Zusammenfassung
Der Begriff „Klassenjustiz“ läßt sich bereits 1877 im Leipziger „Vorwärts“ nachweisen. Mit ihm wurde ursprünglich die personale Zusammensetzung der Laienrichterschaft kritisiert. Unter dem Sozialistengesetz setzte sich in der deutsche Sozialdemokratie eine marxistisch-geschichtsphilosophische Begriffskonzeption durch. Diese wich am Ende des Kaiserreiches einer verhaltenstheoretischen Justizkritik, welche entscheidend von den Vorstellungen Karl Liebknechts geprägt war und eine reformistische Perspektive impliziert. Liebknechts inkohärenter Sprachgebrauch erklärt sich aus seinem in der Tradition der deutschen Aufklärung stehenden Humanismus und seiner Distanz zum Marxismus.
Summary
Originally the term „Klassenjustiz“ (class-judiciary) was used by the German Social Democrats to criticize the personel comprising the body of jurors and lay assessors as early as 1877. Under the repressive laws („Sozialistengesetz“ 1878–1890) a Marxian conception of the term prevailed. This gave way towards the end of the Empire to a reformist criticism of the judiciary influenced by the behaviourist conception of Karl Liebknecht. The incoherent linguistic usage by Liebknecht can be explained by his humanism rooted in the German Enlightenment and his distance from Marxism.
© 1990 by Lucius & Lucius, Stuttgart