Die liberale Weltordnung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA etabliert und viele Jahrzehnte lang garantiert. Sie stützt sich auf drei Grundpfeiler: eine liberale Wirtschaftsordnung, die allen Beteiligten mehr Wohlstand ermöglicht; eine liberale politische Ordnung, die demokratische Regierungsführung bevorzugt; und eine strategische Ordnung, die Konflikte zwischen Großmächten eindämmt.
In dieser liberalen Weltordnung tun sich deutliche Risse auf. Autoritäre Regime und fundamentalistische Bewegungen gewinnen an Macht. Dies zeigen die zahlreichen Unruhen im Nahen und Mittleren Osten, Russlands gewaltsame Aneignung von ukrainischem Staatsgebiet oder Chinas wachsender Machtanspruch in Asien. Zudem finden Verschiebungen in der Weltwirtschaft statt, wie beispielsweise der Druck auf die liberale Wirtschafsordnung in Europa oder der schwächelnde internationale Konsens über den freien Handel belegen.
Für die Autoren der Studie liegt es im fundamentalen Interesse der Vereinigten Staaten, diese Risse zu kitten. Hierzu brauche es wieder eine stärkere globale Führungsrolle der USA. Um dieses Ziel zu erreichen, schlagen die Autoren zentrale Elemente einer umfassenden Strategie vor. Sie definieren vier Schlüsselbereiche, sog. strategische Körbe („baskets of policies“), denen sich die USA widmen sollen.
Der erste Korb umfasst das Fördern und Anpassen derliberalen Wirtschaftsordnung. Das freie und regelbasierte Handelssystem muss zukunftsfest ausgebaut werden. Zu diesem Zweck sollen die USA nicht nur die Welthandelsorganisation (WTO) unterstützen, sondern auch Handelsabkommen wie die Transpazifische Partnerschaft (TPP) und die Transatlantische Partnerschaft (TTIP) anstreben. Darüber hinaus müssen die USA die Institutionen des Bretton-Woods-System stärken, allen voran den Internationalen Währungsfonds (IMF). Auch soll(te) Amerika mit neu geschaffenen Institutionen, wie die Neue Entwicklungsbank (NDB) und der Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), zusammenarbeiten. Dadurch können sie in bestehende internationale Strukturen integriert und hohe Standards aufrechterhalten werden.
Der zweite Korb umfasst die Stärkung derinternationalen Sicherheitsordnung. Die USA haben sich als globaler Sicherheitsgarant zurückgezogen, was weltweit Krisen und Konflikte fördert. Die USA müssen daher zukünftig ihren Verbündeten und Partnern wieder glaubhaft versichern, dass sie im Konfliktfall an deren Seite stehen. Potenziellen Kontrahenten wird so vermittelt, dass ein aggressiver Akt nicht erfolgreich sein kann und dass die Kosten deutlich höher sind als der Nutzen. Um dies zu untermauern, müssen die USA einerseits mehr in diplomatische Konfliktlösung und enge Partnerschaften sowie andererseits in die militärische Verteidigung investieren.
Der dritte Korb zielt darauf ab, die Chancen der Energierevolution zu nutzen. Die USA führen diese Revolution an, da das Land zum weltgrößten Produzenten von Öl und Gas aufgestiegen ist. Hierdurch sind in den vergangenen Jahren die Energiepreise deutlich gefallen. Dies schwächt energieexportierende, autokratisch geführte Länder und deren Energie-Kartelle, wie die OPEC, die den freien Energiemarkt untergraben. Die USA haben weitgehende Unabhängigkeit von diesen Ländern erlangt. Europa und Asien müssen nun ebenfalls ihre Energiequellen diversifizieren, um ihre Abhängigkeiten zu reduzieren. Dies eröffnet neue Handlungsspielräume für eine liberale Energiepolitik.
Der vierte Korb nimmt die Softpower der USA in den Blick. Er enthält Maßnahmen, durch die Amerika seine Stärken in Bildung, Innovation und Unternehmertum international einbringen kann. Die US-Regierung, die Privatwirtschaft und Bildungsinstitutionen müssen mehr Verantwortung übernehmen. Notwendig ist einerseits der wechselseitige Austausch von Studenten und (Aus-)Bildungskonzepten. Andererseits müssen Ideen umgesetzt werden, die ausländische Innovatoren mit US-Unternehmen und -Märkten verbinden. Vom freien und offenen Austausch von Ideen und technologiegetriebenen Innovationen können Menschen weltweit profitieren. Dies gilt auch für die Öffnung von Finanzierungsmöglichkeiten und Reformen der Regulierungen.
Man merkt der Studie beim Lesen deutlich an, dass sie vor der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten verfasst wurde. Trumps isolationistischer Kurs des „America First“ schwächt in vielen Punkten die liberale Weltordnung, die die Autoren stärken wollen. Die vorgeschlagenen Elemente einer umfassenden Strategie sind deswegen jedoch nicht weniger richtig und notwendig. Ob die aktuelle US-Regierung handelt und sich ihnen verschreibt, ist abzuwarten. Sollte sie untätig bleiben, besteht die Möglichkeit, dass die Risse in der liberalen Weltordnung sich in den kommenden Jahren weiter vertiefen.
https://www.brookings.edu/research/strengthening-the-liberal-world-order/
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston