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Publicly Available Published by De Gruyter February 21, 2017

Die neue Zeitenwende in den internationalen Beziehungen – Konsequenzen für deutsche und europäische Politik

  • Joachim Krause EMAIL logo

Kurzfassung:

Die internationalen Beziehungen machen derzeit einen fundamentalen Wandel durch, der Ähnlichkeiten mit früheren wechselhaften Perioden der Geschichte aufweist. Oft gingen diese Perioden in Krieg und Instabilität über, wenn es nicht gelang, neue politische Ordnungsmuster zu verankern. Die derzeitige Phase ist gekennzeichnet durch den Zerfall einer unter Bedingungen westlicher Hegemonie gestalteten internationalen Ordnung, die droht in eine Phase der Anarchie überzugehen. Die Ursachen dafür dürften in Folgewirkungen der Globalisierung und anderer Elemente der liberalen Ordnung zu suchen sein, die bislang zu wenig Beachtung fanden.

Abstract:

The international system is going through a period of fundamental change, which has similarities with earlier periods in history. Such periods of change might usher into war and instability if it turned out to be impossible to arrive at a new international order. The current period of change is characterized by the collapse of a liberal international order, which was established under conditions of Western hegemony. The coming anarchy is the consequence of unforeseen structural changes wrought about by globalization and other developments associated with the global spread of the liberal order.

1 Einleitung

Die internationalen Beziehungen machen derzeit einen Strukturwandel durch, der ähnlich fundamental ist wie derjenige in den Jahren von 1989 bis 1992. Perioden strukturellen Wandels hat es in der neueren Geschichte immer wieder gegeben. Dies war der Fall in den Jahren nach der Französischen Revolution (1789–1795), nach dem Ende der Napoleonischen Kriege (1814–1820) und nach 1848, als sich in den meisten europäischen Staaten die Moderne und die parlamentarische Demokratie durchzusetzen begannen; in der Zeit zwischen 1890 und 1910, als eine relativ friedliche, eurozentrische Welt in einen Zustand der Anarchie und des Nationalismus überging; in den Jahren zwischen 1925 und 1939, als es darum ging, ob die Nachkriegsordnung hält oder kollabiert; im Zeitraum von 1945 bis 1955, in dem sich die neue westliche Welt und der Ost-West-Konflikt formierten; und schließlich bei der Zeitenwende von 1989/92, als der Ost-West-Konflikt beendet wurde. Gemeinsam war diesen Phasen, dass sich in ihnen die bis dahin maßgeblichen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Strukturmuster der internationalen Politik auflösten und neue entstanden. Die hohe Frequenz derartiger Wandlungsprozesse in den vergangenen 225 Jahren ist welthistorisch ohne Parallele. Sie weist darauf hin, dass internationaler Strukturwandel Teil der Dynamik der Moderne ist.[1] Der Charakter des jeweiligen Strukturwandels hat sich in allen Fällen als bestimmend für Krieg oder Frieden herausgestellt. Probleme können entweder politisch hinreichend bearbeitet werden und in Frieden und Stabilität übergehen, oder sie bleiben ungelöst und münden in Katastrophen.

In der Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die sich mit der Erforschung der großen Katastrophen ihrer Zeit befasste, wurden diese Zusammenhänge immer wieder betont. Autoren wie Carl Polanyi, Josef Schumpeter, John M. Keynes, Hajo Holborn, Harold Laski oder Norman Stamps verwiesen auf die selbstzerstörerischen Folgen einer unregulierten Marktwirtschaft (Kapitalismus) und die daraus resultierenden Verwerfungen (Scheitern parlamentarischer Regierungssysteme, Aufkommen von Nationalismus, Protektionismus, Militarismus, Sozialdarwinismus, Antisemitismus sowie radikale und gewaltbereite Weltverbesserungsideologien). Ihnen zufolge hätten die Katastrophen des 20. Jahrhunderts (zwei Weltkriege, nationalsozialistischer und bolschewistischer Totalitarismus) vermieden werden können, wären die Politiker in den fortgeschrittenen (meist westlichen) Industriestaaten bereit und in der Lage gewesen, die breite Masse der ärmeren Bevölkerungsschichten vor existenziellen Risiken zu bewahren und den bürgerlichen Schichten die Angst vor einer auch nur moderaten Umverteilung zu nehmen.[2] Stattdessen wurde oft genug innenpolitische Stabilisierung durch Nationalismus und Abgrenzung nach außen, das heißt durch Militarisierung und Imperialismus, gesucht. Dadurch wandelte sich die Struktur der internationalen Politik fundamental. Die internationalen Beziehungen waren in den 1870er- und 1880er-Jahren noch relativ friedlich gewesen. Es gab ein hohes Niveau der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verflechtung und Interdependenz und die Einhaltung des Gewaltverbots hatte einen hohen Stellenwert in der internationalen Diplomatie. Nur 25 Jahre später brach der Erste Weltkrieg zwischen den am höchsten zivilisierten Nationen aus und verlief in einer Weise, die später zu Recht als „Zivilisationsbruch“ bezeichnet wurde[3].

Die oben genannten Autoren bieten für die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem heutigen Strukturwandel der internationalen Politik eine bessere Ausgangsbasis als die vornehmlich szientistische Theorieliteratur, die weitgehend das Erscheinungsbild der Politikwissenschaft prägt. Szientismus bedeutet, dass es Ziel der wissenschaftlichen Analyse ist, allgemeine Gesetzmäßigkeiten der internationalen Politik zu erforschen, die sowohl heute wie in früheren Phasen der Geschichte Gültigkeit beanspruchen können.[4] Die Wissenschaft von den internationalen Beziehungen wird gegenwärtig von Analysen dominiert, die entweder belegen wollen, dass institutionelle Vorkehrungen zum Frieden beitragen, oder die zu beweisen versuchen, dass das nicht der Fall ist. Beide Theorierichtungen (liberaler Institutionalismus beziehungsweise Realismus) werfen interessante Fragen auf; sie taugen aber nicht zur Untersuchung eines internationalen Strukturwandels, der im Wesentlichen aus der Dynamik sich gegenseitig beeinflussender und historisch einmaliger wirtschaftlicher, technologischer, gesellschaftlicher, demografischer und politischer Trends zu erklären ist.[5]

Wie kann eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem derzeitigen Strukturwandel aussehen? Im Rahmen eines Aufsatzes kann diese Frage nur angerissen werden. Jede wissenschaftliche Beschäftigung sollte aber zumindest vier große Schritte enthalten:

(1)Es muss eine Analyse der Komponenten des Strukturwandels vorgenommen werden. Diese lässt sich am ehesten so angehen, dass die wesentlichen Strukturmerkmale der zurückliegenden Periode daraufhin befragt werden, ob und wieweit sie noch Gültigkeit beanspruchen können.

(2) Es muss die Frage nach den Ursachen des Wandels gestellt werden. Hierbei ist es wenig sinnvoll, nur die Relevanz einzelner Variablen herauszustreichen. Vielmehr sollte versucht werden, komplexe Dynamiken zu untersuchen und zu entschlüsseln. In dieser Hinsicht sind auch historische Parallelen aufzugreifen. Sie können bei der Erschließung der Ursachen des heutigen Strukturwandels hilfreich sein.

(3) Es bedarf einer Analyse der möglichen oder wahrscheinlichen Folgen des Strukturwandels. Diese Analyse sollte insbesondere die Wahrung und Sicherung des internationalen Friedens in den Blick nehmen.

(4) Es sollten politische Schlussfolgerungen im Sinne allgemeiner Handlungsempfehlungen getroffen werden. Wichtig ist es, einen neuen strategischen Rahmen (strategic framework) zu definieren, in dessen Zusammenhang die wesentlichen Herausforderungen, aber auch die Gelegenheiten zum steuernden politischen Handeln definiert werden. Nur so können westliche Demokratien Handlungsfähigkeit behalten beziehungsweise erwerben.

2 Die Komponenten des derzeitigen internationalen Strukturwandels

Um den internationalen Strukturwandel der Gegenwart zu beschreiben, bedarf es in einem ersten Schritt der Rückbesinnung auf die Kernelemente des letzten Strukturwandels von 1989/1992 und des daraus resultierenden strategischen Rahmens. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der Auflösung der Sowjetunion hatte sich seinerzeit eine Entwicklung abgezeichnet, die durch zwei wesentliche Elemente gekennzeichnet war[6]:

  1. Die Abwesenheit einer strategischen Konkurrenz als strukturierendes Element der internationalen Politik. Die strategische und ideologische Konkurrenz zwischen der Sowjetunion auf der einen und der von den USA angeführten westlichen Staatengemeinschaft auf der anderen Seite hatte sich vor allem in der Vermischung mit einer nuklearstrategischen Konkurrenz zum dominierenden Strukturmuster der internationalen Politik entwickelt. Der Wegfall dieser Konkurrenz wurde insbesondere in Deutschland als enorme Erleichterung empfunden. In der deutschen wie in der breiteren europäischen Geschichte hatte es zuvor eine derartige Periode ohne strategische Konfliktlinien nicht gegeben.

  2. Stärke, Zusammenhalt und Hegemonie der westlichen Gemeinschaft. Der Westen war eine starke und relativ geschlossene Gruppe von like-minded Staaten, die untereinander eine Zone des Friedens, der Kooperation und des Wohlstandes bildeten. Der Ost-West-Konflikt war auch ein Konflikt über das bessere politische, ökonomische und soziale System gewesen und die westlichen Demokratien mit ihrem regulierten Kapitalismus, ihrer Sozial- und Rechtsstaatlichkeit und ihren auf Freiheit, Effektivität, Kompromiss und demokratischer Transparenz angelegten Regierungssystemen hatten sich den kommunistischen Regierungssystemen gegenüber in allen Bereichen als weit überlegen erwiesen. Möglich war dieser Siegeszug des Westens, weil es politische Eliten in diesen Staaten gab, die vor dem Hintergrund der zwei Weltkriege trotz bestehender ideologischer Unterschiede auf Moderation, Sachlichkeit und Kooperation setzten. Die US-amerikanische Politik der internationalen Ordnungsbildung und des gemeinsamen europäischen Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die europäische Integration gaben dafür den Rahmen ab.[7] Damit war es gelungen, eine Phase der europäischen Selbstzerstörung (sowohl innenpolitisch wie international) zu beenden, die den Kontinent seit Beginn des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet und die in die Katastrophen der beiden Weltkriege geführt hatte.[8] In der Welt des Westens war es gelungen, ein Modell der friedlichen Innenpolitik und des zivilen Umgangs miteinander zu schaffen, welches historisch gesehen ohne Parallele war. Francis Fukuyama äußerte damals, dass sich die Möglichkeit auftäte, Hegels Vision eines „Endes der Geschichte“ zur Realität werden zu lassen.[9]

Entsprechend groß waren die Erwartungen, dass die innerhalb der westlichen Welt gefundenen innenpolitischen Ordnungen (Rechtsstaat, repräsentative Demokratie, Schutz der Menschenrechte, Marktwirtschaft und Sozialstaat) und die dazu passende kooperative zwischenstaatliche Ordnung Vorbild für eine erweiterte, möglichst globale Ordnungsbildung sein könnten. Ziel war es, dass Staaten im Rahmen multilateraler Institutionen kooperieren und gemeinsam Probleme lösen. Kennzeichen dieser Ordnung sollte sein, dass die Staaten untereinander das Gewaltverbot beachten und es zu einer zunehmenden Verrechtlichung der internationalen Beziehungen und damit zu einer nachhaltigen Befriedung kommt. An der gemeinsamen internationalen Befassung mit grenzüberschreitenden und globalen Problemen sollten auch nicht-staatliche Akteure teilnehmen, insbesondere aus der Zivilgesellschaft (Global Governance).

Die von der westlichen Staatengemeinschaft in diesem Zusammenhang angepeilten strategischen Ziele waren: die Ausweitung und Verstetigung der Zone des Friedens und der Zusammenarbeit (Osterweiterung, Partnerschaften, Nachbarschaftspolitik der EU), die Fortsetzung der Politik des Multilateralismus in einer Vielzahl von Problemfeldern (Handelsliberalisierung, Menschenrechte, Klima, Umweltschutz, Artenschutz, Migration, Kriminalitätsbekämpfung etc.), die Entwicklung eines effektiven multilateralen Rahmens zur gemeinsamen Bewältigung von Sicherheitsherausforderungen außerhalb der westlichen Zone des Friedens und der Kooperation (Krisenprävention, Krisenmanagement, Krisenbeendigung und Friedenskonsolidierung), Abbau aller Restbestände der strategischen Konfrontation und Vermeidung des Entstehens neuer strategischer Konfliktlinien.

Ein Vierteljahrhundert nach der Zeitenwende von 1989/92 hat sich die strategische Lage grundlegend geändert. Zum einengibt es wieder strategische Konfliktlinien. Dabei kommt es weniger zu einer Wiederholung des Ost-West-Konflikts. Vielmehr zeichnen sich drei unterschiedlich stark ausgeprägte strategische Konfliktlinien ab, die die europäische Sicherheit direkt betreffen, und eine weitere, die die europäische Sicherheit indirekt beeinträchtigt:

  1. In erster Linie ist festzustellen, dass Russland spätestens seit der bunten Revolution in der Ukraine vom Jahreswechsel 2013/2014 die strategische Konfrontation mit dem Westen sucht. Diese Konfrontation hat sich schon lange abgezeichnet, sie zu vermeiden war ein erklärtes Ziel westlicher (und vor allem deutscher) Politik. Diese Politik des Westens blieb erfolglos, weil eine Unvereinbarkeit bei den grundlegenden ordnungspolitischen Vorstellungen besteht. Dem universalistischen Ordnungsansatz des Westens, demzufolge Gewaltverbot, Staatensouveränität[10], territoriale Unversehrtheit, Gleichberechtigung aller Staaten unabhängig von ihrer Größe, multilaterale Kooperation und Verrechtlichung der internationalen Beziehungen das Fundament einer internationalen Ordnung bilden, steht ein russischer Ordnungsansatz gegenüber, demzufolge Großmächte das Recht haben, in ihrer regionalen Umgebung darüber zu bestimmen, was ihre Nachbarstaaten dürfen und was nicht – und das auch unter Einsatz militärischer Gewalt.[11] Dieser Ordnungsansatz reflektiert die politischen Präferenzen einer neuen Nomenklatura (Machtvertikale), die bezüglich der internationalen Politik typische Einstellungsmuster aus der sowjetischen Zeit übernommen hat.[12] Dazu gehören die reflexhafte Neigung, dem Westen die Verantwortung für eigene Fehler und Krisen zuzuschreiben, und ein militarisiertes Machtdenken. Russland betreibt klassische Geopolitik im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts und setzt mangels anderer Instrumente vor allem auf Mittel der militärischen Einschüchterung und Konfrontation. Es begreift sich nicht nur als Antipode einer westlichen Politik des Multilateralismus und der Ordnungsbildung, es führt mittlerweile auch einen mehr oder weniger hybriden Krieg mit dem Ziel, westliche Gesellschaften und demokratische Systeme zu destabilisieren. Der anti-westliche Zug der russischen Politik reflektiert den Versuch einer kleptokratischen Nomenklatur, durch außenpolitische Aggressivität von internen Problemen abzulenken und innenpolitisch eine demokratische Reform zu verhindern, indem die westlichen Demokratien als äußere und innere Feinde hingestellt werden.[13] Die strategische Konkurrenz Russlands ist keine vorübergehende Verirrung, sondern markiert eine Herausforderung von dauerhaftem Charakter. Man mag Zweifel daran hegen, ob NATO und EU in den vergangenen 25 Jahren immer die richtige Politik (und die richtigen Töne) gegenüber Russland eingeschlagen haben, die Verantwortung für die heutige strategische Konkurrenzsituation liegt aber weitgehend bei Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin.

  2. Neben Russland muss auch der Iran als ein strategischer Herausforderer und Gegner des Westens charakterisiert werden. Auch hier gibt es eine strategische Konkurrenzlage, die dauerhaft zu sein scheint. Zwar ist es im Jahr 2015 gelungen, die iranische Regierung zu einem Interimsabkommen zu bewegen, welches das ambivalente Urananreicherungsprogramm und das Projekt eines Natururanreaktors erst einmal auf Eis legt.[14] Die damit verbundenen Hoffnungen auf einen grundsätzlichen Richtungswandel in der Außen- und Sicherheitspolitik haben sich aber nicht erfüllt.[15] Iran tritt im Nahen und Mittleren Osten weiterhin als Gegner und Herausforderer der USA, Israels und des gesamten Westens auf und betreibt eine primär militarisierte Außenpolitik. Das Land hat zur Eskalation des syrischen Bürgerkrieges beigetragen, indem es Waffen an das Assad-Regime lieferte und Kämpfer der Pasdaran sowie der libanesischen Hisbollah auf dessen Seiten kämpfen ließ. Auch beteiligte sich das Regime in Teheran entscheidend an der Destabilisierung des Iraks – sowohl in der Zeit der US-amerikanischen Besatzung als auch während der Amtszeit von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Im Persischen Golf sowie auf der arabischen Halbinsel ist der Iran ein Faktor der Destabilisierung und der gewaltsamen Veränderung. Zur Erklärung seines Verhaltens ist der Hintergrund auch in der Innenpolitik zu suchen. Vor allem die bewaffneten Revolutionsgarden (Pasdaran) bilden ein dichtes Netzwerk der ökonomischen und militärischen Macht, das bisher alle Versuche einer Reform verhindern konnte. Die oppositionelle grüne Bewegung, die für weitreichende Reform im Lande und Offenheit gegenüber dem Westen steht, ist bislang nicht in der Lage gewesen, die Machtverhältnisse zu verändern. Auch der als gemäßigt geltende Präsident Hassan Rohani hat offenkundig nur wenige Möglichkeiten, die Lage des Landes zu ändern. Ob er sich bei den 2017 anstehenden Wahlen behaupten kann, ist fraglich.

  3. Eine weitere, bislang nur im Entstehen begriffene strategische Konfliktlinie könnte die zwischen der westlichen Welt und einem rückwärtsgewandten und revolutionären, sunnitischen (salafistischen) Islamismus sein. Derartige Formen eines politisch-religiösen Projektes, das im Wesentlichen die gesellschaftliche Ordnung zur Zeit der Gründungsphase des Islams vor 14 Jahrhunderten (und die damit verbundene gewaltsame Missionierung durch diese fundamentalistisch verstandene Religion) wiederherstellen will, existieren in der Gestalt von al-Qaida sowie des „Islamischen Staats“. Dieser gewaltbereite Islamismus wird bei uns lediglich als Terrorismus wahrgenommen. Tatsächlich handelt es sich um ein breiteres Projekt, das von beiden Organisationen und den mit ihnen verbundenen Netzwerken verfolgt wird und mit dem totalitäre Vorstellungen verbreitet werden – was als neue extremistische Herausforderung gesehen werden muss.[16] Die Zahl der Dschihadisten, die unter der Führung von al-Qaida, des Islamischen Staates oder in einer der mit diesen Organisationen verbündeten islamistischen Milizen kämpfen, dürfte sich weltweit gesehen in einer Größenordnung von weit über 170.000 Mann bewegen. Solange diese Bewegungen keine eigene Staatlichkeit entwickeln und dauerhaft halten können, wird die von ihnen ausgehende strategische Bedrohung begrenzt bleiben. Der 2014 im Osten Syriens und im nördlichen Irak konstituierte Islamische Staat (Kalifat) ist ein erster, weitgehend gescheiterter Versuch zur Etablierung einer derartigen Staatlichkeit. Er könnte sich aber entweder in diesen Ländern oder anderswo wiederholen und womöglich erfolgreich sein. Die strategische Natur dieser Herausforderung wird dadurch hergestellt, dass heutzutage in den meisten muslimischen Ländern der Islam mehr und mehr zu einer politisch verstandenen Religion uminterpretiert wird, die sich als anti-westliche Ideologie versteht. Dadurch ist eine Dynamik angelegt, die weitergehende politische Verwerfungen mit jenen Ländern denkbar werden lässt, die heute noch als gemäßigt islamistisch gelten (wie die Türkei, Pakistan, Bangladesch, Saudi-Arabien).

  4. In Asien rückt China immer stärker als ein strategischer Konkurrent und Herausforderer des Westens in das Bild. Je mehr das Land an wirtschaftlicher Stärke und technologischen Fähigkeiten gewinnt, umso mehr setzt es diese in militärische Fähigkeiten um. In Ostasien baut sich China als imperiale Vormacht auf und gerät vor allem durch seine Ansprüche auf Seegebiete und Inseln in Konflikt mit Nachbarstaaten, die ihrerseits Unterstützung bei den USA suchen – oder sich mit China arrangieren, wie neuerdings die Philippinen. Im Bereich um Taiwan, in der Süd- sowie der Ostchinesischen See bildet sich derzeit eine militärische Situation, die in den USA als Vorbote einer größeren und dauerhaften strategischen Konkurrenz gesehen wird, die ein erhebliches Risikopotenzial aufweist.[17] Die Ursache für die Option der strategischen Rivalität dürfte ähnlich wie in Russland innenpolitischer Natur sein. Einerseits sind Nationalismus und Militarismus willkommene Mechanismen, mit denen eine korrupte Machtelite von inneren Problemen und der mangelhaften Legitimität der Herrschaft der KPCh ablenken kann. Andererseits sind auch in der chinesischen Elite alte Einstellungsmuster aktiv, die auf Feindschaft zum Westen ausgerichtet sind.

Zum Zweiten ist der Westen dabei, seinen Zusammenhalt, seine Stärke und seine hegemoniale Ausstrahlung zu verlieren. Der Westen ist nicht mehr das, was er vor 25 Jahren war. Vor allem innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat ein Prozess der inneren Zersetzung an Dynamik gewonnen, der enorme strategische Probleme aufwirft:

  1. Die Europäische Union driftet in einem Maße auseinander, das sich vor 15 Jahren kaum jemand vorstellen konnte. Die Euro-Krise hat die Union in einer Weise geschwächt, die Differenzen fundamentaler Natur und Sollbruchstellen der Integration erkennen lässt. Die in den 1990er-Jahren vereinbarten Regeln der Freizügigkeit und der Migration sind heute eher Anlass zur Europaskepsis. Es bilden sich zwei Trennlinien heraus: eine zwischen dem Norden und dem Süden sowie eine zwischen Westeuropa und dem östlichen Mitteleuropa. Europakritische und -feindliche Parteien, rechtspopulistische und nationalistische Bewegungen sowie das Erstarken linkspopulistischer Trends (zum Beispiel bei der Labour Party in Großbritannien) gefährden den über Jahrzehnte dominierenden breiten innenpolitischen Konsens der Mitte, der es möglich gemacht hat, in strategischen Fragen der Innen- wie Außenpolitik Kompromisse zu schließen und gemeinsame Projekte zu verwirklichen. Nur noch in einigen Ländern findet die europäische Integration den Zuspruch von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung. Die britische Entscheidung zum Austritt aus der Union könnte sich in anderen Ländern wiederholen. Europa ist auf dem Weg zu einer Re-Nationalisierung, die auf internationaler Bühne eine Schwächung darstellt und die vielfältige Ansatzpunkte für strategische Gegner bietet, diese Schwachpunkte auszunutzen.

  2. Die USA gehen mehr und mehr einen Sonderweg, was Innen- wie Außenpolitik betrifft. Im Inneren findet seit mehr als 20 Jahren eine Polarisierung der Parteien und der politischen Debatten statt, die zu einer nachhaltigen Schwächung der Handlungsfähigkeit des Bundes und der Einzelstaaten geführt hat. Innenpolitisch ist die Blockade vieler notwendiger Reformen zu beobachten (vor allem der Staatsfinanzen, die immer defizitärer werden). Die Tatsache, dass bei der Präsidentschaftswahl 2016 mit Donald Trump ein Kandidat gewann, der einen populistischen und den demokratischen Konsens weitgehend zerstörenden Wahlkampf geführt hat, lässt die ganze Dramatik der innenpolitischen Verwerfung deutlich werden. Die gesellschaftliche Polarisierung wird sich voraussichtlich noch verschärfen. Außenpolitisch ist ein deutlicher Rückzug der USA aus internationalen sicherheitspolitischen Verpflichtungen zu erkennen, der bereits von der Obama-Administration mit großer Konsequenz verfolgt worden ist. In Europa wird dieser Rückzug vor allem als Verschiebung nach Asien wahrgenommen. Tatsächlich nehmen die USA in allen Regionen der Welt Aufgaben der internationalen Stabilisierung immer zögerlicher wahr. Nicht nur in Europa, auch im Nahen Osten und in Ostasien sinkt daher das Vertrauen in die Bereitschaft der USA, Verantwortung zu übernehmen und vor allem Sicherheitsversprechen nachhaltig zu bedienen. Es ist anzunehmen, dass dieser Vertrauensverlust unter Präsident Donald Trump weiter zunehmen wird. Dadurch werden regionale Sicherheitsordnungen gefährdet und riskante Dynamiken ausgelöst, insbesondere in Ostasien, im Nahen Osten und in Europa.

  3. Das politische Vertrauen zwischen den USA und der EU ist infolge der transatlantischen Dispute über den erzwungenen Regimewechsel im Irak (2002/2003) sowie über die NSA-Krise (2013) erheblich erschüttert. Europa und die USA haben sich voneinander entfernt. Es gab auch keine ernsthaften Versuche der politischen Führungen auf beiden Seiten des Atlantiks, die Vertrauensverluste aufzuarbeiten. Antiamerikanismus ist heute eine wichtige politische Währung in vielen westeuropäischen Ländern. Die Debatten über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) werden in Europa mehr und mehr mit antiamerikanischen und antikapitalistischen Ressentiments geführt und lassen eine diffuse Sehnsucht nach dem klassischen Wohlfahrtsstaat der 1960er- und 1970er-Jahre erkennen. Die NATO erfährt derzeit zwar eine Wiederaufwertung im Rahmen der militärischen Maßnahmen, die zur Sicherung der baltischen Staaten unternommen werden, in Südeuropa bricht die Türkei aber schrittweise aus dem westlichen Staatenverbund aus. Sie etabliert sich als eigenständige Regionalmacht, die absehbar auf stärkere Distanz zur westlichen Allianz gehen dürfte. Damit sinken die Handlungsmöglichkeiten der westlichen Staatengemeinschaft im Nahen Osten weiter ab.

  4. Das ökonomische, das technologische und das demografische Gewicht der westlichen Welt sinken relativ gesehen. Nicht nur, dass Europa als Wirtschaftsblock im Vergleich zu den pazifischen Staaten kaum noch Wachstum generiert, der relative Anteil Europas und der USA an der globalen Wirtschaftsleistung nimmt weiter ab. Gegenwärtig erwirtschaften die USA und die Europäische Union zusammen zwar immer noch knapp 50 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes (und der weitere Westen mit Japan, Australien, Kanada u. a. weitere 10 Prozent), aber die Zeiten sind vorbei, in denen der Westen zwischen 75 bis 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentierte und die Regeln der Weltwirtschaft bestimmen konnte.

  5. Den westlichen Staaten gelingt es immer weniger, ihr erhebliches wirtschaftliches und militärisches Gewicht wirksam werden zu lassen, weil die etablierten Systeme repräsentativer Demokratie (Parlamentarismus, Präsidialsystem oder Semi-Präsidentialismus) zunehmende Funktionsprobleme aufweisen und immer weniger in der Lage sind, politische Führung wahrzunehmen beziehungsweise Führungspersonen hervorzubringen. Die meisten westlichen Demokratien fallen heute durch erhöhte politische Polarisierung oder die Zersplitterung in viele Parteien auf. Beides lähmt die Handlungsfähigkeit der Politik sowohl im Inneren wie nach außen. Im US-amerikanischen Präsidialsystem hat die Polarisierung zwischen den extrem konservativen und auch rechtspopulistischen Republikanern und einer zunehmend progressiven, post-materialistischen Demokratischen Partei zu einer Lähmung des politischen Systems geführt. Frankreich ist trotz seines semi-präsidentiellen Regierungssystems tief gespalten. Auch in klassischen parlamentarischen Demokratien ist eine innenpolitische Polarisierung zu beobachten, wobei sich Links wie Rechts gerne in Forderungen nach Volksabstimmungen einig sind. Der anstehende Austritt Großbritanniens aus der EU infolge einer Volksabstimmung, die im britischen Verfassungsrecht umstritten ist, lässt erkennen, welche Folgen der leichtfertige Umgang einer Regierung mit einer Volksbefragung haben kann.

Die Schwächung der inneren Stärke und der internationalen Hegemonie des Westens wird weitreichende Konsequenzen haben. Die westliche Staatengemeinschaft hat in den vergangenen 70 Jahren dank ihrer eigenen inneren Stabilisierung durch die Staatsintervention in die Wirtschaft, den Aufbau von Sozialstaatlichkeit sowie die Schaffung funktionierender demokratischer Systeme und dank einer vorwiegend US-amerikanischen, wohlmeinenden Hegemonie die Grundlagen einer funktionierenden internationalen Ordnung gelegt. Die Erfolgsgeschichte des Westens ist die Geschichte einer Staatengruppe, die ihren inneren Frieden und den Frieden untereinander gefunden hat, die sich unter dem Schutz US-amerikanischer Militärmacht und ökonomischer Vormacht dynamisch entwickeln konnte und die damit die Grundlagen einer kooperativen internationalen Ordnung gelegt hat. Die durch Multilateralismus und Verrechtlichung gekennzeichnete, westlich inspirierte internationale Ordnung ist heute einem deutlichen Prozess der Erosion ausgesetzt und in Gefahr zu zerfallen. Diesen Prozess kann man an vier Stellen beobachten:

  1. Die zu Anfang der 1990er-Jahre gemeinsam mit der Sowjetunion beziehungsweise Russland geschaffene Europäische Sicherheitsordnung ist im Frühjahr 2014 zerstört worden. Russland hat mit der Besetzung und Annexion der Krim, der gewaltsamen Destabilisierung der Rest-Ukraine, insbesondere der hybriden Annexion des östlichen Donbass, der Herstellung einer militärischen Invasionsdrohung im Baltikum sowie einer Vielzahl von militärischen Provokationen diese Ordnung aufgekündigt. Alle Kernelemente der europäischen Sicherheitsordnung sind von Russland infrage gestellt worden: das zwischenstaatliche Gewaltverbot und die Respektierung der territorialen Integrität anderer Staaten (laut UN-Charta, NATO-Russland-Akte von 1997, Budapest-Memorandum von 1994), das Verbot, Grenzen einseitig zu ändern (laut KSZE Schlussakte von 1975 und der Charta von Paris von 1990), die Achtung des Rechtes aller Staaten Europas, selbst über ihre Bündniszugehörigkeit zu bestimmen (laut Schlussakte der KSZE von 1975), der Verzicht auf den Aufbau von Invasionsfähigkeiten (laut KSE-Vertrag von 1990 und 1992), die Bestimmungen zur Beschränkung des Umfangs von Militärmanövern, deren rechtzeitige Ankündigung und Einladung von Manöverbeobachtern (gemäß dem VSBM-Abkommen) sowie das Verbot, Nichtkernwaffenstaaten mit dem Einsatz von Kernwaffen zu drohen (gemäß dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag) und sie als Mittel der strategischen Bedrohung und Einschüchterung in Europa einzusetzen (INF-Vertrag von 1987).

  2. Nicht nur in Europa, sondern auch anderswo erodiert die internationale Norm des Gewaltverbots sichtbar und das System der Kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen wird dort weitgehend wirkungslos, wo Russland und China als Veto-Mächte im Sicherheitsrat die Handlungsfähigkeit der internationalen Staatengemeinschaft einschränken (Beispiele: Syrien, Südchinesisches Meer). Auch die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts werden in kaum einem Konflikt noch gewahrt. Die Garantierolle der USA für die Einhaltung des Verbots des Einsatzes von Chemiewaffen ist mit der zögerlichen Politik US-Präsident Obamas im Falle Syriens in sich zusammengefallen. Die internationalen Beziehungen beginnen sich im Nahen Osten, in Ostasien und auch in Europa in Richtung einer Anarchie zu verändern. Die von der deutschen Politik angestrebte Verregelung der internationalen Beziehungen weicht einer Politik der Stärke und der Selbsthilfe. Anstelle der Stärke des Rechts tritt das Recht des Stärkeren.

  3. Die internationale Wirtschafts- und Finanzordnung wandelt sich. Noch wächst der internationale Handel mit Gütern und Dienstleistungen, auch wenn es immer wieder zwischenzeitliche Einbrüche gibt.[18] Aber vieles weist auf ein Wiedererstarken des Protektionismus hin. Die stärksten Impulse in diese Richtung gehen derzeit von den USA aus. Die dortige Präsidentschaftswahl vom November 2016 hat erkennen lassen, dass die sozialen Folgewirkungen von Jahrzehnten der De-Industrialisierung so starke Spuren hinterlassen haben, dass eine Politik des Freihandels in der bisherigen Form innenpolitisch nicht mehr möglich sein wird. Aber auch die europäischen Massenbewegungen gegen CETA und TTIP machen deutlich, dass die Verunsicherung über die sozialen Konsequenzen der Freihandelspolitik und deren weiterer Dynamik groß ist. In den USA wecken diese Bewegungen nationalistische und isolationistische Instinkte, in Europa finden sich neben Nationalismus auch noch antikapitalistische und antiamerikanische Ressentiments. Zudem ist abzusehen, dass die Relevanz etablierter Institutionen wie Weltbank-Gruppe, Internationaler Weltwährungsfonds (IWF), Welthandelsorganisation (WTO) sowie Internationale Bank für Zahlungsausgleich (IBZ) abnehmen beziehungsweise die Rolle westlicher Industriestaaten in ihnen relativiert werden wird. Regionale sowie überregionale Abmachungen mit geringem Institutionalisierungsgrad wie die Asia-Pacific Economic Community (APEC) werden an Bedeutung gewinnen, da sie flexibler sind sowie raschere und ökonomisch nachhaltigere Ergebnisse erlauben. Die vor allem unter dem Druck der westlichen Öffentlichkeit weit aufgefächerte Agenda der Welthandelsorganisation (Umweltschutz, Sozialstandards, Sicherheits- und Gesundheitsstandards, gutes Regieren, Gleichstellung der Geschlechter etc.) wird immer schwieriger umzusetzen sein.[19] Der Versuch, diese Themen im Rahmen von Freihandels- und Investitionspartnerschaften zu verankern, dürfte kaum noch erfolgversprechend sein. Auch werden die Mechanismen zur Krisenstabilisierung im Bereich der internationalen Währungs-, Finanz- und Wirtschaftspolitik (vor allem IWF, BIZ, G7, G20) absehbar geschwächt werden.

  4. Der sonstige Multilateralismus und vor allem die vielen Verhandlungen und Institutionen des Global Governance verändern sich. Sofern sie überhaupt noch substanzielle Ergebnisse erwarten lassen, werden sie weniger einer westlichen, liberalen Agenda entsprechen, sondern eher durch Entscheidungen nicht-westlicher oder zumindest nicht-europäischer Regierungen geprägt. Deutlich ist dies schon im Bereich der multilateralen Klimapolitik absehbar: Die bisherige multilaterale Klimapolitik wurde durch das Rahmenabkommen der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC) und das 1997 geschlossene Kyoto-Protokoll strukturiert. Das globale Klima-Regime basierte im Wesentlichen auf westlichen (meist westeuropäischen) liberalen Konzepten der Global Governance. Dieser Ansatz baute auf drei Säulen auf: (a) der Vereinbarung globaler Ziele für die Reduzierung von Treibhausgasen, die lediglich auf die industrialisierten Staaten heruntergebrochen und rechtlich verbindlich gemacht werden, (b) der Schaffung ökonomischer und finanzieller Anreize, um technologische Innovation zu fördern (auch außerhalb der Gruppe der Industriestaaten) und Treibhausgasemissionen zu „bestrafen“, und (c) der Etablierung von Mechanismen zur Beurteilung der Umsetzung und zur Weiterverhandlung. Die Fortführung dieses Ansatzes ist immer weniger möglich, weil heute die Treibhausgasemissionen Chinas und Indiens höher sind als die aller westlichen Industrieländer zusammen und weil diese, wie andere Schwellenländer auch, keine verhandelten Reduktionsziele akzeptieren. Der in Paris im Dezember 2015 gefundene Kompromiss reflektiert daher die gestiegene Bedeutung der Schwellenländer, indem nunmehr jedes Land seine nationalen Reduktionsziele selbst bestimmen kann. Er ist ein deutlicher Schritt weg von dem europäischen Ansatz verhandelter Reduktionsziele und deren international überwachter Implementierung.

Was sich hier abzeichnet, ist ein fundamentaler Wandel der internationalen Beziehungen, der, gemessen an dem, was in den vergangenen 25 Jahren an Erfolgen in Richtung Verregelung der internationalen Beziehungen erreicht worden ist, einen fundamentalen Rückschritt markiert. Wir erleben heute eine Zeitenwende in Richtung Anarchie. Die liberale Ordnung schmilzt dahin und von einer globalen Entwicklung in Richtung Demokratie und Freiheit sind wir weiter entfernt denn je zuvor. Auch das Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheit von 2016 und der Global Review des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2014 reflektieren mit Blick auf die Entwicklung der internationalen Beziehungen einen deutlichen Pessimismus.[20] Sie bleiben in ihrer Sprache jedoch zurückhaltend und hinterlassen den Eindruck, dass der sense of drama nicht verstanden worden ist. Die Europäische Sicherheitsstrategie von 2016 ist hier deutlich pessimistischer in ihrer Wortwahl. Dort heißt es: „We live in times of existential crisis, within and beyond the European Union. Our Union is under threat. Our European project, which has brought unprecedented peace, prosperity and democracy, is being questioned. To the east, the European security order has been violated, while terrorism and violence plague North Africa and the Middle East, as well as Europe itself.“[21]

3 Die Ursachen des Strukturwandels der internationalen Beziehungen

Wie hat es innerhalb von weniger als 25 Jahren zu derartigen tektonischen Verschiebungen in den internationalen Beziehungen kommen können? Im Weißbuch 2016 der Bundesregierung wird auf die Globalisierung verwiesen, die vor allem als „Vernetzung“ wahrgenommen wird.[22] Diese Aussage ist nicht abwegig, aber für sich allein genommen nicht sehr hilfreich. Es ist wenig sinnvoll, Globalisierung nur auf Vernetzung (vor allem im Bereich der Informationstechnologien) zurückführen zu wollen. Tatsächlich bedeutet heute Globalisierung erst einmal die globale Ausdehnung der Marktwirtschaft (andere nennen es „Kapitalismus“), die unter Bedingungen von Quantensprüngen im Bereich der Informationstechnologie und der Transport- und Verkehrstechnologien eine Dynamik entwickelt hat, die sowohl westliche Industriestaaten als auch Schwellen- und Entwicklungsländer vor fundamentale Probleme stellt. Die so verstandene Globalisierung ist die Folge politischer Weichenstellungen der westlichen Welt, die seit den späten 1940er-Jahren und insbesondere nach 1990 umgesetzt worden sind. Die dadurch ausgelösten Dynamiken waren nicht oder nicht in dem tatsächlichen Ausmaß vorhersehbar.

In dieser Hinsicht gibt es durchaus strukturelle Ähnlichkeiten mit der internationalen Entwicklung gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch damals ging eine Periode der ökonomischen Globalisierung zu Ende, die die Folge politischer Weichenstellungen war, die vor allem Großbritannien in der Mitte des 19. Jahrhunderts initiiert hatte.[23] Die erwartete Zunahme an internationaler Kooperation und Demokratisierung trat für einige Jahrzehnte ein, doch dann zerlegten sich die internationalen Ordnungsstrukturen, weil die durch die erfolgreiche Globalisierung ausgelösten sozio-ökonomischen Dynamiken in den meisten Ländern Europas zu innenpolitischen Verwerfungen führten, die politisch nicht mehr beherrschbar waren. Diese waren insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Krisen spürbar, wie in den 1890er-Jahren. Anlass waren meist der soziale Abstieg (oder die gefühlte Gefahr des Abstiegs) oder gar die Verelendung großer Teile der Bevölkerung bei gleichzeitigem Zerfall tradierter gesellschaftlicher Institutionen und Normen.[24] Der Zerfall der internationalen Ordnung trat ein, weil Nihilismus, Nationalismus, Protektionismus und Militarismus in den meisten entwickelten Staaten Europas und auch in den USA um sich griffen und die klassischen Versprechungen der Aufklärung und der Moderne zu versagen schienen.[25] Großbritanniens führende internationale Rolle wurde aufgrund des – durch den internationalen Freihandel begünstigten – wirtschaftlichen Aufstiegs des Deutschen Reiches, der USA und Russlands relativiert. London fand unter ihnen keinen dauerhaften Partner für die Aufrechterhaltung einer liberalen internationalen Ordnung und hat sich nach und nach einem internationalen System angepasst, in dem es keine oder nur noch unzureichende Ordnungsstrukturen gab. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts war die britische Außenpolitik darauf ausgerichtet, durch eine geeignete Bündnispolitik dafür Sorge zu tragen, ein gewisses Maß an internationaler Stabilität und Friedenssicherung zu erreichen – mit wenig Erfolg.

Diese Probleme sind in der damaligen wissenschaftlichen und politischen Debatte reflektiert, in ihren kombinierten Konsequenzen für den internationalen Frieden aber erst in den 1940er-Jahren begriffen worden. Auf die soziale Frage und deren gefährliches Potenzial für die Stabilität moderner Gesellschaften hatte Lorenz von Stein bereits 1850 hingewiesen, sie wurde zu der bestimmenden politischen Frage der nachfolgenden Jahrzehnte.[26] Den Rückgang der Globalisierung und des internationalen Handels hatte der deutsche Nationalökonom Werner Sombart bereits 1903 registriert, indem er einen allgemeinen Trend zur sinkenden Exportquote der deutschen und anderer Volkswirtschaften konstatierte – nachdem zuvor die meisten Industriestaaten über Jahrzehnte eine wachsende Exportquote aufgewiesen hatten.[27] Die Auflösung tradierter Werte innerhalb der sich rasch modernisierenden europäischen Gesellschaften beobachtete und analysierte der französische Soziologe Émile Durkheim. Er stellte fest, dass die Verdrängung religiöser und tradierter Werte und Normen in einer modernen und arbeitsteiligen Gesellschaft unter Bedingungen großer sozialer Ungleichheit zum Verfall von Normen und zu einer pathologischen Regellosigkeit führt. Er nannte diesen Verlust innergesellschaftlicher Werte und Normen und die damit verbundene gesellschaftliche Anarchie „Anomie“.[28] In einer späteren Untersuchung machte er diese Anomien für die Gräueltaten und Brutalitäten im Ersten Weltkrieg verantwortlich.[29] Erwähnt werden muss auch die vielbeachtete Studie von John Hobson, der 1902 zu dem Ergebnis kam, dass es vor allem die ungelösten inneren ökonomischen und sozialen Probleme waren, die dazu führten, dass die größten Staaten Europas und die USA den Weg der Militarisierung, des Kolonialismus und des Imperialismus einschlugen.[30]

Man sollte die Parallelen zur Gegenwart aber nicht überbetonen, denn jede Periode der Geschichte hat ihre Besonderheiten. Anders als vor 120 Jahren (1) gibt es heute keine deutsch-französische Rivalität, sondern tiefe Freundschaft zwischen beiden Ländern und einen institutionalisierten Rahmen der Kooperation, der die anderen europäischen Staaten mit einbezieht; (2) verstehen sich die meisten europäischen Staaten primär als Zivilmächte; (3) ist der internationale Handel stärker institutionalisiert als im 19. Jahrhundert und (4) ist Europa nicht mehr das Zentrum der internationalen Politik. Aber strukturelle Analogien zu der oben geschilderten Phase der europäischen Geschichte sind erkennbar und können helfen, heutige Entwicklungen besser zu verstehen. Zumindest die globalen Handels- und Investitionsströme zeitigen ähnlich wie im 19. Jahrhundert weitreichende innenpolitische und in der Folge auch strategische Konsequenzen. Wie damals kennt die durch den Freihandel in Gang gesetzte Globalisierung nicht nur Gewinner, sondern auch viele Verlierer. Und wie damals bilden diese Verlierer den Resonanzboden für das Entstehen von anti-aufklärerischen und anti-modernen Theorien (oft auch nur Fantastereien) von Nationalismus, Fremdenhass, Rassismus, Antisemitismus, Protektionismus, Weltverschwörungstheorien sowie von simplen Weltverbesserungsvorstellungen. Demokratische Regierungssysteme werden damit unterminiert.

Anders als im 19. Jahrhundert ist gegenwärtig das Niveau der internationalen Handelsverflechtung deutlich höher. Mit dem weitgehenden Abbau der Zölle und der Liberalisierung vieler Märkte haben sich während der vergangenen 50 Jahre in einer zunehmenden Zahl von Wirtschaftsbereichen vielfältige Formen der internationalen Arbeitsteilung und somit Wertschöpfungsketten entwickelt, die einen Zustand tiefer internationaler Verflechtung und daraus folgend auch der Interdependenz hervorgebracht haben. Industrielle Produktionen und Dienstleistungen unterschiedlichster Art finden in immer mehr Ländern statt und tragen zu einer Vergrößerung des Austausches von Waren und Dienstleistungen bei. Am sichtbarsten ist dieser Trend daran abzulesen, dass seit Mitte der 1950er-Jahre weltweit das Wachstum des internationalen Warenaustausches stets höher war als das der globalen Güterproduktion – ein Prozess, der sich nach 1990 noch entschieden beschleunigt hat.[31] Allerdings verringert sich der Unterschied zwischen beiden Wachstumsraten seit 2012.

Aus diesen globalen ökonomischen Trends und unter dem Eindruck der technologischen Revolution vor allem im Bereich der digitalen Informationsverarbeitung haben sich im Laufe der vergangenen Jahre grundlegende Wandlungen ergeben, die die oben konstatierten Probleme der heutigen Zeit zumindest aus ihrem Kontext erklärbar werden lassen.

  1. Nachhaltige Veränderungen in den Wirtschaftsstrukturen der traditionellen Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Asien-Pazifiks haben den Boden für weitreichende politische Auswirkungen bereitet. In erster Linie ist eine De-Industrialisierung zu beobachten, die allerdings von Land zu Land unterschiedlich ausfällt. Während die De-Industrialisierung in den Wirtschaftswissenschaften und bei internationalen Organisationen wie Weltbank und IWF bis zur Jahrtausendwende vorwiegend positiv gesehen wurde, weil diese die Vorstufe zu einer zeitgemäßen dienstleistungsorientierten Wirtschaft sei,[32] hat sich in der vergangenen Dekade eine differenziertere Einschätzung durchgesetzt. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass in Industriestaaten unter den Bedingungen der Globalisierung tatsächlich ein vergrößerter Dienstleistungssektor entsteht, allerdings sind die hieraus generierten Einkommen ungleich verteilt.[33] Nur eine Minderheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann hohe Verdienste im Dienstleistungssektor erzielen, die Mehrheit fällt auf ein niedrigeres Lohnniveau zurück und der mittlere Einkommenssektor schrumpft entsprechend.[34] Auch gilt heute als gesichert, dass die De-Industrialisierung tendenziell zu einer strukturellen Arbeitslosigkeit beiträgt, da nicht alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in andere Sektoren vermittelbar sind.[35] Zudem wird darauf verwiesen, dass Staaten, die wichtige exportorientierte Industriezweige beibehalten konnten, angesichts globaler Finanz-und Konjunkturkrisen weniger Anpassungsprobleme haben als solche, bei denen es zu einer nachhaltigen De-Industrialisierung gekommen ist.[36] Diese Entwicklungen haben auch zur Folge, dass auf Beiträge oder steuerähnliche Abgaben aufbauende Sozialstaatssysteme angesichts steigender Ansprüche und relativ gesehen sinkender Einnahmen Defizite anhäufen. Je größer diese werden, desto geringer fallen die politischen Spielräume für Reformen des Sozialstaates aus.[37] Für den erfolgreichen Umgang mit der Globalisierung gibt es offenbar unterschiedliche Strategien.[38] Dort, wo Defizite bestehen, können diese ihren Niederschlag in mehr oder weniger starker innenpolitischer Fragmentierung finden. Menschen, die dauerhaft im Niedriglohnsektor arbeiten oder die sich einer realen sozialen Abstiegsgefahr ausgesetzt sehen, bilden dabei den Nährboden für Rechts- oder Linkspopulismus. Wie stark der Populismus in einem Land ist und in welcher spezifischen Erscheinungsform er aufritt, ist abhängig von der jeweiligen politischen Lage, manchmal auch von singulären Ereignissen oder dem Auftreten charismatischer Personen. Populismus kann aber nicht alleine sozio-ökonomisch erklärt werden, andere Variablen sind ebenso einzubeziehen.[39] So weisen Ergebnisse empirischer Untersuchungen darauf hin, dass der heutige Rechtspopulismus nicht zuletzt als Reaktion auf einen als hegemonial und intolerant empfundenen linksliberalen, post-materialistischen mainstream in Medien, Politik und Bildungseinrichtungen verstanden werden muss.[40] Auch die durch verstärkte Migration bewirkten Identitätsprobleme in Teilen der Gesellschaft bilden den Hintergrund für den Erfolg von Populisten.

  2. Unter diesen Bedingungen werden Strukturprobleme westlicher Regierungssysteme virulent, die dazu führen, dass notwendige strategische Führung immer seltener gelingt. Der Erfolg westlicher Regierungssysteme basierte in der Vergangenheit darauf, dass sie die relevanten gesellschaftlichen Konfliktlagen (cleavages) widerspiegelten und Institutionen und Verfahren entwickelten, um diese zu kanalisieren und Formen des Ausgleichs zu finden.[41] Besonders Volksparteien und deren Verbindung zu gesellschaftlichen Großorganisationen spielten dabei eine wichtige Rolle. Die traditionellen gesellschaftlichen Konfliktlagen (zum Beispiel zwischen Kapital und organisierter Arbeiterschaft, zwischen religiös eingestellten und säkularen Menschen, zwischen Stadt und Land) sind heute immer weniger auszumachen. In allen repräsentativen Demokratien wird es schwieriger, die etablierten Mechanismen und Institutionen der Politikformierung auf die neuen cleavages einzustellen, die sich oft entlang des Materialismus/Postmaterialismus-Spektrums oder entlang unterschiedlicher Betroffenheit bezüglich der Folgen der Globalisierung bewegen.[42] Deutliches Indiz dieses Zerfalls sind in parlamentarischen Demokratien die Zersplitterung der Parteienlandschaft und die zunehmende Bedeutung populistischer Parteien, die wesentliche Elemente parlamentarischen Regierens (offene Debatte, Respekt für andere Meinungen und für Mehrheitsentscheidungen) infrage stellen und zu einer Polarisierung beitragen.[43]

  3. Die Liberalisierung des internationalen Handels mit Gütern und Dienstleistungen sowie das quantitative und qualitative Wachstum der internationalen Finanzmärkte haben vor allem in den vergangenen 30 Jahren Schwellen- und Entwicklungsländern bis dato unvorstellbare Möglichkeiten der nachholenden Industrialisierung und des Wachstums geboten.[44] Viele von ihnen haben die Möglichkeiten genutzt. Eine 2008 von der Weltbank eingesetzte hochrangige Expertenkommission kam seinerzeit zu dem Ergebnis, dass die Aussichten für eine globale Transformation gut seien. Die Zahl der Menschen, die in Volkswirtschaften lebten, die hohe Wachstumsraten aufwiesen oder die ein Pro-Kopf-Einkommen auf OECD-Niveau hätten, habe sich in den vergangenen 30 Jahren von einer Milliarde auf vier Milliarden erhöht.[45] In einer zur gleichen Zeit publizierten Vorausschau des National Intelligence Council der US-Regierung wurde ein ähnliches Bild entworfen und vor allem darauf hingewiesen, dass in vielen Ländern eine Mittelklasse entstehe.[46] Viele dieser optimistischen Annahmen mussten in der Zeit nach der internationalen Finanzkrise von 2007/2008 zwar korrigiert werden, im Großen und Ganzen sind diese Trends aber nicht abgebrochen. Allerdings sind sehr unterschiedliche Reaktionen und Entwicklungen zu beobachten gewesen. Die „Tigerstaaten“ Asiens und insbesondere die VR China haben ihre Möglichkeiten zur nachholenden Entwicklung so stark genutzt, dass einige von ihnen heute zu den weltweit führenden Industrieländern gehören und viele internationale Sektorenmärkte dominieren. China ist dabei, die größte Industrienation der Welt zu werden und verfügt heute bereits über die zweitgrößte Volkswirtschaft. Andere Staaten sind weniger offen für die wirtschaftliche Liberalisierung. Vor allem gering entwickelte Länder, aber auch ehemals sozialistische Staaten tun sich schwer, die Möglichkeiten des internationalen Freihandels beziehungsweise der Globalisierung zu nutzen. Diejenigen Staaten, die hohe Wachstumsraten erzielen können und die auch einen technologischen Aufschwung schaffen, erwerben dadurch erhebliche Potenziale an wirtschaftlicher und militärischer Macht. Bei größeren Schwellenstaaten wie Indien und China kann dies dazu führen, dass sich regionale Machtverhältnisse gravierend ändern und diese Staaten auch zu weltpolitisch wichtigen Akteuren werden. Sonderfälle stellen energie- oder rohstoffexportierende Staaten dar, die unter den Bedingungen eines durch freien Handel und internationale Arbeitsteilung beförderten Wachstums enorme Reichtümer ansammeln (Rentierstaaten). In der Regel nutzen diese Staaten ihren Reichtum nicht oder nur unzureichend zum stabilen ökonomischen Aufbau und tendieren dazu, mit repressiven Maßnahmen die politische Herrschaft einer Elite zu perpetuieren, die die Kontrolle über die Exporterlöse ausübt.[47]

  4. Angesichts der gewachsenen Rolle vieler Schwellenländer in der globalisierten Wirtschaft sind in den vergangenen Jahrzehnten bestehende Defizite in den Regierungssystemen dieser Staaten zum Ausgangspunkt schwerwiegender strategischer Probleme geworden. Die größten Defizite in Schwellen- und Entwicklungsländern sowie ehemals kommunistischen Staaten resultieren aus der Tatsache, dass die meisten von ihnen sogenannte predatory states sind, also Staaten, deren Hauptzweck es ist, das politische Führungspersonal und die dahinter stehenden sozialen Gruppen auf Kosten der Allgemeinheit wohlhabender werden zu lassen.[48] Auch hier sind in erster Linie Rentierstaaten zu nennen. Die strategische Virulenz derartiger Defizite lässt sich an einigen Beispielen illustrieren. Saudi-Arabien wäre ohne seine massiven Ölexporte ein armes Königreich. Seine rückständige fundamentalistische Staatsreligion – die das Herrschaftssystem der Familie Saud stabilisiert – hätte keine Ausstrahlung. Mithilfe seiner Erdöleinnahmen hat Saudi-Arabien aber über Jahrzehnte die salafistische Religionsinterpretation (in Form der wahhabitischen Lehre) durch den Bau von Moscheen, die Ausbildung entsprechender Imame und die Gründung von Madrassen in die gesamte muslimische Welt exportiert und ist heute wesentlich dafür verantwortlich, dass ultrakonservatives salafistisches Gedankengut eine strategische Herausforderung unserer Sicherheit darstellt. Ein anderes Beispiel ist das heutige Russland: Ohne die enormen Einnahmen aus dem Erdöl- und Erdgasgeschäft wäre die dortige Machtelite nicht so kriminalisiert und hätte auch weniger Ressourcen, um sich als strategischer Gegner des Westens zu positionieren.[49] In Syrien gäbe es keinen Bürgerkrieg, wenn das Land nicht zum predatory state des Assad-Clans und anderer einflussreicher Familien geworden wäre und wenn nicht infolge der Globalisierung eine, wenn auch überschaubare, Mittelschicht entstanden wäre, die 2011 lautstark politische Mitsprache beansprucht hat. Aber auch in demokratisch regierten Schwellenländern mit hohen Wachstumsraten ist die Versuchung der Korruption groß (wie in Brasilien) oder es besteht die Gefahr, dass ambitionierte Politiker die gewachsenen Ressourcen des Landes für ihre politischen und persönlichen Ziele nutzen wollen (wie heute in der Türkei). Einen Sonderfall stellt die VR China dar, in der immer noch die Kommunistische Partei das Machtmonopol rigide verteidigt. Dieses Regierungsmodell hat erhebliche Schwächen und Defizite (vor allem die Korruption) und dürfte zu einer echten Belastung werden angesichts der gewaltigen Herausforderungen, vor denen China innenpolitisch steht. Auch hier werden äußere Feindschaften instrumentalisiert, um die Herrschaft der KPCh zu sichern.

  5. Eine weitere Ursache für die oben aufgezeigten Probleme ist darin zu finden, dass in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern traditionelle, meist in religiösen Normen verankerte Gesellschaftssysteme existieren, die sich extrem schwertun mit der kapitalistischen Logik, der Betonung der individuellen Freiheit und dem Rationalismus der Moderne, die durch die Globalisierung in sie hineingetragen werden. Unter Bedingungen fortbestehender sozialer Ungleichheit und korrupter sowie beuteorientierter Staatlichkeit (predatory state) kann das zu gefährlichen Krisen bestehender sozialer Regelungssysteme und zur Auflösung gesellschaftlicher Zusammenhänge führen. Die heutige Attraktivität eines politisch verstandenen, anti-westlich orientierten Islams resultiert aus den tiefen Verwerfungen, die sich vor allem in den arabischen Staaten sowie in den muslimischen Gesellschaften Asiens beobachten lassen. Sein Auftreten ist die Folge von Anomien, die heute vor allem in der muslimischen Welt zu beobachten sind.

  6. Die hier geschilderten Ursachen erfahren eine weitere Verschärfung durch die asymmetrische Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerung Afrikas, der arabischen Welt, Süd- und Ostasiens sowie Lateinamerikas wächst, während die der etablierten Industriestaaten stagniert oder schrumpft. Vor 100 Jahren gab es 1,5 Milliarden Menschen, vor 50 Jahren 3 Milliarden und heute schon 7,5 Milliarden. Vor 60 Jahren entfielen über 30 Prozent der Weltbevölkerung auf die entwickelten Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Australiens – heute sind es nur noch 15 Prozent und in 20 Jahren werden es gerade 12 Prozent sein. Die Menschen Europas, Nordamerikas, Japans und Australiens werden älter und weniger und die des globalen Südens werden mehr und sind recht jung. Zum Problem werden diese demografischen Entwicklungen, wenn sie dazu beitragen, dass in Schwellen- oder Entwicklungsländern trotz Wirtschaftswachstum die Integration der nachwachsenden Jahrgänge nicht gelingt. In Ländern, die trotz großen Geburtenzuwachses entweder kein wirtschaftliches Wachstum zu verzeichnen haben oder bei denen die Vorzüge der Teilhabe am Welthandel ungleich verteilt sind, können revolutionäre Kräfte erstarken oder staatliche Repressionen zunehmen. Die Folgen sind dann oft: Bürgerkrieg, Anarchie, Gewaltherrschaft, Kriminalisierung von Gesellschaft und Politik, Hunger, Verarmung, Umweltzerstörung und Migration.

4 Folgen des Strukturwandels

Die derzeit erkennbaren Folgen des Strukturwandels sind eingangs beschrieben worden. Die entscheidende Frage lautet: Was wird noch kommen? Ihre Beantwortung wirft erhebliche methodische Probleme auf, weil die Analyse der Zukunft per definitionem schwer ist.[50] Oft geht es bei Prognosen darum, das vermehrte Auftreten von ernsthaften und verhängnisvollen Krisen zu thematisieren, die nicht vorhersehbar sind (black swans).[51] Bei unvorhersehbaren Krisen kann man nur versuchen, genügend Resilienz gegenüber ihren Folgen herzustellen. Viele angeblich unvorhergesehene Ereignisse waren allerdings vorhersehbar, wurden aber aufgrund ideologischer Dispositionen in der Politik nicht oder nicht richtig rezipiert. In der Politik werden Ereignisse oft nicht oder nur zu spät wahrgenommen, weil sie nicht in den Erwartungshorizont politischer Entscheidungsträger passen. Bekannteste Beispiele sind die anfängliche Leugnung des bewaffneten Widerstands im Irak durch die Bush-Administration im Frühjahr 2003, da dieser nicht in das Bild einer Nation passte, die ihren Befreiern dankbar sein musste. Auch die erkennbaren Vorboten der Finanzkrise von 2007/2008 wurden in den USA wegen der extrem marktliberalen Ideologie der Regierung nicht ernst genommen. Ebenso weist die deutsche Politik derartige Fehlperzeptionen auf. Offenkundig hielt es die Bundesregierung bis zum Februar 2014 für ausgeschlossen, dass der russische Präsident Wladimir Putin Waffengewalt gegen die Ukraine einsetzen würde, obwohl dies angesichts der Erfahrungen mit Georgien und vor dem Hintergrund der Modernisierung der russischen Streitkräfte schlüssig war. Das Gleiche gilt für die Radikalisierung des bewaffneten Widerstandes in Syrien (einschließlich des Vormarsches des Islamischen Staates Anfang 2014), nachdem dort alle Hoffnungen auf westliches Eingreifen begraben worden waren. Auch die sogenannte Flüchtlingskrise des Herbstes von 2015 gehört hierzu. Für die Bundesregierung kam es offenbar völlig überraschend, dass nach einer zweifelsohne richtigen humanitären Geste der Bundeskanzlerin bezüglich der in Ungarn festsitzenden syrischen Flüchtlinge sich mehr als eine Million Menschen unkontrolliert in Richtung Mitteleuropa in Bewegung setzten, was bei den Landtagswahlen 2016 direkt zum Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) zur drittstärksten politischen Kraft führte.

Im Folgenden geht es daher nur darum, Gefährdungsmomente abzuschätzen, die sich abzeichnen. Dabei ist es sinnvoll, zwischen solchen Entwicklungen und Ereignissen zu unterscheiden, die existenzgefährdend sind, und solchen, die zwar als ernsthaft, aber nicht gleich als existenzbedrohend eingeschätzt werden müssen.

Ein hervorstechendes Merkmal der heutigen tiefgreifenden Veränderungen in der Weltpolitik ist, dass existenzgefährdende Ereignisse und Entwicklungen wieder in den Horizont des Möglichen gerückt sind. Das bedeutet nicht, dass man Aussagen über die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens treffen kann, aber die Gewissheit, mit der man sie bislang ausschließen konnte, ist heute nicht mehr gegeben. Zu diesen existenzgefährdenden Verläufen gehört Folgendes:

  1. Der Zerfall der Europäischen Union und der Rückfall Europas in Nationalismus, Revisionismus und Anarchie unter den Bedingungen einer russischen Militärvormacht. Dies klingt heute wie schlechte Politfiktion, aber seit dem Brexit-Votum ist dieses Szenario nicht mehr ausgeschlossen. Sollten weitere europäische Regierungen den Fehler begehen, ihre Politik gegenüber Europa mit einem Referendum zu versehen, und sollte in Frankreich im Mai 2017 der Front National zur stärksten politischen Kraft werden und dessen Vorsitzende Marine Le Pen das Präsidentenamt übernehmen, wäre die Europäische Union am Ende. Es bliebe dann noch eine Zone von Staaten, die sich wirtschaftlich an Deutschland und sicherheitspolitisch an den USA, an Frankreich oder eher an Russland orientieren würde. Die EU würde nicht viel mehr sein als eine moderne Version des Heiligen Römischen Reiches, Frankreich und Großbritannien würden eigene Wege gehen. Nationalismus und Revisionismus würden wieder Einstand feiern und das traditionelle Dilemma der geopolitischen Mittellage Deutschlands akzentuieren. Diese Entwicklung würde Deutschland vor eine Situation stellen, bei der es keine guten Optionen mehr gibt, sondern nur noch mehr oder weniger schlechte. Dieses Szenario kann durchaus eintreten, aber es lässt sich auch verhindern.

  2. Ein Krieg mit Russland um das Baltikum oder die Ukraine. Auch dieses Szenario klingt erst einmal unwahrscheinlich und es zu diskutieren wird in der deutschen politischen Debatte möglichst vermieden. Derzeit stellt Russland nur eine begrenzte militärische Bedrohung dar, aber sie existiert für die baltischen Staaten sowie die Ukraine. Hier ist der Ausbruch von begrenzten Kriegen eine reale Möglichkeit. Was die Ukraine betrifft, standen russische Truppen im Sommer 2016 kurz davor, eine größere Angriffsoperation in der Ost-Ukraine vorzunehmen.[52] Ein von Russland vom Zaun gebrochener Krieg zur Eroberung der baltischen Staaten dürfte unvermeidlich eine nukleare Dimension bekommen.[53] Die offenbar im Aufbau befindliche Stationierung von Kernwaffen in der Exklave Kaliningrad, die direkt die deutsche Hauptstadt bedrohen können, muss in diesem Rahmen gesehen werden. Sie zeigt, dass die militärische Bedrohung durch Russland real ist und genau dort ansetzt, wo die NATO praktisch nichts mehr entgegenzusetzen hat – bei nicht-strategischen Kernwaffen.

  3. Der Ausfall der USA als internationale Ordnungsmacht. Die Umstände und vor allem der Ausgang der Präsidentschaftswahl von 2016 haben erkennen lassen, dass die Gesellschaft des Landes immer weniger bereit ist, weiterhin die Rolle des Garanten einer liberalen internationalen Handels- und Sicherheitsordnung einzunehmen. Die innere Spaltung der US-amerikanischen Demokratie hat sogar das Potenzial, in bürgerkriegsähnliche Gewalt auszuarten. Was immer passieren wird, die Politik der USA wird in den kommenden Jahren weitgehend auf die Lösung der inneren Probleme konzentriert sein und internationale Führungsaufgaben vernachlässigen. Für Deutschland wie für Europa (und für alle Länder der Welt) stellt das eine existenzielle Herausforderung dar, denn ohne die sicherheitspolitische sowie wirtschafts- und finanzpolitische Führung und Hegemonie der USA dürfte die Erosion der internationalen Wirtschaftsordnung und der Sicherheitsstrukturen dramatische Formen annehmen.

Daneben sind größere Problemlagen und Dilemmata absehbar, die nicht direkt existenzgefährdend sind, aber die deutsche und europäische Außenpolitik vor erhebliche Probleme stellen. Dazu gehört neben der Euro-Krise und den Problemen der südeuropäischen Staaten vor allem die Türkei, die sich unter Recep Tayyip Erdogan und der AKP zu einer national-islamistischen Präsidialdiktatur entwickelt. Deren außenpolitischer Kurs wird absehbar erratisch sein – mit negativen Folgen für die deutsche Innenpolitik und die hiesige innere Sicherheit. Auch die Lage im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika, die Auseinandersetzung mit Konflikten und Gesellschaftszerfall in dieser Region sowie die indirekten Konsequenzen der strategischen Entwicklungen im pazifischen Raum werden die deutsche Außenpolitik herausfordern. Diese Problemlagen einigermaßen differenziert darzustellen, würde den Umfang dieses Aufsatzes übersteigen.

Daher sind Analysen des Strukturwandels und seiner wahrscheinlichen Folgen überfällig. Sie sind umso notwendiger, als die Bundesregierung erkennen lässt, dass sie die Tragweite der heutigen Entwicklung bestenfalls nur ansatzweise reflektiert hat. Der Global Review 2014 des Auswärtigen Amtes brachte als Ergebnis lediglich einen Bericht hervor, der über die vielfältigen Diskussionen berichtete, in denen deutsche Außenpolitik besprochen wurde, einschließlich einer Liste der daran beteiligten Experten, Institutionen und Prominenten.[54] Eine Analyse der internationalen Lage findet sich in dem Papier nicht, dafür aber ein operatives Ergebnis, welches zumindest Rückschlüsse darauf erlaubt, was dem Auswärtigen Amt wichtig erscheint und wo es Verbesserungsbedarf sieht: (1) Der Umgang mit Krisen soll verbessert werden, indem eine Abteilung für Krisenprävention und Krisennachsorge gebildet wird; (2) die internationale Ordnung gilt es zu stützen, zu diesem Zweck wird eine entsprechende Abteilung gebildet, die die Aktivitäten Deutschlands in multilateralen Gremien verstärken soll; (3) Europa soll handlungsfähiger gemacht werden.

Das 2016 erschienene Weißbuch der Bundesregierung geht sehr viel detaillierter auf die Herausforderungen ein, denen sich deutsche Außen- und Sicherheitspolitik gegenübersieht. Die entsprechende Lageanalyse lässt aber erhebliche Defizite erkennen, von denen einige im Folgenden aufgeführt werden:

  1. Russland wird an keiner Stelle als strategischer Gegner oder Konkurrent bezeichnet. Einmal wird lediglich erwähnt, dass Russland sich von der Partnerschaft mit dem Westen „abwende“, und die strategische Rivalität „betont“.[55] Daraus werden aber keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen. Russland hat sich als strategischer Gegner des Westens geoutet und verfolgt primär eine militärisch unterstützte Politik der Gegnerschaft, der der Westen derzeit mehr oder weniger ratlos gegenübersteht. Stattdessen wird im Weißbuch betont, dass Europa mit Russland ein „breites Spektrum gemeinsamer Interessen und Beziehungen“ verbinde und Russland als Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat eine „besondere Verantwortung bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen und internationaler Krisen“ zukomme. Es ist richtig, dass Russland im Prinzip eine besondere Verantwortung zukommt, faktisch aber ist die Bereitschaft, für kollektive Güter wie Frieden oder wirtschaftliche Prosperität Verantwortung zu übernehmen, nicht gegeben. Vielmehr war und ist es russische Politik, in der internationalen Diplomatie ausschließlich die eigenen, durchweg revisionistischen Interessen zu verfolgen oder diejenigen seiner Verbündeten. Solange Russland schwach war (wie in den 1990er-Jahren), ließ sich das übersehen und es wurde möglich, dass westliche Politik einige Konflikte trotz russischen Widerstands löste (Kuwait-Invasion, Kriege in Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Kosovo, Kriegsgefahr in Mazedonien). Heute ist die Lage anders, das Ergebnis sehen wir in der Ukraine und vor allem in Syrien, wo der Konflikt durch die gewaltsame Parteinahme Moskaus für das Assad-Regime zu einem der blutigsten und vor allem unlösbarsten Konflikte der Gegenwart geworden ist.

  2. Schon im Global Review des Auswärtigen Amtes war erkennbar geworden, dass die internationale Ordnung gefährdet ist und dass deutsche und europäische Politik die Aufgabe hat, diese zu schützen. Im Weißbuch liest man dazu: „Die internationale Ordnung, wie sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschaffen wurde und noch heute mit ihren Organisationen und Institutionen den Rahmen der internationalen Politik setzt, ist im Umbruch“.[56] Dieser Satz ist unzutreffend, weil nicht die Ordnung „im Umbruch“ ist, sondern dezidiert infrage gestellt wird (vor allem, aber nicht ausschließlich von Russland) und die Gefahr weitreichender internationaler Anarchie besteht. Auch weitere Ausführungen des Weißbuches zur internationalen Ordnung lassen erkennen, dass der notwendige sense of drama fehlt. So erwähnt das Weißbuch „Multipolarität“ und „Machtdiffusion“ als wesentliche Faktoren, die zum ordnungspolitischen „Umbruch“ beitragen.[57] Das ist im Prinzip nicht falsch, die Ableitungen, die daraus gezogen werden, sind jedoch weitgehend unzutreffend. Laut dem Weißbuch gibt es Machtverschiebungen aufgrund des gewachsenen Einflusses von Schwellenstaaten. Diese wollten mehr Mitsprache bei der Gestaltung der internationalen Ordnung und würden dafür neue Gremien wie BRICS nutzen. Als Folge der Machtverschiebungen, so heißt es weiter, würden sich möglicherweise regional unterschiedliche Ordnungssysteme entwickeln, die insgesamt zu einer „Fragmentierung konkurrierender Ordnungssysteme“ führen würden. Dieser Fragmentierung könne nur entgegengewirkt werden, wenn sich die Multipolarität angemessen in den Vereinten Nationen widerspiegele.[58] Analytisch gesehen ist diese Aussage angreifbar. Das Problem ist ganz anderer Art: Sowohl Russland als auch die stärkste neue Regionalmacht China und die alte Regionalmacht Iran haben völlig andere Vorstellungen von internationaler Ordnung als die westlichen Staaten. Für sie besteht internationale Ordnung darin, dass sie für sich regionale Vormachtansprüche sichern können und dass die universalistische internationale Ordnung in ihrem Einflussbereich nicht zählt. Das gilt vor allem für das Gewaltverbot, die Achtung der Souveränität kleinerer Länder und die territoriale Unverletzbarkeit von Grenzen. Die Hoffnung, die Vereinten Nationen oder die G20 für einen Konsens über internationale Ordnung nutzen zu wollen, ist somit weitgehend aussichtslos.

  3. Der Kollaps der europäischen Ordnung wird in einer Weise beschrieben, die verwundert. „Diese Ordnung“, so heißt es in dem Weißbuch, „beruht auf einer Vision einer unteilbaren Sicherheit für Europa.“[59] Diese Feststellung ist nachweisbar falsch. Die entsprechenden Visionen sind in der Charta von Paris von 1990 beschrieben und dort ist primär die Rede von (a) dem Gewaltverbot und der Wahrung der territorialen Unversehrtheit aller Länder; (b) deren Abstützung durch das System der konventionellen Abrüstung (KSE: d. h. keine Invasionsfähigkeiten, VSBM: d. h. keine bedrohlichen Manöver); und (c) der Vision eines demokratischen Europas, in dem die Menschenrechte überall gewahrt sind. Der Begriff der „unteilbaren Sicherheit“ kommt in dem Dokument einmal an wenig prominenter Stelle vor und war seinerzeit nicht relevant. Seit einigen Jahren wird der Begriff von der russischen Politik als Vorwand genutzt, um für sich ein Veto-Recht über alle sicherheitspolitischen Entwicklungen in Europa zu rechtfertigen. Dass im Weißbuch der Bundesregierung der Begriff der „unteilbaren Sicherheit“ derart in den Vordergrund gestellt wird, kann nur mit Befremden registriert werden.

Zutreffender sind die Aussagen des Weißbuchs zur hybriden Kriegführung, zum Terrorismus und zu anderen Sicherheitsgefahren. Auffallend ist, dass Sicherheitsgefährdungen als generische Probleme genannt werden, aber selten ein Hinweis darauf zu finden ist, wer derartige Probleme verursacht. Offensichtlich fällt es der Bundesregierung schwer zu akzeptieren, dass wir uns in einer Periode befinden, in der sich strategische Konfliktlinien wieder auftun und in der sich das Koordinatensystem deutscher Außen- und Sicherheitspolitik grundlegend verändert. Diese war in den vergangenen 25 Jahren darauf ausgerichtet, im Rahmen multilateraler Institutionen konstruktiv mitzuwirken und vor allem kooperative und zivile Möglichkeiten der Problembehandlung in den Vordergrund zu stellen. Diese Politik – so sympathisch und zukunftsorientiert sie auch ist – kann unter den Bedingungen der weltpolitischen Veränderungen nicht mehr im gleichen Maße fortgesetzt werden. Die Zeit einer vornehmlich durch westliche Staaten gestalteten kooperativen und multilateralen internationalen Ordnung ist vorbei. Wie muss man sich auf die kommende Zeit einstellen? Wie muss der strategische Rahmen der europäischen und der deutschen Politik in der EU angepasst werden, wenn das Ziel einer kooperativen und prinzipienorientierten Politik im Grundsatz weiter verfolgt werden soll?

5 Elemente eines neuen strategischen Frameworks

Sowohl die deutsche als auch die europäische Politik benötigt einen grundsätzlichen Wandel, der nicht nur rhetorisch die Wandlungen der internationalen Beziehungen reflektiert, sondern diese auch analytisch sauber aufbereitet und in Politikwandel umsetzt. Dabei bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit politischen Konzepten, die früher richtig waren, die aber heute ihre Bedeutung verloren haben. Es sollte vor allem einen neuen strategischen Rahmen geben (strategic framework), innerhalb dessen sich deutsche wie europäische Politik bewegt. Für Demokratien, insbesondere für solche, die sich im Rahmen der EU und der NATO zusammengeschlossen haben und die international handlungsfähig bleiben wollen, ist es unerlässlich, gemeinsame Vorstellungen darüber zu haben, in welcher historisch gewachsenen Lage man sich befindet, welche ökonomischen, politischen, demografischen, technologischen und ökologischen Faktoren international bestimmend sind sowie darüber, wo die großen Herausforderungen und Chancen einer gestaltenden Politik liegen. In den vergangenen 25 Jahren ist es sowohl in Deutschland wie in der EU und in der weiteren westlichen Welt gelungen, wesentliche Züge eines strategischen Rahmens zu entwickeln, innerhalb dessen nationale, europäische wie westliche Politik handlungsfähig werden konnte. Dieser Handlungsrahmen zerfällt derzeit angesichts der dramatischen internationalen und auch innenpolitischen Veränderungen. Ohne einen neuen strategischen Handlungsrahmen wird Politik in Demokratien und unter Demokratien handlungsunfähig.

Es wäre verfrüht und im Rahmen eines Aufsatzes zu ambitioniert, einen derartigen Rahmen vorlegen zu wollen. An dieser Stelle sollen lediglich einige Fragen aufgeworfen werden, bei deren Beantwortung zentrale Elemente eines solchen frameworks im Mittelpunkt stehen müssten. Im Wesentlichen muss es darum gehen, die notwendigen Konsequenzen aus dem Strukturwandel der internationalen Beziehungen zu ziehen. Dabei geht es darum, das Eintreten von existenzgefährdenden Entwicklungen zu verhindern, realistische strategische Ziele bei der Auseinandersetzung mit Herausforderungen zu benennen und strategische Handlungsfähigkeit (wieder)herzustellen. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Fragen lassen sich in unterschiedliche Bereiche gliedern:

  1. Fragen, die die Europapolitik betreffen: Den weiteren Verfall der Union zu verhindern, ist nicht alleine eine Frage der Wiederbelebung europäischer Entschlossenheit, sondern bedarf in erster Linie einer kritischen Würdigung vergangener Weichenstellungen (Was ist bei der Euro-Einführung falsch gemacht worden? Wie kann man was reparieren?) und der kritischen Auseinandersetzung mit traditionellen politikleitenden Vorstellungen zur europäischen Integration. Insbesondere ist zu fragen, wie angesichts der teilweise großen Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa beziehungsweise Ost- und Westeuropa der gemeinsame politische Aquis der EU neu bestimmt werden kann. Es geht darum, Konsensbereiche zu definieren, auf deren Basis eine solide Kooperation (wieder)hergestellt werden kann. In erste Linie wird man hier auf den Bereich der Sicherheit blicken müssen. Diese betrifft sowohl die Abschreckung von und Verteidigung gegenüber Russland als auch die Sicherheit der Außengrenzen gegen unkontrollierte Migration, Terroristen und organisierte Kriminalität. Europa muss sich sicherheits- und verteidigungspolitisch neu aufstellen, da die Garantenrolle der USA immer weniger als gegeben angesehen werden kann und weil die bisherigen Konzepte zur Kontrolle der Außengrenzen sich nicht als praktikabel erwiesen haben. Die Frage ist: Wie kann die EU zu einem strategisch relevanten Akteur werden, der auch in der Sicherheitspolitik ernst zu nehmen ist? Zudem ist zu fragen, wie man ein strategisch-politisches Zentrum der EU schafft, eine Einrichtung oder einen Mechanismus, der gemeinsames strategisches Handeln in relevanten internationalen Fragen ermöglicht?

  2. Das Verhältnis zu den USA und die Rolle der NATO: Die USA sind als Sicherheitsgarant für die europäische Sicherheit für absehbare Zeit nicht oder nur unter Aufbringung von materiellen Ressourcen und politischer Entschlossenheit ersetzbar, die derzeit nicht abzusehen sind. Das betrifft nicht nur die Verteidigung, sondern auch die wirtschaftlichen Beziehungen sowie die Zusammenarbeit in multilateralen Gremien. Es muss in den kommenden Jahren darum gehen, die Möglichkeiten der Kooperation in realistischer Weise auszuloten und gemeinsame Konzepte zu entwickeln. Die NATO bleibt dabei der institutionelle Rahmen, innerhalb dessen die sicherheitspolitischen Beziehungen neu strukturiert werden. Nach dem vermutlichen Scheitern von TTIP ist ein vergleichbarer Rahmen für wirtschafts-, währungs- und handelspolitische Verhandlungen noch zu etablieren.

  3. Das Verhältnis zu Russland. Dieses ist besonders kompliziert, weil im Falle Russlands drei allgemeine Problemkomplexe zusammenfallen, die jeder für sich regelbedürftig sind: Erstens muss geklärt werden, wie man mit einem Land umgeht, das sich als strategischer Gegner outet und bewusst eine gemeinsame internationale Ordnung zerstört, die auf Gewaltverbot, der territorialen Integrität von Staaten und dem Völkerrecht basiert. Bislang hat die EU auf die russische Politik des Revisionismus (und Revanchismus) nicht angemessen reagiert, vornehmlich, weil es Regierungen gibt, die davon ausgehen, dass Russland über kurz oder lang die Vorteile der Kooperation mit dem Westen verstehen wird. Was tut man aber, wenn Russland die Hand der Partnerschaft nicht ergreift? Gerade für die deutsche Politik stellt sich hier eine grundlegende Herausforderung. Wenn man, wie die Bundesregierung immer wieder betont, die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung in den Vordergrund der Außenpolitik stellt, kann man bei einem einseitigen und offenkundigen Bruch des Gewaltverbots (wie im Falle Russlands gegenüber der Ukraine) nicht bloß in der Weise reagieren, dass man zwischen dem Aggressor und dem Angriffsopfer „vermittelt“. Viel entscheidender ist es, wie man den Angreifer für den Bruch der internationalen Norm bestraft und mit welchen Mitteln man ihn dazu bringt, den Normbruch wieder rückgängig zu machen. Das geht nur, wenn man bereit ist, ein breites Spektrum an wirtschaftlichen und politischen Sanktionen über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Wird es versäumt, gegen den Bruch der zentralen Norm des zwischenstaatlichen Gewaltverbots wirksam einzuschreiten, dann ist diese nach kurzer Zeit nichts mehr wert, weil sich andere Staaten daran ein Beispiel nehmen und sie ihrerseits brechen. Zweitens geht es darum, wie Europa und die NATO mit der militärischen Bedrohung durch Russland umgehen. Die Politik der Rückversicherung der baltischen Staaten und Polens kann keine dauerhafte Option sein. Entweder baut die NATO eine den realen Herausforderungen entsprechende Verteidigungs- und Abschreckungsstruktur gegenüber Russland auf (unter Einbeziehung hybrider Elemente) oder sie riskiert, dass Russland die Zurückhaltung des Westens als Beschwichtigungspolitik begreift und erhöhte militärische Risikobereitschaft erkennen lässt. Der Einwand, dass eine Abschreckungsstrategie der NATO zu einem Rüstungswettlauf führen könnte, mag nicht ganz von der Hand zu weisen sein. Aber angesichts des derzeitigen Niveaus der Rüstungskonkurrenz in Europa sind die sicherheitspolitischen Risiken eines Rüstungswettlaufs unendlich kleiner als die Risiken einer zunehmenden militärischen Risikobereitschaft Russlands. Wenn auf der anderen Seite die Absicht besteht, auf die militärische Herausforderung durch Russland primär mit nicht-militärischen Maßnahmen zu antworten, muss ein viel stärkeres Gewicht auf effektive Wirtschaftssanktionen gelegt werden. Deren Ziel sollte es sein, den strategischen Gegner dazu zu zwingen, seine feindselige Haltung aufzugeben, oder ihn so lange zu schwächen, wie er an der Gegnerschaft festhält.[60] Dazu bedarf es eines langen Atems und eines hohen Maßes an Selbstdisziplin. Wichtig ist auch die nukleare Komponente. Russland ist in vielen strategischen Kategorien dem Westen unterlegen, nur nicht im Bereich von Kernwaffen. Drittens geht es darum festzulegen, wie man mit Staaten umgeht, deren Führung Teil einer kleptokratischen und partiell kriminellen Machtvertikale ist. Russland ist nicht der einzige Fall dieser Art.[61] In der Regel legen derartige Regierungen sehr viel Gewicht auf die Sicherung ihrer Herrschaft – die einen, indem sie die Feindschaft zum Westen herausstellen, die anderen, indem sie die Nähe zum Westen suchen oder sich einfach unauffällig verhalten. Sie stellen in vielerlei Hinsicht Risiken dar. Sie können (wie Russland) zu einer militärischen Bedrohung werden, sie können (wie das Karzai-Regime in Afghanistan) daran Anteil haben, dass eine internationale Wiederaufbau- und Stabilisierungsoperation misslingt, oder sie können zur politischen Korruption und damit zur Destabilisierung in Deutschland und anderen demokratischen Ländern beitragen.

  4. Das Verhältnis zur Türkei: Die Türkei schlägt unter Präsident Erdogan und der AKP sowohl innen- als auch außenpolitisch einen Sonderweg ein. Die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen werden weitgehend lahmgelegt und die Türkei verfolgt eine Außenpolitik, die auf Distanz zum Westen ausgerichtet ist (wobei die Rhetorik oft anders ist als die reale Politik). Auch hier müssen Deutschland und die EU lernen, mit einem derartigen Akteur umzugehen. Der klassische Rekurs auf die Androhung der Aussetzung der EU-Beitrittsverhandlungen oder auf die Mahnung der Einhaltung von Menschenrechten bewirkt nichts mehr und führt höchstens zu einer Verhärtung der Positionen. Es bedarf einer neuen, realpolitisch nüchternen Einstellung zur Türkei und eines differenzierten, eher subtil wirkenden Instrumentariums, um Schaden zu begrenzen.

  5. Die Notwendigkeit, den Salafismus einzudämmen: Bislang wird das Problem des Salafismus bei uns als Terrorismusproblem definiert und damit zu einem Problem innerer Sicherheit gemacht, bei dem es vornehmlich um Fragen der Effektivität von Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden geht. Tatsächlich sind terroristische Anschläge nur die Spitze eines Eisberges. Der politische Salafismus ist (vor allem in seiner dschihadistischen Variante) eine neue totalitäre Herausforderung, auf die mit einer entsprechend breit aufgestellten Politik geantwortet werden muss, die von der Mitwirkung an militärischen Einsätzen gegen den IS und der Krisennachsorge in Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas bis hin zu Maßnahmen reichen muss, die einen modernen und friedlichen Islam stärken.

  6. Der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sowie anderen sunnitischen Staaten: Dieser Konflikt vereint machtpolitische und sektiererische Elemente und wird voraussichtlich mit noch härterer Gewalt ausgeübt werden als bisher. Er wird die europäische Politik indirekt beeinflussen, erlaubt aber weder die Parteinahme seitens der Europäer noch eine vermittelnde Rolle.

  7. Die Wirtschafts-, Technologie- und Sozialpolitik: Die heutige internationale Schwäche Europas (wie der USA) rührt aus den ungelösten inneren Problemen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik her. Ohne eine Lösung dieser Probleme wird die internationale Handlungsfähigkeit des Westens weiter abnehmen. Europa ist derzeit tief gespalten zwischen Vertretern einer primär angebotsorientierten Wirtschaftspolitik und denjenigen, die eine nachfrageorientierte Politik verfolgen. Innerhalb der Euro-Zone hat das Fortwirken derartiger Unterschiede eine katastrophale Wirkung entfaltet. Zu einem neuen strategischen Rahmen gehört auch die Einigung über eine Richtungsentscheidung oder über einen Modus, wie der Streit beigelegt werden kann. Ganz besonders wichtig ist dabei die Frage, wie man in Europa eine Politik der Re-Industrialisierung betreiben kann, ohne in Protektionismus zu verfallen. Die De-Industrialisierung hat in Europa wie in den USA zu nachhaltigen Störungen des sozialen wie politischen Gleichgewichts geführt. Ohne internationalen Freihandel wird eine Re-Industrialisierung in Europa allerdings nicht möglich werden. Die verschiedenen Protektionismen in Europa (die entweder nationalistisch, sozialpolitisch, ökologisch oder mit dem Argument der demokratischen Souveränität begründet werden) bieten dafür keine Perspektive. Die große Herausforderung europäischer und nationaler Politik liegt darin, unter den Bedingungen der Globalisierung den Sektor der gut bezahlten Dienstleistungsbranchen auszuweiten, die De-Industrialisierung zu stoppen oder gar umzukehren und einen neuen sozialen Ausgleich für diejenigen zu finden, die weder in dem einen noch in dem anderen Sektor einen Platz finden. Lösungen dafür lassen sich nur finden, wenn neue technologische Möglichkeiten ausgeschöpft werden, wenn Bildungspolitik erkennbar das wirtschaftlich nutzbare Potenzial für Innovationen erhöht (und nicht nur viele Hochschulbewerber produziert) und wenn in der Sozialpolitik neue Wege beschritten werden.

  8. Die Frage nach der Rolle von Global Governance und anderen Formen des Multilateralismus: In dieser Frage sollte man Entweder-oder-Antworten vermeiden. Es ist wenig sinnvoll, das Ende von Global Governance zu beschwören oder aber eine Jetzt-erst-recht-Attitüde einzunehmen.[62] Die vielen grenzüberschreitenden und globalen Probleme, die im Rahmen von Global Governance zu lösen sind (darunter auch der Klimawandel), verschwinden nicht, nur weil sich die Welt machtpolitisch anders aufstellt. Andererseits wäre es falsch, die machtpolitischen Realitäten und den tiefen Strukturwandel der internationalen Politik gering zu achten und darauf zu bauen, dass sich unsere machtpolitischen Rivalen über kurz oder lang auf eine gemeinsame Bewältigung der globalen Herausforderungen einlassen. Deutsche und europäische Politik muss Machtpolitik und Global Governance zur gleichen Zeit beherrschen und sich darauf verstehen, beide auch miteinander zu kombinieren beziehungsweise die Schnittstellen nicht aus den Augen zu verlieren. Wichtig ist dabei, dass ein realistisches Verständnis davon existiert, was man erreichen kann und was nicht.[63] Für Deutschland ist dieser Paradigmenwechsel nicht einfach. Die deutsche Außenpolitik hat sich derart fest in der Rolle des Betreibers einer prinzipienorientierten, kooperativen, multilateralen und zivilen Außen- und Sicherheitspolitik eingerichtet, dass es ihren Vordenkern und führenden Vertretern derzeit undenkbar erscheint, auch in Kategorien von Multipolarität, Großmachtrivalität und Geopolitik zu denken. Aber ein Paradigmenwechsel ist mehr als überfällig.

Diese hier nur allgemein angesprochenen Fragen gilt es in den kommenden Jahren anzugehen und auf unterschiedlichen Ebenen zu entsprechenden politischen Entscheidungen zu gelangen. Der Strukturwandel der internationalen Politik ist zu tief und die damit einhergehenden Risiken sind zu groß, als dass deutsche und europäische Politik im Business-as-usual-Modus verbleiben können. Der notwendige sense of drama ist leider in der deutschen Politik noch nicht angekommen. Dieser Aufsatz soll einen Beitrag dazu leisten, die tektonischen Verschiebungen der internationalen Beziehungen bewusst zu machen, damit die gegenwärtige Phase des weltpolitischen Umbruchs nicht in einem politischen Erdbeben endet.

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Online erschienen: 2017-2-21

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 2.12.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2017-0001/html
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