Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag zeigt, daß intergenerationale Scheidungstransmission, die bis vor kurzem nur aus nordamerikanischen Studien bekannt war, in West- wie in Ostdeutschland ein empirisch beobachtbares Phänomen ist. Erklärungen, die in der nordamerikanischen Literatur für diesen Transmissionseffekt vorgebracht wurden, werden vorgestellt und vor dem Hintergrund der insgesamt widersprüchlichen empirischen Befunde diskutiert. Es wird vorgeschlagen, die verschiedenen Erklärungen nicht als Alternativen im strengen Sinn aufzufassen, sondern sie in ein konsistentes Erklärungsmodell zu integrieren, dem die Annahme zugrundeliegt, daß intergenerationale Scheidungstransmission das Ergebnis eines kumulativen Prozesses ist, bei dem die Folgen der elterlichen Scheidung die von der Scheidungsforschung bisher identifizierten Risikofaktoren systematisch maximieren. Wenn dies zutrifft, sind die jeweiligen Erklärungen als partielle Erklärungen zu betrachten, die Hypothesen über zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lebensverlauf unterschiedliche Transmissionsmechanismen formulieren.
Summary
The objective of this article is, firstly, to show that the intergenerational transmission of divorce, which was known from North American studies only until very recently, is effective in West Germany as well as in East Germany, and, secondly, to familiarize the reader with the explanations for this transmission effect proposed in the North American literature. By taking into account the inconsistent empirical findings for each one of these explanations it is argued that rather than considering these explanations as alternatives in the strict sense, they ought to be integrated into one consistent model based on the assumption that the intergenerational transmission of divorce is a cumulative process, by which the consequences of the parental divorce systematically maximize those factors that are known to increase the risk of divorce. From this perspective, the explanations for the intergenerational transmission of divorce are partial explanations that formulate hypotheses about different mechanisms operating at different points of time in the life course.
© 1997 by Lucius & Lucius, Stuttgart
