
Die vorliegende Studie wurde als Doktorarbeit an der Universität Bonn 2016 angenommen und 2017 in der Reihe „Global Power Shift“ des Verlags Springer als Hardcover und als eBook veröffentlicht. Auf 768 Seiten befasst sich die der realistischen Analyseperspektive entstammende Arbeit intensiv mit einem bisweilen vernachlässigten Thema, nämlich der Rolle von Mittelmächten im komplexen Machtgefüge der Asien-Pazifik-Region. Dazu betrachtet der Autor in einzelnen Länderkapiteln (ab Kapitel 7) der Reihe nach Australien, Pakistan, Japan, Südkorea, Thailand und Indonesien, und untersucht nach einem vorgegebenen Raster die wirtschaftliche Entwicklung des jeweiligen Landes, seine Außenpolitik und sein sicherheitspolitisches Profil. Anschließend wird für jedes Land zunächst die Beziehung zu den USA und dann die Beziehung zu China, also zu den beiden bestimmenden Großmächten der Region, analysiert und bewertet. Dieser empirische Teil der Studie dürfte für viele andere Analysen der Region nützliche Grundlagen legen.
Der theoretische und methodische Teil der Arbeit (Kap. 1–6) ist, wie bei einer Dissertation nicht anders zu erwarten, ebenfalls umfangreich und behandelt zunächst grundlegende Aspekte verschiedener realistischer Analyseperspektiven, die in dieser Arbeit Anwendung finden; betrachtet dann in Kap. 3 das Problem der Messung von Macht – genauer: aggregierter, struktureller sowie relationaler Macht – und widmet sich in Kapitel 4 dem Problem der theoretischen Konzeption von Mittelmächten als Akteure in den internationalen Beziehungen. Kapitel 5 stellt schließlich einen eigenen Versuch vor, Machtverschiebungen im Asien-Pazifik-Raum über längere Zeiträume hinweg zu messen, und Kapitel 6 befasst sich mit der Konzeption von „Beziehungsmacht“ (relational power) bei Mittelmächten.
Die Studie kommt interessanterweise insgesamt zu dem Ergebnis, dass trotz der empirisch klar belegbaren Zunahme von Macht bei der Volksrepublik China in der Summe dennoch keine entsprechende Schwächung der relationalen Macht der USA im Asien-Pazifik-Raum zu belegen sei. Der Grund dafür ist nicht zuletzt, dass „relational power“ nicht als Nullsummenspiel zu konzipieren sei:
„In sum, while the People's Republic was capable of gaining greater relational power vis-à-vis the six middle powers with regards to economics and politics, the different developments in the scope of security and the continued importance of the US for regional political affairs leads to the conclusion that a relational power shift is not observable.“ (S. 760).
Dieses Ergebnis der Studie dürfte manchen Lesererwartungen gerade angesichts einer aktuell stark polarisierenden Presseberichterstattung über die sino-amerikanische strategische Konkurrenz zwar zuwiderlaufen. Dennoch stellt Fels fest:
„(…) while many writers’ perception of the impressive material developments of China were validated by the study's third part, their adjacent conclusions about China becoming too powerful in Asia-Pacific and consequently either slowly crowding out the US or even initiating a great power war with Washington cannot be substantiated by the empirical findings of the study's extensive fourth part.“ (S. 761).
Zugespitzt heißt dies in anderen Worten: „Washington has allies, while Beijing has business partners“ (S. 763).
Diese Auffassung wird nach Kenntnis der Rezensentin von chinesischen Beobachtern – etwa Yan Xuetong – durchaus geteilt, weshalb das Werben Chinas und der USA um weitere militärische Bündnispartner unter den Mittelmächten, nicht zuletzt unterfüttert durch Waffenlieferungen zum Aufbau und Erhalt solcher Beziehungen, in Zukunft wohl weiter zunehmen dürfte. Erste Anzeichen davon zeigen sich bereits. Fels sieht daher durchaus Risiken für eine zukünftige Eskalation, auch wenn, wie er selbst einräumt, die Rollen der beiden Großmächte Indien und Russland und ihr Einfluss auf das sino-amerikanische Konkurrenzverhältnis dafür genauer analysiert und stärker berücksichtigt werden müssten. Dies ist jedoch nicht Thema der vorliegenden Studie, die den Mittelmächten gewidmet ist. Zu einem zukünftigen Ausbau der sino-amerikanischen Kooperation sieht Fels langfristig – gerade angesichts von immensen Risiken, die mit einem Großmachtkonflikt zwischen diesen Mächten einhergehen würden – keine Alternative. Dazu bedürfe es weiterer empirischer Studien, um mögliche Felder bilateraler Kooperation zwischen den USA und China rechtzeitig auszuloten. Idealistische Analyseperspektiven seien, so Fels, jedoch weniger geeignet, die strategische Unsicherheit im Verhältnis der beiden Konkurrenten nachhaltig zu reduzieren.
Die gründliche und methodisch sorgsame Vorgehensweise und das ausgewogene Ergebnis der vorliegenden Analyse sind ein hochwillkommener Beitrag zur Diskussion angesichts einer sich zusehends verschärfenden Sicherheitslage im Asien-Pazifik-Raum. Ein besonders hervorzuhebender Beitrag des Buches besteht nicht zuletzt darin, die Aufmerksamkeit auf einige zu Unrecht vernachlässigte sicherheitspolitische Aspekte der sino-amerikanischen Konkurrenz lenken, etwa die komplexe und teils auch widersprüchliche Rolle Pakistans im Spannungsfeld zwischen Indien, den USA und China, um nur ein Beispiel zu nennen. Es steht zu hoffen, dass die Interessen, Machtmittel und Verhaltensmuster der asiatisch-pazifischen Mittelmächte in Zukunft stärkere Beachtung bei Analysen des sino-amerikanischen Konkurrenzverhältnisses finden werden. Hierzu gibt die vorliegende Studie einen überfälligen Anstoß.
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