Abstract
At present, we can observe attempts to revitalize a discussion about rights to resist the abuse of political power. Since its best days in late medieval and early modern times, however, the premises of this discussion have changed. The social-structural premise of the topic had been a stratified society which depended upon a certain degree of concentration of resources and power at the top . This type of society required a moral framework for judgments which included the highest strata and even the prince. Modern society, on the other hand, is a functionally differentiated system without concentration of possibilities and responsibilities for the total society. It consists of self-referential subsystems in continuous evolution, conditioned by changes in the external and internal environment of the system. The concept of „potestas“ has lost its former meaning. The law has changed from a hierarchical structure into a circular, self-referential subsystem, serving at the same time as the technical code of political power. Still, resistence, civil disobedience or „symbolic“ law-breaking remains possible, but only as a kind of social movement without the hope and without the ability to replace a „despotic“ regime with a „legitimate“ one . Resistance is nothing but a struggle about the content of specific political decisions, and its „legitimation“ may have unintended effects.
Zusammenfassung
Gegenwärtig kann man eine Wiederbelebung der Diskussion über Widerstandsrechte angesichts eines Mißbrauchs politischer Gewalt beobachten. Seit ihren besten Zeiten , seit dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, haben sich die Prämissen dieser Diskussion jedoch geändert. In sozialstruktureller Hinsicht hatte sie eine stratifizierte Gesellschaft mit Möglichkeiten der Konzentration von Ressourcen und Macht an der Spitze vorausgesetzt. Diesem Gesellschaftstyp hatte eine Moral entsprochen , die eine Beurteilung auch der höchsten Gesellschaftsschicht und selbst des Fürsten einschloß. Die heutige Gesellschaft ist jedoch ein funktional differenziertes System ohne Konzentration von Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten für die Gesamtgesellschaft. Die Gesellschaft besteht nur aus selbstreferentiellen Funktionssystemen in einer kontinuierlichen Evolution, die durch Änderungen in der externen und der internen Umwelt des Gesellschaftssystems angetrieben wird. Dadurch hat der Begriff der „potestas“ (Herrschaft) seinen früheren Sinn verloren. Das Recht hat sich von einer hierarchischen Struktur in ein zirkuläres, selbstreferentielles Funktionssystem der Gesellschaft gewandelt, das zugleich der technischen Codierung politischer Macht dient. Gleichwohl bleibt Widerstand, ziviler Ungehorsam und symbolisch gemeinter Rechtsbruch möglich, aber nurmehr als eine Art soziale Bewegung ohne Hoffnung und ohne die Fähigkeit, ein „despotisches“ Regime durch ein „legitimes“ zu ersetzen. Es kann jetzt nur noch um einen Kampf um den Inhalt politischer Entscheidungen gehen, und wenn man diesen Kampf „legitimiert“, mag das unbeabsichtigte Effekte auslösen.
© 1984 by Lucius & Lucius, Stuttgart