Zusammenfassung
Räumlicher Neglect stellt eine schwerwiegende Konsequenz von Hirnläsionen dar und ist durch die perzeptuelle und motorische Vernachlässigung einer Raumhälfte gekennzeichnet. Die zu Neglect führenden Läsionen treten innerhalb verteilter Netzwerke auf, die sich sowohl aus kortikalen Arealen (z.B. fronto-parietalen) als auch aus subkortikalen Strukturen (z.B. dem thalamischen Pulvinar) zusammensetzen. Die Entwicklung effektiver therapeutischer Strategien setzt ein detailliertes Verständnis der wichtigen Knotenpunkte und ihrer Interaktionen voraus. Allerdings sind präzise Informationen dazu aus Patientenstudien, aufgrund der Größe und Variabilität der mit Neglect assoziierten Läsionen, oft nur schwer zu erhalten. Experimentelle Modelle, bei denen definierte Gehirnregionen systematisch inaktiviert werden können, stellen daher eine wichtige Ergänzung zu den klassischen Läsionsstudien dar. Neglect-Modelle wurden beispielsweise bei nicht-humanen Primaten mithilfe lokaler, reversibler pharmakologischer Inaktivierung entwickelt, sowie bei gesunden Probanden mithilfe nicht-invasiver Stimulations-/Inaktivierungsmethoden wie der transkraniellen Magnetstimulation. In diesem Artikel diskutieren wir Theorien zum räumlichen Neglect, insbesondere die des hemisphärischen Ungleichgewichtes, und ihre empirische Evidenz. Ein Fokus liegt dabei auf Ergebnissen aus funktionellen Bildgebungsstudien, welche die Auswirkungen lokaler Läsionen auf dynamische Netzwerkaktivität untersuchen.
About the authors
Studierte von 1997-2001 an der Ludwig-Maximilians- Universität München (LMU) Psycholinguistik, Neuropsychologie und Neurobiologie. Im Anschluss promovierte sie bis 2005 am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik (Tübingen). Danach war sie Postdoc am National Institute of Mental Health (Bethesda, USA) und am California Institute of Technology (Pasadena, USA). Seit 2011 leitet sie die von der Schilling-Stiftung eingerichtete Abteilung für „Kognitive Neurologie“ an der Universitätsmedizin Göttingen und wurde dort auf eine W3-Professur berufen. Gleichzeitig ist sie Gastwissenschaftlerin am Deutschen Primatenzentrum (DPZ, Göttingen), wo in Kooperation eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet wurde. Der Arbeitsschwerpunkt der Abteilung liegt auf der Translation kognitiver Grundlagenforschung in gesunden Probanden und im Tiermodell auf klinische Fragestellungen.
Studium der Biologie in Mainz, Manchester, Stockholm und Göttingen. 2001 Promotion am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Danach Postdoc in der Biomedizinischen NMR Forschungs GmbH. Seit 2004 Leiter der Forschungsgruppe „MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie“. 2009 Habilitation im Fach „Experimentelle Neuroradiologie“ an der Universitätsmedizin Göttingen. Seit 2011 ist die Forschungsgruppe in der Abteilung „Kognitive Neurologie“ unter Leitung von Prof. Dr. Wilke in der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelt. Forschungsschwerpunkte sind die Charakterisierung der hämodynamischen Prozesse, welche der fMRT zugrunde liegen, sowie die Kombination nicht-invasiver Hirnstimulationsverfahren und fMRT mit dem Ziel, funktionelle Netzwerke zu charakterisieren und zu modulieren. Hier stehen insbesondere Veränderungen in den Aufmerksamkeitsnetzwerken bei Patienten mit Neglect-Syndrom im Fokus.
Studium der Humanmedizin (1989-1997), dt. Philologie, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte (bis 2004) in Göttingen und Irvine, USA. Seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätsmedizin Göttingen (Psychiatrie, Neurologie, Medizinische Psychologie). Seit 2008 Mitarbeiter der „MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie“. Arbeitsschwerpunkte: Untersuchung der Auswirkungen nicht-invasiver Hirnstimulation mit fMRT und Studium der Veränderungen visueller Aufmerksamkeit bei Neglect - Patienten mittels fMRT.
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