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Publicly Available Published by De Gruyter December 14, 2017

Lynn E. Davis, Jeffrey Martini, Kim Cragin: A Strategy to Counter ISIL as a Transregional Threat. 2017.

  • Kristina Tonn EMAIL logo

In der Studie der US-amerikanischen Denkfabrik RAND Corporation analysieren die drei Autoren Lynn E. Davis, Jeffrey Martini und Kim Cragin die Fähigkeiten, Strategien und Taktiken des ISIL (Islamischer Staat im Irak und der Levante), bewerten die aktuelle Strategie der USA im Kampf gegen den internationalen islamistischen Terrorismus kritisch und stellen dieser eine eigene Strategie und detaillierte Handlungsempfehlungen gegenüber.

Die dabei empfohlene Strategie legt ihren Schwerpunkt darauf, ISIL als überregionale und dauerhafte Gefahr zu bewerten und die Anti-Terror-Strategie sowohl im eigenen Land als auch in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern und anderen Diensten entsprechend anzupassen. Dies umfasst notwendigerweise auch die realistische Einschätzung der zu erwartenden Erfolge, einen effizienteren und besser koordinierten Einsatz der gegebenen Ressourcen sowie eine überlegte Abwägung der Maßnahmenfolgeneffekte. Die Autoren kritisieren, dass die Anti-Terror-Strategie der USA zu sehr auf unterschiedliche Arten von Militäreinsätzen fokussiert ist: Rückzug, Eindämmung oder aggressive Rollback-Strategie durch Kampfeinheiten.

Die Autoren schlagen vor, den Fokus über die militärische Dimension hinaus stärker auf die politische Handlungsebene zu richten. Neben gezielten Militärschlägen im Irak und in Syrien sollten sich die Vereinigten Staaten darauf konzentrieren, die zugrundeliegenden Ursachen zu beseitigen, die Terrorgruppen wie ISIL und anderen gewalttätigen Dschihadistengruppen Zulauf und Rückhalt verschaffen. Dazu gehört vor allem ein Mangel an grundlegender Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit der Regierungen in den betroffenen Staaten und Regionen.

Darüber hinaus müssen die USA nach Ansicht der Autoren eine Neubewertung ihrer Handlungsweise in Bezug auf die regionalen Konflikte in Irak, Syrien und der Levante vornehmen, insbesondere die Einbindung von kurdischen Kräften in den Anti-Terror-Kampf. Eine derartige Neubewertung ist besonders im Hinblick auf die territorialen und politischen Ambitionen der Kurden notwendig, da deren Streben nach eigener Staatlichkeit die bereits vorhandenen Auseinandersetzungen und Konflikte zwischen Schiiten und Kurden im Irak, in der Türkei und in Syrien weiter befördern könnte. Die Autoren raten den Vereinigten Staaten dazu, ihre Zusammenarbeit mit den Kurden, insbesondere der kurdischen Miliz (YPG) und der Peshmerga zu überdenken und vielmehr die nationalen Streitkräfte zu unterstützen und verstärkt einzubinden, um weitere Konflikte in der gesamten Region zu vermeiden. Dabei fordern die Autoren drei Schwerpunktsetzungen:

  1. Priorisierung der inneren Sicherheit der USA: Um die innere Sicherheit in den USA weiter zu erhöhen, halten die Autoren es für unabdingbar, die operative Ebene von terroristischen Aktivitäten stärker in den Blick zu nehmen. Dazu gehört nicht nur die Verhinderung von konkreten Anschlägen, sondern auch die Verhinderung von Radikalisierung sowie die Wiedereingliederung von Radikalisierten und die Zerschlagung von Transitwegen für Geldströme und Waffentransporte. Für die Umsetzung dieser Ziele ist eine konzentriertere und effizientere Zusammenarbeit der Geheimdienste und Ermittlungsbehörden unter koordinierter Federführung durch die Regierung vonnöten. Zugleich fordern die Autoren sowohl eine bessere finanzielle, materielle und personelle Ausstattung dieser Institutionen. Militärischen Maßnahmen räumen die Autoren eine hohe Priorität ein. Sie halten gezielte Luftschläge und den Einsatz von Spezialkräften gegen die Führungsebene von ISIL und die Trainingsstätten in Irak und Syrien als einen Teil der Anti-Terror-Strategie für absolut notwendig. Diese Maßnahmen sollen schließlich dazu führen, die lokalen Zentren von ISIL zu zerschlagen und zugleich die Transportrouten für Geld, Waffen und Kämpfer oder Rekruten zu zerstören. Die Vereinigten Staaten sollten darüber hinaus ihre Maßnahmen und Programme gegen die Rekrutierung von westlichen Kämpfern intensivieren und Deradikalisierungsprogramme weiter fördern. Dies beinhaltet ihrer Ansicht nach die Verhinderung von Ausreisen zu Trainings- und Kampfzwecken, falls möglich die Versagung der Wiedereinreise von Kämpfern beziehungsweise deren Überwachung sowie die Wiedereingliederung von Rückkehrern.

  2. Verstärkte Maßnahmen auf diplomatischer, politischer und militärischer Ebene, um die Unterstützung von ISIL und al Qaida durch sunnitische Araber in Irak und Syrien zu reduzieren. Die Autoren führen an, dass eine stärkere Fokussierung auf die Versöhnung von Sunniten und Schiiten in der Region notwendig für eine langfristige Reduzierung der islamistischen Terrorgefahr ist, da ein entsprechend fehlender Ausgleich besonders bei den sunnitischen Arabern die Gefahr birgt, dass diese ISIL oder andere islamistische Gruppierungen unterstützen oder sich aktiv einer Gruppe anschließen. Empfohlene Maßnahmen sind, (1) Druck auf die irakische Zentralregierung auszuüben, um die Inklusion der und Versöhnung mit den sunnitischen Arabern voranzutreiben und (2) den, wenn auch begrenzten, Einfluss in Syrien für einen politischen Wandel zu nutzen, um zu verhindern, dass ISIL besonders die ungleiche Behandlung der sunnitischen Araber für seine Ziele und Rekrutierungszwecke ausnutzt. Außerdem (3) müsse bei Militäroperationen das geltende Recht strikt eingehalten werden, um zivile Opfer zu vermeiden, damit ISIL und andere dschihadistische Terrorgruppen diese nicht für ihre eigene Propaganda missbrauchen können und die Zivilbevölkerung sich gegen die USA beziehungsweise gegen den Westen wendet.

  3. Ausgewogene und konzentriert eingesetzte Einbindung und Unterstützung der Kurden beziehungsweise von kurdischen Gruppierungen im gemeinsamen Kampf gegen ISIL – ohne dabei regionale Konflikte zu befördern oder Stellvertreterkonflikte hervorzurufen. Die Autoren sehen es kritisch, dass die US-Regierung trotz der deutlichen territorialen Ambitionen der Peshmerga und der YPG und ihrer zum Teil bedenklichen Behandlung der arabischen Population nur wenige Bedingungen an die kurdischen Militäroperationen im Irak oder in Syrien geknüpft hat. Die Obama-Regierung hat den Erfolg der Mission zu sehr an der Reduzierung des ISIL-Territoriums gemessen. Durch dieses Verhalten befürchten die Autoren eine Eskalation der regionalen Konflikte. Die vorgeschlagene Strategie würde den Kurden deutlich strengere Bedingungen für ihre Beteiligung an der Militäroperation gegen ISIL auferlegen. Insbesondere sollten die Vereinigten Staaten eine Zusage der kurdischen Gruppen einfordern, dass diese die Zusammenarbeit nicht für eine Ausweitung ihres Einflussbereichs ausnutzen.

Die vorliegende Studie stellt die Langzeitbedrohung des global agierenden islamistischen Terrorismus in den Vordergrund und fordert daher, dass der Erfolg von Gegenmaßnahmen nicht allein an der Rückeroberung von Territorium gemessen werden kann, sondern darüber hinaus ein Schwerpunkt der Gegenmaßnahmen auf politischer und diplomatischer Ebene liegen muss.

https://www.rand.org/pubs/perspectives/PE228.html

Published Online: 2017-12-14

© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 11.12.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2017-0095/html
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