturalistischen und variationslinguistischen Beschreibungsmethoden (Bär, Lobenstein-Reichmann & Riecke 2015: 287), aber keineswegs als monolithischer Block, dessen Verbindung zu anschlussfähigen Konzepten gegenwartssprachlicher orientierter Linguistik den Studierenden überlassen wird. Historische Grammatik muss vor allem auch an die Grammatikausbildung angeschlossen werden und Erklärungen für scheinbare Widersprüche, Schwankungsfälle und Irregularitäten liefern. Sie muss das Differenzierungsvermögen zwischen Norm und Gebrauch schulen, den Zusammenhang zwischen Sprachwandelphänomenen und Normverstößen erhellen und einen Hebel für die Beurteilung von Zweifelsfällen bieten.

3.2 Lehrunterlagen und mediale Unterstützung

Lehrvortrag und Diskussion werden durch zwei Lehrunterlagen unterstützt: das Rahmenskriptum Sprachgeschichte und das Skriptum Lautwandel und morphologischer Wandel.

Das Rahmenskriptum bietet einen sprachgeschichtlichen Zugang mit Merkmalen der einzelnen Perioden. Es enthält eine Reihe ausgewählter periodenspezifischer Entwicklungen, und zwar vom Idg. zum Germ., vom Germ. zum Ahd., vom Ahd. zum Mhd. und vom Mhd. zum (F)nhd. Phonetische und phonologische Prozesse werden strikt IPA-basiert dargestellt.

Im Skriptum Lautwandel und Morphologischer Wandel werden sprachhistorische Fakten, Prozesse und Beschreibungstypologien, die Studierende kennen und einsetzen sollen, in den Mittelpunkt gestellt. Es enthält eine Reihe von Übersichtstabellen zu flektierenden Wortarten vom Idg. zum Nhd., die auch im Masterstudium genutzt werden. Dieses Skriptum umfasst wesentliche Themenbereiche der historischen Grammatiken (Braune 2018; Ebert u. a. 1993; Paul 2007) und bestimmter Klassiker der Sprachgeschichte (Sonderegger 1979; 2003). Es enthält auch idg. und germ. Rekonstruktionen inklusive laryngaltheoretischer Erklärungen und Beispiele, wie sie beispielsweise aus Meier-Brügger (2010), Tichy (2004), Euler (2013) und Kausen (2012) ermittelt werden können. Begleitend zu den Skripten werden Nübling et al. (2017) und Schmid (2017) genutzt bzw. als Lektüre empfohlen. Die Studierenden werden auch angeleitet, mit den Datenbanken DWDS, GRAMMIS und WSK Fragestellungen in den kursbegleitenden Arbeitsaufträgen zu arbeiten. Zielgerichtetes Recherchieren in online verfügbaren Wörterbüchern, z. B. Köbler (2014) oder Krech u. a. (2010), und auf Internetplattformen (Wörterbuchnetz 2021) wird gefördert.

Die Lehrveranstaltung wird durch die Lehrplattform Moodle unterstützt. Bedingt durch die anhaltende Distanzlehre wurde ab März 2020 der gesamte Lehrvortrag (theoretischer und methodischer Input) des PS anhand von jederzeit abhörbaren Video- und Audiofiles unterstützt. Sie wurden mit PhonePaw und Audacity erstellt und den Teilnehmer:innen nun über 3 Semester hinweg über Google Drive zur Verfügung gestellt. Im Sommersemester 2021 wurden Lehrvortrag und Diskussion über BigBlueButton (BBB) und teilweise auch in Präsenz abgewickelt.

3.3 Prüfungsanforderungen, Workload und begleitendes Coaching

Die Studierenden präsentieren ihre Kenntnisse in einer Zwischenklausur (ZKL mit 50 Punkten) und einer Endklausur (EKL mit 100 Punkten). Begleitend zu den vorgestellten und diskutierten Inhalten werden 10 schriftliche Arbeitsaufträge in Zweier- und Dreiergruppen gelöst, 8 davon von der Lehrveranstaltungsleiterin korrigiert und wenn möglich mit einer Musterlösung versehen. Während der Ausarbeitung können die studentischen Coaches kontaktiert werden. Genau hier bewährt sich das trianguläre Modell der Lehrkommunikation. Näheres dazu bietet Abschnitt 4.

Die Proseminararbeit (PSA) erfolgt zur Schulung sozialer Kompetenzen und zur Intensivierung der Kommunikation über Fachinhalte in Teamarbeit. Die PSA ist thematisch vorstrukturiert und textbasiert, eröffnet aber gruppenspezifische Wahlmöglichkeiten bei der literaturgestützten und vertiefenden Beschreibung der im Kurs behandelten Prozesse.

Seit 2015 wird die Lehrkommunikation des arbeitsintensiven PS „Historiolinguistik II“ (2 SWS, 4 ECTS) durch studentische Coaches (Peers) begleitet, um so den Lehr- bzw. Lernertrag zu optimieren. Persönlich bestimmend dafür waren u. a. Eindrücke aus dem Workshop Historische Linguistik in den modernen Philologien an der ÖLT 2009 (Ritt u. a. 2010), die Fakultätsvertretung in der gesamtuniversitären Arbeitsgruppe Lehrevaluierung und die mehr als 10-jährige Mitgliedschaft in der Curricula-Kommission für die Studienrichtung Deutsche Philologie. Das trianguläre Modell ist das Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit theoretischen, methodischen und organisatorischen Aspekten der Lehre, um das angestrebte fachwissenschaftliche Niveau zu halten und zu verbessern.

Trianguläre Modelle sind in den Wissenschaften und vor allem auch in der Sprachwissenschaft verbreitet, vor allem in der Semiotik (z. B. Ogden/Richards 1974: 18; Bühler 1999: 28). Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation ist von der Theorie der sozialen Systeme und der kommunikationstheoretischen Auffassung Luhmanns inspiriert (Luhmann 2009: 288‒314; Berghaus 2011: 73‒97). Lehrende und Studierende sind bereit, mehr Kommunikation zuzulassen, gemeinsam intensivieren sie die Lehrkom­munikation und lassen so ein dichteres Netz des fachwissenschaftlichen Diskurses entstehen. Wir bilden ein besonderes soziales System, indem wir nicht bis zum Test zuwarten, mit dem eine neue (rückkoppelnde) Kommunikation startet, die dann Aufschluss darüber gibt, ob die im Kurs angelegte Lehrkommunikation zwischen Lehrendem und Studierenden geglückt ist und in Verstehen gemündet hat. Wir nutzen die Zeit, indem wir vor der bewerteten Rückkoppelungskommunikation mehr Kommunikation (Anschlusskommunikation) entstehen lassen.

4 Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation als Best-Practice-Beispiel

4.1 Das Coaching im Wintersemester 2020/2021

Das Coaching begleitet die Lehrveranstaltung Historiolinguistik II auch im WS 20/21. Zwei Absolvent:innen des PS aus den vergangenen Semestern unterstützen die Studierenden beim Absolvieren der Lehrveranstaltung. Die Kommunikation der Coaches mit den Studierenden erfolgt in diesem Semester zu einem Großteil per E-Mail, bei Klärungsbedarf in Ausnahmefällen per Videoanruf. Zusätzlich gibt es zweistündige Übungseinheiten, die jeweils Ende November und Ende Jänner stattfinden, bei denen die Studierenden und die Coaches in einem virtuellen Raum gemeinsam für die ZKL bzw. EKL üben. Dabei wird jeweils ein prüfungsrelevantes Thema vertieft. Die Vorbereitungen auf die ZKL und EKL finden im WS 20/21 aufgrund der coronabedingten Distanzlehre online auf der Plattform BBB statt. Zur inhaltlichen Vorbereitung auf die ZKL wird das Erstellen eines Lautverschiebungsprofils einschließlich anschlussfähiger Inhalte trainiert. Zur inhaltlichen Vorbereitung auf die EKL wird das Bestimmen der Wortarten und der grammatischen Kategorien geübt.

4.2 Die Umsetzung des triangulären Modells in der Lehrkommunikation: Ein Erfahrungsbericht von Eva Present und Nadia Rungger

Da viele Studierende historische Pflichtlehrveranstaltungen als Nadelöhr im Studium empfinden (vgl. Windberger 2010: 95–96), ist neben anschaulichen Unterrichtsmaterialien das Angebot kontinuierlicher, unkomplizierter und kompetenter Unterstützung umso wichtiger. Das Verständnis und die Fähigkeit, erworbene Kenntnisse anzuwenden, werden durch Arbeitsaufträge (AA), die kontinuierliche Mitarbeit erfordern, überprüft. Die Studierenden erledigen die insgesamt acht überprüften Aufträge in Zweier- oder Dreiergruppen (vgl. Tab. 3).

Tab. 3 
            Übersicht der AA im WS 20/21
Tab. 3

Übersicht der AA im WS 20/21

Die Aufträge fördern außerdem den Austausch zwischen den Studierenden sowie das gemeinsame Erarbeiten der Inhalte. Bereits die Gruppenarbeit kann unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen der Studierenden, etwa mangelnde Lateinkenntnisse oder ungleiche Vorkenntnisse über die historischen Vorstufen des Deutschen, ausgleichen. Bei allen weiteren anfallenden inhaltlichen, methodischen oder organisatorischen Fragen stehen den Studierenden neben der Lehrveranstaltungsleiterin die Coaches als zusätzliche Anlaufstelle zur Seite. Die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, wird durch den Peer-Aspekt gesenkt: Da die Coaches selbst erst vor kurzem die Lehrveranstaltung absolviert haben, werden sie nicht als Lehrinstanz angesehen, sondern finden sich in einer Vermittlerposition zwischen der Lehrenden und den Lernenden wieder. Nicht zu vernachlässigen ist der Umstand, dass die Coaches somit auch individuelle Hilfestellungen zur Herangehensweise an die Arbeitsaufträge und Ratschläge zur Klausurvorbereitung und zum effizienten Umgang mit den Unterlagen und Skripten geben können. Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation entsteht durch die Koppelung aller Positionen: Lehrende, Studierende und Coaches. Wesentlich dabei ist, dass im ständigen Austausch aller Parteien eine Position immer die Kommunikation der beiden anderen Positionen beobachten und reflektieren kann.

Abb. 2 
            Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation
Abb. 2

Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation

So beobachten die Coaches die Lehrkommunikation zwischen der Lehrenden und den Studierenden und können dadurch Unverständnisse aufklären. Damit kann gewährleistet werden, dass die Lehrveranstaltungsleiterin von den Coaches erfährt, bei welchen Themen die Studierenden besondere Schwierigkeiten haben und zu welchen Aspekten verhältnismäßig viele Fragen gestellt werden. Dies ermöglicht der Lehrveranstaltungsleiterin, ebenjene Aspekte aufzugreifen und für die Studierenden erneut darzulegen. Ebenso hat sie die Kommunikation zwischen den Studierenden und den Coaches im Blick und kann abschätzen, ob beispielsweise eine weitere Trainingseinheit angemessen wäre. Sie kann an den Leistungen der Studierenden zusätzlich beurteilen, ob die mit den Coaches geübten Inhalte verstanden und angenommen werden und ob das Coaching zielführend ist.

4.3 Übungseinheit: Das Lautverschiebungsprofil

Das Lautverschiebungsprofil stellt einerseits einen Prüfungsschwerpunkt im Rahmen der ZKL und andererseits einen Teil der PSA dar. Es dient dazu, den Wissensstand der Studierenden in Bezug auf die für die Entwicklung des Deutschen relevante zweite Lautverschiebung abzufragen. Vor der ZKL findet eine Online-Übungseinheit statt, in der die Studierenden gemeinsam mit den Coaches ein solches Profil ausfüllen. Als Grundlage dieser Übung dient im WS 20/21 das Johannes-Evangelium (Kapitel 6, ab Vers 54) des ostfränkischen Tatian. Um der Sprachwirklichkeit einen Schritt näher zu kommen, wird die ausgewählte Originaltextstelle der Tatianbiligue (Cod. St.Gall. 56, p. 124) dem Thesaurus Indogermanischer Text- und Sprachmaterialien (Titus 2021) entnommen.

Abb. 3 
            Ausschnitt aus der gewählten Originalstelle des Cod. St.Gall. 56, p. 124 (TITUS Didactica: Old High German Sample Texts: Tatian (uni-frankfurt.de))
Abb. 3

Ausschnitt aus der gewählten Originalstelle des Cod. St.Gall. 56, p. 124 (TITUS Didactica: Old High German Sample Texts: Tatian (uni-frankfurt.de))

Abb. 4 
            Transliteration des Ausschnitts der Originalstelle des Cod. St.Gall. 56, p. 124 (TITUS Didactica: Old High German Sample Texts: Tatian (uni-frankfurt.de))
Abb. 4

Transliteration des Ausschnitts der Originalstelle des Cod. St.Gall. 56, p. 124 (TITUS Didactica: Old High German Sample Texts: Tatian (uni-frankfurt.de))

Die lateinische Übersetzung wird zum besseren Verständnis mitangefügt. Zunächst wird der Text gemeinsam mit den Coaches inhaltlich erfasst und mündlich ins Neuhochdeutsche übersetzt. Anschließend wird der althochdeutsche Text Wort für Wort gelesen und hinsichtlich durchgeführter Prozesse der zweiten Lautverschiebung analysiert und eingeordnet. Dabei muss jedes Lexem geprüft, beurteilt und diskutiert werden, mit dem Ziel, das vollständige Erfassen von Phänomenen der zweiten Lautverschiebung anhand eines Grundlagentextes zu erreichen.

Tab. 4 
            Ausschnitt aus dem ausgefüllten Lautverschiebungsprofil: frühahd. Spirantenschwächung
Tab. 4

Ausschnitt aus dem ausgefüllten Lautverschiebungsprofil: frühahd. Spirantenschwächung

Tab. 5 
            Ausschnitt aus dem ausgefüllten Lautverschiebungsprofil: Teil zur Tenuesverschiebung
Tab. 5

Ausschnitt aus dem ausgefüllten Lautverschiebungsprofil: Teil zur Tenuesverschiebung

Die Studierenden haben bereits vor der Coaching-Einheit Erfahrungen mit LV-Profilen gesammelt, und zwar durch aufbauende Übungen im AA 5 (vgl. Tab. 3). Durch das gemeinsame Erstellen des Lautverschiebungsprofils in der Coaching-Einheit haben die Studierenden die Möglichkeit, Ratschläge zu potenziellen Lösungsstrategien einzuholen und Fragen zu stellen. Diese betreffen etwa die diatopische Differenzierung der zweiten Lautverschiebung, die Graphem-Phonem-Korrespondenzen im Althochdeutschen, die Bedingungen für eine Affrizierung bei der Tenuesverschiebung oder die unverschobenen Phonemverbindungen. Dazu beispielhaft eine Frage und Antwort aus der Coaching-Einheit:

Frage: Woran erkenne ich, ob das Graphem <h> für den Hauchlaut bzw. glottalen Frikativ /h/ oder für den velaren Fortisfrikativ /x/ steht?

Antwort: Im Wort- und Silbenanlaut sowie intervokalisch liegt ein Hauchlaut /h/ vor, im Auslaut und vor Konsonanten steht <h> für den velaren Fortiskfrikativ /x/. Beispielswörter: heilant, habet, her = /h/; ih, mih, thuruh = /x/.

Die Studierenden werden außerdem dazu ermutigt, Kenntnisse anderer germanischer Sprachen als Referenz heranzuziehen. So lässt sich etwa die Medienverschiebung an engl. drink und ahd. trinkan feststellen.

Das Erstellen eines Lautverschiebungsprofils ist sowohl für die ZKL als für die PSA relevant. Von insgesamt 50 Punkten für die ZKL werden 19 für das Erstellen des Lautverschiebungsprofils vergeben. Diese Prüfungsaufgabe konnten die Studierenden im WS 20/21 durchschnittlich zu 88 Prozent erfüllen.

Tab. 6 
            Prüfungsergebnisse beim Lautverschiebungsprofil in den Kursen von 5 aufeinanderfolgenden Semestern
Tab. 6

Prüfungsergebnisse beim Lautverschiebungsprofil in den Kursen von 5 aufeinanderfolgenden Semestern

4.4 Kommunikation mit den Studierenden

Die Coaches beantworten Anfragen der Studierenden zu inhaltlichen, methodischen und organisatorischen Fragen. Die Fragen inhaltlicher Natur betreffen die Arbeitsaufträge, die wöchentlich zu bearbeiten sind, die Vorbereitung auf die Klausuren und die PSA, die am Ende des Semesters abzugeben ist. Das Diagramm in Abb. 5 zeigt, wie viele Anfragen zu welchen Aspekten der Lehrveranstaltung im WS 20/21 gestellt werden.

Abb. 5 
            Prozentuelle Aufteilung der Anfragetypen
Abb. 5

Prozentuelle Aufteilung der Anfragetypen

Das Angebot des Coachings wird in unterschiedlichen Phasen des Semesters unterschiedlich stark in Anspruch genommen.

Abb. 6 
            Anfragefrequenz nach Semesterwochen (SW) bzw. Semesterferienwochen (SFW)
Abb. 6

Anfragefrequenz nach Semesterwochen (SW) bzw. Semesterferienwochen (SFW)

Kurz vor den beiden Klausuren ist die Frequenz besonders hoch, wie die Verlaufskurve in Abb. 6 zeigt: In der zehnten SW findet die bewertete ZKL statt, in der ersten SFW die EKL.

5 Fazit

Das trianguläre Modell der Lehrkommunikation zeichnet sich durch einen möglichst durchsichtigen und durchlässigen Informationsaustausch dreier Parteien (Lehrende, studentische Coaches/Peers, Studierende) aus. Im Vordergrund steht das gemeinsame Ziel aller Beteiligten, zur Verbesserung der Studienleistung und des Verständnisniveaus für sprachhistorische Inhalte (und ihres Wertes für die Gegenwartssprache) beizutragen – oder anders ausgedrückt, mehr Kompetenz im Umgang mit (historischer) Grammatik, mit Variation und Wandel und Normierungsprozessen zu entwickeln und diese anhand kontinuierlicher Arbeitsaufträge als immer tragfähiger zu erleben. Das trianguläre Modell trägt zur Verbesserung der Lernatmosphäre bei, denn der klare und durchlässige Austausch der Informationen zwischen allen Kommunikationspartnern unterstützt eine positive, im besten Falle sehr gute Absolvierung der Lehrveranstaltung. Gegenseitige Rückmeldungen unterstützen rasche (bedarfs- und gruppenspezifische) Anpassungen. Das zeitnahe Feedback ermutigt die Studierenden, Mängel des eigenen Lernens zu erkennen und diese zu beseitigen. Schwierigkeiten im Lehr- bzw. Lernprozess können so rechtzeitig erkannt und reduziert werden. Die Coaches unterstützen als Ansprechpersonen für verschiedene Fragen rund um die Lehrveranstaltung „Historiolinguistik II“ einerseits die Studierenden selbst und können andererseits den Lehrenden Rückmeldung zu besonderen Schwierigkeiten im Lernprozess der Studierenden geben, wodurch die Lehrveranstaltungsleiterin diesbezüglich Anpassungen vornehmen kann. Durch ständige Kommunikation, gegenseitige Beobachtung und genaue Kontrolle werden Missverständnisse so schnell aufgedeckt, dass zeitnah und effizient reagiert und gegengesteuert werden kann. Das trianguläre Modell zeitigt nicht zuletzt deshalb bessere Ergebnisse, weil es auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Absolvent:innen der Lehrveranstaltung später in der Öffentlichkeit und/oder in der Lehrtätigkeit sprachhistorische Inhalte und Zugänge rascher präsent haben und davon situationsadaptiv Gebrauch machen.

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Online erschienen: 2022-08-24
Erschienen im Druck: 2022-08-01

© 2022 Erika Windberger-Heidenkummer, Eva Present und Nadia Rungger, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 19.3.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/jbgsg-2022-0012/html
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