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Publicly Available Published by De Gruyter March 27, 2021

Rachel Ellehus/Colin Wall: Geopolitics and Neglected Arctic Spaces. Three Northern Perspectives on Balancing External Interests. Washington D.C.: Center for Strategic & International Studies, November 2020

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Ellehus Rachel Wall Colin Geopolitics and Neglected Arctic Spaces. Three Northern Perspectives on Balancing External Interests Washington D.C. Center for Strategic & International Studies November 2020


Die unter dem Titel Geopolitics and Neglected Arctic Spaces von R. Ellehuus und C. Wall herausgegebene CSIS-Studie beinhaltet drei kurze, essayartige Skizzen renommierter „Arktiker“ zum Hohen Norden. Vom Ansatz her betrachtet ist das Bemühen dieser Studie nicht uninteressant, weil alle drei abgehandelten Regionalproblematiken durch Inselgruppen in oder am Rande der Arktis verkörpert werden. Diese sind alle zugleich auf eine je einzigartige Weise von West und (Fern-) Ost beeinflusst, von hoher sicherheitspolitischer Relevanz und stellen zugleich schwierige Herausforderungen im Kontext westlicher Bemühungen um eine Stärkung der arktischen Aufstellung der NATO dar. Man könnte auch sagen, allen kommt eine Schlüsselposition oder -funktion zu, nämlich Grönland für die strategische Sicherheit des nordamerikanischen Kontinents (NORAD), Island als unsinkbarer Flugzeugträger im Nordatlantik bzw. potentieller Hüter der GIUK-Lücke und Spitzbergen als norwegisches Problemterritorium „gegenüber“ der russischen Machtkonzentration im Cluster von Murmansk und Severomorsk und der vorgelagerten „Bastion“ der Nordmeerflotte. Alle drei sind zugleich auf die eine oder andere Weise im Visier dezidiert nicht-westlicher Akteure, sprich Russland und China.

Andreas Oesthagen (Fridtjof Nansen Institute) eröffnet mit Spitzbergen (Svalbard), ein weithin bekannter Sonderfall internationalen Rechts, dessen Status auf den Spitzbergenvertrag von 1920 zurückgeht. Dieser erlaubt den Signatarmächten gleichberechtigte wirtschaftliche Aktivitäten auf dem territorial zu Norwegen gehörendem Archipel, das mittels einer vagen Formel als demilitarisiert gekennzeichnet ist. Nicht überraschend weist der Autor darauf hin, dass die Sorgen der Norweger um Spitzbergen, auch ausgedrückt in einem Papier des Verteidigungsministeriums von 2017, in den letzten Jahren größer geworden sind. Die Inselgruppe liegt wie eine Zwingburg vor der russischen „Bastion“ auf halbem Wege zwischen Nordkap und Nordpol. Im Falle ernsthafter Spannungen wäre Svalbard exorbitant bedroht und könnte nicht verteidigt werden. Schon deswegen, so der Autor, werden die Norweger sehr bemüht bleiben, Spannungen mit Moskau auf allen Politikfeldern so gering wie möglich zu halten und seien auch nicht erfreut über Versuche wie den des ehemaligen amerikanischen Außenministers Mike Pompeio von 2019, der beim Arctic Council Moskau und Peking schwer kritisiert hatte.

Jon Rahbek-Clemmensen vom Kopenhagener Defense College stellt einmal mehr den schwierigen Fall von Grönland für Dänemark dar. Über Grönland vor langer Zeit zur arktischen Macht geworden, steht Dänemark unverrückt seit Jahrzehnten an der Seite des Westens, bleibt aber dank Grönland sozusagen eingeklemmt in einer nicht angenehmen Lage, die durch den übermächtigen Einfluss der USA auf das Rieseneiland, neue chinesische Begehrlichkeiten und die überaus starke grönländische Unabhängigkeitsbewegung gekennzeichnet ist. Dazu gibt es von demselben Autor bereits ausführlichere Darstellungen, u. a. im jüngst (in Kooperation von ISPK und Springer-Verlag) erschienenen Handbook on Geopolitics and Security in the Arctic, welches in diesem Heft von SIRIUS auch besprochen wird. Diese nun für den CSIS-Beitrag gewählte Kurzform ist sehr prägnant und hat den Vorteil, am Schluss ganz konkrete Handlungsempfehlungen für eine Stärkung der Position des Westens durch relativ kostengünstige incentives aufzuzählen, die gleichzeitig helfen könnten, den Grönländern Alternativen zu Chinas verlockenden Offerten anzubieten.

Den dritten Fall vielfältig außenbeeinflusster Inseln verkörpert das am Rande der Arktis gelegene Island. Margret Cela und Pia Hansson vom Institute of International Affairs at the University of Iceland skizzieren die politischen Besonderheiten ihres Landes seit dem Zweiten Weltkrieg. Während Spitzbergen primär eine russische Problematik hat und Grönland eine ausschließlich chinesische, so hat Island beides: Das Land hat traditionell gute und enge Beziehungen nach Moskau, wird aber mittels großer Investitionen und sonstiger Versuche zur Einflussnahme heutzutage vor allem von China umgarnt und umarmt. Dies ändert aus Sicht der Autorinnen aber nichts an der Eigenwilligkeit der Isländer, die einerseits gerne Berechenbarkeit demonstrieren: So trugt Reykjavik trotz des russischen Angebots auf einen bailout in der Wirtschaftskrise von 2008 unbeirrt die US-/EU-Sanktionen von 2014 im Gefolge der Krimkrise mit. Und andererseits scheren sich aus Sicht der Verfasserinnen die Isländer wenig darum, ob ihre Sicht auf die Dinge bei ihren Partnern gut ankommt. Bei der Visite des damaligen US-Vizepräsidenten Mike Pence 2019 trug Staatspräsident Johannesson demonstrativ ein LGBTQ+-Armband und kritisierte den US-Verbündeten Saudi-Arabien scharf.

Fazit: Diese Kurzstudie ist nützlich für diejenigen, die in den Angelegenheiten des Hohen Nordens noch unbewandert sind und zu den hier abgehandelten Territorien einen ersten Informationsbedarf aus sicherlich kompetenter Quelle haben. Für nordisch Bewanderte scheint die Lektüre dieser Veröffentlichung eher entbehrlich.

https://www.csis.org/analysis/geopolitics-and-neglected-arctic-spaces

Published Online: 2021-03-27
Published in Print: 2021-04-01

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 6.6.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2021-1011/html
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