Zusammenfassung
Der Beitrag widmet sich einer Wissenssoziologie der Technokratie. Zunächst wird dafür die Architektur der technokratischen Semantik skizziert und in ihrer Funktionalität als De-Individualisierung von Verantwortung dechiffriert. Drei sozialstrukturelle Momente - ubiquitäre Technisierung, infrastrukturelle Zentralisierung und scharf asymmetrische Inklusionsordnungen - werden dabei als Nährboden der Technokratiesemantik herausgearbeitet. Es zeigt sich, dass Technokratie als Semantik in Zeiten digitaler Medien nicht mehr bruchlos funktioniert: Dystopien einer neuen Technokratie auf Basis ubiquitärer Technisierung im Kontext digitaler Medien stehen Utopien einer digitalen Emanzipation gegenüber, die sich auf Potentiale infrastruktureller Dezentralisierung und symmetrischer Inklusion berufen. Die diskursive Verflechtung utopisch-dystopischer Semantiken ist Indiz einer ambivalenten Subjektivierung im Spannungsfeld von Technik und Verantwortung. Der Beitrag schließt mit der These, dass sich die Genese einer post-technokratischen Verantwortungssemantik in digitalen Kontexten beobachten lasst, welche sich durch ein Oszillieren zwischen individueller Verantwortungsnegation und inflationärer individueller Verantwortungszuschreibung auszeichnet.
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