Zusammenfassung
Biologie und Anthropologie betonen zwar das Moment der Nicht-Festgelegtheit des Menschen. Und auch der von der Biologie favorisierte Entwicklungsgedanke führte im 19. Jahrhundert zu einer Dynamisierung der Rechtsbetrachtung: Der Gedanke der Evolution auch des Rechts verflüssigte irgendwelche natürlichen Vorgegebenheiten. Neuerdings scheint sich aber eine Tendenz hin zu einem biologisch fundierten Naturrecht abzuzeichnen. Weil dabei aber meist die Besonderheiten von Rechtsordnungen verkannt werden, wäre eher von einer Moral-Biologie zu sprechen. Einige Beiträge befassen sich aber durchaus mit der biologischen Erklärung der Entstehung von Rechtsnormen, besonders aber mit der Frage der Effektivität des Rechts: es gäbe biologische (genetische, hirnphysiologische oder ethologische) Grenzen der Plastizität, der Steuerbarkeit durch Rechtsnormen. Dagegen wird geltend gemacht, daß wir uns mit Rechtsnormen Unserer biologischen Ausstattung gegenüber verhalten können; diese ,bestimmt‘ nicht die möglichen rechtlichen Regelungen.
Summary
From the point of view of biology and anthropology the human being is considered to be relatively undetermined, a ,flexible animal‘. The idea of evolution which became prominent in 19th century biology led to an awareness of the dynamics of legal development. Naturalistic assumptions about law began to dissolve. Recently, a new movement toward a biologically based natural law has arisen. But since the particularities of legal systems are not adressed, it is more accurate to speak of a biologically based naturalistic morality. Some authors, however, offer a biological explanation of the emergence of legal norms, in particular specify biological limitations on the effectiveness of law. The emphasis has been on biological limitations – genetic, brainphysiological, and behavioral – of human plasticity, on social control through legal norms. To the contrary it is argued here that we intentionally react to our biological constitution by creating legal norms. Nature does not determine the content of law.
© 1985 by Lucius & Lucius, Stuttgart