PWP: Frau Professor Bütler, die Coronakrise...
Bütler: Frau Bütler. Da bin ich tief schweizerisch.
PWP: Excusez. Also: Frau Bütler, die Coronakrise hat einiges an wirtschaftspolitischen Eingriffen des Staates mit sich gebracht. Was hat sich in Ihrem Land, der Schweiz, aus Ihrer Sicht besonders bewährt?
Bütler: Wir haben gesehen, dass automatische Stabilisatoren unendlich wichtig sind. Die Schweiz ist wirtschaftlich relativ gut durch die Krise gekommen, weil wir ein solides Steuersystem und ein System der Sozialversicherungen haben, die rasch reagieren konnten. Dank der Schuldenbremse waren die notwendigen Mittel vorhanden, um die Krise abzupuffern. Unser austariertes und demokratisch legitimiertes Steuersystem sorgt dafür, dass die Krisengewinner automatisch mehr an den Fiskus zahlen und die Krisenverlierer weniger. Und die Sozialversicherungen, insbesondere die Arbeitslosenversicherung, haben viele Menschen auffangen können. Gleichzeitig waren aber auch die Ad-hoc-Maßnahmen in der ersten Phase der Pandemie in der Schweiz sehr beeindruckend, vom Kurzarbeitergeld bis zu den sogenannten Covid-19-Krediten, die über die Banken ausgereicht wurden. Dieses Programm, das eine bestehende Infrastruktur nutzte und von der Nationalbank abgesichert wurde, war ein ziemlicher Geniestreich.

PWP: War es angemessen, dass der Staat überhaupt so umfangreich aktiv wurde?
Bütler: Es gibt nun einmal Risiken, gegen die sich Individuen und Firmen kaum oder gar nicht versichern können. Eine Pandemie gehört eindeutig dazu. In solchen Extremsituationen einzuspringen, ist eine begründete Aufgabe des Staates, und er hat diese meines Erachtens in der ersten Welle auch gut erfüllt. In der zweiten Welle hingegen dürfte die Furcht vor den Kosten eines neuen Kreditprogramms dazu beigetragen haben, dass die Politik zu spät auf die Explosion der Fallzahlen reagierte. Es wäre sinnvoll gewesen, das alte Programm wieder aufzulegen und im Nachhinein darüber zu entscheiden, ob die Kredite nicht wenigstens teilweise erlassen werden können. Das hätte schneller gegriffen als die sogenannten Härtefallhilfen, die anstelle dessen kamen. Sie haben einen längeren Vorlauf und erfordern wesentlich mehr Bürokratie.
PWP: Sie sagen, man könne sich gegen eine Pandemie nicht versichern – aber es gab durchaus Pläne, eine Pandemieversicherung zu schaffen. Die Schweizer Regierung hat das Vorhaben nun aber erst einmal auf Eis gelegt. Zu Recht?
Bütler: Ja. Ich sehe eine staatliche Pandemieversicherung kritisch. Wie sollen denn die Prämien festgelegt werden? Was passiert mit dem akkumulierten Geld, wenn es fünfzig Jahre keine Pandemie mehr gibt? Ich mag mir die Begehrlichkeiten gar nicht vorstellen. Es ist viel gescheiter, die Versicherung gegen Extremereignisse beim Staat zu belassen und dafür die Staatsschulden gering zu halten. Womit wir weniger Erfahrung haben, ist die Frage, wie der Staat seine diversen Hilfestellungen wieder beenden kann. Die politische Diskussion darüber, wie lange es am Ende der Pandemie noch wirtschaftliche Übergangshilfen braucht, ist ja bereits angelaufen. Nach der Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gibt es eigentlich keine Grundlage mehr dafür. Der Staat kann auch nicht beurteilen, wie die Anpassungsmechanismen im Einzelnen laufen, also wie sich die Unternehmen, die Arbeitnehmer, die Nachfrager nach der Krise verhalten werden. In der nächsten Phase liegt die Verantwortung wieder bei den Privaten – die Rückendeckung der Sozialversicherungen bleibt ja weiterhin bestehen.
PWP: Was ist aus wirtschaftspolitischer Sicht von der Forderung zu halten, die kürzlich sogar der amerikanische Präsident Joe Biden unterstützt hat, man möge den Patentschutz für Impfstoffe lockern?[1]
Bütler: Wenig. Das Problem in der Herstellung von genügend Impfstoff möglichst für die ganze Weltbevölkerung liegt jedenfalls nicht im Patentschutz. Der Hersteller Moderna zum Beispiel hat bisher sein Patentrecht gar nicht durchgesetzt. Dass es noch nicht genügend Impfstoff gibt, liegt an Produktionswissen und -kapazitäten, zum Teil auch an extremer Knappheit der Zutaten. Selbst eine völlige Freigabe der Patente würde kurz- und wahrscheinlich auch mittelfristig das Problem nicht lösen. Langfristig hingegen schadet eine erzwungene Freigabe. Ohne sicheren Patentschutz ist es für kein Pharmaunternehmen mehr attraktiv, neue Impfstoffe zu entwickeln. Zum Beispiel auch die sogenannten Boosters, die für die Auffrischung notwendigen, möglicherweise an neue Virusvarianten angepassten Vakzine. An den geistigen Eigentumsrechten zu rütteln, bringt nur Nachteile. Das heißt aber nicht, dass wir nicht kurzfristig das Problem fehlender Impfstoffe für die armen Länder des globalen Südens angehen müssen. Aus humanitären und gesundheitlichen Gründen, aber auch aus ökonomischen: Je beherzter wir in der ganzen Welt gegen die Pandemie vorgehen, desto schneller kommen wir alle wirtschaftlich wieder auf die Beine. Aus dem Mund von Biden ist der Vorschlag auch deshalb eigenartig, weil gerade die Vereinigten Staaten den Export der Vakzine bis heute behindern. Die Länder im globalen Norden müssten Geld in die Hand nehmen, um Produktionskapazitäten aufzubauen und die notwendigen Impfdosen den ärmeren Ländern zur Verfügung stellen. Dass wir diese Alternativen kaum erwägen, zeigt ganz deutlich, dass wir es hier mit einer Stellvertreterdebatte zu tun haben.
PWP: Eine Stellvertreterdebatte – in der es worum geht?
Bütler: Um „Big Pharma“, eine sehr unbeliebte Branche, der unglücklicherweise der empfundene Makel anhaftet, mit der Krankheit von Menschen Geld zu verdienen. Daran knüpft sich der Vorwurf, sie würden jetzt die Notlage ausnutzen. Diese Diskussion lässt mich ratlos zurück. Wir müssen uns doch vor Augen halten: Wenn wir die Impfstoffe nicht hätten, die wir dieser Branche verdanken, dann ginge es uns viel, viel schlechter. Natürlich hat auch der Staat indirekt über die Grundlagenforschung und direkt über die Subventionierung der Impfstoffentwicklung eine wichtige Rolle – so erhielt das deutsche Biotechnologieunternehmen Biontech beispielsweise knapp 400 Millionen Euro. Das ist zwar viel Geld, aber diese Zahl sieht ganz anders aus mit der Einordnung in den aktuellen Kontext. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten sind riesig, wenn sich die Impfung auch nur um einen einzigen Tag verzögert. In der Schweiz reden wir da immerhin schon von rund 50 Millionen Franken. Und das wie gesagt pro

Tag, wie wir in der Expertengruppe Economics der Swiss National Covid-19 Science Task Force mit verschiedenen Ansätzen geschätzt haben.
PWP: Wie rechnen Sie das?
Bütler: Mit dem einfachsten Ansatz. Wir verlieren momentan etwa 2 Prozent an Wirtschaftsleistung, nicht nur wegen der Lockdown-Restriktionen, sondern auch wegen der spontanen Verhaltensanpassungen der Menschen. Das sind etwa 40–50 Millionen Franken am Tag. In Deutschland dürfte die entsprechende Zahl, genauso grob geschätzt, bei etwa 300–350 Millionen Euro liegen. Das heißt: Mit nur anderthalb Tagen Impfverzögerung ist der Betrag, die der Staat in die Impfstoffentwicklung bei Biontech investiert hat, bereits wieder aufgezehrt. Aus dieser Perspektive sind die gezahlten Subventionen eigentlich Peanuts. Mit unserem Misstrauen gegenüber der Pharmabranche stehen wir uns selbst im Weg.
PWP: Woher kommt dieses Misstrauen – ein Misstrauen, dass sich ja in gewissem Maß auf die gesamte Wirtschaft erstreckt? Wieso fällt es vielen Menschen so schwer, Unternehmern auch einen Gewinn zu gönnen, zumal wenn sie etwas entwickeln und herstellen, dessen Nutzen so weitgehend unbestritten ist wie im Fall der Corona-Impfstoffe, ein wahrer Segen für die Menschheit?
Bütler: Ich weiß es nicht. Die sozialen Benefits sind so viel höher als die Gewinne, die bei den Firmen selbst landen. Und es kommt hinzu, dass diese Unternehmen Steuern zahlen und damit auch noch einen zusätzlichen, indirekten Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Sie bieten gut bezahlte Arbeitsplätze für Menschen, die dann ebenfalls wieder Steuern zahlen. Wie das Beispiel Astra-Zeneca zeigt, bleiben auch die Risiken zu einem großen Teil bei den Firmen. Woher dieses verzerrte Bild herrührt, ist schwer zu sagen. Sicher haben sich einige Wirtschaftsverbände in der Coronakrise nicht immer klug positioniert und zeigten sich teils wissenschaftsfeindlich. Aber das Problem war schon vor der Krise da. Es gibt eine gewisse Entfremdung zwischen der Wirtschaft, insbesondere den Großfirmen und der Öffentlichkeit. Ich denke, die Unternehmer müssen wieder sichtbarer werden. Vielleicht waren sie früher – zumindest in der Schweiz – sogar zu sichtbar, aber man hatte wenigstens ein paar bekannte Identifikationsfiguren.
PWP: Sie sind eine Zeitlang Vizepräsidentin der Swiss National Covid-19 Science Task Force gewesen. Aufgabe dieses noch sehr jungen, als spontane Initiative von Wissenschaftlern entstandenen Gremiums ist es, die schweizerische Gesundheitsbehörde – das Bundesamt für Gesundheit, BAG – zu beraten. Es nimmt ein Mandat des Bundes wahr, bleibt aber ein externes Gremium, eine eigenständige interdisziplinäre Forschergruppe. In anderen Ländern ist die Beratung anders institutionalisiert, in Amerika zum Beispiel ist sie in das Weiße Haus inkorporiert. Was ist nach Ihrer Einschätzung das bessere Modell?
Bütler: Der Name Task Force war im Nachhinein betrachtet nicht so glücklich gewählt. Es geht in dieser interdisziplinären Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ja gar nicht darum, irgendwelche Aufgaben zu verteilen, sondern das Ziel ist es, die vorliegende Evidenz so aufzubereiten, dass das Bundesamt und die Regierung leichter Entscheidungen treffen können und dass die Öffentlichkeit informiert ist. Auch die institutionelle Form, die sich spontan ergeben hat, ist wahrscheinlich mittelfristig nicht optimal. Die Task Force mit ihren während der akuten Phase der Pandemie rund 70 Mitgliedern ist freiwillig und unabhängig, aber gleichzeitig doch indirekt in den staatlichen Apparat eingebunden. Da gibt es ein Spannungsverhältnis. Doch im März 2020 blieb keine Zeit, um über die beste Institutionalisierung nachzudenken. Mit etwas Abstand denke ich, dass die Einbindung der Task Force, wie sie jetzt ist, doch ein wenig zu lose ist für die Wichtigkeit der Arbeit. Auf der anderen Seite war die Unabhängigkeit wertvoll, gerade mit Blick auf die Öffentlichkeit, zumindest so lange, bis manche Stimmen in der Politik anfingen, diese Unabhängigkeit in Zweifel zu ziehen.
PWP: Politikberatung richtet sich immer auch an die Öffentlichkeit, anders als die Politikerberatung. Aber genau deshalb ist die Task Force zeitweilig ziemlich unter Druck gekommen, wie Sie ja sagten. Im Parlament war sogar ein „Maulkorb“ für ihre Mitglieder im Gespräch.[2]
Bütler: Die Ergebnisse einer Studie eines Gremiums wie der Task Force können kontrovers oder zumindest politisch heikel sein. Diese mit den Behörden zu teilen ist das eine, aber was ist mit der Öffentlichkeit? Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wird schnell vorgeworfen, die Bevölkerung beeinflussen zu wollen. Der Pfad zwischen den einen, die finden, wir müssten lauter werden und nachdrücklicher warnen, und den anderen, die fordern, wir müssten unbedingt leiser werden, ist sehr schmal geworden. Dass Wissenschaftler zur Beratung der Politik und der Verwaltung hinzugezogen werden, ist natürlich nichts Neues. So sucht sich beispielsweise das Seco (das Schweizerische Staatssekretariat für Wirtschaft) punktuell seine Berater, die dann für ihre Dienste entschädigt werden – und schon allein das scheint ihren Äußerungen einen anderen Stellenwert zu verleihen. Die Mitglieder der Task Force arbeiten völlig unentgeltlich. Diese freiwillig übernommene Bürde ist gerade für die jungen Mitglieder der Task Force, die noch kein Ordinariat haben, enorm. Viele dieser jungen Forscher und Forscherinnen innerhalb und außerhalb der Task Force haben sich der Bekämpfung der Pandemie aus lauter Gemeinsinn gewidmet. Am Ende wird ihnen ein ganzes Jahr oder mehr an Forschung fehlen, die über ihren weiteren Karriereweg entscheidet. Was sie in der Task Force geleistet haben, ist zwar gesellschaftlich relevant, aber oft zu angewandt und spezifisch, als dass man diese Arbeiten leicht in angesehenen Journals publizieren könnte. Für den Dienst an der Allgemeinheit gibt es nur wenig Anerkennung und bis heute – im Gegensatz zu Amerika – kaum geeignete Karrierewege.[3]
PWP: Die Coronakrise hatte zunächst großen Appetit der Öffentlichkeit auf wissenschaftliche Einsichten geweckt – man wollte vor allem mehr über das Virus erfahren, aber auch über die Auswirkungen der Maßnahmen. Es sah nach einer Sternstunde der Wissenschaft aus, die auch endlich Gelegenheit fand, ihre Arbeitsweise einem breiten Publikum zu erläutern. Aber mit der Corona-Müdigkeit scheint inzwischen auch ein neuer antiwissenschaftlicher Affekt aufgekommen zu sein.
Bütler: Ja, so nehme ich das auch wahr. Seit Jahrzehnten wurde den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgeworfen, sie seien zu sehr im Elfenbeinturm eingeschlossen und betrieben dort völlig irrelevante Forschung. Jetzt war klar, ganz so irrelevant ist es nicht, was sie da tun. Sie haben sich erklärt und ihr Wissen in die Öffentlichkeit getragen – und das war dann auch wieder nicht recht. Ein Grund dafür mag sein, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit komplex und damit oft schwieriger zu greifen sind. Und es kommt noch dazu, dass man den Wissenschaftlern in Sachen Objektivität und Neutralität oft auch zu viel abverlangt. Wissenschaftler sind auch Menschen, nur schon die Wahl des Forschungsthemas trägt immer eine gewisse normative Komponente in sich. Das Problem in der Rezeption der wissenschaftlichen Arbeit durch die Öffentlichkeit liegt darin, dass die Leute diese normative Komponente zu erahnen glauben und dann die Forschungsresultate danach bewerten. Insgesamt bin ich aber trotzdem optimistisch. Die Wissenschaft wird auch in Zukunft Gehör finden.
PWP: Würden Sie sagen, dass die gemeinschaftliche Herausforderung durch Corona dazu geführt hat, dass die verschiedenen Wissenschaften jetzt etwas stärker daran interessiert und besser darin geübt sind, über die Grenzen der jeweiligen Disziplinen hinweg miteinander zu kommunizieren?
Bütler: Ob das generell gilt, vermag ich schlecht zu beurteilen, aber mit Blick auf die Task Force kann ich es bestätigen. Die Vertreter aller involvierten Disziplinen waren immer sehr offen, voller gegenseitigem Respekt, und immer ehrlich bemüht, sich aufeinander einzulassen. Und so haben wir viel voneinander gelernt. Mich hat das sehr inspiriert. Das erscheint mir allgemein die beste Einstellung: mich immer zu fragen, was ich von meinem Gegenüber lernen kann.
PWP: Was genau haben Sie denn in der Task Force gelernt?
Bütler: Zunächst einmal eine Menge zu Medizin und Epidemiologie. Das hat mich schon immer interessiert. In meiner Mathematik-Diplomarbeit hatte ich mich Ende der achtziger Jahre mit Aids befasst. Mit der Medizin hat die Ökonomie gemeinsam, dass die Erkenntnisse eben keine „puren“ naturwissenschaftlichen sind, sondern stark von menschlichem Verhalten abhängen. Ich habe die wissenschaftliche Arbeit in der Task Force auch als viel weniger „strategisch“ erlebt im Vergleich zu den üblichen Herangehensweisen der Ökonomen, wo ich die Strukturierung eines Problems im Hinblick auf die Publikation in der richtigen Zeitschrift oft als einengend empfinde. Aber letztlich will ich nicht verallgemeinern, vor allem weil die Mitglieder der Task Force alle sehr intrinsisch motiviert sind – auch die Ökonomen und Ökonominnen.
PWP: Und umgekehrt, was können die Naturwissenschaftler von den Ökonomen lernen?
Bütler: Für mich persönlich stellte sich in der Task Force am Anfang genau diese Frage, was denn eigentlich mein Beitrag in diesem spannenden, neuartigen, wichtigen interdisziplinären Experiment sein sollte. Ich musste feststellen: Manchmal liegt der eigene Beitrag gar nicht dort, wo man ihn vermuten würde oder wo man die letzten Jahrzehnte sein Herzblut vergossen hat, sondern ganz woanders. In unserem Fall waren zum Beispiel nicht so sehr Modelle und Methoden von der ökonomischen Forschungsfront gefragt, sondern es ging oft zuerst um eine Einordnung, um eine grobe Abschätzung von Größenordnungen, zum Beispiel mit Blick auf relativen Kosten der Maßnahmen oder die Rolle von spontanen Verhaltensanpassungen der Menschen im Vergleich zu den Restriktionen im Lockdown.
PWP: Die Menschen gingen nicht nur deshalb nicht ins Restaurant, weil diese geschlossen waren, sondern auch weil sie sich fürchteten.
Bütler: Genau. Etwa die Hälfte der binnenwirtschaftlichen Bremseffekte im Zusammenhang mit Corona haben mit solchen spontanen Verhaltensanpassungen zu tun; zudem sind rund 30–40 Prozent des wirtschaftlichen Einbruchs den Entwicklungen im Ausland geschuldet. Als ich dies in der Task Force einmal thematisiert habe, traute ich mich erst kaum, es laut zu sagen, weil es mir so banal erschien. Aber für die Kollegen aus anderen Disziplinen war es offensichtlich durchaus hilfreich, das zu erfahren. Wir haben dazu dann auch einen Policy Brief publiziert[4]. Die Erkenntnisse, die im interdisziplinären Diskurs der Politikberatung relevant und weiterführend sind, entsprechen mithin nicht immer denjenigen, die man in Top-Journals publizieren kann.
PWP: Das Denken in Opportunitätskosten ist sicherlich auch etwas, was man als Ökonom einbringen kann, ebenso wie den Vergleich mit kontrafaktischen Situationen.
Bütler: Ja, das gehört zur ökonomischen DNA.
PWP: Lassen Sie uns auf einen Aspekt Ihrer Forschung blicken, der sich gedanklich gut mit der Coronakrise verbinden lässt. Sie haben seinerzeit detailliert untersucht, wie sich die internationale Finanzkrise 2008 auf die Entscheidungen der Menschen in der Altersvorsorge ausgewirkt hat, und Sie konnten sehen, dass die Risikoaversion zugenommen hat. Würden Sie Ähnliches auch jetzt erwarten?
Bütler: Ich würde schon erwarten, dass die Menschen mehr Vorsorge betreiben und mehr sparen wollen. Gut möglich, dass die Risikoaversion nochmals zugenommen hat, was sich dann in individuellen Entscheidungen niederschlägt, so zum Beispiel in einer stärkeren Präferenz für eine regelmäßige Rente gegenüber der einmaligen Auszahlung des angesparten Kapitals. Dies konnten wir in der Finanzkrise anhand schweizerischer Daten zeigen. Allerdings wird es sehr viel schwieriger sein, den Effekt der Coronakrise auf das Verhalten der Menschen zu isolieren. Erstens sind die Systeme der Alterssicherung noch reformbedürftiger geworden und die Menschen müssen sich darauf einstellen, einen zusätzlichen Puffer zu brauchen. Zweitens haben in der Coronakrise viele Leute unabsichtlich gespart, einfach weil es weniger Gelegenheiten zum Konsum gab. Es wird spannend sein zu versuchen, diese Effekte auseinanderzuhalten.
PWP: Wie haben Sie den Effekt der Finanzkrise damals zu fassen bekommen?
Bütler: Ich hatte mich schon lange mit der Frage beschäftigt, wie sich die Menschen entscheiden, wenn sie vor der Wahl zwischen Kapital und Rente stehen. In meinem wohl am meisten zitierten Paper gemeinsam mit Federica Teppa 2007[5] konnte ich erstmals echte Daten zu dieser Frage vorlegen. Bis dahin gab es nur theoretische Modelle dazu. Sie empirisch zu unterlegen, war schwierig, denn die Wahlfreiheit existiert in vielen Ländern gar nicht, und wo sie existierte, wählte kaum jemand die Rente. In der Schweiz fanden wir in der kapitalgedeckten beruflichen Vorsorge hingegen gutes Anschauungsmaterial. Dort haben die Individuen in der Regel freie Wahl zwischen lebenslanger Rente oder Kapital. Einige Pensionskassen waren damals sehr großzügig in der Bereitstellung von Daten zu Forschungszwecken. Es zeigte sich, dass in die Entscheidung nicht nur rationale Überlegungen einfließen, die sich an erklärenden Variablen wie dem Zinssatz festmachen, sondern dass sie auch von irrationalen Effekten geprägt ist – zum Beispiel gibt es Peer-Effekte und eine Orientierung an Standardoptionen.[6] Diese Kombination von „rationalen“ Determinanten wie Steuern, Zinsen und Familienstand und anderen, verhaltensökonomisch zu ergründenden Faktoren habe ich immer faszinierend gefunden. Jedenfalls habe ich damals im Hinterkopf behalten, dass ich mir den Effekt der Zinsen einmal genauer anschauen will. Nach der Finanzkrise bekam ich dann von einer großen Schweizer Versicherung noch einmal neue Daten über mehrere Jahre.
PWP: Und was zeigte sich da?
Bütler: Nach der Krise entschieden sich die Versicherten eher für eine Rente – was sich schon mit dem Zins recht gut erklären ließ. Viel interessanter ist allerdings, welche Rolle die „Salienz“ – die Sichtbarkeit – der Krise für die Entscheidungen spielte. In diesem Zusammenhang war der Fall der Schweiz wieder besonders interessant: Die Wirtschaftszweige waren zwar unterschiedlich von der Krise betroffen, die Exportindustrie sehr stark, die Binnenwirtschaft hingegen so gut wie gar nicht. Gleichzeitig gab es aber für die Individuen kurz vor der Pensionierung keine Unterschiede zwischen den Sektoren: Die Pensionsverträge waren in ihren Parametern allesamt identisch. Davon ausgehend, haben meine Doktorandin Alma Ramsden und ich dann feststellen können: Diejenigen Leute, die die Krise unmittelbar erlebt hatten, weil sie in der Exportindustrie tätig waren, haben deutlich mehr angefangen zu verrenten. Schon allein die berufliche Konfrontation mit den Folgen der Krise reichte dafür aus, dass man sich anders – und zwar risikoaverser – verhielt. Und das galt

auch für diejenigen, die von der Krise gar nicht unmittelbar finanziell betroffen waren.[7]
PWP: Sie haben die Reformbedürftigkeit der Alterssicherung angesprochen – ein großes Thema vor dem Hintergrund des breit akzeptierten Gedankens der Generationengerechtigkeit.
Bütler: In der Tat. Aber ich gestehe, aus der Rentendiskussion habe ich mich inzwischen ein bisschen zurückgenommen. Ich habe mich daran 25 Jahre als Wissenschaftlerin intensiv beteiligt und gemerkt: Da ist leider nicht viel zu bewegen. Es ist ein sehr schwerfälliges Thema in der Politik.
PWP: Was gehört denn aus Ihrer Sicht neben einem nachhaltigen Altersvorsorgesystem noch zur Generationengerechtigkeit dazu, und was lässt sich aus Sicht der Ökonomie dazu sagen?
Bütler: Die Coronakrise hat uns in dieser Hinsicht daran erinnert, dass die Auswirkungen von Krisen sehr ungleich verteilt sind. Beim Thema Bildung, nach meiner Überzeugung ein essentieller Bestandteil der Generationengerechtigkeit, konnten wir sehen, dass die Beeinträchtigung der Schüler sehr stark davon abhängt, wie gut die jeweiligen Schulen reagiert haben. Da spielt ein gehöriges Maß an Zufall mit hinein. Und das wiederum bringt mit sich, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien stärker leiden. Insofern sind unsere Bildungssysteme insgesamt fragiler, als wir dachten. Damit Kinder aus benachteiligten Familien nicht abgehängt werden, braucht es Bildung und Aufstiegschancen. In der Schweiz stehen wir in Sachen sozialer Mobilität im internationalen Vergleich relativ gut da, wie meine Doktoranden Patrick Chuard und Veronica Grassi anhand neuer und detaillierter Daten zeigen konnten[8]. Den Aufstieg aus dem niedrigsten ins höchste Fünftel der Einkommensverteilung schafft immerhin jedes achte Kind.
PWP: Ein anderes Thema, das für die Generationengerechtigkeit von großer Bedeutung erscheint, ist das Klima.
Bütler: Es führt an einer CO2-Bepreisung kein Weg vorbei, da bin ich ganz im Mainstream. Es ist selbstverständlich, dass Externalitäten internalisiert werden müssen, bevor wir über anderes reden. Ich fürchte mich hingegen vor einem Mikromanagement in dieser Sache, beispielsweise vor spezifischen Subventionen und Restriktionen, die gerade den technischen Fortschritt behindern könnten, den wir dringend brauchen. Ich habe bezüglich des Klimas zwei Seelen in meiner Brust. Einerseits bin ich ganz zuversichtlich, dass von der technologischen Entwicklung in der Klimakrise mehr Unterstützung kommen wird, als wir uns jetzt vorstellen können. Wir konnten ja in der aktuellen Krise mit der wirklich rasanten Entdeckung der Impfstoffe gerade erleben, wie schnell es dank der Forschung Fortschritte geben kann. Andererseits sind die Klimafolgen längerfristig und weniger „salient“, um den Begriff nochmals zu verwenden. Das könnte dazu führen, dass wir Maßnahmen zu sehr in die Zukunft verschieben.
PWP: Gerade in der Schweiz hört man in der Klimadebatte immer wieder, das Land sei doch viel zu klein, um mit einer ehrgeizigen Klimapolitik überhaupt etwas zu bewirken. Im globalen Maßstab gilt das aber natürlich für fast jedes einzelne Land, auch wenn es etwas größer ist als die Schweiz.
Bütler: Ja, nur ist das kurzfristig und mechanisch gedacht. Einseitige klimapolitische Maßnahmen reicher Länder haben international eine Signalwirkung und können Verhandlungen erleichtern. Das ist gerade deshalb wichtig, weil wir Durchbrüche nur zusammen schaffen können. Meines Erachtens wird viel zu wenig in die Überlegungen einbezogen, dass die wirtschaftlich schwächeren Länder, die sich mit dem Klimaschutz schwertun, für ihre Mühen entschädigt werden könnten. Die auf ersten Blick ganz schön freche Forderung Jair Bolsonaros, des Präsidenten Brasiliens, die internationale Gemeinschaft möge doch seinem Land mehrere Milliarden Dollar für den Schutz des Regenwaldes vor illegaler Abholzung bezahlen, ist ökonomisch eigentlich gar nicht so abwegig[9]. Wenn Brasilien den Regenwald wirksam schützt, gehen davon positive externe Effekte für das Weltklima aus, die aus ökonomischer Sicht abgegolten werden sollten. Darüber müssen wir wenigstens diskutieren.
PWP: Das so etwas möglich und sinnvoll sein kann, ist ja eine bekannte Erkenntnis aus dem Coase-Theorem. Letztlich ist es ein Streit über Eigentumsrechte, aber eine effiziente Lösung ist denkbar. Wobei – hätten Sie denn keine Sorge vor Mitnahmeeffekten und Fehlanreizen?
Bütler: Doch. Aber ich glaube, dass diese mit einem guten Vertragsdesign minimiert werden könnten. Aber das mögen andere ausarbeiten; das ist nicht mein Feld.

Mit Monika Bütler sprach Karen Horn. Monika Bütler wurde von Philipp Baer fotografiert, Karen Horn von Beatríz Barragán.
Zur Person
Monika Bütler: Sozialversicherungen, Arbeitsmarkt, politische Ökonomie
Karen Horn
Monika Bütler wurde 1961 in Brugg geboren, einer Kleinstadt im schweizerischen Kanton Aargau. Die Eltern hatten sich aus ärmlichen Verhältnissen in den Mittelstand hochgearbeitet, beide hatten eine kaufmännische Lehre absolviert. Bütlers Weg zur Ökonomie war nicht ganz geradlinig. Weil sie in der Schule Talent für Physik und Mathematik gezeigt hatte, entschied sie sich zunächst für ein Studium dieser beiden Fächer an der Universität Bern. Sie war die einzige Frau im Jahrgang. „Es war hart“, erinnert sie sich: Die Kommilitonen nahmen sie nicht ernst. Nach dem zweiten Vordiplom brach sie ab und schwor sich, nie an die Universität zurückzukehren. Stattdessen arbeitete sie als Researcher am Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung, wo sie sich mit Methoden zur Lawinenprognose befasste, und anschließend als Computerspezialistin bei der Swissair.
In dieser Zeit packte sie aber der Ehrgeiz, das Studium – neben der Arbeit – noch abzuschließen, diesmal an der Universität Zürich. Dort herrschte eine andere Atmosphäre als in Bern, sie fühlte sich in der akademischen Welt wieder wohl und absolvierte ihr Diplom. In ihrer Diplomarbeit entwickelte sie ein mathematisches Modell für den Krankheitsverlauf der 1981 neu erkannten Immunschwächekrankheit Aids; ein Thema, das sie nahe an die Epidemiologie brachte. In ihrem Berufsleben fand Bütler, inzwischen zur Gruppenleiterin avanciert, dass es ihr ein wenig an Managementwissen fehlte. Und dann kam die Swissair, die gut zehn Jahre später die Insolvenz ereilte, in erste Schwierigkeiten: Ihr setzten wie vielen anderen Airlines die global schwache Konjunktur, die infolge der Golfkrise steigenden Treibstoffpreise und hohen Versicherungsprämien zu; nach der Liberalisierung des EU-Flugverkehrs war zudem der Verdrängungswettbewerb scharf.
In dieser Situation kündigte Monika Bütler und entschied sich für ein Zweitstudium an der Hochschule St. Gallen (HSG). „Nach zwei Monaten – ach, was sage ich, nach zwei Wochen – Betriebswirtschaftslehre wusste ich: Das ist es nicht.“ Da sie nun aber schon eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Übungsleiterin Mathematik angetreten hatte, um ihr Studium zu finanzieren,

entschied sie sich zu bleiben – und wählte kurzerhand die Nachbardisziplin, die Volkswirtschaftslehre. „Ich bin da richtig reingerutscht“, sagt sie, und es erwies sich, dass das Fach gut zu ihrem schon immer großen Interesse an gesellschaftlichen und politischen Fragen passte.
An den Abschluss schloss sich ein Promotionsstudium an. Eine wesentliche Quelle der Inspiration und Motivation fand Monika Bütler in dem anspruchsvollen Programm für beginnende Doktoranden im Studienzentrum der Schweizerischen Nationalbank in Gerzensee – eine Art Intensivkursprogramm, der den wissenschaftlichen Nachwuchs auf das Niveau eines amerikanischen PhD-Programms hievt, mit Lehrveranstaltungen in Mikroökonomik, Makroökonomik und Ökonometrie, unterrichtet zumeist von führenden Wissenschaftlern aus den Vereinigten Staaten. Gerade diese ermunterten Bütler, eine akademische Karriere einzuschlagen und den Blick ins Ausland zu weiten. Schon damals galt ihr besonderes Interesse dem Thema Rente. Sie faszinierten die dynamischen Makromodelle, die in diesem Gebiet Einsatz finden konnten.
Ihre Doktorarbeit unter dem Titel „Life-cycle decision making and public pension reform“ stellte Bütler aus fünf Papers zusammen, von denen sie vier im Nachgang in revidierter Form in Journals publizieren konnte[10]. In den Jahren 1995 bis 1996 bekam sie die Gelegenheit, als Stipendiatin des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) an die Federal Reserve Bank of Richmond zu gehen, und wurde Gastdozentin an der University of Virginia – dort lehrte auch ihr Doktorvater, der ihr aus Gerzensee bekannte Makroökonom Robert King. Im Jahr 1997 hatte sie die Promotion in der Tasche und fand sich auf dem internationalen Arbeitsmarkt für Ökonomen wieder.
Es dauerte nicht lange, und sie bekam eine Stelle als Assistenzprofessorin in den Niederlanden, an der Universität Tilburg. „Ein Glücksfall“, sagt sie: Es waren gleichzeitig sieben Nachwuchsforscher eingestellt worden, manche mit Hintergrund aus Yale und Stanford, allesamt hoch qualifiziert und motiviert. Hier begann sie, sich immer mehr zur Empirikerin zu entwickeln. Im Jahr 1999 wechselte sie zurück in die Schweiz, nach Lausanne, wo sie 2001 ein Ordinariat erhielt – ein weiterer Glücksfall. Und gleich darauf folgte schon der nächste, der auch das inzwischen begonnene Familienleben erleichterte: Beim Aussteigen mit Baby und Kinderwagen aus dem Zug, mit dem sie zwischen Lausanne und Zürich pendelte, wo ihr Ehemann als Ökonom bei der Schweizer Nationalbank (SNB) arbeitete, war der jungen Mutter eines Tages zufällig der St. Galler Mathematikdozent Heinz Müller behilflich, damals Dekan. Er erkannte sie wieder und wies sie darauf hin, dass an der HSG gerade eine Makroökonomik-Professur ausgeschrieben war. Sie bewarb sich – und wurde 2004 nach St. Gallen berufen, wo sie sich weiter in ihre Forschungsschwerpunkte Sozialversicherungen, Arbeitsmarkt und politische Ökonomie vertiefte.
Seit 2008 leitete sie an der Universität St. Gallen das von ihr mitgegründete Schweizerische Institut für Empirische Wirtschaftsforschung. Von 2009 bis 2013 amtierte sie als Dekanin der School of Economics and Political Science der HSG; 2010 wurde sie Mitglied im Bankrat der SNB. Mehrfach hielt sie sich als Gastprofessorin „down under“ auf, an der University of New South Wales in Sydney (Australien) und an der University of Auckland (Neuseeland). Um die wirtschaftspolitische Aufklärung der Öffentlichkeit bemüht und mit einer flotten, prägnanten Feder begabt, begann die unprätentiöse, humorvolle Ökonomin im Jahr 2006, regelmäßig Zeitungsartikel und Kolumnen zu schreiben, vor allem in der NZZ am Sonntag. Ihr Themenspektrum umfasst die gesamte Bandbreite der Wirtschaftspolitik, von Rente, Bankenregulierung, Steuern und Vermögensverteilung bis hin zu schulischer Bildung, Mittelstand, Ökostrom und Einwanderung. Gemeinsam mit ihrem Mann Urs Birchler und ihrem Kollegen Marius Brülhart von der Universität Lausanne gründete sie außerdem vor etwa zehn Jahren den Blog „Batz.ch“, ein viel konsultiertes Forum für Schweizer Wirtschaftspolitik. Ihre Absicht war und ist die Wissensvermittlung: Es gelte „eine Brücke zwischen der akademischen Forschung und der öffentlichen Meinung zu schlagen“.
Die publizistische Sichtbarkeit trug mit dazu bei, dass Monika Bütler in den Medien immer häufiger als „Starökonomin“ tituliert wurde, was sie gar nicht mag. Auf jeden Fall aber zählt sie gemäß dem NZZ-Ranking seit Jahren zu den zehn einflussreichsten Ökonomen der Schweiz. Die Universität Luzern verlieh ihr 2018 die Ehrendoktorwürde „für ihre international anerkannten Arbeiten im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie als Vordenkerin in den Themenbereichen Demografie und Alterung“. An der HSG setzte sie seit Anfang 2020 als Prorektorin eine Reform der universitären Weiterbildungsprogramme ins Werk. Es war ihre letzte Großleistung dort: Anfang 2021 zog sie sich von ihrem Lehrstuhl zurück und arbeitet seither von Zürich aus als selbständige Ökonomin. Eine Honorarprofessur verbindet sie aber weiterhin mit der HSG.
Das Jahr 2020 war nicht nur an der Universität mit Arbeit dicht bepackt gewesen, sondern auch mit ihrem ehrenamtlichen Engagement in der Swiss National Covid-19 Science Task Force, einer Gruppe von wissenschaftlichen Beratern der obersten Gesundheitsbehörde des Landes. Bis Ende Januar 2021 amtierte Bütler als Vizepräsidentin der Task Force: „ein Fulltime-Job, der nur unter persönlicher Aufopferung zu leisten ist.“ Im Zuge der Rotation wurde Jan-Egbert Sturm ihr Nachfolger als Vizepräsident. Sie selbst steht der Gruppe weiterhin als Beraterin zur Seite. In ihrer Forschung macht sie derzeit eine Pause, aber: „Es juckt mich schon wieder“.
Vorläufig aber freut sich Monika Bütler über die größere Freiheit. „Es ist gut, wieder mehr Zeit zum Nachdenken zu haben und ein paar Dinge zu tun, die ich immer schon einmal tun wollte“, sagt sie. Dazu zählt beispielsweise eine Etappen-Fernwanderung durch die Schweiz von Basel bis Chiasso, entlang der Via Gottardo.
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston