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Frandrup Erich C. Embracing Underseas Robots: A US Strategy to Maintain Undersea Superiority in an Age of Unmanned Systems Washington, D.C. The Atlantic Council November 2020
Unbemannte militärische Systeme gelten seit mehr als einem Jahrzehnt als die neue technologische Entwicklung, die militärische Operationen und kriegerische Auseinandersetzungen zukünftig stark beeinflussen wird. Besonders intensiv wurden bisher fliegende unbemannter Systeme (UAVs, Uncrewed Aerial Vehicles) diskutiert. Andere Felder sind deutlich schlechter erforscht. Dazu gehört auch der Bereich der unbemannten Unterwassersysteme, der Uncrewed Underwater Vehicles, kurz UUVs. Umso interessanter scheint deshalb die Studie von Erich C. Frandrup Embracing Underseas Robots: A US Strategy to Maintain Undersea Superiority in an Age of Unmanned Systems, die vom Scowcroft Center for Strategy and Security des Atlantic Council im Oktober 2020 herausgebracht wurde. Interessant ist die Studie vor allem, weil Frandrup Commander der US Navy ist und entsprechend über praktisches Wissen verfügt.
Der mit ca. 15 Seiten Inhalt recht kurze Text zielt darauf ab, eine „Strategie“ zu entwickeln, die den USA auch zukünftig „Unterwasserüberlegenheit“ gegenüber möglichen Herausforderern (S. 1) garantieren soll. Frandrups Auffassung nach besitzen die USA aktuell die Fähigkeit, jederzeit und überall Unterwasseroperationen durchzuführen und so globale Machtprojektion über Wasser abzusichern. Den Schlüssel zum Erhalt dieser Fähigkeit gegenüber den Hauptherausforderern China und Russland sieht er in UUVs, da sich die Unterwasserdomäne besonders für unbemannte Systeme eigne.
UUVs sind keine Zukunftstechnologie; sie werden schon zur Minenräumung, Informationssammlung oder ozeanografischen Studien eingesetzt. Die Entwicklung gehe aber weiter: So sei der Einsatz in verschiedenen Szenarien, wie z. B. der U-Boot-Jagd oder elektronischen Kriegsführung, denkbar (S. 3) – bis hin zum Einsatz von Schwärmen (S. 4) oder gar humanitären Einsätzen (S. 7). Die Navy habe allerdings keine Informationen über die eigenen Intentionen veröffentlicht (S. 3). Nach Frandrup besteht kein Zweifel, dass UUVs der Unterwasserkriegsführung eine neue Dimension zufügen werden. Umso wichtiger sei es, nun eine kohärente Strategie für die Zukunft zu formulieren. Diese sollte vier Elemente umfassen: Das erste Element ist die Analyse der Vorteile des eigenen Einsatzes und der Gefahren des Einsatzes von UUVs durch Herausforderer, um so realistische Szenarien herauszuarbeiten. Element zwei betrachtet die Konzeption des gemischten Einsatzes bemannter und unbemannter Systeme – eine Option, die von vielen Befürwortern hochgradig automatisierter unbemannter Systeme gerne ins Spiel gebracht wird, um die Kritik möglicher fehlender Kontrolle zu adressieren. Diese Integration diskutiert Frandrup an zwei konkreten Beispielen, die er auf fünf Seiten sehr detailliert ausführt: dem offensiven Einsatz von Seeminen (offensive mining) und der Minenräumung. Die Elemente drei und vier der „Strategie“, die „smarte“ Entwicklung von Fähigkeiten im Rahmen eines iterativen Prozesses (S. 9 f), sowie das Einbeziehen von Alliierten und Partnern (S. 10 f), werden kursorisch auf zusammen weniger als zwei Seiten abgehandelt.
Es folgen, etwas überraschend, einige seiner Strategie zugrundeliegenden Annahmen (S. 12), nämlich, dass sie primär gegen China und Russland gerichtet ist, denen er ein massives Engagement im Bereich von UUVs unterstellt. Im Abschnitt Guidelines for Implementation (S. 13) betont Frandrup, dass es gelte, offensive Systeme zu priorisieren und bereits bestehende Technologien bestmöglich einzubeziehen. Immerhin widmet Frandrup den Risiken und Alternativen und der möglichen Kritik auch noch eine dreiviertel Seite (S. 14), die man aber schwerlich als substanziell bezeichnen kann.
In der Summe steht die Studie im Zeitgeist der ehemaligen Trump-Administration. Statt Kooperation wird unilaterale Überlegenheit unabhängig vom Verhalten der Gegenseite favorisiert (S. 12). Konkrete Bedrohungsmomente werden behauptet, aber nicht belegt. Seine „Strategie“ ist kein abwägender Plan, sondern die Aufforderung zu umfangreicher offensiver Aufrüstung in einem Bereich, der sich aufgrund seiner Natur schon durch erhebliche Intransparenz auszeichnet. Bezeichnenderweise sieht er einen Unterwasserrüstungswettlauf auch als unwahrscheinlich an (S. 14), da die meisten Staaten zumindest in der näheren Zukunft an der Komplexität von UUVs scheitern würden – was angesichts des mehrfachen Verweises, dass sich sein Strategievorschlag explizit gegen Russland und China richtet, nicht überzeugend ist. Das gewichtige Argument, dass gerade für amerikanische strategische U-Boote die Gefahr durch gegnerische UUVs erheblich steigt, ist ihm nur einen Absatz wert. Trotzdem ist das Papier lesenswert. Die detailliert beschriebenen Beispiele geben einen – wenn auch einseitigen – Blick in eine Domäne, die den meisten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen bislang verschlossen war und wo in den nächsten Jahren ein starker Schub hin zur Automatisierung militärischer Operationen tatsächlich besonders wahrscheinlich ist.
https://www.atlanticcouncil.org/in-depth-research-reports/report/embracing-underseas-robots/
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston