Zusammenfassung
Daß Ethnizität nicht, wie noch von Theorien der sogenannten melting pot modernization behauptet, mit fortschreitender funktionaler Differenzierung in der Auflösung begriffen ist, ist inzwischen sozialwissenschaftliches Gemeingut. Wie sich dieses Phänomen theoretisch konsistent konzeptualisieren läßt, bleibt in entscheidenden Hinsichten allerdings offen. Die Diskussion scheint sich auf eine Position zurückgezogen zu haben, die bereits von Max Weber formuliert wurde und Ethnizität als eine Form von Gemeinsamkeitsglauben charakterisiert. Dieser implizite Konsens kann als Ergebnis einer Reihe von epistemologischen Hindernissen beschrieben werden, nicht zuletzt der Tatsache, daß handlungstheoretische Ansätze mit der Handhabung der Unterscheidung psychisch/sozial überfordert sind. Allerdings gelingt es auch den wenigen systemtheoretischen Beiträgen zum Zusammenhang von Ethnizität und Modernität nicht, den Ethnizitätsbegriff funktional hinreichend zu spezifizieren. Wir schlagen eine auf der Unterscheidung von Risiko/Gefahr fußende attributionstheoretische Fassung des Ethnizitätsbegriffs vor. Vor diesem Hintergrund läßt sich das Relevantwerden ethnischer Semantiken für das politische System als Vertrauenskrise beschreiben, welche möglicherweise die Zirkulation des symbolisch generalisierten Kommunikationsmediums Macht beeinträchtigt.
© 2005 by Lucius & Lucius, Stuttgart