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BY-NC-ND 4.0 license Open Access Published by De Gruyter May 13, 2022

Was ein Militärbündnis zwischen Russland und China für die NATO bedeuten würde

  • Rainer Meyer zum Felde

    Senior Fellow

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Kurzfassung

Sind Russland und China ewige Rivalen oder Partner einer im Entstehen begriffenen Allianz? Und was würde letzteres für die NATO bedeuten? Die NATO reagierte im Jahr 2014 auf die russische hybride Aggression gegen die Ukraine, die aus verdeckter Destabilisierung des Donbass und völkerrechtswidriger Besetzung und Annexion der Krim bestand, mit einem Paradigmenwechsel, der sogenannten „NATO Adaptation.“ Auf dem Gipfeltreffen in Wales 2014 erhöhte sie ihre Reaktionsbereitschaft mit dem Readiness Action Plan, beim Gipfel in Warschau 2016 stärkte sie ihr Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv und richtete 2018 beim Gipfeltreffen in Brüssel ihre Führungsstruktur wieder auf kollektive Verteidigung aus. Obgleich eingebettet in einen „360-Grad-Ansatz“, zielen alle zentralen Verteidigungselemente der NATO-Anpassung seit 2014 in erster Linie auf Russland hin, das seither als potenzielle Bedrohung für die territoriale Integrität der osteuropäischen Mitgliedstaaten gilt. Aber dieser Paradigmenwechsel beruhte zur Gänze auf der Einschätzung, einzig Russland sei eine ernstzunehmende militärische Bedrohung für die Allianz und (abgesehen von Belarus) auf sich allein gestellt. Der Frage, was es bedeuten würde, wenn Russland von einer gleichgesinnten Großmacht wie China unterstützt würde, und ebenso der Frage, welche Folgen zwei gleichzeitige Aggressionen – eine durch Russland in Europa, eine weitere durch China im Indopazifik – für die NATO hätte, wurde bislang keine Beachtung geschenkt. Dabei haben diese beiden Problempunkte in den letzten Jahren rapide an Tragweite für die Anpassung der NATO an die neuen geopolitischen Realitäten gewonnen. Das gilt erst recht in einer abermals veränderten Sicherheitslage, in der Putins Russland aus revisionistischen und imperialen Großmachtmotiven einen unverblümten, brutalen Angriffskrieg gegen sein souveränes Nachbarland Ukraine führt, dabei die europäische Friedensordnung entgegen allen abgeschlossenen Verträgen grundsätzlich in Frage stellt und Unterstützung findet von Xi Jinpings China als „engem Freund und strategischen Partner“, der sich das russische Narrativ zu eigen macht und den USA und der NATO die Schuld für den Konflikt zuweist.

Abstract

Are Russia and China an emerging alliance or eternal rivals? And what would it mean for NATO? NATO reacted to the Russian aggression against Ukraine with a paradigm shift called “NATO Adaptation.” At the 2014 Wales Summit, it increased its responsiveness with the “Readiness Action Plan,” the 2016 Warsaw Summit strengthened its deterrence and defense posture, and the 2018 Brussels Summit re-designed NATO’s Command Structure toward collective defense. Although embedded in a “360-degree approach,” all key defense elements of NATO’s adaptation have been primarily focused on Russia, which was recognized from March 2014 on as potential threat to the territorial integrity of the Eastern European members. However, this changing of the paradigm was based entirely on the understanding that Russia alone poses a serious military threat to the alliance. There was never any consideration given to the question of what it would mean if Russia were supported by a like-minded great power such as China, nor to the question of what simultaneous aggressions – one by Russia in Europe and another by China in the Indo-Pacific – would mean for NATO. Hence, the answers to these questions are of high relevance to NATO’s further adaptation to the new geopolitical realities. This is especially true in light of the recent fundamental change in the geopolitical situation. Putin’s blunt invasion and the aggressive war against Ukraine, a neighbouring sovereign Nation, has got political support and public backing by Xi Jinping’s China.

1 Einleitung

Gibt es eine vertiefte strategische Zusammenarbeit zwischen Russland und China, die (der Form, wenn auch nicht dem Namen nach) auf ein Militärbündnis hindeutet? Und warum ist es so wichtig, Klarheit darüber zu erlangen, ob Russland und China ewige Rivalen sind oder daran arbeiten, ein Bündnis zu schließen? Die Teilnehmer eines internationalen Workshops von Experten verschiedener Denkfabriken, der Mitte Januar 2020 in Berlin stattfand und an dem der Autor dieses Beitrags teilnahm, kamen zu einer eindeutigen Einschätzung: Es bestand ein breiter Konsens darin, dass wir es mit einer im Entstehen begriffenen Allianz zwischen Russland und China zu tun haben – der Form, wenn auch nicht dem Namen nach.[1] Einig waren sich die Experten insbesondere in folgenden Punkten:

  1. Russlands und Chinas Führungen eint das strategische Ziel, die gegenwärtige Weltordnung, die sie als vom Westen geprägt und von den USA zu Unrecht dominiert ansehen, in eine multipolare Welt mit „legitimen Interessensphären der Großmächte“ zu überführen.

  2. Sie unterstützen einander, indem sie gemeinsam gegen den Westen vorgehen und ihre Aktivitäten zunehmend koordinieren, auch durch militärische Übungen (die Schlüssel für die Entwicklung von Vertrauen, Interoperabilität und das Senden strategischer Botschaften sind).

  3. Sie sind nicht nur geistesverwandt und einander in vielerlei Hinsicht ähnlich, sondern für beide sind ihre militärstrategischen Grundpositionen auch von nützlicher Komplementarität. China konzentriert sich auf die maritime Dimension mit einer langfristigen und strategischen Perspektive; es will bis 2049 (also zum 100. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China) die führende Großmacht der Welt werden. Putins Russland ist primär eine kontinentale Landmacht und mit den USA eine der beiden nuklearen Supermächte. Putin agiert opportunistisch und geht hohe Risiken ein, wenn sich vielversprechende Gelegenheiten bieten, etwas von der verlorenen imperialen Bedeutung Russlands und der Sowjetunion als Großmacht zurückzuerlangen und im Westen des eurasischen Kontinents zur Vormacht zu werden.

Es ist diese Kombination von Einigkeit, Entschlossenheit, Gleichgesinntheit und Übereinstimmungen einerseits und Komplementarität der auf militärischer Machtanwendung basierenden geopolitischen Ansätze andererseits, die eine aufkommende russisch-chinesische Allianz für den Westen höchst gefährlich macht.

Außerdem sind die autokratischen Führungspersonen beider Länder unangefochten. Im Unterschied zu den Staats- und Regierungschefs des Westens sind sie weder nach innen noch nach außen darauf angewiesen, kollegiales und multilaterales Einvernehmen herzustellen. Dies ermöglicht ihnen einsame Entscheidungen über hybride Kampagnen von hoher Ambiguität und den Aufbau militärischer Drohkulissen. Beide treten als Führer patriotischer, nationalstolzer und heroisch-opferbereiter Völker auf, die nicht zuletzt aufgrund massiver Staatspropaganda bei gleichzeitiger Repression freier Medien weitgehend hinter ihnen stehen und zuversichtlich sind, einen Krieg gegen vermeintlich dekadente und wehrunwillige westliche Staaten zu gewinnen.[2] Beide sehen ihre Nationen als im Lauf ihrer Geschichte vom Westen gedemütigt an. Beide denken revisionistisch – Putins Russland blickt nostalgisch auf das 20. Jahrhundert der Sowjetunion und das 19. Jahrhundert des imperialen Russlands zurück, während Xis China eine Zeit vor fünf Jahrhunderten vor Augen hat, in der es das Zentrum der zivilisierten Welt war. Beide gewinnen mit ihrem durchsetzungsstarken Selbstbewusstsein zunehmend an Boden: Russland ist in Syrien, Libyen und im weiteren Nahen Osten erfolgreich und füllt das sich vergrößernde Machtvakuum, das die USA seit Obama hinterlassen. China setzt erfolgreich seine expansive „Neue-Seidenstraße-Initiative“ (Belt and Road Initiative, BRI) um – eine beeindruckende Strategie der wirtschaftlichen wie militärischen Machtentfaltung. Beide schaffen die Voraussetzungen, ihre revisionistischen Ziele und Ambitionen zu erreichen – in geopolitischer, geoökonomischer und geostrategischer Hinsicht. Sie mögen sich selbst als insgesamt strategisch defensiv betrachten, sind jedoch bereit, aggressiv zu handeln, auch mit offensiven militärischen Einsätzen auf regionaler Ebene in ihrem jeweiligen „nahen Ausland“: Russland in der Ostsee- und der Schwarzmeerregion; China in der Umgebung von Taiwan und im Südchinesischen Meer. Sie können sich eine gemeinsame Strategie der „Arbeitsteilung“ zunutze machen: China handelt im Indopazifik; Russland in Nordost- und Südosteuropa sowie mit Iran, Syrien, Libyen im Nahen Osten, im Mittelmeer und in Afrika.

So lautete die Einschätzung bereits im Januar 2020. Seither hat China in Hongkong – entgegen allen vertraglich zugesagten Freiheiten – eine autoritäre Herrschaft mit staatlicher Gewalt und sein militärisches Aufrüstungsprogramm in hohem Tempo fortgesetzt, seine anti-westliche Rhetorik verschärft und nicht nur im Innern, sondern auch in seinen Außenbeziehungen „unbotmäßige“ westliche Nationen wie Australien oder Lettland durch massiven Druck zu „positivem“ Verhalten zu zwingen versucht. Russland ist von seiner vormals hybriden, verdeckten Konfliktaustragung mit der Ukraine zu einem unverhohlenen Kriegsaufmarsch mit anschließender, groß angelegter Invasion der gesamten Ukraine übergegangen. Putin führt wie zuvor in Tschetschenien (Grosny) und in Syrien (Aleppo) einen erbarmungslosen Krieg, nicht zuletzt auch gegen die Zivilbevölkerung des „Brudervolkes“, unter dem Vorwand, das Land von einem durch die NATO unterstützten illegitimen „Neonazi-Regime“ befreien und zur Sicherheit Russlands entmilitarisieren und neutralisieren zu müssen. Und wie als Beleg für die Richtigkeit der 2020 entwickelten Einschätzung haben beide Präsidenten im Februar 2022 ihre unverbrüchliche strategische Partnerschaft erklärt, hat von Beginn des russischen Angriffskrieges an die chinesische Führung Russland politisch unterstützt und haben die chinesischen Staatsmedien Putins Narrativ und die Propaganda der russischen Staatsmedien vollumfänglich übernommen.[3] Alles dies sind nicht mehr zu übersehende Anzeichen dafür, dass die Entwicklung hin zu einer gemeinsamen Gegnerschaft zu den USA und dem „Westen“, einschließlich der NATO, inzwischen weit fortgeschritten ist.

2 Wie ein Militärbündnis zwischen Russland und China aussehen könnte

Es gibt Beispiele aus der Geschichte und Lektionen, von denen der Westen lernen kann. Hierzu gehören der sowjetisch-deutsche Rapallo-Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg und das deutsch-japanisch-italienische Bündnis während des Zweiten Weltkriegs. Beide zeigen, dass interessenbasierte, zweckorientierte Militärallianzen von sehr unterschiedlicher Natur, Dauer und Intensität sein können. Es gibt ein breites Spektrum möglicher Ausprägungen – an einem Ende die hochintegrierte, gemeinsam abgestimmte Planung im Rahmen einer förmlichen Allianz bereits in Friedenszeiten, mit koordinierten militärischen Operationen an verschiedenen Schauplätzen in einem großen Krieg (wie zwischen dem Deutschen Reich und Österreich im Ersten Weltkrieg oder den USA und Großbritannien im Zweiten Weltkrieg). Am anderen Ende des Spektrums steht die Möglichkeit, dass es trotz eines förmlichen Ad-hoc-Militärbündnisses nicht zwangsläufig zu konkreter militärischer Zusammenarbeit kommen muss; so entwickelten die Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour weder gemeinsame Ziele noch irgendeine koordinierte Planung von Einsätzen in den jeweiligen Operationsgebieten.

Daher muss man bei der Frage, was ein opportunistisches De-facto-Militärbündnis zwischen Russland und China für die Sicherheit Europas bedeuten könnte, als Erstes verschiedene Möglichkeiten abwägen:

  1. Sind beide Partner nur an einer begrenzten Zusammenarbeit auf einigen Feldern interessiert (wie beim deutsch-sowjetischen Rapallo-Modell der 1920er-Jahre)?

  2. Handelt es sich um eine De-facto-Allianz mit geopolitisch motivierter regionaler Arbeitsteilung, aber ohne vertiefte Koordinierung oder abgestimmtes gemeinsames Vorgehen (wie bei Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg)?

  3. Oder haben wir es mit einem im Entstehen begriffenen Militärbündnis zu tun, das auf einem strategischen Konzept mit hochintegrierter Planung und üblicherweise koordinierter Ausführung in einem globalen Maßstab beruht (wie im britisch-amerikanischen Fall während des Zweiten Weltkriegs, aus dem später die NATO hervorging)?

Diese drei Typen potenzieller Allianzen erfordern unterschiedliche Antworten und hätten unterschiedliche Konsequenzen für NATO-Verbündete auf beiden Seiten des Atlantiks und ihre gleichgesinnten Partner weltweit. Grundsätzlich verdienen daher die folgenden drei hypothetischen „Modelle“ nähere Aufmerksamkeit und eine sachgerechte Analyse:

  1. Begrenzte militärische Kooperation zwischen Russland und China auf ausgewählten gemeinsamen Interessenfeldern.

  2. Ein Militärbündnis de facto (also nicht förmlich) im globalen Maßstab gegen westliche Institutionen und US-geführte Allianzen, das jedoch nicht von strategischer Koordinierung untermauert wird.

  3. Ein förmliches politisches und militärisches Bündnis zwischen Russland und China (dem sich möglicherweise andere regionale Mächte wie Iran anschließen) auf Grundlage einer Rahmenstrategie mit integrierter Planung und der Fähigkeit zu koordinierten, groß angelegten Operationen hoher Intensität an zwei oder mehreren Kriegsschauplätzen gleichzeitig (zum Beispiel in Europa, seiner Peripherie und dem Indopazifik).

3 Implikationen und Folgen einer Modell B-Allianz – gefährlich und nicht unwahrscheinlich

Selbst eine begrenzte Kooperation wie bei Modell A und erst recht eine moderate russisch-chinesische de-facto-Militärallianz nach Modell B hätten weitreichende Folgen für die europäische Sicherheit. Dagegen erscheint eine Modell-C-Kooperation noch als unwahrscheinlich (wenngleich nicht vollkommen ausgeschlossen). Daher konzentriert sich diese Analyse auf Modell B als Worst-case-Szenario, das sich weder ausschließen noch als äußerst unwahrscheinlich einstufen lässt, und diskutiert die möglichen Auswirkungen auf die Sicherheit Europas. Dieses Modell geht nicht von einem strategischen, sondern von einem opportunistischen Bündnis zwischen Russland und China aus. Es meint ein De-facto-Militärbündnis, bei dem sich Russland und China in ihrem geopolitischen Vorhaben einig sind, die regelbasierte internationale Ordnung nach Maßgabe ihrer Interessen zu verändern. Gemeinsam untergraben sie die Einheit und Entschlossenheit westlicher Institutionen und US-geführter Allianzen. Dabei folgen sie dem Prinzip der Arbeitsteilung und wenden in ihren jeweiligen Regionen unterschiedliche Strategien an, ohne ihre Pläne und Aktivitäten enger abzustimmen.

Der Rahmen eines solchen nicht formalisierten, zweckorientierten de-facto-Bündnisses würde nicht auf einer koordinierten geostrategischen Vorgehensweise beruhen und wäre nicht von einer integrierten Einsatzplanung flankiert. Er würde daher auch keine vorgeplante gegenseitige Unterstützung im Fall eines Konflikts mit Land-, Luft- oder Seestreitkräften umfassen. Allerdings hätte bereits ein solches moderates de-facto-Militärbündnis zwischen Russland und China weitreichende negative Folgen für die NATO in Europa, sowohl auf geopolitischer als auch auf strategisch-operativer Ebene, und könnte zu einem Alptraumszenario für die Sicherheit Europas werden. Wie könnte dieses aussehen, und wie ließe es sich verhindern?

4 Alptraum-Szenario auf Basis von Modell B: Ein Krieg zwischen China und den USA im Indopazifik schafft Russland Gelegenheit, revisionistische Ziele in Europa zu erreichen

In diesem Szenario nutzt ein risikobereiter russischer Führer eine eskalierende große Konfrontation zwischen China und den USA im Indopazifik als Chance, gleichzeitig die NATO in Europa herauszufordern in der Absicht, so viele seiner revisionistischen und geopolitischen Ziele wie möglich zu erreichen. Russland könnte einen opportunistischen und groß angelegten Angriff in Europa zu einem Zeitpunkt durchführen, zu dem ein größerer Krieg mit China im Indopazifik die USA voll in Anspruch nimmt. Diese Gefahr wird in dem Maße wahrscheinlicher, in dem gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Steigen könnte Russlands Bereitschaft, das Risiko eines groß angelegten Feldzugs hoher Intensität mit konventionellen Streitkräften (d. h. eines regionalen Kriegs) in Europa einzugehen, unter folgenden Bedingungen:

  • wenn die USA in einen größeren Konflikt mit China im Indopazifik eintreten und beide Seiten den Konflikt zu Kriegsoperationen hoher Intensität eskalieren lassen, statt ihren Machtkampf auf politische, diplomatische, ökonomische oder andere nichtmilitärische Instrumente zu beschränken;

  • wenn die USA in einem solchen Konflikt mit China gezwungen wären, sämtliche verfügbaren Luft, Land-, See- und sonstigen Streitkräfte und Fähigkeiten in diesem Kriegsschauplatz einzusetzen, um die Oberhand zu gewinnen;

  • wenn die Fokussierung der USA auf eine große militärische Konfrontation mit China bedeutende Lücken in die europäischen Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten reißen würde und die Europäer nicht willens oder nicht in der Lage wären, diese Lücken zu schließen;[4]

  • und wenn Deutschland als zentraler NATO-Verbündeter in der Mitte Europas oder eine Gruppe von Verbündeten um Deutschland durch hybride Aktivitäten oder nukleare Erpressung davon abgehalten werden könnte, seine/ihre NATO-Verpflichtungen in Friedenszeiten, während des Übergangs von Frieden zu Krise und Konflikt oder im Kriegsverlauf zu erfüllen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der politische und militärische Entscheidungsprozess hinausgezögert, die Unterstellung nationaler Streitkräfteverbände unter die operative Führung der NATO-Kommandobehörden (Transfer of Authority) nicht rechtzeitig erfolgen, Verstärkungen nicht zügig verlegt oder Deutschland seine Schlüsselrolle als logistische Drehscheibe und rückwärtiges Operationsgebiet des NATO-Oberbefehlshabers (Supreme Allied Commander Europe, SACEUR) nicht vollständig erfüllen würden.

Sogar noch stärker stiege die Risikobereitschaft der russischen Staatsführung, wenn sie von folgenden Annahmen hinsichtlich ihres Verbündeten China überzeugt wäre:

  1. Dass China infolge seiner Aufrüstung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, insbesondere in der See-, Luft-, Weltraum-, Cyber- und auch nuklearen Dimensionen, fähig und bereit ist, gegen die USA in einen umfassenden Krieg einzutreten, und daher nicht länger gezwungen ist, aufgrund militärischer Schwächen einer Konfrontation auszuweichen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es für China keinen Grund mehr, unmittelbar nach Ausbruch von Feindseligkeiten eine schnelle Niederlage zu befürchten, während US-Militärplaner, anders als in der Vergangenheit, jetzt und in Zukunft erhebliche Verluste einkalkulieren müssen.[5]

  2. Dass ein militärischer Konflikt zwischen den USA und China so umfassend und langwierig wäre, dass die USA nicht mehr genügend Aufmerksamkeit, politische Energie, Streitkräfte und Fähigkeiten zur Bewältigung einer europäischen Krise aufbrächten, die Russland in vermeintlich zweitrangigen Regionen wie etwa im Ostseeraum oder in der Schwarzmeerregion provozieren könnte. Es käme Russland entgegen, sollte Chinas selbstbewusstes Auftreten in den USA zur Einschätzung führen, dass eine militärische Konfrontation früher oder später unvermeidlich ist. Dies hätte zur Folge, dass die USA den größten Teil ihrer Luft- und Seestreitkräfte sowie unterstützende Mittel zur Kampfkrafterhöhung (force multiplyer) in den Indopazifik verlegen und diese Teilstreitkräfte auch auf Kosten der US Army die Priorität im Verteidigungshaushalt einräumen würden. Für die Abschreckung und Verteidigung in Europa hieße dies, dass die NATO in der Landdomäne nur ein Minimum an Verstärkungen erwarten könnte und mangels amerikanischer Air Power die europäischen Luftstreitkräfte die Schlüsselvoraussetzung für den Erfolg jeder Operation am Boden – möglichst Luftherrschaft, zumindest aber räumlich/zeitlich eine günstige Luftlage – schaffen müssten.[6] Gegenwärtig besitzt jedoch keine der europäischen Nationen vergleichbare Fähigkeiten, Pläne oder Budgets, eine derartige strategische Umverteilung von US-Streitkräften und -Fähigkeiten zu kompensieren.

  3. Dass Russland freie Hand hätte und sogar auf konkrete chinesische Unterstützung zählen könnte bei verdeckten oder offenen hybriden Aktivitäten, die sich gegen kritische militärische und zivile Elemente der NATO- und EU-Verteidigungsdoktrin richten.

  4. Dass mit Blick auf China keine russischen Vorsichtsmaßnahmen im Fernen Osten (Sibirien, Arktis) notwendig wären, um China gegenüber Russlands territoriale Integrität und strategischen Interessen zu schützen.

Am meisten würde es Russland ermuntern, hohe Risiken einzugehen, wenn China als Verbündeter noch weiterginge und mit seinen zivilen und militärischen Kräften und Fähigkeiten (einschließlich disruptiver Technologien) aktiv zu koordinierten militärischen Operationen jenseits verdeckter hybrider Unterstützung beitrüge. Dies ließe sich an der Südflanke Europas mit einer „zweiten Front“ erreichen, zum Beispiel durch Verlegung chinesischer Seestreitkräfte und landgestützter Raketensysteme für zusätzliche A2/AD-Zonen der Zugangsverweigerung in Seegebieten im Mittelmeer und entlang der europäischen Seeverbindungswege zu Chinas Partnern im Indopazifik. Ebenso folgenschwer könnte es sein, wenn China mit Russland bei nuklearen Drohsignalen gegenüber Europa und bei strategischen Raketenaktivitäten eng zusammenarbeiten würde (und umgekehrt Russland mit China im Indopazifik).[7]

All diese Überlegungen fallen ins Gewicht bei Beantwortung der Frage, was die Europäer tun können und sollten, um zu verhindern, dass ihr Alptraumszenario Wirklichkeit wird. Sie decken Punkt für Punkt auf, was europäische NATO-Staaten in ihrem eigenen Interesse tun müssen, um ein Eintreten der genannten Voraussetzungen zu vereiteln. Auf jeden Fall sollte Europa alles daransetzen, eine Konstellation zu verhindern, in der sämtliche oben genannten Voraussetzungen gegeben wären.

5 Folgen einer russisch-chinesischen de-facto-Allianz für die Sicherheit Europas

Welche negativen Folgen hätte ein Militärbündnis nach Modell B zwischen Russland und China? Und wie würde es sich auf die politische und militärische Lage auswirken? Es zöge in jedem Fall eine Reihe von Folgen sowohl auf sicherheits-, verteidigungs- und bündnispolitischer als auch auf militärisch-operativer Ebene nach sich. Diese bedürfen einer detaillierten Analyse mit Blick auf die Beziehungen in Friedenszeiten, auf die internationale Krisenbewältigung sowie auf die Abschreckung und Verteidigung in Krise und Krieg.

5.1 Politische Konsequenzen

Die NATO insgesamt und ihre einzelnen Mitgliedstaaten müssen bereits in Friedenszeiten ihre Politik gegenüber Russland und China und ihre Beziehungen zu beiden Ländern grundlegend überdenken. Was Russland anlangt, ist von der früheren „strategischen Partnerschaft“ mit der NATO nicht viel übrig, weder im Rahmen der NATO-Russland-Grundakte von 1997 noch im breiter gefassten Rahmenwerk „Partnerschaft für den Frieden.“[8] Aufgrund des aggressiven russischen Verhaltens gegenüber der Ukraine im Jahr 2014 einschließlich der völkerrechtswidrigen Annektierung der Krim und der nach dem Zweiten Weltkrieg ersten Verschiebung territorialer Grenzen in Europa durch militärische Gewalt stand Ende 2021 fest, dass das Verhältnis der NATO zu Russland schlecht bleiben und wenig Hoffnung bestehen würde, die nahezu vollständig zerstörte NATO-Russland-Partnerschaft zu reaktivieren und zu einem ernsthaften, bedeutungsvollen Dialog zurückzufinden. Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat unmissverständlich klargemacht, dass die NATO-Russland-Grundakte keinen Bestand mehr haben kann. Statt sich weiter an ihre begrenzenden Bestimmungen zu halten, wird die Allianz zu einer deutlich erhöhten Vornepräsenz mit permanent stationierten (also nicht nur rotierenden), substanziellen alliierten Kampfverbänden (Brigaden statt verstärkten Bataillonskampfgruppen) übergehen müssen – nicht allein in den exponiertesten drei baltischen Staaten und Polen, sondern ebenso in den südosteuropäischen Mitgliedstaaten. Auch von der nuklearen Teilhabe und damit der nuklearen Infrastruktur wird man Mittelosteuropa, insbesondere Polen, voraussichtlich nicht länger ausnehmen können.

Hinsichtlich China ist die Lage eine andere und sie ist veränderlicher. Obgleich sich die Rhetorik der NATO gegenüber China im Jahr 2021 verschärft hat, nimmt die NATO China bislang nur als Herausforderung, nicht als Bedrohung wahr.[9] Je mehr Belege jedoch die militärische Kooperation Chinas mit Russland für ein De-facto-Militärbündnis liefert, umso mehr Grund haben die NATO und ihre Mitgliedstaaten, nicht nur Russland, sondern auch China als Bedrohung ihrer Sicherheit und in einem militärischen Konfliktfall als Gegner anzusehen. Das gilt erst recht, seit Beijing Putin bei seinem am 24. Februar 2022 gestarteten Angriffskrieg gegen die Ukraine politisch den Rücken deckt. Sowohl das zuvor demonstrativ zur Schau gestellte Einvernehmen zwischen Putin und Xi am Eröffnungstag der Olympischen Winterspiele in Peking und beider gemeinsame Erklärung als auch Putins Terminierung des Angriffs auf den ersten Tag nach dem offiziellen Ende der Olympiade deuten auf eine Absprache hin. Damit wird China für die NATO zum game changer. Die Mitgliedstaaten müssen daher ihre Beziehungen zu China neu justieren, mit weitreichenden Folgen auf sämtlichen Gebieten, von Diplomatie über Finanz-, Handels-, Wirtschafts-, Technologie- bis zu den militärischen Beziehungen. Es steht zu erwarten, dass China reagieren wird – und sich die Herausforderung stellt, das zunehmend angespannte Verhältnis zu China so zu „managen“, dass nicht alle Seiten in eine Abwärtsspirale geraten, die auf anderen zentralen Politikfeldern wie Klimawandel und Welthandel keinerlei Kooperation mehr zulässt.

5.2 Folgen für das internationale Krisenmanagement

Ein russisch-chinesisches Militärbündnis hätte auch Folgen für das internationale Krisenmanagement. Krisenbewältigung, Krisenstabilisierung oder Post-Konflikt-Management in Europa (Balkan, Ukraine) und an der südlichen und südöstlichen Peripherie Europas (Libyen, Sahelzone, ISIS, Syrien, Libanon, Palästina, Irak, Iran, Jemen) dürften sich als schwieriger, komplexer und komplizierter erweisen. Schon bislang hat Russland seinen Einfluss ausgedehnt und ist oft genug nicht etwa als verantwortungsvoller Akteur, sondern als Unruhestifter (spoiler) aufgetreten.[10] Mit dem Aufbau seiner militärischen Drohkulisse gegenüber der Ukraine im Herbst 2021, seinen, die gesamte Vertrags- und Sicherheitsarchitektur in Europa infrage stellenden extremen Forderungen an den Westen vom Dezember 2021 und seinem brutal geführten Angriffskrieg seit dem 24. Februar 2022 hat sich Russlands Position in eine unerwartet aggressive Gegnerschaft gegen den Westen gewandelt. Außerhalb Europas gehört zu den geopolitischen Realitäten, dass dort, wo sich die USA zurückgezogen und ein Vakuum hinterlassen haben, Russland jede Möglichkeit seiner Einflussausweitung (in Syrien, Libyen, Mali) genutzt hat. China mit seiner expansiven „Neuen-Seidenstraßen-Initiative“, einschließlich ihrer militärischen Dimension, mischt in Europa ebenso wie an seiner Peripherie und im benachbarten Afrika mittlerweile ebenfalls immer intensiver mit und ist so zu einer europäischen Macht geworden.[11]

Für das praktische Krisenmanagement weltweit würde ein Militärbündnis zwischen Russland und China bedeuten, dass die Vereinten Nationen und ihr Sicherheitsrat (VNSR) aufgrund der Vetorechte von Russland und China eine noch begrenztere Rolle als bisher spielen würden. Die im Februar 2022 im Sicherheitsrat gelungene Isolierung Russlands, das von keinem anderen Sicherheitsratsmitglied aktiv unterstützt wurde und eine gegen sich gerichtete Resolution nur durch sein Veto in eigener Sache verhindern konnte, entfaltet dennoch Wirkung, wie das beeindruckende Abstimmungsergebnis der UN-Vollversammlung zeigte: bei 141 von 193 Stimmen auf westlicher Linie fanden sich fünf Gegenstimmen, unter den Enthaltungen China und Indien.[12] Weitaus weniger wirksam dürften Abstimmungsergebnisse ausfallen, wenn sich Russland nicht isoliert und an den Pranger gestellt sähe, sondern aktiv unterstützt sähe von China und Indien sowie anderen Nationen, die sich an China orientieren müssten. Krisenmanagementeinsätze vom Typ IFOR, SFOR und KFOR ohne ein Kapitel VII-Mandat des UN-Sicherheitsrats (Erzwingen der Einhaltung von Verpflichtungen) würden dann für die NATO schwierig werden. Außerdem könnten Russland und China im Fall eines Bündnisses fortwährend ein koordiniertes Gegen-Narrativ präsentieren, um westliche Stabilisierungsmissionen und Interventionen zu delegitimieren und ihre eigenen flagranten Verstöße gegen das Völkerrecht zu legitimieren – Russland zum Beispiel im Fall der Krim-Annexion, des Donbass und seines als „Spezialoperation“ verniedlichten brutalen Angriffskriegs, China in Bezug auf territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer und eine möglicherweise gewaltsame „Heimholung“ des „abtrünnigen“ Taiwan.[13]

5.3 Folgen für Abschreckungs- und Verteidigungspolitik

Welche Konsequenzen hätte ein russisch-chinesisches Militärbündnis für Abschreckung und Verteidigung in Krisen- und Konfliktsituationen? Auf diesem Gebiet müsste die NATO zweifellos mit den bedeutendsten und schwerwiegendsten Auswirkungen rechnen, sowohl in der Verteidigungspolitik als auch auf militärisch-operativer Ebene.

Stünde Russland in einem Konflikt der NATO als Gegner gegenüber, hätte es durch seine Rückendeckung aufgrund eines Militärbündnisses mit China außerordentliche Vorteile, die sich gar nicht überschätzen lassen. Zunächst und vor allem müsste Russland keine Vorsichtsmaßnahmen mehr ergreifen gegen einen „ewigen Rivalen“ mit unberechenbaren Interessen entlang einer langen gemeinsamen Grenze im Fernen Osten, der jahrhundertelang ein hohes Maß an militärischer Aufmerksamkeit bis hin zur dauerhaften Stationierung von Streitkräften und Fähigkeiten erforderte.[14] Mit China an der Seite kann Russland in seiner Militärplanung all seine militärischen Ressourcen verfügbar machen und für eine groß angelegte militärische Operation hoher Intensität gegen die NATO einsetzen, wann immer es eine regionale Invasion in Nordost- oder Südosteuropa beabsichtigt.

 Sitzungssaal des VN-Sicherheitsrates in New York

Sitzungssaal des VN-Sicherheitsrates in New York

Auch könnte Russland auf die politische Unterstützung Chinas als einer der fünf privilegierten nuklearen Großmächte mit permanentem Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Vetorecht (P5-Status) zählen – einem Gremium, das beim internationalen Krisenmanagement ebenso wie beim Übergang von Krise zu Krieg eine wichtige Legitimationsquelle für das Verhalten aller Mitgliedstaaten der VN ist.[15] Das würde es dem Westen und NATO-intern erschweren, bei militärischen Spannungen, erkannten Kriegsvorbereitungen und ersten Angriffsoperationen gegen NATO-Mitgliedstaaten oder EU-Partnernationen wie Finnland und Schweden Russlands Verhalten als aggressiv, illegitim und völkerrechtswidrig zu verurteilen. Denn China und möglicherweise zahlreiche andere Nationen weltweit könnten sich dieser Einschätzung widersetzen und den Sicherheitsrat oder die Vollversammlung daran hindern, entsprechende Resolutionen mit überzeugenden Abstimmungsergebnissen zu verabschieden.

Je nach Enge der Kooperation im Militärbündnis könnte Russland sich auch auf die destruktiven Möglichkeiten des Einflusses stützen, den China durch seine „Neue-Seidenstraße“ innerhalb Europas möglicherweise entfaltet. Das betrifft weite Teile der zivil wie militärisch gleichermaßen nutzbaren Dual-Use-Technologien und Infrastrukturen in Kernbereichen militärischer Verteidigung, u. a. Führung (Command, Control, Communications), Lagefeststellung (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance), Aufmarsch und Verlegung von Verstärkungsstreitkräften (Deployments, Military Mobility). Insbesondere in Europa aktive chinesische Staatsunternehmen könnten eine Rolle zum Vorteil Russlands und Nachteil der europäischen Mitgliedstaaten von NATO und EU spielen, wenn sie von Peking entsprechend angewiesen würden – vor allem beim Übergang von Routinegeschäften in Friedenszeiten zu Krise und Konflikt. Das schafft ein immenses Resilienzproblem für die NATO und die EU sowie für jeden einzelnen Mitgliedstaat, dessen zivil-militärische Infrastrukturen – wie bei Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Polen – für einen rechtzeitigen Aufmarsch von NATO-Reaktions- und Verstärkungskräften besonders wichtig und zugleich verwundbar sind.

Zudem wird technologische Kooperation in den gesamten zivil-militärischen Komplexen zweifelsfrei beiden Mächten helfen, ihre militärischen Ressourcen weiter zu modernisieren und qualitativ zu verbessern und so zu moderner, digitalisierter Kriegsführung einschließlich „Alle-Domänen“-Operationen befähigen.[16] In der Folge kann der Westen nicht länger sicher sein, die numerische Überlegenheit russischer oder chinesischer Streitkräfte durch höhere technische Komplexität und Qualität eigener Systeme wettzumachen. Langfristig sähe sich die NATO einer Gegenallianz unter Führung zweier Großmächte gegenüber, die ihr tatsächlich als gleichrangige Akteure entgegentreten könnten.

Die selbstverschuldete Abhängigkeit Europas, insbesondere Deutschlands, von Energieimporten aus Russland einerseits und Chinas zunehmende Technologieführerschaft bei neuen, doppelt (zivil und militärisch) verwendbaren Technologien andererseits haben ebenfalls weitreichende Konsequenzen für Sicherheit und Verteidigung.[17] Setzen China und Russland diese Aktivposten bilateral zu ihrem Vorteil und gegen die NATO ein, wird es für NATO-Verbündete eine komplexe Herausforderung sein, wirksame politische, wirtschaftliche und technologische Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Ein weiteres Feld, auf dem beide Mächte ihre Komplementarität zu ihrem Vorteil (und Amerikas und Europas Nachteil) ausspielen könnten, ist ihr Charakter als Land- bzw. Seemacht. Der NATO fällt es schon heute schwer, mit Russland als nuklearer Supermacht und zugleich größter Landmacht in Europa und den daraus resultierenden operativen Konsequenzen für die Verteidigung umzugehen. China baut seine nuklearen Fähigkeiten aus und erweitert systematisch seine Rolle als vorherrschende Seemacht Asiens[18] – und hat zugleich das Potenzial, ein beispiellos großes Heer für die Landkriegsführung sowie Hightech/digital-basierte Luft- und Weltraumstreitkräfte aufzubauen.

Auf US-amerikanischer Seite wäre ein Militärbündnis zwischen China und Russland einschließlich einer strategischen Arbeitsteilung mit Russlands Fokus auf Europa und Chinas Fokus auf den Indopazifik höchstwahrscheinlich (bei parteiübergreifender Einigkeit) ein weiterer Anreiz, den Indopazifik als dynamischster Region zu priorisieren, sich auf den Hauptherausforderer China zu konzentrieren und die Streitkräfte und Fähigkeiten hauptsächlich auf diese Region auszurichten.[19] Ein russisch-chinesisches Militärbündnis würde nicht nur Russlands Unterstützung durch China und folglich eine ernstere russische Bedrohung Europas bedeuten. Ein von Russland unterstütztes China wäre auch – und die USA sehen es vielleicht aus diesem umgekehrten Blickwinkel – eine noch größere Bedrohung für die indo-pazifische Region. China selbst entwickelt sich, anders als Russland, in allen Bereichen (politisch, wirtschaftlich, technologisch, militärisch) immer mehr zu einer den USA ebenbürtigen Supermacht und stellt daher für die USA die schwerwiegendere Herausforderung dar. Dies gilt zumindest im indopazifischen Raum, der Weltregion mit der größten Wachstumsdynamik der Volkswirtschaften, zunehmenden Spannungen und zugleich schnellsten Rüstungsdynamik. Deswegen ist Europa als Region mit aus amerikanischer Sicht vermeintlich geringerer Priorität nun mit dem Problem konfrontiert, dass die Führungsmacht der Allianz, die USA, Europas Bedrohung durch Russland mit deutlich weniger Aufmerksamkeit, Interesse, politischer Energie, militärischer Präsenz und militärischen Verstärkungen von der anderen Seite des Atlantiks entgegentreten wird, als es seit Jahrzehnten der Fall war.

Auch wenn die gegenwärtige, Europa und der NATO sehr verbundene Biden-Administration unter dem Eindruck des russischen Krieges gegen die Ukraine die amerikanische Präsenz in Europa noch einmal verstärkt, so wird diese erneute Hinwendung zu Europa und seinem russischen Sicherheitsproblem wahrscheinlich nicht von Dauer sein. Vielmehr werden die USA nur im Rahmen einer merklich ausgewogeneren transatlantischen Lastenteilung bereit sein, weiterhin substanziell zu Europas Sicherheit beizutragen. Mittel- und langfristig gesehen werden die Europäer künftig vornehmlich aus eigener Kraft die nötigen Kräfte und Fähigkeiten für Abschreckung und Verteidigung gegenüber Russland aufbringen müssen. Auf amerikanische Unterstützung werden sie noch in jenen Feldern zählen können, in denen die USA aufgrund ihres nicht aufholbaren Technologievorsprungs unersetzlich bleiben: erweiterte nukleare Abschreckung (extended nuclear deterrence), technologisch besonders herausragende Ermöglicher (enabler) und kräftemultiplizierende Fähigkeiten (force multipliers).

Diese Entwicklung wird Europa hart treffen. Viele Jahrzehnte lang haben die Europäer in dem Glauben gelebt, ihre Rolle bei einem Verteidigungskrieg bestehe im Wesentlichen darin, den in Europa stationierten US-Land- und Luftstreitkräften als Juniorpartner und quasi „Hilfstruppen“ zu dienen. Zwar stellte die Bundeswehr bis 1990 mit ihren 12 Divisionen und 36 vollausgestatteten Kampfbrigaden, ihrer operativ-taktisch ausgerichteten Luftwaffe, ihrer auf den Seekrieg in der Ostsee begrenzten Marine und ihren eingeübten zivil-militärischen Gesamtverteidigungsstrukturen nahezu 50 Prozent der konventionellen Streitkräfte in Mitteleuropa und bildete damit das Rückgrat der Landes- und Bündnisverteidigung der NATO. Dennoch waren es die amerikanischen See-, Luft- und Landstreitkräfte, die aufgrund ihrer Zahl, Qualität, Kampfkraft und auf dem amerikanischen Kontinent bereitgehaltenen umfangreichen Verstärkungen den entscheidenden Kern der NATO-Bündnisverteidigung ausmachten. Mit ihrer überwältigenden Luftmacht hätten die US-Luftstreitkräfte die Luftüberlegenheit erkämpft und den Ausschlag bei einer Land-Luft-Schlacht in Mitteleuropa gegeben. Europa wurde von dem weit aufgespannten amerikanischen Schirm der nuklearen Abschreckung gegen eine konventionelle sowie nukleare Bedrohung geschützt. Die US-Seestreitkräfte hatten den Nordatlantik fest im Griff; nach Eintreffen massenhafter US REFORGER-Verstärkungen[20] hätten die NATO-Streitkräfte gemeinsam eine sowjetische/russische Invasion durch erfolgreiche Vorneverteidigung (Forward Defence) und gleichzeitige Bekämpfung der Folgestaffeln in der Tiefe (Follow on Forces Attack) abwehren und mit Gegenangriffsoperationen den territorialen Status quo ante wiederherstellen können. Als letztes Mittel setzte die NATO auf ihre von den USA gewährleistete nukleare Eskalationsdominanz. All dies beruhte auf der grundlegenden Annahme, dass der Haupttruppensteller für Europa in sämtlichen Domänen, sowohl im konventionellen als auch im nuklearen Bereich, stets die USA sein würden. Dies galt auch in den drei Jahrzehnten nach Ende des Kalten Krieges, in denen die europäischen Verbündeten, allen voran Deutschland, ihre Streitkräfte zwecks „Friedensdividende“ radikal reduzierten und ihre Streitkräfte von Kriegstüchtigkeit zu Tauglichkeit für zivil-militärisches Krisenmanagement in Auslandseinsätzen transformierten.

Diese Einstellung hat sich in den letzten Jahren immer deutlicher als überholt erwiesen. Die geopolitische Lage hat sich verändert, die USA setzen mit ihrer strategischen Neuausrichtung auf den Indopazifik andere Prioritäten und erklären seit Jahren zunehmend unmissverständlich, nicht länger die – auf ein transatlantisches Missverhältnis von 70:30 angewachsenen – überproportionalen Verteidigungslasten der USA für den Schutz Europas tragen zu wollen. Zwar haben die Europäer angesichts Chinas wirtschaftlicher und militärischer Machtentfaltung in der indopazifischen Region die Plausibilität der amerikanischen Argumente anerkennen müssen, und hochgestellte deutsche Politiker (Bundespräsident Gauck, Verteidigungsministerin von der Leyen, Außenminister Steinmeier) mahnten 2014 bei der Münchner Sicherheitskonferenz – noch vor Russlands damaliger Aggression gegen die Ukraine – eine höhere Bereitschaft Deutschlands zur Übernahme militärischer Verantwortung an. Bundeskanzlerin Merkel hat sich diesen Kurswechsel jedoch nie zu eigen gemacht. Zwar hat die von ihr geführte große Koalition über zwei Legislaturperioden hinweg die Stärkung des NATO-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs auf konzeptioneller Ebene konstruktiv mitgestaltet und weitreichende Zusagen und Versprechungen (wie Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels und eines dementsprechend ambitionierten Kräfte- und Fähigkeitenbeitrags für die NATO-Bündnisverteidigung) gegeben. Doch auf vollständige Umsetzung und Einlösung dieser Zusagen hat sich ihre Regierung aufgrund des Widerstands der seit 2018 nach links gerückten SPD nicht einigen können. 2018 führte die deutsche Verweigerung der Lastenteilung, vor allem des Zwei-Prozent-Ziels, und damit die faktische Implementierungsverweigerung des zugesagten deutschen Kräfte- und Fähigkeitspakets für die NATO (3 Heeresdivisionen, 4 Luftwaffengruppen, 25 Marine-Kampfschiffe) zu einer der schwersten transatlantischen Krisen in der Geschichte der NATO – und der präzedenzlosen Androhung des US-Präsidenten Donald Trump beim NATO-Gipfeltreffen, seinen eigenen Weg zu gehen.[21] Erst mit dem Wechsel zur Biden-Administration und deren erneuter Hinwendung zur NATO und zu Europa hat das transatlantische, im Kern deutsch-amerikanische Zerwürfnis von 2018 vorübergehend an Schärfe verloren, aber bis in die jüngste Zeit ist es nicht ausgeräumt worden. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz in Reaktion auf Putins Angriffskrieg am 27. Februar 2022 erklärte „Zeitenwende“[22] und seine Regierungserklärung[23] im Deutschen Bundestag dürften dieses Problem bereinigt haben. Deutschland will von nun an Jahr für Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erfüllen und die Bundeswehr mit einem 100 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm zu einer der modernsten, am besten ausgerüsteten Streitkräfte machen, u. a. durch den Erwerb amerikanischer F-35 Kampfflugzeuge als Träger für fortgesetzte nukleare Teilhabe. Nunmehr besteht wieder Aussicht, die USA trotz ihrer Wahrnehmung Chinas als Haupt-Herausforderer langfristig weiterhin, auch für die Zeit nach Biden, als zuverlässigen Verbündeten in Europa einzubinden.[24]

Wie auch immer die USA im Licht der jüngsten Entwicklung ihre Prioritäten setzen werden: Europa kann zwar noch immer darauf vertrauen, dass die USA ihre Sicherheitsgarantien für Europa einhalten, ihre der NATO zugesagten Streitkräfte- und Fähigkeitenbeiträge verlässlich erfüllen und damit der bedeutendste NATO-Verbündete bleiben werden; das haben ihre Verteidigungsminister seit 2014, sogar in der Ära Trump, wiederholt glaubhaft versichert. Dennoch müssen die Europäer erkennen: NATO-Unterstützung umfasst künftig weder eine massive amerikanische Präsenz in Friedenszeiten in Europa noch eine überwältigende Luftmacht ab dem ersten Tag eines Konflikts hoher Intensität und erst recht keine Verlegung massenhafter schwerer Verstärkungen für Europa über den Atlantik. Seit der Regierung Obama ist die Botschaft klar: „Die Kavallerie wird da sein, aber nicht mehr die gesamte US-Kavallerie.“[25] Demzufolge werden die Europäer, insbesondere Deutschland, die in der NATO auftretenden Lücken füllen müssen. Andernfalls gehen sie das erhöhte Risiko ein, in Putins Kalkül als militärisch schwach, erpressbar und bei einer militärischen Konfliktaustragung als unterlegen oder wehrlos zu gelten – mit der möglichen Konsequenz einer Fehleinschätzung, die zu einem Angriff auf NATO-Verbündete und damit einem Krieg Russlands mit der NATO führen könnte.

Noch unrealistischer wären überzogene Erwartungen an die USA auf militärischen Schutz wie in der Vergangenheit, wenn es zu einem größeren Krieg nicht nur zwischen Russland und der NATO in Europa, sondern zeitgleich auch zwischen China und den USA im Indopazifik käme. Doch selbst wenn eine größere Krise zwischen den USA und China im Indopazifik nicht zu einem offenen Krieg führen sollte und „nur“ Russland in Europa eine Krise zu einem militärischen Konflikt eskalieren ließe, könnten die USA nicht einfach zum alten Muster zurückkehren und ihre europäischen Verbündeten „mit der gesamten US-Kavallerie“ vor einer russischen Aggression schützen. Denn solange die USA befürchten müssten, dass China während einer russischen Aggression in Europa in Asien angreift, wären sie gezwungen, ihr Hauptaugenmerk auf die höher priorisierte Indopazifik-Region zu richten. Bei einer „China zuerst“-Politik müssten sich die Europäern in erster Linie aus eigener Kraft und nur noch mit begrenzter US-Unterstützung gegen Russland verteidigen.[26]

 No Putin, no war, Karikatur auf Beton in der Ukraine

No Putin, no war, Karikatur auf Beton in der Ukraine

Aktuell lautet die Frage allerdings, ob die USA die massive Herausforderung des Westens durch Putins jüngste Aggression gegen die Ukraine weiterhin als primär europäisches oder als gemeinsames Problem ansehen,[27] das zu erneutem Umdenken führt. Sollte sich in Washington die Überzeugung durchsetzen, dass die USA auch langfristig wieder imstande sein müssen, gleichzeitig sowohl Russland in Europa als auch China im indopazifischen Raum in die Schranken zu weisen, so hätte dies militärstrategisch die Konsequenz, dass die USA unter großen Anstrengungen wieder zu ihrer alten – gegenwärtig nicht mehr gültigen – Doktrin zurückkehren müssten, um mit ihren Verbündeten simultan zwei große Kriege führen zu können.

5.4 Militärisch-operative Auswirkungen

Eine chinesisch-russische de-facto-Allianz hätte Auswirkungen auf die militärisch-operativen Aspekte der Verteidigungs- und militärstrategisch-operativen Planung der NATO und ebenso weitreichende politische Folgen. Die Wahrscheinlichkeit einer gewaltsamen Konfliktaustragung steigt, weil ein zur militärischen Gewaltanwendung bereiter, von einer anderen Großmacht unterstützter Aggressor Konflikte eher offen eskalieren lassen dürfte, als wenn er auf sich allein gestellt wäre. In den Kriegsoperationen selbst fällt die Zeit-, Raum- und Kräfte-Konstellation für einen Aggressor noch günstiger aus, wenn er mit einem oder mehreren starken Verbündeten zusammenwirken kann. Der Angreifer ist durch seine Erstinitiative ohnehin bereits im Vorteil. Für Russland bedeutet die durch ein militärisches Bündnis mit China veränderte Zeit-Raum-Streitkräfte-Konstellation, dass es seine anfänglichen Offensivoperationen gegen die NATO schneller, wirksamer, weiträumiger und mit einem größeren Streitkräfteansatz durchführen könnte. Ohne umfangreiche Kräfte in seinen östlichen Militärbezirken vorsorglich gegen China vorhalten zu müssen, könnte Russland nahezu all seine Kräfte und Fähigkeiten am gewählten Kriegsschauplatz im Westen zusammenziehen, in Staffeln angreifen und frühzeitige Durchbrüche erreichen.

Auf Seite der NATO träte der gegenteilige Effekt ein: verminderte Wirksamkeit der Anfangsoperationen aufgrund reduzierter zur Verfügung stehender US-Landstreitkräften, des Ausbleibens zügiger Verstärkungen, fraglicher Luftüberlegenheit (infolge einer geringeren Präsenz von US-Luftstreitkräften in Europa) und zweifelhafter maritimer Dominanz in der Ostsee und im Schwarzen Meer wegen überlegener russischer Anti-Access/Area Denial-Fähigkeiten (A2/AD).

Auch bei Folgeoperationen fiele es Russland mit Chinas Beistand leichter, die NATO von Gegenangriffen zur Rückeroberung verlorener Gebiete abzuhalten oder diese abzuwehren. Mit den Reserven aus dem Fernen Osten und zusätzlicher Materialhilfe aus China könnten ihm zahlenmäßig hinreichend überlegene Kräfte zur Verfügung stehen, um einen NATO-Gegenangriff abzublocken. Erschwerend hinzu käme die russische nukleare Androhung eines frühzeitigen niedrigschwelligen Nukleareinsatzes (escalate to deescalate).

Auf Seite der NATO könnte eine Niederlage bei defensiven Anfangs-Operationen verbunden mit den damit einhergehenden Zerstörungen, dem menschlichen Leid flüchtender Zivilbevölkerung und der angesichts russischer Kriegsführung (Grosny, Aleppo, Mariupol) zu erwartenden humanitären Katastrophe in den umkämpften und besetzten Gebieten, bewirken, dass die Mitgliedstaaten den politischen Willen und die Entschlossenheit verlieren, den Krieg fortzusetzen und nach mehreren Wochen oder Monaten der Vorbereitung mit einem großangelegten Gegenangriff den Status quo ante wiederherzustellen. Denn ohne Verstärkungen von der anderen Seite des Atlantiks und ohne hinreichende europäische Reserven wären für derartige kriegsentscheidende Folgeoperationen womöglich nicht genügend oder nicht ausreichend kampfkräftige alliierte Land-, Luft- und Seestreitkräfte vorhanden. Zudem ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere NATO-Mitgliedstaat dem Druck hybrider Kampagnen oder nuklearer Erpressung durch den Aggressor nicht standzuhalten vermag und aus der gemeinsamen Bündnisverteidigung ausscheidet.[28]

Auch die zivil-militärische Gesamtverteidigung im rückwärtigen Raum wäre betroffen. Russland verfügt über eine kriegsfähige, gut funktionierende und systematisch trainierte zivil-militärische Verteidigungsstruktur, die die gesamte Staatsverwaltung und Gesellschaft bis hin zum national-patriotischen Schulterschluss von „Thron und Altar“ umfasst. Dazu gehört auch der wirksame, in Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sichtbar gewordene Propaganda- und Repressionsapparat, dessen sich nur totalitäre Regime bedienen können. Auf dieser Basis kann die Unterstützung der „Heimatfront“ beim Übergang vom Frieden zu Krise und Krieg, aber auch bei anfänglichen Offensivoperationen und erst recht bei der Abwehr einer großen NATO-Gegenangriffsoperation sichergestellt werden.[29]

Demgegenüber sind die NATO-Mitgliedstaaten schon heute in hohem Maß anfällig für russische hybride Konfliktaustragung. Noch viel stärker könnte ihre Handlungs- und Durchhaltefähigkeit untergraben werden durch zusätzliche verdeckte oder offene hybride Aktivitäten Chinas während des Übergangs von Frieden zu Krise und Konflikt ebenso wie im Krieg. Mit eingeschränkter Führungs- und Kommunikationsfähigkeit sowie eingeschränkter Nachrichtengewinnung, Aufklärung und Überwachung wäre die Handlungsfähigkeit des Bündnisses stark herabgesetzt. Bei beeinträchtigter Leistungsfähigkeit von Häfen, Flugplätzen, Schienennetzen und Straßen könnte die NATO ihre schnellen Eingreifkräfte und Verstärkungen nicht zügig auf den Kriegsschauplatz verlegen, und bei Ausfall kritischer ziviler Infrastrukturen wären die Mitgliedstaaten nicht in der Lage, die Funktionstüchtigkeit von Staatsapparaten, Volkswirtschaften und Gesellschaften unter Kriegsbedingungen aufrechtzuerhalten.[30] Angesichts der großen Versäumnisse seit Ende des Kalten Krieges, die – damals sehr leistungsfähige und alle zwei Jahre eingeübte – eigene Fähigkeit zur Gesamtverteidigung und Resilienz zu bewahren, stellen bereits Russlands hybride Fähigkeiten eine Herausforderung dar. In Kombination mit den vorstellbaren Einwirkungsmöglichkeiten Chinas auf die genannten Bereiche kritischer Infrastrukturen in Europa stehen die Allianz, die EU und beider Mitgliedstaaten vor einem ernsthaften Problem.

Mögliche Auswirkungen auf das Risikokalkül Russlands

Auf Russlands Risikokalkül wirken sich erheblich die drei beschrieben, bis vor kurzem vorherrschenden Entwicklungen aus: (1) die Ignoranz und fehlende Bereitschaft wichtiger europäischer NATO-Verbündeter, einen größeren Anteil der Verteidigungslasten zu tragen, (2) die Verlagerung des militärischen Fokus der USA auf den Indopazifik mit Vorbereitung auf eine militärische Konfrontation mit China und (3) ein im Entstehen begriffenes De-facto-Militärbündnis von China und Russland. Sie zusammen beeinflussen Russlands Abwägung, ob es bei gegebener Gelegenheit die NATO mit einer offenen militärischen Aggression – bis hin zu einem regionalen Krieg im Ostseeraum und/oder in der Schwarzmeerregion – auf die Probe stellen sollte. Viele Bündnispartner, die selbst nicht exponiert sind und sich nicht direkt durch Russland bedroht fühlen, haben jüngst noch die von Russland ausgehende Bedrohung heruntergespielt und die Umsetzung der vereinbarten Verstärkung des NATO-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs nicht ernst genug genommen. Dies dürfte im Kalkül des Kremls zu der Fehleinschätzung beigetragen haben, ein höheres Risiko als 2008 in Georgien und 2014 in der Ukraine eingehen und den offenen Angriffskrieg vom Februar 2022 wagen zu können. Im Fall einer ausgeprägten russisch-chinesischen Militärallianz könnte Putin womöglich noch mehr riskieren, um die Verteidigungsbereitschaft der NATO zu testen und seine über die Ukraine hinausgehenden revisionistischen Ziele in Europa gewaltsam zu erreichen.

Mit Blick auf Russland ist allerdings genauso anzunehmen, dass die unerwartete Geschlossenheit und die weitreichenden harten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gegenmaßnahmen des Westens, besonders auch die „Kehrtwende“ in der deutschen Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs- und Energiepolitik, Putin von einem solchen Test der Allianz abhalten werden. Allerdings gilt das nur, wenn die beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionen durchgehalten und die angekündigten verteidigungspolitischen und militärischen Maßnahmen umgesetzt werden. In China hat die Reaktion des Westens trotz anfänglich versteifter Parteinahme für Russland zugleich Zurückhaltung bewirkt. Nach Expertenberichten laviert China[31] zwischen Präsident Xis versprochener Unterstützung Putins und den steil ansteigenden Sorgen um schädlichen Konsequenzen für das eigene Land. Die negativen Folgen für die Weltwirtschaft, die innenpolitisch erheblich die Machterhaltung der kommunistischen Partei beeinträchtigen könnten, die wiederbelebte Geschlossenheit des Westens unter Führung der USA und die Verurteilung des russischen Angriffskriegs durch Dreiviertel der UN-Weltgemeinschaft sind allesamt Entwicklungen, die China nicht wünscht und Russlands Bedeutung relativieren.

Auswirkungen auf das Risikokalkül der NATO und ihren verwundbarsten Punkt

Eine russisch-chinesische Militärallianz würde sich auch auf das Risikokalkül der NATO und ihre gegenwärtige politische und militärische Achillesferse auswirken: Wie lassen sich in einer Krise der militärische Aufmarsch und die Verteidigungsoperationen zu Kriegsbeginn auch dann erfolgreich ausführen, wenn China von seinen Möglichkeiten in Europa direkt oder indirekt zugunsten Russlands Gebrauch macht? Und wie könnte die NATO nach militärischen Rückschlägen in den Anfangsoperationen Zusammenhalt und Entschlossenheit zu Folgeoperationen aufrechterhalten? Bei Russlands möglichen Absichten herrschte in der NATO bislang die Auffassung vor, ein revisionistisches, aber isoliertes Russland könnte gegebenenfalls durchaus versuchen, mit einer Herausforderung die Toleranz der NATO auf die Probe zu stellen. Grundsätzlich ging man jedoch davon aus, Russland werde sofort zurückweichen, sobald die NATO mit demonstrativer Einigkeit und Entschlossenheit reagieren würde. Zu diesem Zweck hat die NATO seit 2014 für rasche politische und militärische Entscheidungsfindung gesorgt, schnell verlegbare Reaktionsstreitkräfte (NRF, VJTF) geschaffen, eine multinationale „Vornepräsenz“ in den vier exponiertesten Mitgliedstaaten (Baltische Länder[32] und Polen) und eine verstärkte Übungspräsenz in Südosteuropa eingerichtet.

 Das niederländische Kontingent der enhanced Forward Presence in Litauen

Das niederländische Kontingent der enhanced Forward Presence in Litauen

Allerdings zielte der Ansatz verstärkter „Vornepräsenz“ auf die Abwehr eines begrenzten Eindringens (limited incursion) durch einen nicht eindeutig als militärischen Aggressor identifizierbaren Angreifer[33], nicht aber darauf, vom ersten Konflikttag an hochintensive, hinhaltende Verzögerungs- und Verteidigungsgefechte gegen einen Großangriff russischer Land-, Luft-, See- und Cyberstreitkräfte zu führen. Die sogenannte „Speerspitze“ der brigadegroßen Schnellen Eingreifkräfte (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) und die seit 2014 auf Divisionsgröße verdreifachte NATO Response Force (NRF) sollten schnell als erste Verstärkungen herangeführt werden. Doch auch sie waren nicht darauf ausgelegt, schwere Verteidigungsschlachten gegen angreifende russische Panzerarmeen oder Armeekorps zu gewinnen. Das kann nur gelingen mit umfangreichen und rechtzeitig zugeführten weiteren Verstärkungs-Großverbänden zu Lande, einem hohen Maß an alliierter Luftmacht ab der ersten Stunde der Kampfhandlungen und maritimer Dominanz in der Ostsee.

Tatsächlich wird das Grundprinzip der Verteidigung „einer für alle, alle für einen“ in der multinationalen NATO Response Force und ihrer VJTF-Speerspitze sowie in den multinationalen verstärkten Vornepräsenz-Kampfverbänden konkret umgesetzt. Obgleich ihre operative Schlagkraft begrenzt ist und sie nicht darauf eingerichtet sind, schwergepanzerte und artilleriestarke russische Armeekorps zu besiegen, ist ihr Abschreckungseffekt aufgrund des multinationalen Charakters hoch. Damit wird Russland die militärische Option verwehrt, ein einzelnes NATO-Mitglied zu isolieren, ohne Krieg mit der gesamten Allianz einschließlich ihrer drei Atommächte zu führen. Gleichzeitig hat Russland nicht den geringsten Grund zu behaupten, die NATO stelle eine militärische Bedrohung für seine Sicherheit dar, indem sie vertragswidrig substanzielle Kampfverbände nahe den Grenzen zu Russland stationiere. Für die Lage seit 2014 ist die gegenwärtige Kräfteaufstellung daher ein akzeptabler Kompromiss, der bis auf Weiteres funktioniert – nämlich so lange, wie eine großangelegte militärische Offensive nach russischem Risikokalkül nicht sinnvoll erscheint.

Dies sind die Rahmenbedingungen, die erklären, warum sich der NATO-Gipfel in Wales im Jahr 2014 grundsätzlich für eine Steigerung von Reaktionsbereitschaft und Verstärkungen (Responsiveness) entschied und gegen eine Neuauflage des aus dem Kalten Krieg stammenden Vorneverteidigung-Konzepts mit bereits in Friedenszeiten grenznah dislozierten Großverbänden, das sich für Deutschland damals sehr bewährt hat. Der Grund für die Entscheidung war politischer, nicht operativer Natur.

Das Risiko dieser – aus politischen Erwägungen bewusst moderaten – gegenwärtigen NATO-Kräfteaufstellung bestand darin, dass Russland aus vorgetäuschten Großmanövern heraus zu einem nicht sogleich erkannten Angriff übergehen könnte. Dazu hätte es von Tag Eins an überraschend die NATO-Luftverteidigung ausschalten, die mittlere Ostsee abriegeln und mit starken konventionellen Landstreitkräften verbundene Angriffsoperationen zur Eroberung der exponierten und schwer zu verteidigenden baltischen Staaten nach Art eines „Blitzfeldzugs“ führen müssen. In diesem – allerdings nur bei völligem Versagen der westlichen Nachrichtengewinnung und Aufklärung oder bei totaler Ignoranz auf politischer Entscheidungsebene vorstellbaren – Fall hätten russische Truppen, wie Putin gesagt haben soll, Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest binnen weniger Tage erobern können.[34] Dies hätten die nationalen Landesverteidigungs-Streitkräfte der NATO-Frontstaaten gemeinsam mit den alliierten NATO-Vornepräsenzkräften und ersten Verstärkungen (VJTF, NRF) nur verhindern können, wären weitere schwere Großverbände als nachrückende Verstärkungen für die anfänglichen Verteidigungsoperationen bereitgestanden. Solche Großverbände stehen derzeit aber nicht zur Verfügung: Gedacht hatte man damals vor allem an die (derzeit weder vollausgestatteten noch kriegstüchtig ausgerüsteten[35] und kaum einsatzbereiten) sechs bis acht Kampfbrigaden des deutschen Heeres und an die Überbleibsel der ehemaligen britischen Rheinarmee.

Würde unter den oben skizzierten Bedingungen Russland eine Invasion und Besetzung der baltischen Staaten und von Teilen Polens gelingen, müsste sich die NATO über Wochen oder gar Monate unter Mobilisierung und Heranführung aller noch verfügbaren Kräfte auf einen Gegenangriff vorbereiten, und dann das zunächst verlorene Territorium in hochintensiven Kämpfen zurückzuerobern. Die eintretende „operative Pause“ zwischen einer Niederlage in den Anfangsoperationen und dem Antreten zur Gegenangriffsoperation ist die verwundbarste „Achillesferse“ der Allianz. Das operative und politische Problem des gegenwärtigen Responsiveness-Konzepts besteht darin, dass Russland es sowohl auf politischer als auch operativer Ebene unterlaufen könnte: politisch, indem Russland durch Lüge, Täuschung und Verschleierung seiner Absichten im Nordatlantikrat eine solche Ambiguität erzeugt, dass dessen politischer Entscheidungsprozess nicht rechtzeitig zu einem sachgerechten und einvernehmlichen Beschluss führt. Militärisch, indem es Russland gelingt, noch vor Aufnahme der NATO-Verteidigungsoperationen auf dem gewählten Kriegsschauplatz anzugreifen, die unzureichenden NATO-Kräfte zu zerschlagen, in einem „Blitzfeldzug“ den eroberten Raum in Besitz zu nehmen und die Allianz durch nukleare Eskalationsandrohung zu einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung zu russischen Bedingungen zu zwingen.

An dieser Problematik des Responsiveness-Konzepts wird sich auch in Zukunft nichts Grundsätzliches ändern. Ist Verbündeten-Territorium erst einmal weiträumig besetzt, werden Konsensentscheidungen innerhalb der NATO schwierig bleiben. Für eine derartige Situation war bis vor kurzem damit zu rechnen, dass einige Mitgliedstaaten aufgrund innenpolitischer Zwänge den Standpunkt vertreten, dass „sich das Problem nicht mit militärischen Mitteln lösen lässt“ und „nur Diplomatie, Sanktionen und Dialog den Krieg beenden können.“ Bei der mit Sicherheit zu erwartenden russischen Drohung mit dem Einsatz von Kernwaffen wäre argumentiert worden, dass „die Aggression und der Landraub zwar schrecklich, völkerrechtswidrig und nicht hinnehmbar sind, aber eine Eskalation zu einem Atomkrieg unter allen Umständen vermieden werden muss.“ Einer solchen Beschwichtigungspolitik, nicht nur vor Beginn einer Aggression, sondern auch während eines Kriegs, würde voraussichtlich der Wunsch nach einer „Ausstiegsoption“ folgen – woraufhin einzelne NATO-Staaten aus den Kampfhandlungen ausscheiden und ihre Fähigkeiten und Kräfte aus dem Bündnis zurückziehen würden. Das ist insbesondere in Betracht zu ziehen bei Mitgliedstaaten wie Deutschland, deren politische Führungen sich von einer breiten pazifistischen Grundströmung in ihren Gesellschaften getragen sehen und im eigenen Land keine ähnlich hohen physischen Zerstörungen erleiden wollen, wie die Medien über die Lage in den Frontstaaten berichten.

In Anbetracht der Tatsache, dass der Nordatlantikrat auch in Kriegszeiten die politische Kontrolle über die militärischen Kommandostäbe der NATO behält und nicht mit dem Ausbruch von Feindseligkeiten beendet, lässt sich nicht ausschließen, dass der Rat keinen Konsens erreicht, wenn SACEUR um die Ermächtigung ersucht, einen großangelegten Gegenangriff vorzubereiten und zu starten. Daher steigt nach erfolglos verlaufenen anfänglichen Anfangsoperationen (und Verlusten, Zerstörungen, Not flüchtender Zivilbevölkerung, Preisgabe von Territorium) für die NATO das Risiko, ihre Einheit und Entschlossenheit zu verlieren. Es dürfte umso höher sein, je länger es dauert, die erforderlichen Luft-, Land- und Seestreitkräfte für einen massiven Gegenangriff zusammenzustellen und zu verlegen. Im politisch denkbar schlimmsten Fall – einige wenige Verbündete kündigen nicht nur ihre Teilnahme an den Operationen auf, sondern verhindern durch Verweigerung einvernehmlicher Ratsbeschlüsse auch eine Fortsetzung des Krieges durch die NATO – könnte auf operativer Ebene eine Gruppe von NATO-Staaten unter Führung der USA dennoch einen Gegenangriff führen, um die baltischen Staaten oder Polen von russischen Invasionskräften zu befreien. Allerdings wäre es im Extremfall, dem Ausstieg Deutschlands und anderer Bündnispartner in Mitteleuropa, für eine verbleibende Koalition der Willigen ohne logistische Drehscheibe und Bewegungsfreiheit in rückwärtigen Gebieten äußerst schwierig, einen Feldzug gegen Russland im Osten zu führen und erfolgreich zu Ende zu bringen.

In der geopolitischen Situation nach 2014, als man von einem isolierten Russland als möglichem NATO-Gegner in Kriegszeiten ausging, galt das politische und operative Risiko des Responsiveness-Konzepts der NATO wegen eher geringer Wahrscheinlichkeit des beschriebenen Worst Case als beherrschbar. Sollte Russland jedoch von China militärische und politische Rückendeckung erhalten und vielleicht durch gemeinsame hybride Aktivitäten gegen die NATO in ganz Europa erhebliche Unterstützung erfahren, liefe die NATO deutlich stärker Gefahr, bei anfänglichen Verteidigungsoperationen zu scheitern und ihre politische Einheit und Entschlossenheit zu verlieren. Diese politische und operative Verwundbarkeit würde angesichts eines sich abzeichnenden Militärbündnisses von Russland und China eine andere Strategie der Verteidigung Nordosteuropas erfordern. Ziel einer revidierten oder alternativen NATO-Strategie müsste es sein, zu vermeiden, dass die anfänglichen Verteidigungsoperationen am Boden zu einem vorläufigen Ende kommen und eine wochen- oder monatelange Pause für den Aufmarsch der für einen großangelegten Gegenangriff nötigen Kräfte eintritt. Ein Verlust ihres Kraftzentrums, also der politischen Einheit und Entschlossenheit der 30 NATO-Verbündeten und operativen Partner, würde im Kriegsfall den Sieg für Russland und vermutlich auch das Ende der NATO als Allianz bedeuten.[36]

Diese Analyse legt nahe, dass der Fall einer längeren „operativen Pause“ nach Niederlage in den Anfangsoperationen, der zum politischen Zerfall der Allianz führen könnte, nicht eintreten darf. Das lässt sich aber nur gewährleisten, wenn die NATO nicht bloß bei einer limited incursion, sondern auch in allen Phasen der Vorbereitung auf einen russischen regionalen Invasionskrieg Aufmarsch und Anfangsoperationen – Alarmierung und Bereitstellung der VJTF, NRF und weiterer Verstärkungen, Verlegung in Verfügungsräume nahe der Front, Beziehen vorbereiteter Verteidigungsstellungen, Herstellung maximaler Einsatzbereitschaft und Klarstände bei allen Hauptwaffensystemen, schnellstmögliche Erkämpfung von Luftherrschaft und verzugsloser Übergang von Verzögerungs- zu Verteidigungsoperationen – mit hoher Geschwindigkeit durchführt und rasch die Oberhand gewinnt. Nicht zuletzt gilt es, ein mögliches aktives Mitwirken von China zugunsten Russlands und zu Lasten der NATO während der (gerade im Responsiveness-Konzept besonders kritischen) Aufmarschphase und der Anfangsoperationen zu verhindern. NATO und EU müssen daher schon bei den friedensmäßigen Vorbereitungen der Bündnisverteidigung vorsorgen, dass Chinas Unterstützung für Russland als Ergebnis vertraglicher Vereinbarungen unterbleibt oder sich durch Gegenmaßnahmen so unterbinden lässt, dass die Auswirkungen nicht schwerwiegend wären.

Jetzt hat der Aufmarsch der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine offenbart, mit welchem gegnerischen Kräfteumfang die NATO zu rechnen hätte: Allein bei den Landstreitkräften sind es rund 120 Bataillon-Kampfgruppen mit über 150.000 Mann Personal. Zugleich hat sich gezeigt, dass diese russischen Streitkräfte aufgrund erheblicher operativer und logistischer Schwächen und Verwundbarkeiten keineswegs in der Lage sind, aus dem Stand „vier NATO-Hauptstädte in vier Tagen“ zu besetzen. Gegen die in ihrem Verteidigungskampf völlig auf sich allein gestellte Ukraine haben die russischen Invasionskräfte trotz sofort erkämpfter Luftherrschaft in den ersten drei Kriegswochen erstaunlich wenig Raumgewinn erreicht. Das lässt den Rückschluss zu, dass die NATO durchaus gute Aussichten hat, mit ihrem gegenwärtigen, von 30 Nationen bereitgestellten Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv einen Invasionsangriff abzuwehren, der wie im Fall der Ukraine brutal und verbrecherisch gegen die Zivilbevölkerung, aber operativ dilettantisch gegenüber den Streitkräften ausgetragen würde. Dazu müssten allerdings rechtzeitig ein bevorstehender russischer Großangriff als solcher erkannt und im Konsens die nötigen politischen Entscheidungen getroffen werden, der Aufmarsch der NATO-Streitkräfte und die Verlegung der ersten schnellen Verstärkungskräfte (VJTF, NRF) ungestört und zügig erfolgen und die NATO sich in den ersten Stunden die Luftüberlegenheit erkämpfen.

Nimmt man Russlands im November 2021 begonnenen, als Großmanöver und Drohkulisse getarnten Aufmarsch gegen die Ukraine und den am 24. Februar 2022 gestarteten Angriffskrieg als Blaupause für einen russischen Angriffskrieg gegen die NATO-Staaten in Nordosteuropa, so würde dieser dank zuverlässiger Vorhersagen von Nachrichtendiensten und Aufklärung wohl beizeiten erkannt werden. Die NATO könnte ihre politische Geschlossenheit bewahren und früh die nötigen Entscheidungen treffen. Im gebotenen Tempo ließen sich die Vornepräsenz verstärken, die VJTF und NRF in ihrer Einsatzbereitschaft erhöhen, versammeln und verlegen. Mit der Aufstockung von US-Streitkräften in Europa auf 100.000 stünde für Verteidigungsoperationen von Anbeginn neben den europäischen Streitkräften eine hohe Anzahl amerikanischer Kräfte zur Verfügung. Unter diesen Voraussetzungen wäre die NATO fähig, schon in den ersten Stunden eine günstige Luftlage herzustellen und die relevanten Seeräume zu beherrschen. Sie könnte bruchlos von anfänglichen Verzögerungs- zu Verteidigungsoperationen übergehen, ohne dass zwischen Anfangs- und Folgeoperationen eine – für die Bewahrung ihrer Geschlossenheit gefährliche – „operative Pause“ eintritt.

Gegenwärtig wäre eine solche positive Entwicklung in erster Linie den von den USA eingebrachten Kräften und Fähigkeiten zu verdanken. Gelingt es den Europäern, diese künftig in dem Maß selbst zu ersetzen, wie die USA ihre Fähigkeiten auf den indopazifischen Raum konzentrieren, kann Europa zuversichtlich sein, sich gegenüber einem auf sich gestellten, nicht von China militärisch unterstützten Russland aus eigener Kraft als abschreckungs- und verteidigungsfähig zu behaupten. Dies gilt mit der einen, allerdings gravierenden Ausnahme der nuklearstrategischen Dimension: Die gegenwärtig nur von den USA glaubwürdig leistbare „erweiterte nukleare Abschreckung“ gegenüber einem Russland, das – wie sich im Februar 2022 erneut zeigte – sehr frühzeitig zu nuklearer Drohung und Erpressung greift, bleibt für die europäischen Verbündeten auf lange Zeit unverzichtbar. Diese insgesamt hoffnungsvolle Einschätzung wird jedoch hinfällig, sobald Russland nicht länger alleine operiert, sondern China seine militärische Aggression aktiv und substanziell unterstützt oder die USA gezwungen sind, ihre Beiträge in Europa auf ein Minimum zu reduzieren.

5.5 Schlussfolgerungen aus dem russischen Angriff auf die Ukraine

Das Ultimatum vom Dezember 2021 und die nachfolgende Invasion der Ukraine dienten Russland dazu, seine Einflusssphäre zu erweitern. Sie waren weder eine Überraschung und noch das „irrationale Verhalten eines Wahnsinnigen“, sondern logische Folge einer seit Jahren verfolgten Politik. Erleichtert wurde Russlands Vorgehen dadurch, dass maßgebliche NATO-Mitgliedstaaten die Warnsignale nicht wahrhaben wollten und so Putin ermuntert haben, gegen die Ukraine militärisch vorzugehen. Putin erkannte in der Unentschlossenheit des Westens und den offenkundigen Mängeln der NATO-Verteidigung offensichtlich eine gute Gelegenheit, sein Streben nach Wiederherstellung der „russischen Welt“ und Russlands verlorenem Status als imperiale Großmacht in die Tat umzusetzen. Noch dazu haben die USA und die NATO-Mitgliedstaaten seit Putins Aufbau einer Drohkulisse und verstärkt seit Beginn seines Angriffskriegs wiederholt einvernehmlich signalisiert, sich wegen der Ukraine in keinerlei militärischen Konflikt mit Russland hineinziehen zu lassen.[37] Die schon vor Kriegsbeginn offensichtliche Rückendeckung des chinesischen Präsident Xi Jinping und dessen Bereitschaft, sich das Kreml-Narrativ („legitime russische Sicherheitsinteressen“, „Spezialoperation“, „verursacht durch Russland-feindliches Verhalten der USA und der NATO“) anzueignen, dürfte Putin zusätzlich ermutigt haben, das Risiko der Ukraine-Invasion einzugehen[38].

Nicht bestätigt hat sich Putins Wahrnehmung der NATO und ihrer Mitgliedstaaten als schwach, uneinig und unfähig zu einer Russland schmerzhaft treffenden Reaktion. Seine Forderungen vom Dezember 2021 nach Rückzug der USA aus Europa und Rückabwicklung der NATO auf den Stand vor 1997 haben seine erklärte Gegnerschaft zur NATO, zu den USA und zum Westen ungeschminkt ans Licht gebracht. Der am 24.2.2022 begonnene Angriffskrieg machte allen westlichen Regierungen klar, dass Putins Russland die Helsinki-Friedensordnung in Europa gewaltsam durch eine neue, Jalta-ähnliche Ordnung zu ersetzen versucht.

Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Putins Russland politisch und militärisch seine Karten auf den Tisch gelegt. Über die politischen Absichten besteht kein Zweifel mehr, und die militärische Leistungsfähigkeit, aber auch die Grenzen der russischen Streitkräfte sind offensichtlich geworden. Bei China ist das bisher nicht so ersichtlich und das Ausmaß seiner Unterstützung Russlands gegenwärtig noch sehr begrenzt. Vor allem aber hat die Allianz in mustergültiger Weise zusammengehalten und haben Schlüssel-Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich die richtigen Konsequenzen in Form einer dramatischen Kehrtwende ihrer bisherigen Politik gezogen.

Inzwischen ist absehbar, dass die NATO und wichtige Mitgliedstaaten sich nicht länger einer Selbsttäuschung über Putins Russland hingeben, auch nicht über eine mögliche Unterstützung Russlands durch China. Demnach wird in Zukunft, anders als 2014, nicht das von „Ambiguität“ geprägte Konfliktbild die NATO-Planung bestimmen, sondern Putins Invasionskrieg mit umfangreichen konventionellen Kräften und nuklearer Eskalationsandrohung.

6 Folgen für die Verteidigungskonzeption der NATO

Die Auswirkungen einer faktischen chinesisch-russischen Militärallianz auf das russische Risikokalkül und die Sicherheit in Europa sind offensichtlich: Europa könnte in diesem neuen Zeitalter der geopolitischen Großmachtrivalität zu einem Opfer statt zu einem Akteur werden, und wir erleben womöglich eine Rückkehr militärischer Konflikte und Kriege in unserer Heimat statt ein stabiles „Europa, das frei ist und in Frieden lebt.“[39] Regionale Kriege werden in Europa wahrscheinlicher als erwartet. Das sollte für die NATO Grund genug sein, drei Schlussfolgerungen zu ziehen:

  1. Die auf den Gipfeln in Wales und Warschau beschlossene Verstärkung der Verteidigungsanstrengungen muss überprüft, wo nötig konzeptionell nachgebessert und vollständig und beschleunigt umgesetzt werden.

Russlands nun offengelegte Absichten und die politische Unterstützung, die es bereits von Xi Jinpings China erfahren hat, erfordern, das NATO-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv in allen seinen Elementen schnellstmöglich zu überprüfen, nötigenfalls konzeptionell nachzubessern und schon bis Mitte der 2020er-Jahre (nicht erst Mitte der 2030er) zu implementieren. Dafür braucht es kurzfristig entsprechende Vorgaben der neuen NATO-Strategie, die im Juni 2022 verabschiedet werden soll.

Im Wesentlichen geht es für Deutschland darum, in den östlichen Mitgliedstaaten eine verstärkte, auch Südosteuropa einbeziehende Vornepräsenz aufzubauen, um Überraschungen seitens Russland auszuschließen. Das erfordert die Rekonstituierung und Modernisierung der deutschen Heeresbrigaden als entscheidende Verstärkungskräfte sowie die Ausrüstung der gesamten Bundeswehr mit technologisch hochwertigen Waffen und modernen digitalen Führungssystemen. Weiterhin wichtig bleiben nukleare Teilhabe und Gegen-Abschreckung. Überdies muss Deutschland einen substanziellen Beitrag zur europäischen Luftmacht leisten. All das bedeutet: drastische Erhöhung der Klarstände durch Ersatzteilbevorratung, gesteigerte Durchhaltefähigkeit durch Bewaffnung und Munitionsbevorratung, bodengestützte Luftverteidigung mit bewaffneten Drohnen, langfristig moderne und kampfkräftige Luftstreitkräfte (Eurofighter, F-35, FCAS-System). Auch muss die NATO in der Lage sein, die Ostsee durch moderne Seekriegsführung, einschließlich weitreichender Flugkörpersysteme und Artillerie, zu beherrschen.

Vor dem Hintergrund einer russisch-chinesischen Allianz, die sich noch in einem frühen Stadium befindet, bleibt deutlich weniger Zeit, um die nationalen Streitkräftedispositive, die gegenwärtig im Rahmen des NATO Defense Planning Process unter den Bündnispartnern vereinbart werden, zu revidieren und anzupassen. Also müssen die NATO-Mitglieder ihre Umsetzungsbemühungen beschleunigen und intensivieren. Immerhin verfügt die Allianz durch den weitgehend umgesetzten Rapid Reaction Plan mit der verstärkten NRF Forward Presence in Nordosten und Tailored Forward Presence im Südosten mittlerweile über rasch einsatzfähige, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Kräfte und Fähigkeiten, die der NATO die Abwehr eines hybrid geführten Angriffs ermöglichen.[40] Mit dem Ukraine-Überfall und den Beschlüssen der Bundesregierung vom 27. Februar 2022 dürfte die politische Voraussetzung für diese Anpassungen gegeben sein.

  1. Im Fall einer engeren russisch-chinesischen Militärallianz müssten China als potenzielle Bedrohung und möglicher Gegner an Russlands Seite aufgefasst und das Strategische Konzept der Allianz sowie alle konzeptionellen Dokumente zum Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv für Europa erweitert, überarbeitet oder komplett neu gefasst werden.

Sobald mehr belastbare Belege darauf hinweisen, dass Russland und China über ihre bereits offen erklärte wechselseitige politische Unterstützung hinaus ein vertieftes Militärbündnis eingehen wollen, wäre die NATO-Verteidigungskonzeption zu erweitern, zu überarbeiten oder komplett neu zu fassen. Russland mag nicht der einzige ebenbürtige Gegner sein, der eine Bedrohung für die Alliierten darstellt. Bislang beschränkte sich der NATO-Konsens auf die Einstufung Chinas als „Herausforderung.“[41] Doch wenn sich das geopolitische Umfeld grundlegend verändert, auch und gerade durch eine chinesisch-russische Allianz, müssen sich die NATO-Verbündeten auf die neue Realität und ihre politischen, verteidigungsrelevanten und operativen Folgen einstellen. Die Staats- und Regierungschefs der Allianz werden nicht umhin kommen, die Großmacht China nicht länger als „Herausforderung“ zu begreifen, sondern in ihrer Rolle als Verbündeter Russlands auch als möglichen Gegner der Allianz. Und sie werden dann die Implikationen für die Positionierung der Allianz und ihrer Mitglieder gegenüber China und ihre künftige Ausrichtung aufzeigen müssen.

  1. Die Europäer müssen sich mit einer neuen transatlantischen Lastenverlagerung anfreunden, um die Amerikaner bei der Stange zu halten

Wissend, dass im Fall eines regionalen Kriegs in Europa deutlich weniger US-Streitkräfte und -Fähigkeiten zur Verfügung stehen würden, haben bis zur „Zeitenwende“ am 24. Februar 2022 so manche europäischen NATO-Verbündete, unter ihnen Deutschland als Schlüsselmitglied, lange gezögert, ihre 2014 gegebenen Zusagen vollständig einzulösen.[42] US-Vertreter hatten schon Jahre zuvor keinen Zweifel daran gelassen, dass sich das Hauptaugenmerk der USA auf China verlagert und ihr Militär nicht mehr in der Lage wäre, gleichzeitig zwei große Kriege in Europa und im Asien-Pazifik-Raum zu führen. Denn Russland gilt ihnen als kurzfristige, China dagegen als die langfristige und anspruchsvollere, größere Herausforderung.[43] Deswegen werden die Europäer nun einen deutlich größeren Teil der Abschreckungs- und Verteidigungslasten gegen Russland tragen müssen. Und daher zielen alle NATO-Leitdokumente für die Verteidigungsplanung, auf die man sich in Wales, Warschau und Brüssel verständigt hat, auf eine faire transatlantische Lastenverteilung und Aufstockung der europäischen Streitkräfte, Fähigkeiten und Beiträge ab.

Allerdings benötigt Europa gegenüber Russland von Amerika weiterhin unabdingbar eine erweiterte nukleare Abschreckung und damit verbunden eine signifikante US-Militärpräsenz, die diese Nukleargarantie glaubwürdig unterlegt. Zudem ist es angewiesen auf amerikanische Fähigkeiten in Hochtechnologiebereichen, in denen die USA uneinholbar führend sind. Das umfasst zahlreiche sogenannte „Ermöglicher“ (enabler) und „kampfkrafterhöhende Fähigkeiten“ (force multiplyer), nicht zuletzt auch im Bereich Führung, Kampfunterstützung und Logistik. Dies sind kritische Fähigkeiten für die qualitative Überlegenheit bei militärischen Operationen, und sie sind zumeist gleichermaßen hochanspruchsvoll, komplex und teuer. Weil die Europäer Mühe haben werden, aus eigener Kraft eine der amerikanischen Luft, See- und Cybermacht nahekommende Kapazität aufzubauen, bleiben auch hier amerikanische Streitkräfte noch lange Zeit wichtig. Im Gegenzug für den Verbleib solcher Kräfte und Fähigkeiten in Europa müssen die Europäer die US-Forderung nach einer stärkeren Beteiligung an den Verteidigungslasten erfüllen und mehr Verantwortung übernehmen, um die Lücken in den Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO zu füllen.

Insbesondere Deutschland, dem es in den vergangenen acht Jahre an Bereitschaft zum Wort halten fehlte, muss seine Zusagen endlich einhalten und wieder die Rolle als konventionelles Rückgrat der kollektiven Verteidigung in Europa ausfüllen. Ob Europa sein stabiler Sicherheitserhalt gelingt, hängt in erster Linie von den USA, in zweiter von Deutschland ab. Beide müssen ihre Verantwortungen ernst nehmen und akzeptieren, bei der militärischen Lastenteilung und -verlagerung einen fairen, ihrem politischen und ökonomischen Gewicht entsprechenden Anteil zu übernehmen. Von ganz zentraler Bedeutung für Europas Sicherheit ist, dass beide der russischen Staatsführung keinen Grund geben, ihr Risikokalkül zu ändern. Die USA sollten nicht den Eindruck erwecken, von ihrer Sicherheitsgewähr für Europa abrücken zu wollen, und Deutschland darf nicht als schwächster Bündnispartner der NATO erscheinen, der unter Druck womöglich „aussteigt“, sei es in Friedens-, Krisen- oder Konfliktzeiten. In dieser Hinsicht ist die in Deutschland mit achtjähriger Verspätung vollzogene „Zeitenwende“, ausgedrückt in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz am 27. Februar, von höchster Relevanz – sowohl für die Wiederherstellung des ramponierten Vertrauens in Deutschlands bündnispolitische Zuverlässigkeit als auch für die Bewahrung von Europas transatlantischem Verbund mit den USA und das fortdauernde US-Engagement für Europas Sicherheit gegenüber der Bedrohung durch Russland.


Hinweis

Die englischsprachige Fassung dieses Aufsatzes wurde im Dezember 2021 als Buchbeitrag verfasst zu: Sarah Kirchberger/Svenja Sinjen/Nils Wörmer (Eds.), Russia-China Relations. Emerging Alliance or Eternal Rivals? Wiesbaden: Springer international, open access e-book, 2022.


About the author

Brigadegeneral a.  D. Rainer Meyer zum Felde

Senior Fellow

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Published Online: 2022-05-13
Published in Print: 2022-05-09

© 2022 Meyer zum Felde, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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