1 Der Strommarkt
Österreich erscheint auf den ersten Blick im internationalen Vergleich zu den Vorreitern der Nutzung erneuerbarer Quellen, insbesondere im Strombereich, zu gehören. Es hat seine geografischen Voraussetzungen bereits früh intensiv genutzt. Diese hatten historisch gesehen die beiden Hauptenergieträger Österreichs, die Wasserkraft und die biogenen Brenn- und Treibstoffe begünstigt. Anfang der 2000er Jahre wurde bereits ein Viertel des gesamten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt. Speziell im Stromsektor kamen dabei etwa 70% des Verbrauchs allein aus Wasserkraft. Angesichts des breiten Anti-Atom-Konsens und der ohnehin hohen Importabhängigkeit gab es im Grunde keine Alternative. So war im Vorfeld der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie von 2009 mit dem zentralen Ziel bis 2020 einen Anteil von 20% des EU-weiten Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu gewinnen, die Energieerzeugung Österreichs bereits deutlich von erneuerbaren Energiequellen, wie Wasserkraft oder Biomasse, geprägt. Der Anteil der Erneuerbaren an der österreichischen Primärenergieproduktion erhöhte sich bis 2020 auf etwa 86% (Brendler 2022, S. 180). Die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 wird immer unwahrscheinlicher.
Wirft man allerdings einen Blick auf den gesamten Bruttoendenergieverbrauch, der auch Importe und Exporte einschließt und somit aussagekräftiger ist, zeigt sich ein anderes Bild. Der Bruttoendenergieverbrauch ist von fossilen Energieträgern aus dem Ausland dominiert und stützt sich zu 53% auf Öl und Gas.
Aber auch der Ausbau der Stromnetzinfrastruktur kann mit dem Tempo der Umstellung auf erneuerbare Erzeugung nicht Schritt halten und viele erneuerbare Ressourcen könnten dadurch ungenutzt bleiben. Österreich steht deshalb vor großen Herausforderungen.
2 Bürgerbeteiligung in der Energiewende
Die Europäische Union (EU) hat im Dezember 2019 im Rahmen des „European Green Deal“ in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaübereinkommen und den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen beschlossen, bis 2050 einhergehend mit einer Wirtschaft, deren Wachstum sich von der Ressourcennutzung abkoppelt, treibhausgasneutral zu werden. Die österreichische Bundesregierung hat sich im Jahr 2021 dem Plan verschrieben, den Gesamtstromverbrauch ab 2030 zu 100% national bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken (Kassegger 2020, S. 148).
Diese Energiewende ist zwar zum Vorantreiben des Klimaschutzes notwendig, beeinträchtigt aber den einzelnen Bürger multifaktoriell, wie durch Landschaftsveränderungen, hohe Investitionskosten, sinkende Grundstückswerte oder administrativen Mehraufwand. Der dadurch entstehende Widerstand kann Parteien abwählen, große Energieprojekte verhindern oder die Energiewende maßgeblich verzögern. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist daher für das Gelingen der Energiewende essentiell.
Um eine Akzeptanz oder sogar eine aktive Unterstützung der Energiewende durch die Gesellschaft zu erreichen, sind verschiedene Ebenen (national, regional, lokal) und vielschichtige Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung sind breit gefächert: Transparenz durch Informationsveranstaltungen, Mitsprache bei der Projektplanung, Klimaschutz-Volksbegehren und neben vielen anderen, auch die Möglichkeit der Beteiligung an Energiegemeinschaften.
Die Energiewende ist somit keineswegs eine rein rechtliche oder politische Frage, sondern auch eine gesellschaftlich-soziale. Diese Herangehensweise hat die EU aufgegriffen: Mittels Energiegemeinschaften soll kleinräumig Privatkapital mobilisiert werden, die Teilhabe und der Nutzen der Bevölkerung an der Energiewende steigen und so Akzeptanz statt Widerstand entstehen. Energiegemeinschaften sollen maßgeblich dazu beitragen, dezentralisierte Versorgung zu fördern (Hecher et al. 2016, S. 49).
3 Saubere Energie für alle Europäer
Die Europäische Kommission stellte im Jahr 2016 in Sachen Energie das Programm Clean Energy for all Europeans (CEP) oder Saubere Energie für alle Europäer vor, mit dem Ziel, die Klima- und Energiepolitik der EU für die nächsten Jahrzehnte an die zukünftigen Herausforderungen anzupassen. Nach 30-monatiger Verhandlungsphase wurden die CEP mit vier Verordnungen und vier Richtlinien bis Mitte 2019 in europäisches Sekundärrecht umgesetzt. Damit hat sich die EU ein verbindliches Gesamtziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Wasserkraft, Erdwärme und Biomasse am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 auf 32% zu erhöhen, gesetzt. Im März 2023 erhöhte sich dieses Ziel auf 42,5%. Zusätzlich sollen Bürger als aktive Teilnehmende in das Stromsystem integriert werden, d.h. Zusammenschlüsse von Bürgerinnen und Bürgern mit lokalen Behörden und kleinen und mittleren Unternehmen sollen ermöglicht und die gemeinsame Nutzung der in der Gemeinschaft produzierten Energie gefördert werden. Dies wird im Rahmen des CEP durch die Schaffung der Rechtsgrundlage für die Gründung von Energiegemeinschaften umsetzbar (Europäische Kommission, 2019).
Durch das CEP wurden zwei Arten von Energiegemeinschaften eingeführt: die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) in der Erneuerbare-Energienrichtlinie (Renewable Energy Direktive II 2018/2001) und die Bürgerenergiegemeinschaft (BEG) in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (Electricity Market Directive II 2019/944). Die Regelungen in der Richtlinie 2018/2001 sind grundsätzlich energieträgerneutral formuliert. Die Richtlinie selbst geht jedoch in den Erwägungsgründen davon aus, dass sich das Konzept der Eigenversorgung und gemeinschaftlichen Versorgung bislang vordergründig im Bereich erneuerbarer Elektrizität realisiert hat. Sie zielen auf die gemeinsame Nutzung von Erzeugungs- und Speicheranlagen ab und stellen somit Modelle der kollektiven Marktteilnahme dar.
4 Umsetzung der unionsrechtlichen Regelungen in Österreich
Der österreichische Gesetzgeber hat diese Richtlinien mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaket aus 2021 umgesetzt. Das Paket umfasst die Erlassung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) und Novellen zu insgesamt zehn bestehenden Gesetzen, unter anderem zum Ökostromgesetz oder zum Elektrizitätswirtschafts- und -Organisationsgesetz (E1WOG). Wesentliches Ziel des EAG-Pakets ist es, den Gesamtstromverbrauch ab dem Jahr 2030 zu 100% national vollständig bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen zu decken (§4 Abs 2 EAG) und bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen (§4 Abs 1 EAG). Essentiell für das Erreichen dieses Ziels ist ein hohes Maß an Unterstützung durch die lokale Bevölkerung mittels der zentralen Systeminnovation von privaten - nicht vorrangig gewinnorientierten - Energiegemeinschaften. Soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile stehen für die Mitglieder im Fokus. Energiegemeinschaften sollen der Umsetzungsturbo der Energiewende werden und privates Investmentkapital aktivieren. Mit dem EAG sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu deren Gründung und Umsetzung gegeben. Weitere Details müssen noch ausgearbeitet und in entsprechenden Verordnungen und Ausführungsgesetzen konkretisiert werden. Vergleichbare rechtliche Grundlagen für Energiegemeinschaften sind in der EU bisher auch in Portugal, Spanien, Italien und Frankreich geschaffen worden. Die meisten europäischen Energiegemeinschaften sind im Eigenverbrauch und in der Überschusserzeugung von Strom tätig. Darüber hinaus entstehen mittlerweile differenziertere Geschäftsmodelle, die es ermöglichen, Verteilernetze zu kontrollieren, erzeugte Ressourcen optimal zu verwalten, lokale Energiemärkte zu entwickeln und integrierte E-Mobilitätsdienste anzubieten. Diese Optionen befinden sich aus unternehmerischer Sicht jedoch noch in einem frühen Entwicklungsstadium (Reis et al. 2021, S. 18).
5 Gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen (GEA)
Die österreichischen Bürgerbeteiligungsmodelle zur Deckung des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen bauen auf den in der sogenannten „Kleinen Ökostrom-Novelle 2017“, im § 16a Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (E1WOG) geregelten Gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen (GEA) auf. Angestoßen wurde ihre Einführung durch ein Vertragsverletzungsverfahren aus dem Jahr 2015 seitens der Europäischen Kommission gegen Österreich, in dem die fehlende Möglichkeit des Betriebs von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen in der österreichischen Rechtsordnung beanstandet wurde. Die GEA entspricht aufgrund ihrer Zielsetzung und ihrer räumlichen Grenzen dem in Art 2 Z 15 und Art 21 Renewable Energy Direktive II 2018/2001 II definierten gemeinsam handelnden Eigenversorger im Bereich erneuerbare Elektrizität. Die GEAs waren ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Bürgerenergie und mehr Eigenversorgung. Eines der ersten gemeinschaftlichen Erzeugungsmodelle wurde in Wien umgesetzt.
Vor 2017 gab es in Österreich keine rechtliche Möglichkeit, Energie zu teilen, weder innerhalb einer Gebäudegrenze noch innerhalb einzelner Grundstücke oder zwischen Mietshäusern. Erst mit der Einführung der GEAs wurde das Teilen von Energie erstmals innerhalb der Grenzen einer Liegenschaft erlaubt.
Mit einer GEA kann die selbst erzeugte Elektrizität in Mehrfamilienhäusern nicht mehr nur für Gemeinschaftsanlagen, wie etwa das Licht im Stiegenhaus oder den Aufzug verwendet werden, sondern auch direkt in den Wohnungen. Eine GEA ist eine Erzeugungsanlage von elektrischer Energie, die zur Deckung des Energieverbrauchs von sogenannten „teilnehmenden Berechtigten“ (juristische Personen, natürliche Personen oder Personengesellschaften) eingesetzt wird. Die Erzeugungsanlage kann beispielsweise eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach eines Mehrparteienhauses sein, mit der Strom verbraucht und auch verkauft werden kann. Es können aber auch weitere Formen von Erzeugungsanlagen, beispielsweise Windkraftanlagen oder Kraft-Wärmekopplungsanlagen, eingesetzt werden. Ob ein Endkunde sich mit seiner Verbrauchsanlage an einer GEA beteiligen möchte, ist jederzeit freiwillig (Cejka 2021, S. 11).
Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass keine Durchleitung von Energie durch Anlagen eines Netzbetreibers erfolgt. Die Erzeugungsanlage darf auch nicht direkt an Anlagen im Eigentum des Netzbetreibers angeschlossen sein. Die erzeugte Energie muss über gemeinschaftliche Leitungsanlagen (Hauptleitungen) direkt zu den Verbrauchern geleitet werden. Die gemeinschaftliche Nutzung ist dadurch geografisch eingeschränkt, beispielsweise innerhalb eines Gebäudes bzw. einer Liegenschaft.
Der hauptsächliche finanzielle Vorteil für die teilnehmenden Berechtigten liegt darin, dass für den eigen erzeugten und innerhalb der GEA verbrauchten Strom keine Netzentgelte, sowie keine davon abhängigen Entgelte, anfallen. Der hauptsächliche finanzielle Vorteil für den teilnehmenden Berechtigten liegt darin, dass für den eigenerzeugten Strom keine Stromkosten an externe Lieferanten zu bezahlen sind. Ob und wie der Strombezug gegenüber der GEA zu vergüten ist, muss privatrechtlich vereinbart werden. Je nach Konstellation der Beteiligten sind verschiedene Vertragsformen notwendig.
Die GEA selbst ist nicht zwingend als Person mit eigener Rechtspersönlichkeit einzurichten. In welchem rechtlichen Rahmen die teilnehmenden Berechtigten agieren, steht ihnen im Rahmen der Privatautonomie frei. Die teilnehmenden Berechtigten und ein allenfalls bestellter Betreiber haben einen Errichtungs- und Betriebsvertrag abzuschließen, der die nötigen privatrechtlichen Rahmenbedingungen festlegt und die energierechtliche Mindestinhalte erfüllt. Dieser Vertrag regelt u.a. die Eigentumsverhältnisse an der Erzeugungsanlage, den Verteilungsschlüssel des erzeugten Stroms, die allgemeinen Rechte und Pflichten im Innenverhältnis der GEA sowie die Bestimmung Anlagenverantwortlicher.
GEAs fungieren als zusätzliche Energieversorgung neben jener über das öffentliche Netz. Sie sind von Vornherein als Teilversorger charakterisiert, d.h. sie sind nicht in Form eines Vollversorgermodells möglich.
Anfang 2022 waren in Österreich bundesweit 698 GEAs in Betrieb, 263 in der Umsetzung und 1.040 in Planung.
6 Energiegenossenschaften als Vorläufer von Energiegemeinschaften in Österreich
Zwischen Energiegemeinschaften und Genossenschaften lassen sich viele Schnittstellen festmachen. Die Vorteile einer Energiegenossenschaft sind in der Umsetzung einer dezentralen Energiewende unter Beteiligung der Menschen vor Ort – mit positiven Auswirkungen auf die regionale Wertschöpfung – zu finden. (Blome-Drees 2018, S. 39). Es ist davon auszugehen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien durch Beteiligung der Anwohnerinnen bei den Projekten besser akzeptiert wird, da Mitglieder einer Energiegenossenschaft in der Regel aus den Regionen, sozial eingebunden sind und die Befürchtungen und Bedürfnisse der Anwohner kennen (Hoffmann 2021, S. 95). Neben den genossenschaftlichen Grundprinzipien sind demnach Nachhaltigkeit, Dezentralität, Lokalität und Bürgerbeteiligung die wichtigsten Werte von Energiegenossenschaften (Boddenberg/Klemisch 2018, S. 276). Sie sind aber auch für Energiegemeinschaften wichtige Leitlinien.
Bürgerengagement in der Energieversorgung besitzt in Österreich sowohl im gewerblichen als auch im landwirtschaftlichen Bereich eine lange Tradition. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in ländlichen Gegenden Elektrizitätsgenossenschaften gegründet, bei denen es sich fast durchwegs um Stromversorgungs- und Strombezugsgenossenschaften und nicht um Genossenschaften mit eigenem Werk oder eigener Stromerzeugung handelte. Letztere oblag damals sogenannten privaten Überlandzentralen, die zumeist kein wirtschaftliches Interesse hatten, in dünnbesiedelten Regionen ein Stromnetz aufzubauen. 1908 zählte man in Österreich 28 derartige Genossenschaften mit stagnierender Tendenz: 1937 bestanden nur 27. So wurde beispielsweise 1917 von den Bürgern der Gemeinde Großwilfersdorf in der Steiermark eine Elektrizitätsgenossenschaft gegründet, die bis heute mit vier Wasserkraftwerken Netzbetreiber und Energielieferant für über 1.600 Netzkunden ist und durch den Bau eines Biomasse-Heizwerkes 2005 auch zu einem Wärmelieferanten wurde.
1925 wurde in Oberösterreich im landwirtschaftlichen Bereich ein Verband der oberösterreichischen Elektrizitätsgenossenschaften und Strombeziehervereinigungen mit 100 Mitgliedern gegründet. In der Steiermark zählte man 1923 64, in Kärnten 1927 14 und in Tirol 1929 6 Elektrizitätsgenossenschaften.
Nach dem Zweiten Weltkrieg stagnierten die Elektrizitätsgenossenschaften im gewerblichen Sektor mit 1-2 Organisationen. Auch im landwirtschaftlichen Bereich spielten sie seit der Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft im Jahr 1947 nur noch eine untergeordnete Rolle. Zu einer Forcierung alternativer Energie bei den Raiffeisen-Lagerhäusern kam es erst wieder Ende der 1970er Jahre in Folge der Erdölkrise. In den 1980er Jahren waren staatlich geförderte landwirtschaftliche Genossenschaften, die sogenannten Hackschnitzelgenossenschaften, wichtige Akteure bei der Verbreitung von Fernwärme aus Biomasse.
Laut den Verbandsstatistiken wiesen 2022 der Raiffeisensektor 383 Energiegenossenschaften mit 16.848 Mitgliedern und der Schulze-Delitzschsektor 25 Energiegenossenschaften mit 551 Mitgliedern aus. Europaweit gibt es nach Angaben des Europäischen Verbandes der Energiegenossenschaften REScoop rund 1.900 Energiegenossenschaften mit 1,25 Millionen Mitgliedern (www.rescoop.eu).
Damit zeigt sich, dass in Österreich im Laufe der letzten Jahrzehnte vermehrt Bürger auf der Suche nach alternativen Wirtschaftsformen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie zunehmend eigeninitiativ wirtschaftliche und unternehmerische Verantwortung in Genossenschaften übernommen haben.
7 Energiegemeinschaften
Im wissenschaftlichen Diskurs wird Energiegemeinschaften ein sozialgemeinschaftliches, ökologisches und wirtschaftliches Potenzial zugeschrieben. Dazu zählen beispielsweise die Erhöhung der Energiegerechtigkeit, die Reduktion der Energiearmut und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Insgesamt wird erwartet, dass der dezentrale und basisdemokratische Ausbau von erneuerbaren Energien durch Energiegemeinschaften als partizipative Organisationsformen einen disruptiven Aufschwung für die Energiewende in der EU darstellt (Bauwens et al. 2022, S. 10).
Die Argumentation lautet, dass Energiegemeinschaften als eine neue Form der gemeinschaftlich organisierten Energieversorgung außerhalb des etablierten Systems agieren.
Das vorherrschende System ist durch einen zentralisierten, auf fossilen Brennstoffen basierenden Energiemarkt gekennzeichnet, der von wenigen Großunternehmen kontrolliert wird. Möglicherweise könnte das Entstehen von Energiegemeinschaften als Teil einer transformativen Bewegung hin zu einem dezentralen, erneuerbaren Energiesystem verstanden werden, das demokratischer, partizipativer und ökologisch nachhaltiger ist.
Die Entwicklung von Energiegemeinschaften hängt allerdings von einer Reihe komplexer und dynamischer Faktoren ab, die vor allem sich verändernde ökonomische und politische Parameter einschließen.
In Österreich bauen Energiegemeinschaften in hohem Ausmaß auf die bereits geregelten GEAs auf und entwickeln diese zu Organisationen zum haushalteübergreifenden Teilen, Produzieren, Speichern, Verbrauchen und Verkaufen von Energie (§79 Abs 1 EAG) weiter. Die Nutzung der Energie wurde also flexibilisiert. Die Teilnahme an Energiegemeinschaften ist grundsätzlich freiwillig und offen. Das Recht auf freie Lieferantenwahl bleibt unberührt. Der Preis für das Teilen bzw. den Verkauf von Energie wird durch die Energiegemeinschaft selbst festgelegt und sie ist von der sogenannten Merit-Order-Regel ausgenommen.
Wichtig ist, dass bei Energiegemeinschaften das Gemeinwohl im Vordergrund steht, d.h. der Hauptzweck darf nicht im finanziellen Gewinn liegen. In diesem Sinne soll sie den Mitgliedern oder Gesellschaftern bzw. den Gebieten vor Ort, in denen sie tätig ist, ökologische, wirtschaftliche oder sozialgemeinschaftliche Vorteile bringen. Dies muss explizit in der Satzung bzw. den Statuten festgehalten werden (§16b Satz 2 E1WOG, §79 Satz 2 EAG), falls es sich nicht schon aus der Gesellschaftsform ergibt, wie es beispielsweise beim ideellen Verein der Fall ist, der nach dem Vereinsgesetz nicht auf Gewinn ausgelegt sein darf (§1 Abs 2 VerG). Bei Genossenschaften kann die Gemeinnützigkeit durch den zuständigen Revisionsverband bestätigt werden. Die Umschreibung der Gemeinnützigkeit entspricht der Terminologie des Art. 2 Z 16 der Richtlinie (EU) 2018/2001. Gemeinnützig im Sinne der §§34 ff. Bundesabgabenordnung sind Energiegemeinschaften nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen allerdings nicht.
Energiegemeinschaften haben im Sinne der Gemeinnützigkeit ohne vorrangige Gewinnabsicht zu agieren. Die Erzielung von Gewinnen ist zwar grundsätzlich zulässig (wie z. B. geringfügige Vermarktungserlöse aus Überschussmengen, die Gewinnkomponenten enthalten), solange die Gewinne nicht um ihrer selbst willen erfolgen, sondern an die Mitglieder bzw. an die Gemeinschaft weitergegeben werden.
Für die Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben durch die Energiegemeinschaften wird keine eigene Kontrollinstanz geschaffen. Die Kontrolle erfolgt vielmehr im Rahmen der im jeweiligen Rechtsverhältnis zur Verfügung stehenden Instanzen- und Rechtsmittelwege.
Bereits jetzt sind Energiegemeinschaften eine rasant wachsende und vielschichtige Unternehmensform, die diverse Aktivitäten im Bereich erneuerbare Energien wie Erzeugung, Versorgung, Speicherung und Nutzung kombiniert. Im April 2023 gab es bereits 120 Energiegemeinschaften in Österreich. Davon sind 113 Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGs) und 7 Bürgerenergiegemeinschaften (BEGs). Nach Rechtsformen dominieren mit 77 Gründungen die Vereine (64%),gefolgt von 37 Genossenschaften (31%), 4 Personengesellschaften (3%) und 2 GmbHs (2%). Bei den Genossenschaften sind nach der Größe die mit 100-1000 Mitgliedern mit 23 Gründungen die am häufigsten, gefolgt mit > 10 Mitgliedern mit sieben, 10-50 Mitgliedern mit drei und jeweils zwei mit 50-100 Mitgliedern und > 1000 Mitgliedern. Damit stoßen die neu eingeführten Energiegemeinschaften in der Praxis auf großes Interesse.
Gemeinden könnten die Rolle als Initiator einnehmen. Als lokale Schnittstelle nehmen sie eine wichtige Rolle bei der Vernetzung der lokalen Bevölkerung und der Unternehmen ein. Durch die Bereitstellung von Gemeindeflächen für den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern sind sie prädestiniert Pionierarbeit zu leisten und mit ihrem umfangreichen Know-how wesentlicher Ansprechpartner in organisatorischen Fragen zu sein.
7.1 Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGs)
EEGs dürfen in allen Arten erneuerbarer Energien tätig sein, also nicht nur Strom, sondern auch Wärme, in der Fernwärme oder in der Erzeugung von erneuerbarem Gas. § 79 EAG ist energieträgerneutral formuliert und daher auf alle EEGs anzuwenden, unabhängig von der Art der eingesetzten Energieform. Die Richtlinie ((EU) 2018/2001) selbst geht jedoch in den Erwägungsgründen davon aus, dass sich das Konzept der Eigenversorgung und gemeinschaftlichen Versorgung bislang vordergründig im Bereich erneuerbarer Elektrizität realisiert hat.
Für den Betrieb einer EEG ist eine juristische Person mit mindestens zwei Mitgliedern notwendig. Mitglieder sind natürliche Personen, Gemeinden, Rechtsträger von Behörden in Bezug auf lokale Dienststellen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (z.B. Universitäten, Kammern, Sozialversicherungsträger) oder kleine und mittlere Unternehmen (§79 Abs 2 EAG). Die Beteiligung von großen Unternehmen ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Ebenfalls sind Elektrizitätsunternehmen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, weil deren Beteiligung stets ihrer gewerblichen bzw. beruflichen Haupttätigkeit gleichkommt. Eine EEG soll von den einzelnen Mitgliedern unabhängig sein, um Missbrauch hintanzuhalten und eine starke Bürgerbeteiligung zu gewährleisten. Es sollten also nicht einem Mitglied oder einigen wenigen Mitgliedern überproportionale Entscheidungsbefugnisse zukommen. Das Gesetz sieht zwar keine Beschränkung der Mitgliederzahl vor, allerdings kann eine solche aus technischen oder sachlichen Gründen geboten sein. Als Rechtsformen sind grundsätzlich Verein, Genossenschaft oder sonstige Personen- oder Kapitalgesellschaft mit Rechtspersönlichkeit möglich.
Eigentümer einer Anlage zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen können die Gemeinschaft selbst, deren Mitglieder, Gesellschafter oder Dritte sein. Die Betriebs- und Verfügungsgewalt über die Erzeugungsanlagen liegt – mit Ausnahme des Eigenverbrauchs von Mitgliedern, die eine Erzeugungsanlage einbringen – bei der Gemeinschaft (§79 Abs 1 EAG).
Es ist notwendig, dass sich die Teilnehmenden in geografischer Nähe zueinander befinden. Die EEG zeichnet sich also besonders durch Regionalität aus, d.h. sie ermöglicht die gemeinsame Nutzung elektrischer Energie unter Wahrung des Nähekriteriums (Erfordernis der Verbindung von Verbrauchsanlagen und Erzeugungsanlagen über ein Mittel- oder Niederspannungs-Verteilernetz) (Fina/Auer 2020, S. 2). In Österreich werden dafür die in § 63 E1WOG 2010 geregelten Netzebenen herangezogen und man unterscheidet zwei Arten von EEGs: Lokale auf den Netzebenen 6 und 7 (örtliche Niederspannungsnetz mit 400 V inklusive einer Trafostation) und regionale auf den Netzebenen 4 und 5 (Mittelspannungs-Sammelschiene im Umspannwerk und Mittelspannungsnetz mit 10 kV bis 35kV). Zu diesem technischen Kriterium tritt ein geografisches, weil sich alle Teilnehmer einer EEG im Konzessionsgebiet eines einzelnen Netzbetreibers befinden müssen.
Maßgeblich ist, dass die Mitglieder ihre Stromkosten mitgestalten können, um so möglichst viel aus der erneuerbaren Energie zu nutzen: z.B. durch den Zeitpunkt der Einschaltung der Waschmaschine oder der Ladung des Elektroautos. Der finanzielle Anreiz bringt damit auch einen bewussteren Umgang mit der Ressource Sonnenenergie mit sich. Ziel ist eine Verhaltensänderung der Teilnehmer ihren Stromverbrauch danach zu orientieren, wann erneuerbare Energie zur Verfügung steht, d.h. den Verbrauch dort hin zu verlagern, wo die Sonne gratis Strom liefert.
Diesen Anforderungen stehen regulatorische Erleichterungen, wie der Ausschluss der Lieferanteneigenschaft im Innenverhältnis oder die Ausnahme innergemeinschaftlicher Strommengen aus dem Bilanzgruppensystem, aber auch finanzielle Erleichterungen, wie einer Reduktion des Ortsnetztarif bis zu 64% des arbeitsbezogenen Netznutzungsentgelts, die Befreiung von der Entrichtung des Erneuerbaren-Förderbeitrags oder der Elektrizitätsabgabe, gegenüber.
Welche Gesellschaftsform sinnvoll ist, wird sich je nach Teilnehmerkreis und den davon abhängigen Faktoren, wie räumliche Lage, Nutzung der Netzebenen, Verbrauch etc., individuell herausstellen. Die derzeit vorhandenen überwiegenden Publikationen betrachtet die Organisationsformen als Verein und als Genossenschaft insgesamt als geeignetste Alternativen (Cejka 2021, S. 12).
7.2 Bürgerenergiegemeinschaften (BEGs)
Die Rahmenbedingungen für Bürgerenergiegemeinschaften (BEGs) sind in §16 E1W0G definiert. Im Gegensatz zu EEGs sind BEGs auf Elektrizität beschränkt, was einen Nachteil gegenüber EEGs darstellt. Dabei sind sie nicht auf erneuerbare Quellen beschränkt, auch eine Stromgewinnung aus fossilen Energieträgern ist zulässig.
Die geografische Nähe der Teilnehmenden spielt keine Rolle, d.h. die BEG kann sich über mehrere Netzbetreiber in ganz Österreich (ggf auch darüber hinaus) erstrecken und alle Netzebenen benutzen. Als Konsequenz daraus reduziert sich die Netzbelastung nicht und die Netztarife müssen in voller Höhe bezahlt werden. Für die BEG gibt es daher bei der Berechnung der Netzentgelte im Gegensatz zur EEG keine Sonderregelungen oder Vergünstigungen. BEGs sind auch für größere Anlagen und die Großindustrie vorgesehen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass BEGs in ihrer Ausgestaltung sehr flexibel sind. Spezielle finanzielle Anreize gibt es für BEGs allerdings nicht (Cejka 2021, S. 12).
Die Rechtssphäre innerhalb der BEG (Innenverhältnis) ist privatrechtlicher Natur und bedarf privatrechtlicher Regelung unter den Beteiligten. Im Außenverhältnis, also bei Agieren am Strommarkt, gelten die jeweiligen Vorschriften für die jeweils ausgeführte Tätigkeit.
Die BEG hat wie die EEG aus mindestens zwei Mitgliedern zu bestehen, wobei diese sowohl natürliche, wie juristische Personen, oder auch Gebietskörperschaften sein können. Sie ist gem § 16b Abs 2 E1WOG als Verein, Genossenschaft, Personen- oder Kapitalgesellschaft oder eine ähnliche Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit zu organisieren. Zur Teilnahme an einer BEG berechtigt sind natürliche, sowie juristische Personen und Gebietskörperschaften – die BEG steht somit grundsätzlich allen Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit offen. Die Teilnahme muss freiwillig und offen sein und sollte zu fairen und kostenorientierten Bedingungen gewährt werden. Demnach ist jeder zur Teilnahme berechtigt, der die Voraussetzungen des § 16b Abs 2 E1WOG erfüllt (Cejka 2021, S. 13).
Aktuell wurden eineinhalb Jahre nach Einführung der BEG erst sieben umgesetzt, nach Rechtsformen vier Vereine, zwei Genossenschaften und eine GmbH. Als Energiegemeinschaftsform mit der größten Ausdehnungsmöglichkeit sehen sich solche Projekte auch einem dementsprechenden Aufwand gegenüber. Eine professionelle Umsetzung und eine passende Organisationsform sind nötig, um die BEG auch mit höheren Mitgliederzahlen umsetzen zu können.
8 Fazit
Genossenschaften sind geeignet, die Energiewende mitzugestalten und bieten sich als Rechtsform, sowohl für EEGs, als auch BEGs an. Es werden sich bestehende Genossenschaften an der Erzeugung, Speicherung und dem Austausch erneuerbarer Energien beteiligen und es werden sich EEGs und BEGs als Genossenschaften gründen. Dadurch wird es in Österreich in den nächsten Jahren vermehrt zu Neugründungen von Genossenschaften kommen.
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