Zusammenfassung
In der Prekarisierungsforschung ist das Interesse an den sozialen Netzwerken und Nahbeziehungen von unsicher Beschäftigten gewachsen, da davon ausgegangen wird, dass die subjektive Wahrnehmung der Erwerbslage besser nachvollziehbar wird. Der Beitrag bearbeitet die Frage, wie prekär beschäftigte Paare ihre Prekarität wahrnehmen und deuten und welche Bedeutung ihre Paarbeziehung dabei erhält. Prekarität wird aber nicht auf Erwerbsarbeit reduziert, sondern im Anschluss an geschlechtersoziologische Arbeiten auf den Lebenszusammenhang erweitert. Datengrundlage bilden drei- bis fünfstündige teilleitfadengestützte, narrative Paarinterviews sowie später folgende Einzelinterviews, die zwischen 2014 und 2016 erhoben wurden. Die Auswertung orientierte sich an den Grundlagen der wissenssoziologischen Hermeneutik. Es werden zwei Fallrekonstruktionen vorgestellt und kontrastiert: erstens das Arrangement eines männlichen Alleinernährers und einer Hausfrau sowie zweitens einer Familienernährerin und eines selbstständigen Partners. Im Ergebnis wird deutlich, wie vergeschlechtlichte Zuschreibungen an Frauen und Männer im Binnenverhältnis der Paare aktualisiert werden, aber auch an Bedeutung verlieren können. Dies wirkt sich wiederum auch darauf aus, ob sich die Paarbeziehung für die Partner*innen als Ressource oder als Belastung darstellt.
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