Zusammenfassung
Mit der Veröffentlichung zweier Ultimaten an die USA und die NATO will Russland eine grundlegende Veränderung der sicherheitspolitischen Ordnung erzwingen und ist – wie der Überfall auf die Ukraine gezeigt hat – fest entschlossen, seine Vorstellungen auch mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Dieser bewaffnete Konflikt hat nicht nur eine spezifisch russisch-ukrainische Dimension: Er markiert den Beginn des zweiten Kalten Kriegs in Europa, und es ist nicht sicher, ob er dieses Mal „kalt“ bleiben wird. Die russische Führungsclique hat sich in ein Bild der Rolle Russlands in Europa hineingesteigert, das zwar aus der Zeit gefallen scheint, angesichts der russischen Militärpotenziale aber die westliche Staatengemeinschaft zwingt, sich mit der russischen Herausforderung auseinanderzusetzen. Noch sind die Konturen des kommenden Kalten Kriegs nicht klar erkennbar, doch es lassen sich bereits Faktoren und Dynamiken identifizieren, die ihn strukturieren werden.
Abstract
With the publication of two ultimatums to the USA and NATO, as the invasion of Ukraine has confirmed, Russia wants to achieve a fundamental change in the international security system and for that end is determined to use military force. The war in Ukraine, therefore, not only has a specifically Russian-Ukrainian dimension, but it also marks the beginning of a second Cold War in Europe and one that provides no guarantee that it will remain “cold.” Putin and the narrow circle of associates around him appear to live in a world that strives for a role for Russia in Europe that may seem utterly outdated, but given Russia’s military capabilities the Western community is forced to confront the grave challenge. The contours of the emerging new Cold War are not yet clear but several structural features and processes that will shape it can be identified.
1 Einleitung
Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 markierte einen einschneidenden Umbruch in den internationalen Beziehungen, den Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag ganz richtig eine „Zeitenwende“ nannte. Eingeleitet hatten dieses Drama zwei ungewöhnliche Ultimaten Russlands an die US-Regierung und die Mitgliedstaaten der NATO, die die russische Regierung Mitte Dezember 2021 auch auf der Webseite des Außenministeriums veröffentlichte: Die westlichen Staaten, so der Inhalt, sollten sich schriftlich und verbindlich verpflichten, kein weiteres Land in die NATO aufzunehmen. Zudem sei die Präsenz ausländischer Truppen auf dem Gebiet der neuen Mitglieder in Ostmitteleuropa gänzlich abzubauen. Auch müssten die USA ihre Kernwaffen aus Europa zurückziehen und dürften in Europa keine Raketen stationieren, die Russland erreichen könnten. Mit dieser Aufforderung einher ging die Androhung „militärtechnischer Maßnahmen“ für den Fall der Zurückweisung. Um seine „militärtechnische“ Drohung zu untermauern, setzte Moskau die bereits begonnene Verlegung von Truppen an die ukrainische Grenze fort (auch unter Einbeziehung des Territoriums von Belarus). Was viele nicht begreifen wollten: Dieses Ultimatum war eine verklausulierte Kriegserklärung gegen die Ukraine und den Westen, gegen die auch noch so viel gut gemeinte Diplomatie nichts ausrichten konnte.[1]
Mit dem Ultimatum und spätestens dem russischen Überfall auf die Ukraine am Morgen des 24. Februar hat der jahrelang latente Konflikt zwischen Russland und der westlichen Staatengemeinschaft ein Niveau erreicht, auf dem man von einem „neuen Kalten Krieg“ sprechen muss. Und angesichts der Kämpfe in der Ukraine ist nicht einmal sicher, ob es bei einem „kalten“ Krieg bleiben wird. Die Härte seiner Forderung und die zeitnahe Umsetzung der angedrohten militärtechnischen Maßnahmen lassen den Schluss zu, dass Moskau alles viele Jahre im Voraus durchdacht und geplant hatte – und dass wir noch lange nicht das Ende der russischen Herausforderung gesehen haben. Dass sein Vorgehen eine Vielzahl von Sanktionen und damit eine faktische Abkoppelung Russlands von der Weltwirtschaft auslösen wird, dessen war Moskau sich bei der Planung sicher. All dies war einkalkuliert und zeigt, dass die westliche Staatengemeinschaft es nicht mit einem regionalen Konfliktgeschehen zu tun hat, das unglücklicherweise eskaliert ist, sondern mit einer internationalen Herausforderung, die grundsätzlicher Natur und von globalstrategischer Reichweite ist.
Die Bundesregierung blieb bis zur Einleitung der Kampfhandlungen durch Russland zurückhaltend und vollzog erst dann eine Kehrtwende, als sich das gesamte Ausmaß des militärischen Überfalls und der enorme Verteidigungswille der ukrainischen Bevölkerung abzeichneten. Zuvor hatten nahezu alle Verbündeten völlig zu Recht die wankelmütige Einstellung der Ampelkoalition (zu Nord Stream 2 und Waffenlieferungen an die Ukraine) kritisiert. Auf der Sondersitzung des Deutschen Bundestags am 27. Februar 2022 erfolgte schließlich im Rahmen der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz die grundlegende Umorientierung der deutschen Politik.[2] Sie umfasste die Zustimmung zu massiven Wirtschaftssanktionen gegen Russland (einschließlich dem Stopp von Nord Stream 2), der Lieferung von Waffen an die Ukraine und einem Sofortprogramm zur Ausrüstung und Wiederaufrüstung der Bundeswehr.
Der am 27. Februar 2022 angekündigte Politikwechsel ist richtig und konsequent. Er kommt aber acht Jahre zu spät. Spätestens seit Besetzung der Krim durch russische Spezialeinheiten im Februar 2014 und den anschließenden Aggressionen gegen die Ost-Ukraine war offenkundig, dass Russland die strategische Konfrontation mit dem Westen sucht und eine fundamentale Revision der europäischen politischen Ordnung anstrebt, die man zwischen 1989 und 1997 unter Einbeziehung Moskaus ausgehandelt hatte.[3] Diese Ordnung bedeutete die politische Unabhängigkeit für Polen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Rumänen und Bulgaren und für die Deutschen in der DDR. Sie bedeutete für Ukraine, Belarus, Estland, Lettland und Litauen, Moldau, Georgien, Armenien und Aserbaidschan die nationale Unabhängigkeit. Sie basierte auf den Prinzipien der Anerkennung der staatlichen Souveränität und Unverletzlichkeit von Grenzen, auf Gewaltverbot, dem vertraglich geregelten Verzicht auf Invasionsfähigkeit und dem verbrieften Recht jedes Staates, über seine Bündniszugehörigkeit selbst zu entscheiden. Zentrales Element waren die Achtung des Völkerrechts und die Nutzung multilateraler Institutionen, um die friedliche Zusammenarbeit zwischen Staaten zu ermöglichen.[4] All dies steht jetzt in Frage, weil der Kreml diese Ordnung mit militärischen Mitteln, Drohungen, Lügen und Täuschungsmanövern umstürzen will.
Um die Dimension und die Konsequenzen der derzeitigen Krise zu verstehen, sollen in diesem Beitrag vier Fragen beantwortet werden: (1) Welche Beweggründe und Zielsetzungen liegen Putins Drohungen und der Invasion zugrunde? (2) Was hat er unternommen, um seine Ziele zu erreichen? (3) Hat der Westen angemessen auf die Krise reagiert? und (4) Was bedeutet der Eintritt in den zweiten Kalten Krieg für die westliche Staatengemeinschaft und Deutschland?
2 Zielsetzungen des „Systems Putin“
In den vielfältigen, sowohl im Westen als auch von regierungsunabhängigen Analysten unternommenen Bemühungen, hinter dem massiven Aufbau des Invasionspotenzials und dem Forderungskatalog vom Dezember 2021 die russischen Zielsetzungen zu erkennen, schälen sich im Kern drei Interpretationen heraus.
Russland verfolge strategisch defensive Ziele: Ausgehend von den Forderungen des Kremls meint diese Deutung eine defensive strategische Logik zu entdecken, laut der es Russland um Gleichberechtigung mit den USA geht. Moskau strebe nach strategischer Parität mit den USA und wolle geopolitische Nachteile verhindern, die ihm aus der NATO-Erweiterung entstünden. „Vor allem ein NATO-Beitritt der Ukraine“, so ein Vertreter dieser Auffassung, „würde traditionelle Bindungen zu prorussischen Volksteilen im Osten des Landes zerreißen, weitere Stationierungsräume der NATO in unmittelbarer Nähe russischer Kernregionen schaffen und die US-Militärpräsenz in der Schwarzmeerregion bis zum Don ausweiten. Moskau sieht sein Vorgehen wie das der USA in der Kuba-Krise von 1962 legitimiert, um strategische Sicherheitsinteressen zu schützen.“ Nachhaltig entschärfen lasse sich die Krise nur durch eine „Wiederbelebung von Sicherheitsvereinbarungen und Rüstungskontrolle.“[5] Für Putin sei die Gewährleistung der Sicherheit Russlands „oberstes Gebot.“[6] Ihm gehe es um „eine neue europäische Sicherheitsarchitektur […]; sein Angriff ist nicht so sehr gegen die Ukraine gerichtet als gegen den Westen; die Ukraine ist ‚nur‘ die Leidtragende in dieser Auseinandersetzung.“[7] Ähnlich haben russische Fachleute für Putins Außen- und Sicherheitspolitik argumentiert. So stellte Sergei Karaganow rund zwei Wochen vor Moskaus Invasion schon in der Überschrift eines Artikels apodiktisch fest: „Es geht nicht um die Ukraine.“ Und weiter: „Die russischen Truppen, die sich in der Nähe der ukrainischen Grenze befinden, werden nicht in das Land einrücken. Es wäre einfach sinnlos. Das Aneignen von Land, das von seinen antinationalen und korrupten herrschenden Schichten verwüstet wurde, wäre eines der schlimmsten Szenarien. Die Truppen sind da, um einen weiteren Angriff auf die Donbass-Republiken zu verhindern.“[8] Ebenso entschieden verkündete Dmitri Trenin: „Was Putin in der Ukraine wirklich will: Russland will die Expansion der NATO stoppen, nicht mehr Territorium annektieren.“[9]
Russland wolle das Gebiet der früheren Sowjetunion kontrollieren: Folgt man dieser Auslegung, so will Putin unter allen Umständen „eine weitere Annäherung der Ukraine an den Westen“ verhindern. Die Ukraine zu verlieren wäre eine historische Erniedrigung für ihn.[10] Daher werde er, „solange er am Ruder ist, die Ukraine nicht gehen lassen.“[11] Es gehe ihm um „mehr als eine bloße sicherheitspolitisch motivierte Pufferzone, sondern de facto um eine Einflusszone im ganzen ehemals sowjetischen Raum.“[12] In dieser Zone wären systempolitische Anforderungen zu erfüllen, die über eine formale Bündniszugehörigkeit hinausgehen. Die dortigen Regierungssysteme dürften sich nicht an europäischen oder generell westlichen demokratischen, pluralistischen, rechtsstaatlichen und zivilgesellschaftlichen Verhältnissen orientieren, da diese auf Russland überschwappen könnten. „Farbrevolutionen“ gelte es für das System Putin also zu verhindern. Von dieser Warte aus seien die Massenproteste in Belarus ein immenser „Schock für Russland gewesen, als ein mehrere Jahrzehnte lang vermeintlich stabiles autoritäres Regime plötzlich [fundamental] herausgefordert wurde“.[13]
Russland verfolge offensive strategische Ziele: Dieser Interpretation zufolge hat der Kreml weitergehende Ziele als die „Zurückeroberung“ der Ukraine und die Wiederherstellung der Sowjetunion zum Zweck der Sicherung ihrer Herrschaft. Vielmehr habe Putin vor, die von ihm empfundene Schmach der Jahre 1989–97 zu tilgen, den Ost-West-Konflikt wieder zu beleben und zu Bedingungen zu beenden, die Russlands Vorstellungen kontinentaler Vorherrschaft in Europa entsprächen. Russlands Ziel sei es, die NATO-Erweiterung faktisch rückgängig zu machen, die amerikanisch-europäischen Verteidigungsbindungen zu zerstören oder unwirksam werden zu lassen und eine Dominanz Russlands auf dem europäischen Kontinent herzustellen.[14]
Wir gehen davon aus, dass sich die erste dieser Argumentationen durch den Überfall auf die Ukraine erledigt hat und eine Kombination aus den beiden anderen der Realität am nächsten kommt. Die zweite Auslegung trifft auf jeden Fall zu, die dritte überzeugt immer mehr, je deutlicher wird, wie massiv Moskau in den Krieg investiert und wie entschlossen es mit den Ultimaten alle Brücken hinter sich abgebaut hat. Beide Argumentationslinien schließen einander nicht aus.
Unserer Interpretation zufolge hat der Kreml mit dem Überfall auf die Ukraine beabsichtigt, zunächst mithilfe eines Regierungswechsels das gesamte Land zu unterwerfen. Dem sollten die Aufgabe der Westorientierung des Landes folgen, Eingliederung der Ukraine in ein de facto Satellitensystem auf post-sowjetischem Territorium, die internationale Anerkennung von Annexionen wie etwa der Krim sowie territoriale Abspaltungen vom ukrainischen Staatsverband, allen voran der „unabhängigen“ Gebiete Luhansk und Donezk in ihren Grenzen vor dem Jahr 2014. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Moskaus Planungen weitergehender Natur waren und sind. Nimmt man das Ultimatum vom Mitte Dezember 2021 beim Wort, dann müsste der „Demilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ der Ukraine die Verabreichung der gleichen Medizin in den baltischen Staaten, in Polen sowie anderen neuen NATO-Mitgliedstaaten folgen. Derartige Szenarien wurden in den vergangenen Jahren immer wieder bei Planungen der Militärs in der NATO entworfen. Sie dürften das strategische Kalkül in Moskau einigermaßen realistisch wiedergeben.[15] Zwar steht solchen Plänen das Wort des amerikanischen Präsidenten entgegen, dass die USA jeden Zentimeter NATO-Territorium verteidigen werden. Doch realistisch betrachtet wird die NATO die Besetzung der baltischen Staaten und großer Teile Polens mit den bislang dort stationierten Kräften nicht verhindern können. Sollte es sich zu einer Rückeroberung besetzter Gebiete entschließen, würde Russland im Sinne seiner Deeskalation-durch-Eskalation-Strategie mit dem Einsatz nicht-strategischer Kernwaffen drohen. Und das würde die NATO in eine Zerreißprobe treiben, die sie vermutlich politisch nicht überleben wird.[16]
Der sicherheitspolitische Forderungskatalog vom 15. Dezember 2021 ist daher im Wesentlichen zu verstehen als ein Zwischenziel bei der Verwirklichung weiterreichender Ambitionen. Das moralisch unterfütterte Narrativ des Kremls von der Bedrohung russischer Sicherheitsinteressen durch das „Vorschieben von NATO-Stoßkräften und Infrastruktur an Russlands Grenzen“ verstellt den Blick auf Moskaus tatsächliche Motivation. Bei diesem Krieg geht es nicht um die Abwehr real existierender äußerer militärischer Bedrohungen. Es sind primär innere Faktoren, die Russlands Außenverhalten bestimmen. Das Herbeireden und Herbeiführen einer internationalen strategischen Konfrontation ist ein zentrales Element der Herrschaftssicherung für die von Putin geschaffene kleptokratische Diktatur.[17]

Generaloberst i.R. Iwaschow im Jahr 2005
Die wirklichen Motive sind nach überwiegender Auffassung von Russlandexperten eher innen- als geopolitischer Natur. Es geht um die „Stabilität des Putin-Systems und nur zweitrangig um russische Außenpolitik.“[18] Hinter Putins Verhalten in der gegenwärtigen Krise steckt viel innenpolitisches Kalkül. Diese Sichtweise wird nicht nur in der russischen Oppositionsbewegung geteilt, sondern sogar in national-patriotischen Kreisen Russlands. Das geht aus einem „Appell“ hervor, in dem sich Generaloberst i.R. Leonid Iwaschow in seiner Eigenschaft als Sprecher der Allrussischen Offiziersversammlung, der Interessenvertretung der Offiziere der Reserve und im Ruhestand, Ende Januar 2022 „an den Präsidenten und die Bürger Russlands“ gewandt hat.[19] Die größte Bedrohung für Russland, so der ehemalige Generalstabsoffizier, seien die inneren Verhältnisse. Sie läge in einem fehlgeleiteten, maroden Staatsmodell, mangelnder Qualität der Regierungsführung, Ineffizienz des Macht- und Verwaltungssystems sowie der Passivität und Desorganisation der Gesellschaft. Das Aufschaukeln der Spannungen um die Ukraine sei in erster Linie „künstlicher“ Natur. Krieg sei für die russische Regierung ein Mittel, um das Problem der „Aufrechterhaltung ihrer antinationalen Macht“ für eine Weile zu lösen und den Reichtum zu bewahren, den sie „dem Volk gestohlen haben.“[20] Das Besorgniserregende an dieser innenpolitischen Voraussetzung der russischen Außenpolitik ist, dass die verwendeten Narrative im Laufe der Zeit immer radikaler wurden und tief sitzende Instinkte der russischen Gesellschaft ansprechen. Während die Darstellung Putins und seiner Getreuen in den Jahren ab 2007 hauptsächlich darin bestand, dass Russland vom Westen betrogen worden sei, gewinnen mittlerweile Narrative die Oberhand, die man als großrussisch-nationalistisch, rechtsextrem und faschistoid qualifizieren muss. Hierzu zählen Behauptungen Putins und seiner Entourage, die Ukraine sei kein eigener Staat und gehöre zu Russland.

Präsident Putin während seiner Fernsehansprache am 22.Februar 2022
2.1 Putins Ziele
Neben den Beweggründen der Moskauer Machtelite sind auch persönliche Motive des Kreml-Chefs zu nennen. Putins Weltbild ist ganz „sowjetisch“ geprägt. Er kann sich offensichtlich nicht von der Vorstellung der Sowjetunion in ihren Grenzen unter Einschluss der baltischen Staaten, des südlichen Kaukasus und Zentralasiens lösen. So hat er im Lauf seiner Amtszeiten wiederholt kategorisch konstatiert: „Die Sowjetunion – auch das ist Russland, nur unter einem anderen Namen.“[21] Und: „Der Zusammenbruch der UdSSR, das war der Zusammenbruch des historischen Russlands unter dem Namen Sowjetunion.“[22] Sein Bedauern darüber hat er mehrere Male zum Ausdruck gebracht. Am bekanntesten ist seine Äußerung in einer Rede zur Lage der Nation vor der Föderalen Versammlung im Jahr 2005, als er die Auflösung der UdSSR als eine „riesige geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete.[23] Im Dokumentarfilm „Russland. Jüngste Geschichte“, der am 12. Dezember 2021 im russischen Fernsehsender Rossija 1 ausgestrahlt wurde, beklagte er wiederum den Zerfall der Sowjetunion. Gefragt nach seiner persönlichen Wahrnehmung dieses Ereignisses, antwortete er: „Es war eine Tragödie, genauso wie für die große Mehrheit der Bürger des Landes. […] Wir haben uns in ein völlig anderes Land verwandelt. Was über 1.000 Jahre hinweg aufgebaut worden war, ging weitgehend verloren.“[24]
Putin will offensichtlich als Architekt der Wiederherstellung der „Einheit Russlands“ in die Geschichte eingehen. Folgt man seiner Ansicht, Russland sei das Äquivalent der Sowjetunion, kann das nichts anderes bedeuten als die Verwirklichung eines zutiefst revisionistischen Konzepts: die Wiederherstellung des postsowjetischen Raums als russische Einflusssphäre bzw. die Annexion von ehemals sowjetischen Gebieten. Das Besondere daran ist nicht lediglich die Wiederkehr der „Breschnew-Doktrin“ begrenzter Souveränität von Satellitenstaaten, da es Putin zufolge „echte Souveränität“ nur im Verbund, nur in „Partnerschaft“ mit Russland geben könne.[25] Hinsichtlich der Ukraine sind es weit über diese Doktrin hinaus Putins territoriale Ansprüche und die Verneinung der Staatlichkeit sowie der Existenzberechtigung des Landes. So sagte er bei der Sitzung des NATO-Russland-Rats am 4. April 2008 in Bukarest und dem Treffen mit Präsident George W. Bush am 6. April 2008 in Sotschi, die Ukraine sei „keine richtige Nation.“ Einen großen Teil ihres Territoriums habe Russland „weggegeben.“ Russland könnte eine Abspaltung der Krim und der östlichen Landesteile der Ukraine betreiben. Und sollte die Ukraine der NATO beitreten, würde die Ukraine „aufhören, als Staat zu existieren.“[26] Im Einklang damit erklärte Wladimir Medinski, der Leiter der russischen Delegation bei den Gesprächen mit der Ukraine am 28. Februar 2022 an der belarussisch-ukrainischen Grenze, bei diesem Land handele es sich um einen „Phantomstaat.“[27]
Sowohl der aus der russischen Geschichte abgeleitete territoriale Revisionismus als auch die Negierung ukrainischer Staatlichkeit wurden bereits mit der Annexion der Krim und der Gründung der „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk ins grelle Rampenlicht gerückt. Putin machte sich für die Wiederherstellung eines Konstrukts stark, das eigentlich nur Historiker kannten: das zaristische Gouvernement Noworossija (Neurussland). Wie Putin im April 2014 erklärte, bediente er sich hier der Terminologie aus Zarenzeiten. „Neurussland, das sind Charkow, Luhansk, Donezk, Cherson, Mykolajiw, Odessa – diese Städte gehörten zur Zarenzeit nicht zur Ukraine. Die Sowjetregierung übergab diese Gebiete erst in den 1920er-Jahren der Ukraine. Warum sie das tat, weiß nur Gott.“[28] Würde Putins Vision umgesetzt, würde Moskau die gesamte Küste des Asowschen und die nördliche Küste des Schwarzen Meeres beherrschen und ein breites Band zusammenhängender Gebiete kontrollieren, das sich von Russlands derzeitigen Westgrenzen bis zu den Grenzen Rumäniens und Moldawiens (einschließlich Moldawiens selbsternannter „Moldauischen Republik Transnistrien“) erstreckt. Auch wenn Putin diesen Begriff kurz danach von der öffentlichen Agenda nahm, blieb doch die Drohung einer möglichen Abspaltung dieser Gebietsteile der Ukraine zurück.
Neben der territorialen Dimension auf Basis einer verzerrten Geschichtsdarstellung sind bei der Invasion auch ethnische und kulturelle Beweggründe zu berücksichtigen. Dem von Russland propagierten Kulturverfall des Westens hat Putin das Konzept der „Russischen Welt“ (Russkij mir) entgegengesetzt.[29] Zu dieser Welt gehörten nicht nur über 25 Millionen ethnische Russen im Ausland, die russische „Volksgemeinschaft“ (obščina) und „Russischsprachige“ (russkojazyčnye), sondern sie vereine „all diejenigen, die die russische Sprache und Kultur wertschätzen, ganz unabhängig davon, wo sie leben, sei es in Russland oder jenseits seiner Grenzen.“[30] Putin leitet daraus eine „große Mission der Russen“ ab, „unsere Zivilisation zu vereinen und zu binden.“ Trotz dieser Anerkennung der multiethnischen Zusammensetzung der Russischen Föderation ist auch bei Putin − um bewusst ein politisch sensibles Wort zu gebrauchen − ein starkes „völkisches“ Element zu erkennen. Dies macht vor allem seine Sicht der Ukraine und der Ukrainer deutlich. So hat er in einem Artikel vom 12. Juli 2021 „Über die historische Einheit von Russen und Ukrainern“ einleitend erklärt: „Russen und Ukrainer sind ein Volk, ein geeintes Ganzes. […] Ich habe das schon oft gesagt, es ist meine feste Überzeugung.“[31] Er schloss ab mit den Worten: „Unsere religiösen, menschlichen und kulturellen Beziehungen sind über Jahrhunderte gewachsen, sie beruhen auf gemeinsamen Ursprüngen und wurden durch gemeinsame Prüfungen, Errungenschaften und Siege gestählt. Unsere verwandtschaftliche Nähe wird von Generation zu Generation weitergegeben. Sie lebt in den Herzen und im Gedächtnis der Menschen im heutigen Russland und in der Ukraine, in Gestalt der Blutsbande, die Millionen unserer Familien verbinden. Gemeinsam waren wir schon immer um ein Vielfaches stärker und erfolgreicher und werden es auch in Zukunft sein. Schließlich sind wir ein Volk.“[32]
Putins Überzeugung von der Bedeutung der „Blutsbande“ liefert eine wichtige Erklärung für seine Entschlossenheit, die „Einheit Russlands“ mit Gewalt herzustellen. Wie der starke Widerstand der Ukrainer, unabhängig von ihrem ethnischen und kulturellen Hintergrund, gegen die russische Invasion zeigt, entsprechen seine Vorstellungen nicht der Wirklichkeit.
2.2 Unterwerfung der Ukraine
Wie die Bereitstellung umfangreicher Truppenverbände und die massive Invasion aus vier Hauptrichtungen zeigten, war und ist Putins Endziel die Unterwerfung der gesamten Ukraine. Zu diesem Zweck sollten Präsident, Regierung und Parlament durch moskauhörige Quislinge ersetzt werden. Das geht unmissverständlich aus Putins Artikel vom 12. Juli 2021 und dem Dmitri Medwedews vom 11. Oktober 2021 hervor. Ganz bewusst sprechen sie vom „gegenwärtigen“ Präsidenten, den „gegenwärtigen Führern“ und den „gegenwärtigen Machthabern.“ Diese, so Putin, schürten Feindschaft und Hass gegen Russland und alles Russische und Kiews „gegenwärtige Politik“ bestehe aus einer „aggressive Assimilationspolitik“ – aus der Etablierung eines ethnisch sauberen ukrainischen Staates, die sich aggressiv gegen Russland richte und in ihren Folgen dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gleichkomme. Millionen von Menschen, die eine „echte“ Unabhängigkeit wünschten, würden unterdrückt. „Für ihre Überzeugungen […] werden sie nicht nur verfolgt, sondern auch ermordet.“ So weist Putin darauf hin, dass nach dem Maidan „Pogrome über die Städte der Ukraine hinwegrollten und in Odessa ukrainische Neonazis Menschen bei lebendigem Leibe verbrannten.“
Medwedew trieb diese Entmenschlichung der ukrainischen Elite auf die Spitze.[33] Dabei nahm er insbesondere den ukrainischen Präsidenten und dessen jüdische Wurzeln aufs Korn: Nachdem Selenski Präsident geworden war, „begann er den reaktionärsten nationalistischen Kräften der Ukraine fanatisch zu dienen. […]“ Die Quintessenz der Angriffe Putins und Medwedews auf die „gegenwärtige“ politische Führung der Ukraine ist offensichtlich: Sie muss beseitigt werden – und sei es mit Gewalt.[34]
3 Die Umsetzung der Strategie gegen die Ukraine
Putins zentrales Instrument zur Verwirklichung seiner Zielsetzungen war und ist militärische Macht, erst ihre Androhung, dann ihre Anwendung. Die Wahl dieses Mittels ist stets nicht als eine Ad-hoc-Lösung zu betrachten. Sie wurzelt vielmehr zutiefst in Putins Weltbild, das nicht bloß ganz allgemein „sowjetisch“, sondern durchaus stalinistisch geprägt ist. Diesem Bild eigen ist eine vulgäre Vorstellung von Darwins survival of the fittest als survival of the strongest: Schwach zu sein oder Schwäche zu zeigen ist fatal. „Wer zurückfällt, wird geschlagen“, stellte Stalin bereits 1931 fest.[35]
Zum selben Axiom bekannte sich Putin schon früh in seiner Amtszeit als Präsident. „Generell muss man zugeben“, sagte er, „dass wir die Komplexität und Gefahren der laufenden Prozesse in unserem eigenen Land und in der Welt nicht verstanden haben. Jedenfalls haben wir es versäumt, angemessen darauf zu reagieren. Wir haben Schwäche gezeigt. Und die Schwachen werden geschlagen.“[36] Mit „Stärke“ als Antonym von Schwäche ist vor allem militärische Stärke gemeint. Diese Auffassung reiht sich nahtlos in das marxistisch-leninistische und von Stalin bis hin zu Breschnew, Andropow und Tschernenko geteilte Bild einer Welt als einer „Arena“, die von „antagonistischen Widersprüchen“ geprägt und in der ein wesentliches Kriterium für die Gestaltung der Außenpolitik die korrekte Diagnose der „Korrelation der Kräfte“ (sootnošenie sil) ist. In dieser Weltschau, um die Begrifflichkeit westlicher Spieltheorie zu verwenden, gibt es keine Win-win-Situationen, sondern gilt nur die Regel, dass der „Gewinn“ einer Seite der „Verlust“ der anderen ist.
Putin hat diese Sicht auf den postsowjetischen Raum übertragen. „In den internationalen Beziehungen können Machtvakua nicht lange bestehen. Würde Russland auf eine aktive Politik in der GUS [Gemeinschaft Unabhängiger Staaten] verzichten oder gar eine unbegründete Pause einlegen, würde dies unweigerlich dazu führen, dass andere, aktivere Staaten [zum Beispiel der NATO?] diesen politischen Raum entschlossen ausfüllen würden.“[37]
Das sowjetisch geprägte Weltbild mit seiner herausragenden Bedeutung militärischer Macht durchzieht auch das Denkmuster des Kreml-Hoftheoretikers Karaganow. Schon 1993, als Kräfte und Befürworter einer „Großmacht“-Politik die von Außenminister Andrej Kosyrew vertretene pro-atlantische Linie unter Beschuss nahmen, forderte er, Moskaus Macht und Einfluss im postsowjetischen Raum wiederherzustellen: Ob Russland wolle oder nicht, Russland würde „gezwungen“ sein, eine wichtige postimperiale Rolle in Eurasien zu spielen, und obwohl sich „nicht alles mit Gewalt“ lösen lasse, so müsse Russland doch „die präventive Rolle der Gewalt“ rekonstituieren.[38]
Von dieser „Notwendigkeit“ zieht sich eine gerade Linie zu der Fernsehansprache vom 22. Februar 2022, in der Putin die zwei Tage später einsetzende „militärische Sonderoperation im Donbass“ zu rechtfertigen versuchte. Die Frage stelle sich, führte er aus, „ob man alle Probleme mit Hilfe von Gewalt lösen oder man auf der Seite des Guten bleiben sollte. Warum denken Sie, dass das Gute immer gewaltfrei sein sollte? Ich sehe das nicht so.“[39]
Sogar der als besonnener geltende Dmitri Trenin schrieb eine Woche vor Beginn der Invasion: „Die Ukraine-Krise hat zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges die Bereitschaft Russlands gezeigt, militärische Gewalt anzuwenden, um eine weitere Expansion des westlichen Bündnisses in ehemaliges sowjetisches Gebiet zu verhindern. Das ist eine riskante Strategie, die aber zumindest teilweise aufgehen könnte: Angesichts der starken Opposition Moskaus hat Washington weder das Interesse noch die Absicht, mit Russland über die Ukraine zu kämpfen oder Russland mit der Stationierung von US-Raketen dort zu sehr zu provozieren.“[40] Von einem möglichen Fehlschlag der riskanten Strategie war dabei nicht die Rede.
Die militärische Ausführung der russischen Zielsetzungen wurde Ende März 2021 erkennbar. In den russischen sozialen Medien tauchten unzählige Videos von Waffentransporten auf, die sich in Richtung der Gebiete (oblasti) Woronesch und Rostow am Don sowie Krasnodar (krai) und Krim bewegten.[41] Die nächste größere Etappe der Invasionsvorbereitungen war das Manöver Sapad-2021, das vom 10. bis 16. September stattfand. Im Gegensatz zu früheren Sapad-Manövern, einschließlich des letzten anno 2017, wurde Sapad-2021 mit umfangreichen Übungen auf russischem und belarussischem Territorium in den Monaten Juli und August eingehend vorbereitet. Zudem – und das war die Besonderheit – erfolgte der Hauptteil der Großübung nicht in der Nähe der Kontaktlinie zwischen Russland und der NATO, sondern weit davon entfernt in den Regionen Nischni Nowgorod (Truppenübungsplatz Mulino) und Woronesch (Pogowo).[42] Und damit nicht von ungefähr in Gebieten, die deutlich näher an Charkiw, Donezk und Luhansk liegen als an Minsk.
Der Truppenaufbau ging unter dem Deckmantel immer neuer Militärmanöver weiter, so dass Russland zu Beginn der Invasion am 24. Februar eine Streitmacht von 169.000–190.000 Soldaten (pro-russische Rebellen in der Ostukraine inklusive) an den Grenzen zur Ukraine zusammengezogen hatte; allein im Monat zuvor war diese Streitmacht um mehr als 90.000 Mann gewachsen.[43] Als Speerspitzen der Einsatzkräfte sollten die sogenannten taktischen Bataillonsgruppen (BTG) dienen. Verfügten die russischen Streitkräfte 2016 noch über 66 BTG, so waren es 2022 insgesamt 168, von denen zu Beginn der Invasion 117 bereitgestellt und 111 eingesetzt wurden.[44]
Am 24. Februar 2022 begann der militärische Überfall auf die Ukraine mit Luftangriffen auf militärische Ziele und einer Luftlandeoperation mit dem Ziel, in die City von Kiew vorzudringen und Präsident Selenski festzunehmen oder zu töten. Gleichzeitig setzten sich die ersten mechanisierten Einheiten entlang von vier Angriffsachsen in Bewegung. Die Luftangriffe blieben erstaunlich verhalten, die gegen den ukrainischen Präsidenten gerichtete Luftlandeoperation misslang kläglich und die Heeresverbände blieben nach 100 bis 120 Kilometern stehen, da die Logistik am Limit war und vor allem, weil die ukrainischen Streitkräfte massiven Widerstand leisteten. Nach wenigen Tagen zeichnete sich ab, dass – was immer der russische Plan gewesen sein mochte – eine rasche Unterwerfung der Ukraine nicht gelingen würde. Dennoch setzte sich der Krieg fort, von russischer Seite von Tag zu Tag brutaler.
Nach acht Wochen war erkennbar, dass der Krieg durch eine Patt-Situation gekennzeichnet war, bei der einerseits die russische Invasion als gescheitert angesehen werden musste, andererseits aber die Ukraine die Kontrolle über etwa 15 Prozent seines Territoriums verloren hatte und zudem Schäden in der Größenordnung von 500 bis 600 Mrd. Euro erleiden musste.
4 Hat die westliche Staatengemeinschaft angemessen auf die Herausforderung reagiert?
Putins rücksichtslose, um nicht zu sagen brutale Vorgehensweise, wirft kein positives Licht auf die bisherige Politik der westlichen Staatengemeinschaft (die demokratisch regierten Staaten Europas, die USA und Kanada) gegenüber Russland. Wer wie Putin derart weitgehende Forderungen in Form eines Ultimatums stellt, der macht deutlich, dass er eine umfassende und radikale Veränderung der internationalen Beziehungen anstrebt (zumindest auf dem europäischen Kontinent). Er drückt damit ebenfalls aus, was er von der gegnerischen Seite hält – nämlich nichts. Für Putin ist der Westen im Niedergang begriffen: Er hält die westlichen Gesellschaften für dekadent und schwach, die Politiker für uneinig, unentschlossen, teilweise käuflich und die Führungsmacht des Westens infolge innenpolitischer Polarisierungen für geschwächt. Und Chinas Aufstieg führe dazu, dass Washington seine internationalen Engagements zurückfahren müsse.
4.1 NATO-Erweiterung: ein Fehler?
Bei der Diskussion über Fehler „des Westens“ gegenüber Russland finden sich überraschenderweise viele Stimmen aus dem Lager der Realistischen Schule der Politikwissenschaft, die dem Westen mangelnden Respekt gegenüber Russland vorwerfen. Insbesondere die „rücksichtslose“ Ausweitung der NATO werten sie als Bedrohung russischer Sicherheitsinteressen. Ohne diese wäre das Verhältnis zu Russland heute ein anderes. Ein realistischer Umgang mit einer Großmacht wie Russland hätte es geboten, auf dessen Sicherheitsbedürfnisse einzugehen. Auch gäbe es subtile Formen, Einflusszonen von Mächten wie Russland zu akzeptieren, ohne westliche Werte verraten zu müssen (siehe Finnlands Position nach dem Zweiten Weltkrieg).[45] Gerne wird der Realist und Russland-Kenner George F. Kennan erwähnt, der Ende der 90er-Jahre eindringlich vor einer NATO-Erweiterung gewarnt hatte.[46] Aus dieser realistischen Perspektive ist es für die Ukrainer geboten, sich dem russischen Willen zu beugen und nicht zu kämpfen.[47]
Es ist natürlich angebracht, gegenüber einer Großmacht wie Russland Realismus walten zu lassen und sorgsam zwischen einer werteorientierten und einer machtorientierten Politik abzuwägen. Genau das war die Politik der westlichen Allianz ab den frühen neunziger Jahren – was die genannten „Realisten“ offensichtlich aus ihrer Erinnerung gelöscht haben. Bis Anfang 1994 stand das Thema NATO-Erweiterung für die damalige Clinton-Administration nicht auf der Agenda und entsprechende Signale aus Warschau, Budapest oder Prag wurden abgeblockt. Eindeutige Priorität der Politik der führenden westlichen Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) war es damals, Russland die Gelegenheit einer demokratischen Erneuerung und Transformation zur Marktwirtschaft zu bieten – und da hätte eine Erweiterung der Nordatlantischen Allianz angesichts der unklaren innenpolitischen Lage in Russland möglicherweise das falsche Zeichen gesetzt.
Die Lage änderte sich mit dem Ausgang der ersten freien Parlamentswahl in Russland im Dezember 1993. Das Ergebnis war niederschmetternd für alle, die auf eine demokratische Transformation in Russland gehofft hatten. Jene Parteien, die eine solche Transformation anstrebten, erhielten zusammen etwas mehr als 15 Prozent der Stimmen. Stärkste Kraft mit fast 23 Prozent wurde eine rechtsnationalistische Partei, die sich zu offener Feindschaft zum Westen bekannte. Die Kommunistische Partei, die für die Wiederherstellung der Sowjetunion stand, wurde drittstärkste Kraft. Mit diesem Wahlausgang bestätigten sich besonders in Ostmitteleuropa die schlimmsten Befürchtungen.
Schon im Januar 1994 beschloss die NATO ein Partnerschaftsprogramm, das Beitrittsinteressierten die Möglichkeit der Mitwirkung in Einrichtungen der NATO gewährte. Ein Jahr später eruierte man vorsichtig, welche Länder man unter welchen Bedingungen aufnehmen könnte. Gleichzeitig führte die NATO mit Russland Verhandlungen mit dem Ziel, Russland für den Fall einer NATO-Erweiterung Sicherheitsgarantien einzuräumen. Diese Verhandlungen mündeten 1997 in der Vereinbarung der NATO-Russland-Akte. Darin verpflichtete sich die NATO, in neuen Mitgliedstaaten keine Kernwaffen und ausländische Truppen nur in einer militärisch irrelevanten Größenordnung zu stationieren. Außerdem wurde der NATO-Russland-Rat geschaffen, der einen kontinuierlichen Dialog zwischen Russland und der NATO sicherstellen sollte. Erst danach, im Jahr 1999, wurden Polen, Ungarn und Tschechien in die NATO aufgenommen. Gleichzeitig wurden die Bundeswehr und andere europäische Streitkräfte verkleinert, sodass die Gesamtzahl der in Europa befindlichen Streitkräfte des atlantischen Bündnisses zum Zeitpunkt des Beitritts dieser drei Staaten (von denen nur Polen als militärisch relevant zu bezeichnen ist) geringer war als vor Verabschiedung der NATO-Russland-Akte. Im Jahr 2004 wurde unter den gleichen Regularien die zweite NATO-Erweiterung eingeleitet, die dieses Mal die (militärisch völlig unbedeutenden) baltischen Staaten, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Slowenien umfasste. Beim NATO-Gipfel 2008 sollten neben den militärisch ebenfalls irrelevanten Staaten Albanien und Kroatien auch die Ukraine und Georgien aufgenommen werden. Gegen den Beitritt von Ukraine und Georgien sprachen sich damals Deutschland und Frankreich unter Verweis auf russische Empfindlichkeiten und mögliche Reaktionen Moskaus aus, weshalb deren Mitgliedschaftsanträge bis zum heutigen Tag unbeantwortet sind.
Von einer Missachtung russischer Sicherheitsinteressen bei der NATO-Erweiterung kann also keineswegs die Rede sein. Vielmehr haben die Mitgliedstaaten der Allianz behutsam abgewogen zwischen dem berechtigten Interesse der Staaten Ostmitteleuropas an Mitwirkung in einer kollektiven Verteidigungsallianz einerseits und der russischen Sicherheitsperzeption andererseits. Damit veränderte sich der Charakter der NATO: die Verteidigung der neuen Mitglieder blieb eine politische Formel, hinter der nicht mehr eine gemeinsame Verteidigungsplanung und Aufstellung entsprechender internationaler Streitkräfteformationen in den neuen Mitgliedstaaten standen. Falsch ist auch das immer wieder zu vernehmende Argument, die NATO sei „an Russlands Grenzen herangerückt“. Es träfe zu, wenn größere ausländische Verbände nahe der russischen Grenze stationiert worden wären. Doch das ist nie versucht worden.
4.2 Die wirklichen Fehler des Westens
Die tatsächlichen Fehler des Westens sind den folgenden Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz zu entnehmen, der am 8.2.2022 anlässlich eines Treffens mit dem französischen und dem polnischen Präsidenten sagte: „Eine weitere Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine ist inakzeptabel und würde weitreichende Konsequenzen für Russland nach sich ziehen, politisch, wirtschaftlich und sicherlich auch geostrategisch.“[48] Die Betonung liegt hier auf weitere Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine. Der größte Fehler der westlichen Staatenwelt besteht genau darin, vorherige massive Verletzungen der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland zugelassen zu haben. Sie umfassten die Besetzung der Krim durch russische Sondereinsatzkräfte und „Freiwilligenverbände“ (plus die „Volksabstimmung“ zugunsten eines Beitritts der Krim zu Russland) sowie die gewaltsamen Operationen russischer Einsatzkräfte zur Vertreibung ukrainischer Behörden aus Städten und Landkreisen im Donbass und in Odessa. Während diese Form der hybriden Aggression in Odessa scheiterte, gelang es Russland, einen Teil der östlichen Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen. Als im Frühjahr 2015 ukrainische Truppen die Gebiete zurückzuerobern versuchten, intervenierte ein mechanisierter Verband der russischen Armee zugunsten der „Volksrepubliken“ und fügte den ukrainischen Einheiten eine Niederlage zu.
Deutschland und auch Frankreich begingen damals einen entscheidenden Fehler: Sie wollten den prinzipiell konfrontativen Charakter der russischen Politik gegenüber dem Westen nicht wahrhaben, der in den hybriden Aggressionen gegenüber der Ukraine zum Vorschein kam. Vielmehr hingen sie der irrigen Annahme an, es läge ein regional begrenzter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vor, in dem man vermitteln könne und Äquidistanz praktizieren müsse. Dabei verstieß die russische Regierung mit den Aggressionen gegen die Ukraine nicht nur gegen zentrale Bestimmungen des Völkerrechts, sondern auch gegen die Kernpunkte der sicherheitspolitischen Vereinbarungen und Absprachen, die der Kreml und die westlichen Regierungen zwischen 1990 und 1997 getroffen hatten. Gerade wenn die Bundesregierung so viel Wert auf die Wahrung der internationalen regelbasierten Ordnung legte, hätte sie viel grundsätzlicher und härter reagieren müssen. Auf ungesühnte kleine Regelverstöße folgen in der Regel größere und am Ende bleibt von den Regeln nicht mehr viel übrig. Aber in ihrer illusorischen Politik fand sich die Bundesregierung durch Paris unterstützt und zeitweilig hatte man den Eindruck, dass jede Regierung die andere in einer russlandfreundlichen Politik zu übertrumpfen versuchte.[49]
Man muss allerdings einräumen, dass die Bundesregierung im Herbst 2014 und vor allem im Frühjahr 2015 mit den Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format der Ukraine eine womöglich nachhaltigere Niederlage erspart hat. Ergebnis waren die Vereinbarungen von Minsk (Minsk I und II sowie weitere Bestimmungen).[50] Doch hatten sich Berlin und Paris mit den Minsk-Abkommen auf ein Netz russischer Lügen und Propagandatricks eingelassen, das den Spielraum für eine friedliche Lösung zugunsten der Ukraine immer mehr einschränkte. Die Minsker Vereinbarungen beinhalteten Formeln, die die unvereinbaren Positionen beider Seiten übertünchten. In der Tat haben sich diese Positionen als unüberbrückbar erwiesen; daran hat auch die „Steinmeier-Formel“ nichts geändert, die eigentlich einem Sequenzierungsproblem vorbeugen sollte. Schon längere Zeit haben die Vorstöße der russischen Seite die Minsker Absprachen hinfällig gemacht.[51] Mit der Anerkennung der beiden „Volksrepubliken“ und dem Überfall auf die Ukraine hat Russland die Abkommen gänzlich erledigt.
Der zweite große, für die deutsche Politik besonders charakteristische Fehler bestand in der Annahme, man könne Russland durch eine geduldige Diplomatie und beharrliche Politik der wirtschaftlichen Integration auf den Weg zu einer inneren Modernisierung und damit außenpolitischer Mäßigung bewegen. Bis zum Ende der Amtszeit von Dmitri Medwedew als Präsident Russlands (2008–2012) gab es durchaus Anlass, Hoffnungen in diese Politik zu setzen. Aber nach dem erneuten Machtantritt Wladimir Putins im März 2012 (und den Protesten gegen ein offensichtlich gefälschtes Wahlergebnis) setzte die Politik des Kremls immer mehr auf innenpolitischen Machterhalt und die damit verbundene internationale Konfrontation (die wiederum Teil der Strategie des innenpolitischen Machterhalts einer kleptokratischen Machtvertikale wurde).[52]
Man muss der deutschen Bundesregierung – nicht nur der rot-grünen Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder, sondern auch den von Angela Merkel angeführten Koalitionsregierungen von Union und SPD bzw. FDP – den Vorwurf machen, dass sie sich durch nichts in ihrem Glauben an die Wandelbarkeit und Mäßigung der russischen Führung hat erschüttern lassen. Deutschlands Russland- und Verteidigungspolitik der vergangenen 25 Jahre zeichnete sich aus durch eine illusorische Haltung gegenüber Russland, in der sich Russlandeuphorie und historisches Schuldbewusstsein, ein vulgärer Pazifismus (Nationalpazifismus) und eine unterschwellig neutralistische und antiamerikanische Versuchung vermischten, wobei auch die intensive Lobbyarbeit von Unternehmen – zumeist aus dem Energiesektor – die politischen Entscheidungen beeinflusste. Es drängt sich auch der Eindruck auf, dass Institutionen und Personen aus Politik und Wirtschaft tief in ein vom Kreml geschaffenes Geflecht aus wirtschaftlichen Anreizen und Korruption verstrickt waren.
Der Vulgärpazifismus war vor allem in der SPD stark ausgeprägt und griff die Parolen der Friedensbewegung der 80er-Jahre auf. Die Union, klassische Partei der transatlantischen Beziehungen und Verteidigungspolitik, fiel völlig aus in ihrer traditionellen Rolle angesichts einer aus ihren Reihen stammenden Bundeskanzlerin, die mit Militär nichts anfangen konnte und taub war gegenüber Warnungen vor militärischen Bedrohungen aus Moskau. Eine Putin-Versteherin war Kanzlerin Merkel nie, doch sie war beseelt von dem unbeirrbaren Glauben, mit persönlicher Diplomatie die Kontroversen mit Russland irgendwie unter Kontrolle halten zu können. Zeitweilig schien das auch zu funktionieren, aber mittelfristig war es keine Perspektive.
Sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch von Nachrichtendiensten und nicht zuletzt von polnischen und baltischen Politikern wurde die Bundesregierung immer wieder aufgefordert, ihre auf „Partnerschaft“ und „Dialog“ mit Russland basierende Politik zu revidieren und anzuerkennen, dass Moskau die strategische Auseinandersetzung mit dem Westen sucht und sich daraus eine gefährliche militärische Konfrontation entwickeln könnte. Diese Botschaft kam in den Regierungskoalitionen aus Union und SPD oder Union/FDP nicht an. Sie passte nicht ins Weltbild.
Insbesondere das Auswärtige Amt und das Bundeskanzleramt hielten strikt an einer Politik fest, die meinte, durch Dialog und wirtschaftliche Verflechtung mit Russland und demonstrativen Verzicht auf militärische Instrumente den Kreml besänftigen zu können. So etwa geißelte der damalige Außenminister Frank Walter Steinmeier Militärmanöver der USA und anderer Alliierter im Baltikum als „Säbelrasseln.“[53] Sowohl Steinmeier als auch Kanzlerin Merkel beunruhigte es nicht sonderlich, dass Putin und Lawrow sie bei den Gesprächen im Normandie-Format in Minsk belogen und ausgetrickst hatten. Erst die Außenministerin Annalena Baerbock hat diesen Tatbestand Anfang 2022 in aller Klarheit benannt, während Steinmeier seinerzeit nur von einer „Vertrauenskrise“ im deutsch-russischen Verhältnis gesprochen hatte. Nikolaus Busse von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat das Scheitern der deutschen Russlandpolitik zu Recht als den größten anzunehmenden Unfall der deutschen Außenpolitik bezeichnet.[54]
Der dritte große Fehler war die Unbedachtheit der deutschen Energiepolitik bei der Erdgasversorgung.[55] Trotz ihrer Zusage, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren, tat die Bundesregierung genau das Gegenteil. Nur wenige Monate nachdem Russland die Krim annektiert hatte, stimmte die Bundesregierung dem Projekt Nord Stream 2 zu, das eine noch höhere Abhängigkeit von russischem Erdgas bedeutete. Gleichzeitig versäumte sie es, die Möglichkeiten zu nutzen, die der kontinuierlich wachsende globale Markt für Flüssiggas eröffnete, um die Bezugsquellen zu diversifizieren. Bis heute gibt es in keinem einzigen deutschen Hafen ein Erdgasterminal. Die Bundesregierung ignorierte völlig die geopolitischen Dimensionen des Projekts. Nord Stream 2 hatte ebenso wie das Vorhaben Turkish Stream das Ziel, die Ukraine als Gastransitland auszuschalten. Das Volumen des Gastransits durch die Ukraine sollte „auf null“ gebracht werden, wie Gazprom-Vorstandschef Alexei Miller schon im Dezember 2014 klargestellt hatte.[56] Den Protest aus Europa und aus den USA gegen Nord Stream 2 schob man unbeirrt beiseite, betete die Formel von einem rein kommerziellen Projekt wie ein Mantra herunter oder betonte abwechselnd mal die deutsche, mal die europäische Souveränität gegenüber den USA.
Der vierte Fehler war die komplette Vernachlässigung der Bundeswehr über nahezu ein Vierteljahrhundert. Die Bundeswehr musste nach der Wiedervereinigung abgebaut werden, daran bestand kein Zweifel. Ein solcher Abbau erfordert jedoch ein strategisches Konzept, in dessen Rahmen Aufgaben (Bündnisverteidigung, Auslandseinsätze) definiert und entsprechende Maßnahmen vorgenommen werden, um die strategischen Vorgaben zu erfüllen. Bis 1998 erfolgte der Abbau der Bundeswehr einigermaßen strategisch. Dann setzte ein nur noch heilloser und planloser Rückbau ein, am nachhaltigsten unter dem damaligen Verteidigungsminister von Guttenberg. Die Bundeswehr ist seit vielen Jahren nicht mehr zu integrierten und komplexen Kampfhandlungen unter Bedingungen eines modernen Krieges in der Lage. Es wurde zu lange gespart und abgebaut, und die Auslandseinsätze haben zu einem enormen Verschleiß an Material beigetragen. In diesen etwas weniger als 25 Jahren kamen acht Verteidigungsminister und -ministerinnen ins Amt, die zuvor kein Interesse an verteidigungspolitischen Fragen und kein erkennbares Gespür für strategische Fragen und Zusammenhänge hatten. Darüber hinaus besaß die Bundeswehr eine Generalität und Admiralität, die nicht wagte aufzumucken.
Mit dieser faktischen Selbstentwaffnung der Bundeswehr hat die deutsche Bundesregierung indirekt dazu beigetragen, dass Putin heute den Westen so kaltblütig berechnend militärisch herausfordert. Putins Risikokalkül hat zwei Dimensionen: erstens das Vertrauen in die gestiegene Kampfbereitschaft seiner Truppen[57] und zweitens das Wissen, dass Europas größte Landmacht derzeit „blank“ dasteht.[58] Bei einer kampfbereiten, zur Bündnisverteidigung fähigen Bundeswehr hätte Putin der NATO im Dezember 2021 nicht sein Ultimatum gestellt.
Selbstverständlich trägt auf westlicher Seite nicht die Bundesrepublik allein die Verantwortung für die heutige desolate Lage. Auch die USA haben erheblich zur Perzeption der westlichen Schwäche beigesteuert. Die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan haben über vier Billionen US-Dollar verschlungen, ohne einen greifbaren Erfolg zu bringen: Afghanistan endete in einer Katastrophe. In der Tat haben diese Einsätze die Vereinigten Staaten militärisch, politisch und auch wirtschaftlich geschwächt. Hinzu kommt die tiefe gesellschaftliche Krise in den USA, die sich in der extremen Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern niederschlägt. Aber auch Frankreich und Großbritannien haben über zwei Jahrzehnte Deutschlands Russlandpolitik mehr oder weniger mitgetragen und sind den gleichen Illusionen erlegen wie die Bundesregierung. In der neueren Geschichte der westlichen Staatengemeinschaft gibt es keine dermaßen langanhaltende Periode außenpolitischen Irrens wie nach 2007. Putins Rede im Februar 2007 vor der Münchener Sicherheitskonferenz markierte den Wendepunkt seiner Politik, was sich ein Jahr später mit Russlands militärischer Intervention in Georgien überdeutlich zeigte.
4.3 Der Zeitenwandel im Februar 2022
Unter dem Eindruck des russischen Ultimatums (dessen Konsequenzen korrekt einzuschätzen der Regierung Scholz äußerst schwerfiel) und vor allem des militärischen Aufmarsches im Januar und Februar sowie angesichts der sehr präzisen US Analysen und der geradezu totalen Isolation Deutschlands in NATO und EU fand in der Bundesrepublik Ende Februar 2022 ein radikaler Politikwechsel statt.
Damit endet eine Periode von mehr als zwanzig Jahren einer illusionsgeleiteten Russlandpolitik und planlosen Energiepolitik sowie von acht Jahren währender Beschwichtigungs- und Anbiederungspolitik an Russland. Diese Abwiegelungspolitik ist oft mit derjenigen Großbritanniens in den Jahren 1936 bis 1938 verglichen worden. Dieser Vergleich ist korrekt. Allerdings dauerte Londons Politik genau zweieinhalb Jahre an, in Deutschland hielt sie acht Jahre vor – trotz ungleich besserer Informationslage. In beiden Fällen verhinderte die Beschwichtigungspolitik nicht einen anstehenden Krieg, sondern trug wesentlich dazu bei, dass die Risikobereitschaft des Aggressors zunahm und die eigene Wehrbereitschaft verzögert wurde.
Russland führt nicht nur Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen das demokratische Europa. Es will die Veränderungen der Jahre 1989 bis 1992 rückgängig machen. Die Ukraine dürfte nur der Anfang sein. Dank des zähen Widerstands der Ukrainer könnte Putins weitergehende Planung platzen. Umso notwendiger ist es, sich vor Augen zu führen, was der Eintritt in einen neuen Kalten Krieg bedeutet.
5 Der neue Kalte Krieg
Bei dem neuen Kalten Krieg geht es nicht „bloß“ um die Ukraine, sondern um die sicherheitspolitische Ordnung in Europa. Wie bereits ausgeführt, will Putin offenkundig die „Schmach“ der Jahre 1989 bis 1997 ausmerzen, in denen das russische Imperium zerfiel und der Kreml angeblich ein Zugeständnis nach dem anderen machen musste. Vor allem will er die führende Rolle der USA als Sicherheitsanker in Europa abschaffen. Die NATO soll ihre Wirkungskraft als Verteidigungsbündnis und Organisation der militärischen Zusammenarbeit von dreißig Nationen und als Bindeglied der USA an die europäische Sicherheit verlieren. Europa soll sich an russischen Sicherheitsvorstellungen orientieren, die im Kern nationalistisch, faschistoid und demokratiefeindlich sind und von der Annahme einer natürlichen Suprematie der russischen Zivilisation ausgehen. Nach russischem Sicherheitsverständnis darf es auf dem europäischen Kontinent keine militärisch gleichrangige Macht geben. Langfristig sollte in Europa kein demokratisch verfasster Staat existieren, fürchtet Russlands herrschende Klasse Demokratie doch wie der Teufel das Weihwasser.
Wenn sich die Europäer auf dieses Ordnungsprinzip einlassen würden, dann wird es mit Wohlstand, Frieden und Demokratie für lange Zeit vorbei sein. Die russische Herausforderung ist fundamental und scheint aus der Zeit gefallen. Ähnliche Forderungen hatte Stalin nach Ende des Zweiten Weltkriegs gestellt, zu einem Zeitpunkt, als die Rote Armee den Krieg an der Ostfront gewonnen hatte und Europa in Trümmern lag. Heute leben außerhalb der Grenzen Russlands in Europa etwa 570 Millionen Menschen in weitgehend funktionierenden Demokratien und prosperierenden Ökonomien. Sie erwirtschaften mit jährlich 15 bis 16 Billionen US-Dollar etwa 17 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts.[59] Die grundlegende Frage lautet: Sollen die Menschen in Europa sich vom kleptokratischen Diktator eines Landes mit 142 Millionen Einwohnern und maroder politischer, wirtschaftlicher, technischer und zivilisatorischer Bilanz vorschreiben lassen, wie sie ihre Sicherheit zu organisieren und ihre politische Ordnung zu gestalten haben? Die Frage ist leicht beantwortet – wird aber in der Politik in dieser Klarheit nicht gestellt. Aber derzeit herrscht große Einigkeit darüber, dass man sich gegen Russlands Anspruch militärisch wappnen muss und eine neue Eindämmungs- und Abschreckungspolitik notwendig ist.
Wie wird der neue Kalte Krieg aussehen? Zurzeit läuft alles auf eine neue Zweiteilung Europas hinaus: auf der einen Seite Russland und Belarus, auf der anderen Seite die Staaten der NATO und der EU, die sich dem russischen Vormachtstreben entgegensetzen. Dazwischen liegen Länder wie die Ukraine, Moldau oder Georgien, die umstritten sind oder sein werden. Außerdem wird der Konflikt auch in Regionen außerhalb Europas ausgetragen werden können und wird eng mit dem Konflikt zwischen China auf der einen Seite und den USA und deren pazifischen Verbündeten auf der anderen Seite verknüpft sein. Es ist ein Konflikt zwischen dem autoritären Russland und der freien Welt und er wird ein fundamentaler Konflikt bleiben, solange in Moskau die derzeit von Putin angeführte, mafia-ähnlich strukturierte Machtvertikale am Ruder bleibt. Der neue Kalte Krieg wird sehr stark von der Dynamik der ökonomischen Entflechtung und der militärischen Balance bestimmt sein, aber auch von innergesellschaftlichen Faktoren. Wie sich der Konflikt in dauerhafte Strukturen transformieren wird, lässt sich derzeit nicht schlüssig beantworten, weil die weitere Entwicklung von Faktoren, Dynamiken und Ereignissen abhängt, die sich zwar benennen lassen, deren Interaktionen jedoch nicht vorhersehbar sind. Daher sollen im Folgenden jene Faktoren und Dynamiken aufgezeigt werden, die den neuen Kalten Krieg voraussichtlich strukturieren werden. Dazu ist ein Vergleich mit dem ersten Kalten Krieg (1950–1989) und den Dynamiken, die ihn strukturiert hatten, sinnvoll.
5.1 Die Dynamik des alten Kalten Krieges
Der erste Kalte Krieg war Teil des übergreifenden Ost-West-Konflikts, der von 1946 bis 1989 andauerte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich ein politischer Konflikt zwischen der Sowjetunion und dem Westen über die innenpolitische Ordnung der Staaten Europas und die zwischenstaatliche Ordnung des Kontinents. Moskau sah sich infolge des Kriegsausgangs in der Position, seine innenpolitischen Ordnungsvorstellungen dort mit Gewalt durchzusetzen, wo es Besatzungsmacht war. Die internationale Ordnung Europas sollte nach Abzug der USA durch die militärische Vormachtstellung der Sowjetunion gesichert werden.[60] Im westlichen Europa war der Widerstand gegen die sowjetischen innen- und außenpolitischen Ordnungsvorstellungen groß. Unter Führung der USA bildete sich eine Koalition heraus, die Europas schnellen Wiederaufbau organisierte und die Eindämmung des Kommunismus mit politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen in den Vordergrund stellte.[61] Der politische Konflikt geriet zu einem Systemkonflikt zwischen liberaler Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialstaat auf der einen und wissenschaftlichem Sozialismus und Diktatur auf der anderen Seite.[62] Der Systemkonflikt war – wie von Kennan vorhergesagt – eigentlich Mitte der 70er-Jahre zugunsten des Westens entschieden,[63] es dauerte aber noch 15 Jahre, bis das System des wissenschaftlichen Sozialismus kollabierte.
Die Dynamik des Ost-West-Konflikts wurde stark von der Dynamik des militärischen Konflikts bestimmt. Dieser setzte erst 1950 mit dem Beginn des Korea-Kriegs ein, der eine ähnlich katalysierende Wirkung hatte wie heute der Ukraine-Krieg. Nordkoreas Führung hatte einen Eroberungskrieg gegen den Süden des Landes gestartet, offenbar mit Billigung des damaligen sowjetischen Diktators Josef Stalin. Ein solcher Angriff hätte sich auch in Europa ereignen können, und zwar mit der sehr viel stärkeren Roten Armee, die nach der deutschen Kapitulation nicht wesentlich verkleinert worden war (im Gegensatz zu den amerikanischen und britischen Streitkräften).
In den Jahren 1950 bis 1989 bildete sich die Dynamik einer militärischen Konfrontation heraus, bei der die Sowjetunion und der von ihr dominierte Warschauer Pakt eine großangelegte militärische Invasionsfähigkeit gegen Westeuropa aufbauten, während die Mitgliedstaaten der NATO Moskau von einer Invasion abzuschrecken versuchten, indem sie Verteidigungskräfte aufstellten und auf Kernwaffen als Instrument der finalen Abschreckung setzten.[64] Dies führte zu einer umfassenden Rüstungskonkurrenz (manchen sprechen von Rüstungswettlauf) und einer hochgradigen Militarisierung Mitteleuropas und der beiden deutschen Staaten.[65] Doch die Abschreckung funktionierte und verhinderte, dass aus der Konfrontation ein „heißer“ Krieg wurde (deshalb „Kalter Krieg“).[66]
5.2 Die voraussichtliche Dynamik des neuen Kalten Krieges
Heute ist die Situation eine andere als vor 70 bis 75 Jahren. Erneut ist Ausgangspunkt des Konflikts zwischen Russland und dem Westen der russische Anspruch, Europas Sicherheitsordnung nach seinen Vorstellungen umzustrukturieren und Vormacht auf dem europäischen Kontinent zu werden. Dieses Mal aber will nicht die Siegermacht des Zweiten Weltkriegs die Vorherrschaft in einem Europa, das in Trümmern liegt. Sondern es ist Putin, der in einem prosperierenden Europa Russlands verlorene Machtstellung wiedergewinnen, das Ende des Kalten Krieges umschreiben und eine russische Dominanz über Europa festschreiben will, nach der die Sowjetunion seinerzeit vergeblich gestrebt hatte.
Dieser Anspruch ist aus der Zeit gefallen, aber real. Wie eingangs erwähnt, resultiert die hauptsächliche, den Konflikt verursachende und permanent verschärfende Dynamik aus den internen Legitimationsproblemen der von Putin geschaffenen russischen Herrschaftselite. Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich diese Machtelite, die Opposition zu unterdrücken, indem sie einen Konflikt mit dem Westen herbeiredet und herbeiführt. Je länger die russische Elite diesen Konflikt für ihren Machterhalt nutzt und je mehr sie sich in ihn hineinsteigert, umso radikaler und gefährlicher wird das Konfliktnarrativ. Inzwischen hat sich die russische Herrschaftselite darauf eingeschworen, nicht nur die Ukraine Russland einzuverleiben, sondern auch die NATO-Erweiterung rückgängig zu machen und die USA aus Europa herauszuhalten.
Eine besondere Dynamik geht von den jetzigen militärischen Kräfteverhältnissen aus. Zu Zeiten des alten Kalten Krieges herrschte eine Dynamik von Reaktion und Gegenreaktion, bei der Verbesserungen der Angriffsfähigkeit des Warschauer Pakts Rüstungsmaßnahmen des Westens auslösten und der Warschauer Pakt wiederum die Verbesserung der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit des Westens zu konterkarieren versuchte. Anders heute: Seit 15 Jahren erfahren Russlands Streitkräfte einen Aufrüstungs- und Modernisierungsschub, auf den die westliche Staatengemeinschaft nicht oder nur unzureichend reagiert hat. Im Wesentlichen zielten Moskaus Rüstungsanstrengungen darauf ab, die Fähigkeit zu Angriffs- und Besatzungskriegen in Russlands Nachbarschaft zu erlangen und auf regionaler Ebene nukleare Eskalationsdominanz herzustellen– etwa um territoriale Eroberungen absichern zu können.[67] Verglichen mit den Verteidigungsausgaben westlicher Staaten schienen Russlands offizielle Verteidigungsausgaben nicht besonders hoch, zwischen 60 und 70 Mrd. US-Dollar pro Jahr. Doch man muss diese Ausgaben auf Basis der Kaufkraftparität berechnen. Und dann gelangt man zu Summen von jährlich mindestens 160 Mrd. US-Dollar während der vergangenen 15 Jahre.[68]
Zu Zeiten des alten Kalten Krieges wurde die Aktion-Reaktions-Dynamik des Rüstens als Momentum kritisiert, das die Kriegsgefahr schüre, und der Ausstieg aus dieser Rüstungsspirale gefordert. Die bittere Realität ist, dass vor allem in den vergangenen 25 Jahren die Bundesregierungen die Bundeswehr massiv vernachlässigt haben und Deutschlands „Ausstieg aus der Rüstungsdynamik“ Vorbild in Europa war. Damit ist leider nicht der Frieden gefördert worden, eher das Gegenteil. Diesen Fehler wettzumachen ist eine zentrale Aufgabe westlicher Politik nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Nur wenn die westliche Nachrüstung mit Konsequenz und Augenmaß erfolgt, kann man davon ausgehen, dass der neue Kalte Krieg ein „kalter“ bleiben wird. Neben der Wiederaufrüstung der Bundeswehr wird es insbesondere darauf ankommen, die östlichen Grenzen der NATO verteidigen zu können und diese Aufgabe als Anliegen aller Mitgliedstaaten zu begreifen. Auch die erheblichen Defizite bei Luftraumverteidigung und Raketenabwehr gilt es zu beseitigen. Deutschland wird nicht mehr das Frontgebiet sein, jedoch das logistische Hinterland, weshalb die Sicherung des Luftraums ein zentrales Anliegen deutscher Verteidigungspolitik sein muss. Außerdem muss die nukleare Teilhabe konsequent weiter verfolgt werden, damit keine Abschreckungslücken entstehen.[69] Selbstverständlich wird die Rüstung der NATO zu Rüstungsmaßnahmen Russlands führen – die ohnehin einsetzen werden, wenn Russland weiterhin dem Weg folgt, den es Mitte Dezember 2021 eingeschlagen hat.
Ein weiterer Faktor für die Dynamik des neuen Kalten Krieges sind die wirtschaftlichen und politischen Folgen der massiven Sanktionen und Embargomaßnahmen, die die westliche Staatengemeinschaft gegen Russland als Folge des Überfalls auf die Ukraine verhängt hat. Solange sich Russland nicht aus der Ukraine zurückzieht – was Putin vehement verweigert –, werden diese Sanktionen in Kraft bleiben und bewirken, dass die russische Wirtschaft und Gesellschaft weitgehend von der westlichen Welt ausgeschlossen bleiben. Russland ist nahezu gänzlich vom SWIFT-System ausgeschlossen, große Teile der Devisenreserven sind bei ausländischen Banken eingefroren. Zudem gehen mehr und mehr westliche Nationen gegen russische Oligarchen vor, die auf ihrem Staatsgebiet Eigentum erworben oder finanzielle Guthaben geparkt haben. Aber nicht nur das: Immer mehr westliche Firmen ziehen sich aus Russland zurück, weil Geschäfte mit Putins Russland als „toxisch“ gelten. Staaten wie Deutschland, die bislang auf Russland als Energielieferanten gesetzt haben, bemühen sich, Abhängigkeiten zu reduzieren oder dauerhaft vollständig auf Energieträger aus Russland zu verzichten.
Die Folgen der Sanktionen sind derzeit nicht klar abzusehen. Auf jeden Fall wird Russland massive wirtschaftliche Nachteile ertragen müssen. Es ist offen, wie die russische Führung reagieren wird, wenn die Sanktionen über Monate oder gar Jahre andauern und die Entflechtung der internationalen Wirtschaftswelt von Moskau sich strukturell auswirkt.
Der Westen führt derzeit einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland, der sehr unterschiedliche Verläufe und Ergebnisse auslösen kann.[70] Sollte Putin an der Macht bleiben und die Ukraine weiter zerstören oder beherrschen wollen, wird er vermutlich trotzig die Autarkie der russischen Welt gegenüber der westlichen beschwören und den engeren wirtschaftlichen Anschluss an China propagieren. Allerdings ist Russland für China kein relevanter Wirtschaftspartner und nur als Rohstoff- und Energielieferant interessant. Zudem ist die Infrastruktur für Exporte von Energieträgern nach China unterentwickelt. Auch werden sich die Ressourcen und Technologien für weitere militärische Aufrüstung verknappen und der Lebensstandard in Russland deutlich absinken – und die innenpolitische Repression zunehmen.
Putin könnte sich entschließen, den Wirtschaftskrieg des Westens mit einem militärischen Krieg zu beantworten, sollten die wirtschaftlichen Konsequenzen entsprechend katastrophal ausfallen. Zur Erinnerung: Dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember 1941 waren massive Wirtschaftssanktionen vorausgegangen, mit denen die USA auf die Angriffskriege Japans und die brutalen Kriegsverbrechen der Japaner in China reagierten. Doch welche Art von Krieg könnte Putin vom Zaun brechen? Einen Angriff mit strategischen Atomwaffen kann man ausschließen, denn das würde in der Vernichtung Russlands enden. Eher ist davon auszugehen, dass nach Ende des Ukraine-Kriegs Putin die NATO dort angreifen würde, wo sie am verwundbarsten ist: im Baltikum. Wie oben bereits ausgeführt, könnte ein überraschend und mit überlegenen Kräften vorgetragener Angriff auf die baltischen Staaten erfolgreich verlaufen. Sollte die NATO deren Rückeroberung planen, dürfte Russland mit dem Einsatz von Kernwaffen drohen und die nordatlantische Allianz in ein Dilemma stürzen, an dessen Ende der Zerfall der politischen Einheit stünde. Deswegen sollte die Allianz die Verteidigung der baltischen Staaten als kollektive Aufgabe unbedingt in Angriff nehmen. Dazu ist jetzt auch Zeit und Gelegenheit, denn nach den großen Verlusten und dem Auftreten erheblicher qualitativer Defizite der russischen Streitkräfte ist derzeit eine solche Invasion nicht zu erwarten. Aber in einigen Jahren kann sich das wieder geändert haben.
Es kann aber auch geschehen, dass Putin (oder jemand, der ihn ersetzt) nachgibt und aus der Ukraine abzieht. Dann würden die Sanktionen teilweise, vielleicht sogar ganz aufgehoben werden. Dennoch wäre der Westen selbst in einer solchen Situation gut beraten, seine Verteidigungsaufwendungen rasch zu erhöhen, vermehrt Truppen im Baltikum, in Polen und Rumänien zu stationieren und darauf zu achten, dass Russland keine realen Möglichkeiten sieht, erfolgreich militärische Abenteuer in Europa zu unternehmen. Schließlich ist die Saat des extremen großrussischen Nationalismus und Militarismus in Russland gefährlich weit aufgegangen und wird sich noch lange halten und womöglich noch weiter radikalisieren.
Ein weiterer bestimmender Faktor für die Dynamik des Neuen Kalten Krieges ist die Einigkeit und Entschlossenheit, mit der die westliche Staatengemeinschaft Moskaus Anspruch auf Vorherrschaft in Europa abzuwehren versucht. Der Überfall auf die Ukraine hat die Einigkeit enorm gestärkt. Immerhin hat die Bundesregierung wieder einen Kurs eingeschlagen, bei dem man nicht mehr Verteidigungsaufwendungen anprangert und permanent vor weitgehend nichtexistierenden Rüstungswettläufen und Eskalationsgefahren warnt. Doch wie lange hält die erwähnte Einigkeit vor? Die beiden Schwachpunkte sind Deutschland und die USA. Deutschland, weil es durchaus möglich ist, dass die am 27. Februar 2022 beschlossene Politik schon bei geringsten diplomatischen Erfolgen wieder ins Wanken gerät. Die USA, weil sich nicht ausschließen lässt, dass ein irrlichternder Donald Trump erneut ins Weiße Haus einzieht.
Nicht zu vergessen ist China. Russland und China sind in den vergangenen Jahren einander näher gerückt, weil beide die Feindschaft zum Westen und den USA eint und weil beide Autokratien sind, die mit außenpolitischen Vabanquespielen innenpolitische Stabilität erreichen wollen. Beide haben in ihrer Nachbarschaft funktionierende Demokratien, denen sie das Existenzrecht abstreiten: Russland will die Ukraine, China die Republik Taiwan. Deshalb sieht die chinesische Staatsführung den Überfall auf die Ukraine durchaus mit Sympathie für Russland. Es hat mehr als den Anschein, dass China in die russischen Pläne zur Eroberung der Ukraine eingeweiht war, lange bevor es losging,[71] und es gibt Hinweise darauf, dass China Russland mit Waffen und vor allem Munition versorgen wird.[72] Andererseits bereiten die Reaktionen der westlichen Staaten, speziell die wirtschaftlichen Sanktionen und deren Folgen, der chinesischen Führung Sorge. Chinas Wirtschaft ist im hohen Maß abhängig von Exporten in die westliche Welt. Diese Handelsbeziehungen will China nicht gefährden, während Russland als Handelspartner nur wenig Bedeutung hat. Daher erscheint die chinesische Haltung zum Ukraine-Konflikt zwiespältig.[73] Diese Ambivalenz wird die Auseinandersetzung über Russlands weitreichende Ansprüche in Europa zu einem nicht geringen Teil beeinflussen.

Kiew Mitte März 2022
Wie es in der nächsten Zeit tatsächlich weitergehen wird, hängt wesentlich vom Ausgang des Krieges in der Ukraine ab. Verschiedene Szenarien sind denkbar. Mit jedem der folgenden Szenarien würde sich der neue Kalte Krieg anders entwickeln. Derzeit lassen sich fünf unterschiedliche Szenarien zeichnen:
Das Unterwerfungsszenario: In diesem Fall gelänge es Russland, nach monatelangen Kämpfen die Ukraine zu unterwerfen, sodass eine funktionierende ukrainische Staatlichkeit nicht mehr besteht. Das ist derzeit recht unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Es würde bedeuten, dass Russland die Umsetzung seiner „militärtechnischen Maßnahmen“ zur grundsätzlichen Veränderung in Europa fortsetzen könnte. Da jedoch seine militärischen Fähigkeiten vorerst erschöpft und verbraucht sind und es viele Lehren aus den Fehlern des Ukraine-Kriegs ziehen muss, wird es etwa fünf bis zehn Jahre brauchen, bis es wieder aufgerüstet und bereit für den nächsten Krieg ist. Westliche Sanktionen können diese Rüstungsphase möglicherweise verlängern, aber nicht verhindern. In dieser Zeit muss die Bundeswehr ihre Lücken füllen und einsatzfähig werden. Auch ist eine Vorneverteidigung in den baltischen Staaten, Polen und Rumänien aufzustellen, am besten unter Mitwirkung eines neuen NATO-Mitglieds namens Schweden. Zudem müssen bis dahin in der Bundeswehr die F-35-Trägersysteme für Kernwaffen eingeführt sein und die USA fest zu ihren europäischen Bündnispartnern stehen. Bei diesen Voraussetzungen könnte der neue Kalte Krieg tatsächlich „kalt“ bleiben.
Das Winterkriegsszenario: Nachdem Russland zwar Gebiete der Ukraine besetzt hält, es jedoch nicht schafft, das Land niederzuringen, kommt es zu einer politischen Verabredung – so wie zwischen Finnland und der Sowjetunion am Ende des Winterkriegs im Jahr 1940, laut der sich die Besatzer zurückziehen, das Land aber Territorium abtreten und sich dauerhaft als neutral verstehen muss. Bei einer solchen Vereinbarung – die eine gewisse Chance hätte – wird die Perspektive für Russlands weitere Aktionen der des Unterwerfungsszenarios ähneln.
Das Volksrepubliken-Szenario: Hier käme es zum Einfrieren des Status quo. Die Kampfhandlungen werden eingestellt, aber es kommt zu keiner Verhandlungslösung und Russland lässt auf dem Boden der Ukraine „Volksrepubliken“ entstehen, die es unterstützt oder es kommt zu einer Teilung des Landes. Damit würde die Ukraine in einer zerrissenen, schwer erträglichen Situation verbleiben, die das Land auf Dauer zerstören wird. Bei diesem Szenario muss man damit rechnen, dass Putin erneut die Ukraine angreifen und mit militärtechnischen Maßnahmen gegen die NATO Staaten im Baltikum vorgehen wird, sobald die Bestände seiner Streitkräfte wieder aufgefüllt und die Lehren aus den Fehlern des Ukraine-Feldzugs gezogen worden sind.
Das Schmach-und-Schande-Szenario: Diese Situation geht von Russlands schmachvoller Niederlage und einem militärischen Abzug aus, weil seine Verluste zu hoch waren und die gewünschte innenpolitische Stabilisierungswirkung gefährdet ist. Sie dürfte recht unwahrscheinlich sein, aber nicht völlig ausgeschlossen. Niemand weiß, wie genau die Bevorratung der russischen Truppen mit Waffen und Munition aussieht und wie sich ein langwieriger Krieg auf die Wirtschaftslage und Stimmung in Russland auswirkt. Dieses Szenario macht einen Sturz Putins wahrscheinlich, und es ergäbe sich möglicherweise – keinesfalls zwangsläufig – die Gelegenheit, die politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen zu bereinigen.
Das Interventionsszenario: Unter diesem Szenario käme es zur Ausweitung des Krieges infolge einer Intervention westlicher Streitkräfte zugunsten der Ukraine. Einen „Weltkrieg“ wird die Intervention zwar nicht auslösen, womöglich aber Angriffe Russlands mit weitreichenden Marschflugkörpern auf militärische Ziele in europäischen NATO-Ländern. Das Szenario ist angesichts der Furcht der Biden-Administration vor einem Dritten Weltkrieg derzeit sehr unwahrscheinlich. Dies könnte sich jedoch ändern, weil der Kongress zunehmend Druck auf Biden ausübt.[74] Eine militärische Intervention westlicher Staaten (nicht notwendigerweise der NATO) zur Beseitigung der humanitären Notlage kann aus verschiedenen Komponenten bestehen, so etwa der Verlegung von Heerestruppen in die Westukraine zur Einrichtung geschützter humanitärer Korridore oder gezielten Luftangriffen gegen die Belagerer von Großstädten. Ein solches Engagement wäre vertretbar, wenn es den legitimen Verteidigungskampf der Ukrainer unterstützt und die humanitäre Lage der Bevölkerung angesichts einer brutalen russischen Kriegführung verbessert. Ziel der Intervention müsste sein, zu einer für die Ukraine vorteilhafteren Form des Winterkriegsszenarios zu gelangen – z. B. keine Abtretung von Territorium, aber Verpflichtung zu Neutralität und eine gemeinsame Vereinbarung mit Russland über ein Rüstungskontrollregime, das Sicherheitsbedenken beider Seiten Rechnung trägt. Wie sich in diesem Szenario Russlands Beziehungen zum Westen entwickeln werden, ist schwer abzuschätzen. Im Fall einer für die Ukraine vorteilhaften politischen Lösung könnte es zur Aufhebung der westlichen Sanktionen kommen. Genauso denkbar ist eine Verschlechterung der Beziehungen nach einigen Jahren, auch das Wiederaufleben einer militärischen Bedrohung der baltischen Staaten.
Von allen Szenarien ist das „Volksrepubliken Szenario“ derzeit das Wahrscheinlichste. Es würde in dem Augenblick gleichsam automatisch eintreten, wo sich Russland zu einem Waffenstillstand bereit erklärt. Anders wäre es, wenn der Waffenstillstand mit einer politischen Übereinkunft einherginge, wie sie in dem Winterkriegsszenario angedacht ist oder in dem Interventionsszenario. Nur ist derzeit nicht absehbar, wie eine politische Verständigung über einen Abzug der russischen Truppen erreicht werden kann. Die Ukraine ist zwar zu einem Verzicht auf die NATO-Mitgliedschaft bereit, will stattdessen aber Sicherheitszusagen haben, die für Russland genauso inakzeptabel wären wie die Mitgliedschaft. Von daher wird vermutlich Russland die besetzten Gebiete solange einbehalten und mit Terrormethoden gleichschalten, wie sich die Ukraine nicht zu einer für Putin befriedigenden Lösung bereitfindet. Aber selbst dann muss damit gerechnet werden, dass Russland Teile der Ukraine annektiert, indem es „Volksrepubliken“ schafft, die dann im Wege von manipulierten Referenden den „Anschluss“ an Russland suchen.
Für die deutsche Politik wird dieses Szenario mit erheblichen Herausforderungen und Versuchungen verbunden sein. Nach einem Waffenstillstand werden vermutlich in Deutschland Forderungen nach Aufhebung von Sanktionen laut werden. Sie dürften damit begründet werden, dass Deutschland eine Vermittlerrolle zwischen der Ukraine und Russland einnehmen müsse und dass man nur dann glaubhaft als Vermittler auftreten könne, wenn man mit beiden Seiten gesprächsfähig sei. Es liegt in der Person von Bundeskanzler Scholz, derartigen Initiativen mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten, die vermutlich nicht nur aus seiner eigenen Partei kommen werden. Um das Szenario einer dauerhaften Teilung oder territorialen Verstümmelung der Ukraine abwenden zu können, muss auch die deutsche Politik an den beschlossenen Sanktionen gegen Russland solange festhalten, bis sich die russischen Truppen vollständig aus der Ukraine zurückgezogen haben. Sollte Russland an der Besetzung von Teilen der Ukraine festhalten und dort „Volksrepubliken“ bilden, muss die Aufnahme der Rest-Ukraine in die NATO eine reale Option werden. Auch darüber sollte sich die deutsche Politik rechtzeitig und gründlich Gedanken machen.
6 Kalter oder heißer Krieg?
Wir befinden uns wieder in einem Kalten Krieg, von dem wir nicht wissen, wie lange er anhält, ob er kalt bleibt oder in einen heißen Krieg übergeht. Seine Entwicklung und Dauer sind schwer einzuschätzen. Selbst wenn man alle Dynamiken betrachtet, bleiben verschiedene Szenarien möglich.
Aufgrund der – man darf es ruhig so nennen – Unverschämtheit der russischen Ansprüche, die sich in dem Ultimatum vom 15. Dezember 2021 und der unverhohlenen Drohung mit „militärtechnischen Maßnahmen“ für den Fall der Ablehnung manifestieren, ist die Gefahr groß, dass der neue Kalte Krieg ein heißer wird. Viel hängt davon ab, ob die westliche Allianz eine militärische Abschreckung gegenüber Russland aufbauen kann. Denn militärische Abschreckung ist eine Sprache, die der Kreml versteht und respektiert. Auch müssen die westlichen Staaten ihre wirtschaftlichen Instrumente, z. B. Sanktionen und Entflechtungen, mit Entschlossenheit und mit Umsicht einsetzen und so schnell wie möglich die Abhängigkeit von russischen Erdgaszufuhren reduzieren. Unbedingt zu verhindern ist der Rückfall in eine illusorische Russlandpolitik – eine Gefahr, die gerade in Deutschland noch groß sein dürfte.
Keinesfalls außer Acht lassen darf man bei diesem Konflikt den größeren Rahmen, in dem China als Rivale und Gegner der USA vorkommt. Viele Weichen wird der Ausgang des Ukraine-Kriegs stellen. Im neuen Kalten Krieg befinden wir uns schon jetzt. Auch wenn die Verteidigungslinie diesmal nicht mitten durch Deutschland verläuft, sondern am Ostrand der erweiterten NATO, wird Deutschland seinen Beitrag zur Bündnisverteidigung an der neuen Trennlinie leisten müssen.
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Senior Research Fellow
Direktor; Geschäftsführender Herausgeber von Sirius
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