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Licensed Unlicensed Requires Authentication Published by De Gruyter Oldenbourg November 27, 2020

Lebensstil und Distinktion im hohen Alter: Eine Analyse sozialer Deutungsmuster und symbolischer Grenzziehungen

Lifestyle and Distinction in Very Old Age: An Analysis of Social Interpretation Patterns and Symbolic Boundaries
  • Luise Geithner

    Luise Geithner, geb. 1988, Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Sozialökonomie in Jena und Hamburg. Von 2016 bis 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres). Doktorandin an der Cologne Graduate School; Forschungsschwerpunkte: Alter(n)ssoziologie, soziale Ungleichheit und Lebenslauf, Lebensqualität im hohen Alter; Wichtigste Veröffentlichungen: Stabilität und Wandel von Lebensstilen im hohen Alter. Einflüsse von Alter und Kohortenzugehörigkeit auf kulturelle Verhaltensmuster, in: C. Woopen, A. Janhsen, M. Mertz & A. Genske (Hrsg.), Alternde Gesellschaft im Wandel. Zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Gesellschaft des langen Lebens. Berlin & Heidelberg 2020.

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Zusammenfassung

Ausgehend von der Annahme, dass Lebensstile neben der sozialen Schicht auch das Alter symbolisieren, untersucht der Beitrag das subjektive Erleben von Lebensstilveränderungen im hohen Alter, den Umgang damit sowie dabei sichtbar werdende distinktive Praktiken. Vor dem Hintergrund eines im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs defizitär definierten vierten Alters werden anhand von 18 problemzentrierten Interviews mit Menschen ab 80 Jahren soziale Deutungsmuster und symbolische Grenzziehungen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Lebensstilveränderungen als Verlust erlebt werden. Im Umgang damit zeigt sich jedoch eine Ambivalenz. Einerseits wird versucht, dem hohen Alter etwas entgegenzusetzen und durch symbolische Grenzziehungen Kontinuität zum mittleren Alter herzustellen. Andererseits wird das Erfahrene wertgeschätzt und die Sorge um nachfolgende Generationen in den Mittelpunkt gestellt.

Abstract

Based on the assumption that lifestyles symbolize not only social class but also age, the paper looks at the subjective experience of lifestyle changes in very old age, how it is dealt with them, and the distinctive practices that become visible. Against the background of a deficit-defined fourth age in the public and scientific discourse, social interpretation patterns and symbolic boundaries are analyzed with the help of 18 problem-centered interviews with people aged 80 and older. The results show that lifestyle changes are experienced as a loss. However, in dealing with it an ambivalence becomes apparent. On the one hand, it is tried to counteract very old age and to create continuity with middle age through symbolic demarcation. On the other hand, the experienced is appreciated and the care for next generations is focused.


Danksagung: Ich danke Michael Wagner, dem Team von ceres und Katrin Alert für die kritische Diskussion der Ergebnisse sowie die wertvollen Hinweise zum Text. Danken möchte ich zudem den Gutachter*innen und Herausgeber*innen für die hilfreichen Hinweise zur Überarbeitung des Artikels.


About the author

Luise Geithner

Luise Geithner, geb. 1988, Studium der Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Sozialökonomie in Jena und Hamburg. Von 2016 bis 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres). Doktorandin an der Cologne Graduate School; Forschungsschwerpunkte: Alter(n)ssoziologie, soziale Ungleichheit und Lebenslauf, Lebensqualität im hohen Alter; Wichtigste Veröffentlichungen: Stabilität und Wandel von Lebensstilen im hohen Alter. Einflüsse von Alter und Kohortenzugehörigkeit auf kulturelle Verhaltensmuster, in: C. Woopen, A. Janhsen, M. Mertz & A. Genske (Hrsg.), Alternde Gesellschaft im Wandel. Zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Gesellschaft des langen Lebens. Berlin & Heidelberg 2020.

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Published Online: 2020-11-27
Published in Print: 2020-11-25

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 27.3.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2020-0026/html
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