Zusammenfassung:
Der globale Boom der commodities hatte einen fundamentalen Einfluss auf die Wirtschaft vieler lateinamerikanischer Länder hin zur Reprimarisierung. Nach einer neoliberalen Phase der Öffnung in den 1990er Jahren, die stark durch den Washington Consensus geprägt sind, bringen die 2000er Jahre einen komplexeren politischen, sozialen und ökonomischen Kontext mit sich. Neo-extraktivistische Praktiken und post-extraktivistische Diskurse werden en vogue. Dieser Beitrag legt diese Veränderungen offen und kontextualisiert sie. Dabei wird die theoretische Diskussion mit zentralen Beispielen aus dem Bergbau, der Sojaproduktion und Infrastrukturprojekten in Südamerika aufgearbeitet.
Abstract:
The global commodity boom has had a major impact on many South American economies and their tendencies towards reprimarisation. After a phase of neoliberal opening of the 1990s influenced by the Washington Consensus, the 2000s have brought a more complex political, social and economic context; neo-extractivist practices and post-extractivist discourses become en vogue. This paper unearths and contextualizes those changes and highlights the theoretical discussion with major examples of mining, soy production and infrastructure projects in South America.
1 Problemstellung
Seit Jahrhunderten wird Südamerika – sowohl was die geographischen Vorstellungen als auch die konkrete politisch-ökonomische Orientierung angeht – mit Ressourcen und Ressourcenextraktion in Verbindung gebracht. Agrarische und mineralische Ressourcen standen dabei immer im Vordergrund: Man denke hier nur an die frühkolonialzeitliche Suche nach dem Dorado, an den Silberabbau in Potosí (heutiges Bolivien), die lange Geschichte der Gold- und Diamantenextraktion im brasilianischen Hinterland, oder an den Boom des argentinischen Agroexports im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Die Geschichte Südamerikas ist aber nicht nur mit Ressourcenextraktion, sondern auch mit politischer, zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Auseinandersetzung zu Fragen der ressourcenbasierten Entwicklung verbunden (GALEANO 2003). Die Dependenztheorie beispielsweise hat ihren Ursprung in Südamerika und entstand aus einer Kritik Intellektueller an der Rolle des Kontinents (globale Peripherie) als Lieferant von Rohstoffen für die globalen Metropolen (siehe z. B. Galeano 2003). Die Theorie der säkularen Verschlechterung der terms of trade wurde federführend von Raúl Prebisch, von 1949–1964 Direktor der CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe), mitentwickelt und zielte darauf ab, die rohstoffbasierte Außenmarktorientierung Südamerikas zu durchbrechen. Die These besagt, dass Volkswirtschaften mit Fokus auf Primärgüterexporten aufgrund der Verschlechterung der terms of trade im Vergleich zu weiterverarbeiteten Gütern langfristig gegenüber Industrieländern benachteiligt sind. Diese Beispiele zeigen, dass Diskussionen über die politisch-ökonomische Ausrichtung der südamerikanischen Länder auf eine lange Tradition zurückblicken, die im Kontext aktueller Debatten nicht vernachlässigt werden sollten (siehe auch Bebbington 2009). Auch wenn die Diskurse um ressourcenbasierte Entwicklung heute (teilweise) anders gelagert sind, so wirkt diese Tradition dennoch stark nach.

Aktuelle Dynamiken der Ressourcenextraktion in Südamerika (Auswahl).
Nach einer jahrzehntelangen Phase, in der viele südamerikanische Länder auf importsubstituierende Industrialisierung setzten, begann in den 1980er Jahren, und spätestens mit dem Washington Consensus, eine Neuorientierung vieler südamerikanischer Volkswirtschaften. In den 1980er Jahren stieg die Staatsverschuldung in fast allen südamerikanischen Ländern rapide an und damit nahm gleichzeitig auch die Abhängigkeit von externen Kapitalströmen stark zu. Dieses Kapital wird vor allem von den großen internationalen Finanzinstitutionen zur Verfügung gestellt (z. B. Weltbank, IWF, Interamerikanische Entwicklungsbank), von deren polit-ökonomischen Richtlinien und Zielvorgaben die südamerikanischen Länder in der Folge immer mehr abhängig wurden (siehe nächstes Kapitel zum Washington Consensus).
Für die Phase seit den 1990ern lässt sich ein ununterbrochener Boom der Ressourcenextraktion und Primärgüterexporte in fast allen südamerikanischen Ländern beobachten (siehe zur Visualisierung aktueller Dynamiken der Ressourcenextraktion Karte 1). Während sich die politische Ausrichtung seit den 2000er Jahren grundlegend gewandelt hat, schreibt sich diese Tendenz der wirtschaftlichen Reprimarisierung und gleichzeitigen Exportorientierung fort und verstärkt sich sogar noch. Die diskursive „Rahmung“von Ressourcenextraktion hat sich durch die progressiven Regierungen jedoch entscheidend verändert und auch die Konfliktkonstellationen sind komplexer geworden (siehe Tabelle 1). Im Folgenden möchten wir die aktuellen theoretisch-konzeptionellen Debatten um ressourcenbasierte Entwicklung in Südamerika („vom Washington Consensus zum Commodity Consensus“) beleuchten und dann anhand von 1) Bergbau, Erdöl- und Erdgasextraktion, 2) Sojaanbau und 3) Infrastrukturausbau Veränderungen der letzten Jahrzehnte schlaglichtartig analysieren.
Ressourcenextraktion in Südamerika und politische Ausrichtungen seit den 1990er Jahren.
Neoliberale Phase (ab 1990er Jahre) | Neo-extraktivistische Phase (ab 2000er Jahre) | |
Globale Rahmen-bedingungen | Washington Consensus (IWF, Weltbank) Ziel: – Entwicklung südamerikanischer Staaten – Schuldenabbau | – Preis-/Nachfrageboom bei commodities – Steigender Einfluss von emerging economies |
Politische Diskurse in Südamerika | Neoliberaler Diskurs | Länderspezifische Diversifizierung – Fortführung neoliberaler Diskurse konservativer Regierungen – Progressive Diskurse neuer linker Regierungen:buen vivir/sumak kawsay (post-extraktivistisch); Nachhaltigkeit; „ressourcen-nationalistisch“ |
Politiken in Südamerika | Strukturanpassungs-programme – Liberalisierung (z. B.Bergbaugesetze) – Wiederbesinnung auf Primat der Exportorientierung – Beginn der Reprimarisierung der Wirtschaft | Commodity Consensus: Gesamt-Südamerika Konservative Regierungen: – KontinuitäteninderpolitischenAusrichtung Progressive Regierungen: – Neo-Extraktivismus: Commodity-Export-finanzierte Sozialprogramme (Umverteilung) – Verstärkte Reprimarisierung der Wirtschaft – „Ressourcennationalismus“: Teilweise Rückverstaatlichungen |
Konflikte in Südamerika | Relativ klare Konfliktkonstellationen: Zivilgesellschaft vs. Staat/Wirtschaft | Zunehmend komplexe Konfliktkonstellationen: – Divergente Konfliktlinien und Allianzen zwischen Zivilgesellschaft (soziale/indigene Bewegungen), Staat und Wirtschaft |
1.1 Vom Washington Consensus zum Commodity Consensus
In der südamerikanischen Debatte spielen sowohl der Washington als auch der Commodity Consensus eine zentrale Rolle. Diskursiv oft angewandt, ist eine Definition der beiden Konzepte jedoch häufig diffus und breit.
Beginnend mit dem Washington Consensus sind drei Definitionslinien zu erkennen. Die originäre Bedeutung wurde von Williamson geprägt; der Ausgangspunkt war die Analyse der Veränderung von Washingtons Entwicklungsverständnis in den 1980er Jahren (Williamson 2005, 33 f.). Dabei kristallisierten sich zehn zentrale Punkte heraus (Williamson 1994, 26 ff.): (1) Fiskale Disziplin zur Förderung makroökonomischer Stabilität und subsequentem Wachstum; (2) Umverteilung öffentlicher Ausgaben zur ökonomisch-rationaleren Verwendung ebendieser, wobei eine verbesserte Einkommensverteilung, Gesundheit und Bildung, wie auch Infrastruktur zentral sind; (3) Steuerreformen zur Verbreiterung der Steuerbasis und Reduktion/Elimination ineffizienter Steuern; (4) Liberalisierung des Finanzierungssystems hin zu marktregulierten Zinsraten; (5) ein vereinheitlichter Wechselkurs um nicht-traditionelle Exporte schnell steigern zu können; (6) quantitative Handelsrestriktionen sollen durch Zölle ersetzt werden, die wiederum auf niedrige Werte von zehn bis zwanzig Prozent reduziert werden sollen; (7) Abschaffung von Barrieren für ausländische (Direkt-)Investitionen (aber nicht allgemeine Liberalisierung von Kapitalflüssen); (8) Privatisierung von Staatseigentum; (9) Abschaffung von Eintrittsbarrieren neuer Firmen in den Markt; (10) Rechtssicherheit in Bezug auf Eigentum (sowohl für formelle als auch informelle Unternehmen). Es zeigt sich, dass die zehn Themenfelder sehr stark durch aus dem Globalen Norden kommende ökonomische Elemente geprägt sind.
Zweitens wird der Washington Consensus, wider der eigentlichen Definition (Williamson 2005, 33) häufig als fertiges Rezept für den Umgang mit südamerikanischen Ländern gewertet (z. B. Fischer 2003). Eine dritte Verwendung des Begriffs Washington Consensus geht von Gegnern des Konzepts aus. Diese sehen Finanzinstitutionen als Agenten des Washington Consensus (und damit des Neoliberalismus), die versuchen, die Rolle des Staates zu minimieren. Williamson (2005, 34) beanstandet diese Interpretation insofern, als diese zum einen nur ungenügend mit Literatur belegt ist und zum anderen einer Übersimplifizierung komplexer Konstellationen gleichkommt.
Diese drei Sichtweisen auf den Washington Consensus zeigen, dass auch heute noch das Framing durch inkonsistente Anwendung des Begriffs gekennzeichnet ist. Zentral bleibt jedoch der Fokus auf die Rolle des Staates als „metaregulierender Agent“ (Svampa 2015, 66, eigene Übersetzung) und dessen Beziehung zu privaten Unternehmen (Santons 2007).
Mit der Machtübernahme progressiver Regierungen in den 2000er Jahren beginnen sich die Ressourcenpolitiken in Südamerika zu verändern. In dem Zusammenhang spricht die argentinische Soziologin Maristella Svampa (2012a; 2012b; 2013a; 2015) vom Übergang zum Commodity Consensus. Erstens stehen nach Svampa nicht mehr die US Politik-Maßnahmen zur „Erreichung von Entwicklung“ an vorderster Stelle (wie im originären Definitionsmuster des Washington Consensus). Zweitens, wird mit dem Fokus auf Ressourcen die Notwendigkeit von Bewertungs- und Hilfsmaßnahmen für südamerikanische Staaten in Bezug auf „richtige Entwicklung“ zurückgedrängt. Hier greift Svampa implizit die dritte Definition des Washington Consensus auf, zeigt jedoch, dass ein handlungsorientierter Pragmatismus von Seiten der einzelnen Staaten in zunehmenden Maße die kritische Haltung der sogenannten progressiven Regierungen zum Washington Consensus aufweicht. Der Commodity Consensus zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl für die neuen progressiven als auch die konservativen Regierungen commoditiesdie zentrale Rolle in der politökonomischen Ausrichtung spielen. Somit ist die heutige Form des Extraktivismus in Südamerika nicht zwingendermaßen ein Gegenentwurf zum neoliberalen Extraktivismus der 1980er und 1990er Jahre. Sie charakterisiert sich durch eine neue territoriale und globale Arbeitsteilung, die zu neuen Ausprägungen von ökonomischen, politischen und ökologischen Asymmetrien zwischen dem Globalen Süden und Norden führt (Svampa 2011, 186).
Globale wirtschaftliche Verflechtungen und Dynamiken generieren lokal-regionale ökonomische Möglichkeiten; der komparative Kostenvorteil überwiegt bei Entscheidungsprozessen um Ressourcenabbau und -nutzung. Eine klare dogmatische Positionierung von südamerikanischen Regierungen wie beim Washington Consensus ist nicht mehr vonnöten; durch den Fokus auf Ressourcen anstelle von Finanzpolitiken wird die Rolle des Staates flexibilisiert (Svampa 2015, 66). Diese neue Betrachtungsweise ermöglicht zu verstehen, dass sowohl progressive als auch neo-liberal/konservative Regierungen sehr ähnliche politisch-ökonomische Handlungsstrategien mit unterschiedlichen Zielsetzungen verfolgen können. Durch konsequentialistische Denkweisen der Akteure ist es beispielsweise möglich, die Internationalisierung und Liberalisierung der Wirtschaft (Ziel konservativer Regierungen) voranzutreiben, und/oder durch die Generierung von Gewinnen neue Einnahmequellen für Umverteilungsmaßnahmen zu generieren (Ziel von progressiven Regierungen). Lag mit dem Washington Consensus die Deutungs- und Entscheidungshoheit über die politökonomische Ausrichtung der südamerikanischen Länder klar im Globalen Norden, so ergibt sich durch den Commodity Consensus eine Verschiebung und Machtausweitung südamerikanischer Akteure. Diese werden jedoch stark von globalen (Wirtschafts-)Dynamiken abhängig.
Der Commodity Consensus wird somit als „a complex, fast-paced, recursive process“ verstanden, der stark durch unterschiedliche Perspektiven auf Ressourcen(nutzung) geprägt ist (Svampa 2015, 66). Der Konsens besteht darin, dass der Abbau/die Nutzung von Ressourcen sowohl unwiderruflich als auch (wirtschaftlich) unwiderstehlich ist.
Die Auswirkungen des Commodity Consensus in Südamerika sind mannigfaltig: Ökonomisch betrachtet erfolgt eine modernisierte Reprimarisierung der Wirtschaft (Galafassi 2014, 64). Ressourcen werden im Land abgebaut/geerntet, der Export erfolgt jedoch größtenteils ohne weitere Veredelung. Von sozialer Seite argumentiert Svampa (2015), dass der Commodity Consensus mit Dynamiken der accumulation by dispossession (Akkumulation durch Enteignung; Harvey 2004) von Land, Ressourcen und Territorien nicht nur einhergeht, sondern diese zusätzlich verstärkt. Ein klarer Konnex zwischen Commodity Consensus und Neo-Extraktivismus ist zu erkennen. Dieser wird im nächsten Kapitel verdeutlicht.
1.2 Neo-Extraktivismus und der Staat
Stellt man die Rolle von Ressourcen für nationale Entwicklung in den Vordergrund, werden zwei zentrale Charakteristika identifiziert: (1) die exzessive Ausbeutung und Valorisierung von knappen, kaum erneuerbaren Ressourcen; (2) die Expansion ebendieser Prozesse auf vormals „unproduktive“ Territorien und die damit einhergehende wirtschaftliche Aufwertung dieser Regionen (Svampa 2012a, 14; cf. Bruckmann 2011).
Während unter dem klassischen Extraktivismus, der unter konservativen Regierungen zu finden ist (beispielsweise unter Kolumbiens Uribe oder Perus García), transnationale Konzerne eine zentrale Rolle einnehmen, kommt dem Staat eine „Nachtwächterfunktion“ zu. Regulierung und Kontrolle der Wirtschaft sind wenig formalisiert, da der Staat auf positive Effekte der Transnationalisierungsprozesse für wirtschaftliches Wachstum angewiesen ist (Gudynas 2013, 33). Dabei wird die Kombination von Abbau nicht erneuerbarer Ressourcen und autoritär-populistischen Regierungen als eines der Hauptcharakteristika des klassischen Extraktivismus betrachtet (Acosta 2011, 112 f.).
Mit dem Boom der Ressourcenextraktion und in Kombination mit staatlichen Re-Regulierungen der progressiven Regierungen der 2000er Jahre wurde die südamerikanische Debatte zum Neo-Extraktivismus ausgelöst (Acosta 2009; Schmalz 2013; Gudynas 2012b; Svampa/Antonelli 2009). Altvater (2013) sieht Neo-Extraktivismus als ökonomische Strategie zur Kommodifizierung von Ressourcen. Geldanleger auf der Suche nach neuen Investmentmöglichkeiten stehen dabei im Mittelpunkt. Überakkumuliertes Kapital wird in den Primärsektor eingebracht, die Finanzialisierung der Natur als Krisenstrategie ist die Folge (BRAND/WISSEN 2014, 25). Die Konsequenz daraus ist die Entkopplung von Kapital und Produktion, die sich beispielsweise im Sojasektor unter den pooles de siembra manifestiert: Es gibt nicht mehr den Produzenten, sondern organisierende Finanzexperten, die technische Expertisen situationselastisch zukaufen bzw. sämtliche primärsektorspezifischen Arbeiten auslagern. Für Acosta (2011) hingegen steht beim Neo-Extraktivismus der Aspekt der Deindustrialisierung und Primarisierung nationaler Ökonomien im Vordergrund. Er geht soweit, dass er von der Wiederinstallation kolonialer Handelsstrukturen und -abhängigkeiten spricht (Acosta 2009).
Vergleichbar mit der originären Liste zum Washington Consensus, stellt Gudynas (2009, 221 ff.) zehn Thesen zum Neo-Extraktivismus auf. Zentral ist jedoch der Unterschied, dass Gudynas den sozial-ökonomischen Veränderungen explizit kritisch (im erweiterten Sinne der dritten Definition des Washington Consensus) gegenübersteht. Das Credo lautet, Entwicklung durch verstärkten Export und ausländische Direktinvestitionen mit klaren Regelungen und Gesetzen der Regierung zur Umverteilung und Finanzierung von staatlichen Sozialleistungen (wodurch auch die Arbeit der jeweiligen Regierungen legitimiert werden soll; Gudynas 2010, 41, 2009, 209, 2012a, 46) zu forcieren. Beispielhaft können hier die argentinischen retenciones (Exportabgaben) in der Höhe von 35 % auf Sojaexporte genannt werden, die zur Finanzierung von Sozialprogrammen dienen. Diese Reduktion des Staates auf das Organisieren von Exportzöllen und Sozialleistungen wird insbesondere von Schmalz (2013, 53) stark kritisiert.
1.3 Sozial-ökologische Konflikte und Post-Extraktivismus
Während sich bei konservativen Regierungen die Konfliktlinien zwischen sozio-ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen/Aktivisten und dem Staat kaum verändert haben, wird die Legitimierung von Widerstand bei linken Regierungen in zunehmendem Maße komplizierter, da die Umsetzung sozialer Gerechtigkeit von staatlicher Seite häufig mit finanzieller Kompensation nationaler sozial-ökonomischer Ungleichheiten gleichgesetzt wird. Durch Umverteilungsmaßnahmen wird kommuniziert, dass Ungerechtigkeiten durch extraktive Tätigkeiten ausgeglichen wird. Tritt man als Gegner extraktiver Projekte auf, so kann von Regierungsseite argumentiert werden, dass diese Opposition mit einer Kritik an „gerechterer Verteilung“ gleichgesetzt wird. Dieses Beispiel zeigt bereits, dass die Debatte auf Kosten-Nutzen-Analysen von extraktiven Aktivitäten reduziert; aktive Partizipation und Anerkennung lokal-regionaler Settings, insbesondere Umweltfragen und Umweltgerechtigkeit werden meist von staatlicher Seite nicht berücksichtigt und allzu oft als Kollateraleffekte hintangestellt (Gudynas 2013, 43). Sozial-ökologische Konflikte, genährt durch asymmetrische Machtbeziehungen, unterschiedliche Verständnisse von Umwelt und Territorialität sowie sich widersprechende Interpretationen von ‚Entwicklung‘ treten in verstärktem Maße in den Fokus der Debatten um Neo-Extraktivismus. Dies zeigt sich auch im immensen Anstieg an sozialen Bewegungen (Svampa 2011, 186, 2013b, 80).
Svampa (2013b, 83) spricht in diesem Zusammenhang von der „öko-territorialen Wende aktueller Konflikte“, indem das „indigen-kommunitäre Modell mit dem Umweltdiskurs innovativ verbunden“ wird. Diese Wende ist durch folgende Konzepte charakterisiert: (1) commons (Gemeingüter), (2) Umweltgerechtigkeit (dem Artikulieren und Gerecht-Werden von sozial-ökologischen Ansprüchen im Sinne von Verteilung, Anerkennung und Partizipation bei sich sozial auswirkenden Umweltentscheidungen). Für Svampa zentral ist aber auch die Miteinbeziehung von (3) buen vivir – in indigenen Sprachen wird auch von sumak kawsay oder suma kamaña geredet – einem aus indigenen Denkweisen entstammenden ökozentrischen und stark gemeinschaftsbezogenen Ansatz, in dem die Wertschätzung des eigenen und fremden Lebens in Einklang mit der Natur steht (León 2009). Als letztes Konzept kommen (4) die Rechte der Natur im Sinne einer alternativen juristisch-philosophischen Sichtweise zum Tragen. All diese Konzepte stellen Alternativen zum dominierenden Entwicklungskonzept dar.
Vor dem Hintergrund dieses Umdenkens (zumindest aus der Perspektive der Widerstandsbewegungen) wird vom Übergang in eine Phase des Post-Extraktivismus geredet. Dabei kristallisiert sich das übergeordnete Ziel heraus, die Abhängigkeiten vom Extraktivismus durch Transition hin zu alternativen Formen von Entwicklung zu verringern (inklusive des Paradigmas „Wachstum“; Jackson 2009) (Gudynas 2011a, 192, 2011b, 51). Hehres Ziel ist die Beseitigung von Armut und das Ende von Umweltzerstörungen (Gudynas 2012c, 144).
2 Der südamerikanische Ressourcenboom
Im nächsten Schritt sollen die theoretischen Debatten zu Ressourcenextraktion in Südamerika anhand von drei Beispielen veranschaulicht werden: Mineralische Extraktion (sowie Erdöl und Erdgas), Sojaanbau und Infrastrukturausbau. Abb. 1 zeigt die rasch wachsende Bedeutung von Soja, mineralischen Rohstoffen und Erdöl/Erdgas – den zentralen Ressourcen, die den Reprimarisierungprozess prägen – am Gesamtexport der südamerikanischen Länder. Im Folgenden werden die sozial-räumlichen Konsequenzen dieses Prozesses diskutiert.
2.1 Mineralische Ressourcen, Erdöl und Erdgas
Auch wenn mineralische Extraktion auf eine lange Tradition in Südamerika zurückblickt, so weist doch eine Vielzahl von AutorInnen darauf hin, dass mit den 1990er Jahren eine neue, wesentlich intensivierte Phase beginnt (siehe auch Abb. 1). Die Strukturanpassungsprogramme, welche in fast allen südamerikanischen Ländern im Zuge der Politiken des Washington Consensus durchgeführt wurden, eröffneten transnationalen Bergbaukonzernen neue Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund einer neoliberalen Politikausrichtung wurden auf Export von unverarbeiteten Primärgütern ausgerichtete Bergbaugroßprojekte nicht nur toleriert/akzeptiert, sondern ausländische Privatinvestitionen aktiv gefördert. Der Bedeutungsgewinn von Bergbau (sowie Erdöl- und Erdgasextraktion) drückt sich in Südamerika vor allem auf zwei Weisen aus:

Indikatoren der Reprimarisierung in Südamerika, Quelle: Eigene Darstellung, basierend auf „The Atlas of Economic Complexity”, Center for International Development at Harvard University, http://www.atlas.cid.harvard.edu.
In klassischen Bergbauländern (z. B. Chile, Bolivien und Peru) werden sowohl die Extraktion in alten Bergbaugebieten verstärkt als auch neue Ressourcen-Frontiers erschlossen. Bebbington/Bury (2013, 15) zeichnen beispielsweise für die neoliberale Phase zwischen 1990–1997 einen Anstieg der geologischen Explorationen in Peru um 400 % nach. Von den 25 höchsten Bergbauinvestitionen weltweit zwischen 1990 und 2001 (in Milliarden US-Dollar) befanden sich neun in Chile und zwei in Peru, wobei Chile mit 17,6 % der weltweiten Investitionen in dieser Dekade mit großem Abstand auf Platz eins dieses globalen Ländervergleichs steht (Bridge 2004, 413).
In Ländern ohne (oder mit nur sehr geringer) Bergbautradition (bspw. Argentinien und Ecuador) beginnt innerhalb weniger Jahre die Extraktion von mineralischen Rohstoffen, Erdöl und Erdgas enorm an Bedeutung zu gewinnen. Unter der Präsidentschaft von Carlos Menem wurde Anfang der 1990er Jahre in Argentinien die Bergbaugesetzgebung grundlegend verändert. Einerseits versuchte Argentinien über staatliche Begünstigungen transnationale Bergbaunternehmen ins Land zu holen, andererseits privatisierte die Regierung vormals nationale Bergbauunternehmen. Beispielsweise wurde im Zuge dieser Politiken Xstrata, ein transnationales Bergbauunternehmen mit Sitz in der Schweiz, das außerdem in Chile und Peru aktiv ist, ins Land geholt. Xstrata betreibt zusammen mit Goldcorp Inc. und Yamaha Gold das Bergbaumegaprojekt Bajo la Alumbrera in der Provinz Catamarca (Nordwest-Argentinien), wo vor allem Kupfer und Gold abgebaut werden (Paolasso u. a. 2013). Trotz des raschen Voranschreitens der Sojapionierfront im nordwestargentinischen Chaco (siehe nächstes Kapitel für genauere Ausführungen) ist dieses eine Projekt für fast die Hälfte der Einnahmen aus Primärgüterexporten Nordwest-Argentiniens verantwortlich. Nach Bridge (2004, 413) handelt es sich bei Bajo la Alumbrera um die weltweit elftgrößte Bergbauinvestition zwischen 1990 und 2001.
Während die Periode von den frühen 1990er Jahren bis ca. 2012 mit Fug und Recht als ein „extractive super cycle“ (Bury/Bebbington 2013, 38) bezeichnet werden kann, lassen sich dennoch tiefgreifenden Änderungen in der politischen Rahmung von Bergbau, Erdöl- und Gasextraktion innerhalb dieser Periode feststellen. Dies trifft vor allem für die progressiven/linken Regierungen zu, die ab den frühen 2000er Jahren in vielen südamerikanischen Ländern an die Macht kommen.
Als eine Konstante während des ganzen „extractive super cycle“ seit den 1990er Jahren lassen sich folgende drei Punkte festhalten: 1) Die steigende Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen auf internationalen Märkten, 2) der damit in Verbindung stehende Preisanstieg von Primärgütern (Raúl Prebischs These der säkularen Verschlechterung der terms of trade von Primärgütern im Vergleich zu Industriegütern wurde damit sozusagen „realweltlich“ widerlegt) und 3) das Setzen auf Rohstoffextraktion von Seiten konservativer als auch progressiver Regierungen – was Maristella Svampa als Commodity Consensus bezeichnet hat.
Aufgrund der Tatsache, dass sich die progressiven Regierungen selbst als anti-neoliberal verstehen und einige (besonders Bolivien und Ecuador) explizit das Ziel verfolgen/verfolgten, das auf Rohstoffexport basierende Entwicklungsmodell zu überwinden (siehe auch Andreucci/Radhuber 2015), erscheint die Intensivierung von Bergbau, Erdöl- und Erdgasextraktion in den 2000er Jahren doch etwas überraschend. Auch zwischen den Ländern mit sogenannten progressiven Regierungen lassen sich teilweise ausgeprägte Unterschiede in der Rohstoffpolitik festmachen. In Argentinien beispielsweise wurden die Exportsteuern auf agrarische Produkte (siehe nächstes Kapitel) unter den Kirchner-Regierungen (2003–2015) entscheidend erhöht, die royalties im Bergbausektor veränderten sich jedoch kaum und diesbezüglich kann man von einer Kontinuität neoliberaler Politiken sprechen.
Den am weitesten entwickelten Vorschlag hin zu einer post-extraktivistischen Entwicklung in Südamerika hat wohl die ecuadorianische Regierung unter ihrem Energie- und Bergbauminister Alberto Acosta vorgelegt. Als Vorzeigeprojekt auf dem Weg zum Post-Extraktivismus diente das Yasuní-ITT-Ölfeld, an dem ein neuer Umgang mit der Ressource erprobt werden sollte. Es ist eines der zahlreichen Erdöl- und Erdgasfelder, die in den 1990er und 2000er Jahren im Amazonastiefland Kolumbiens, Ecuadors, Boliviens und Venezuelas entdeckt wurden und die Bedeutung von Erdöl- und Erdgasextraktion in diesen Ländern entscheidend steigen ließen (siehe Abb. 1). Das Öl in Yasuní, gelegen in einem Nationalpark mit extrem hoher Biodiversität und gleichzeitig Lebensraum indigener Völker, sollte im Boden belassen werden. Als Ausgleich für die Einnahmen, die Ecuador dadurch verloren gegangen wären, sollten internationale Geldgeber die Hälfte des Wertes der Erdölreserven in einen Treuhandfond einzahlen, der in der Folge der ecuadorianischen Regierung für Entwicklungsprojekte zur Verfügung gestellt worden wäre (Bebbington/Humphreys Bebbington 2011; Vallejo u. a. 2015). Der Vorschlag erregte international große mediale Aufmerksamkeit und wurde insbesondere von Umwelt-NGOs und sozialen Bewegungen als entscheidender Schritt zu einem anderen Umgang mit Ressourcenextraktion begrüßt. Bereits im Jahre 2007, nach wenigen Monaten im Amt, kam es zum Bruch zwischen Alberto Acosta und Ecuadors Präsident Rafael Correa, der sowohl auf diskursiver als auch auf handlungspraktischer Ebene (über neue Bergbaugesetzgebungen) immer stärker für die Extraktion von Ecuadors natürlichen Ressourcen eintrat. Die stärker werdenden Widerstände gegen diese Wende in der Extraktivismuspolitik (von Seiten indigener Gruppen, Umwelt-NGOs, sozialen Bewegungen) wurden von Correa immer mehr bekämpft. Auf der diskursiven Ebene wurden diese Widerstände von Correa als ein direkter Angriff auf das nationale Projekt des ökonomischen Wachstums und damit gleichzeitig auf die sozialen Umverteilungspolitiken und Armutsreduktion kritisiert. Sozial-ökologische Konflikte haben – wie in anderen südamerikanischen Ländern die diese neo-extraktivistische Logik verfolgen – jedoch eher noch zugenommen, und vor allem haben sich die Allianzen und Konfliktkonstellationen grundlegend verändert.
Ein gutes Beispiel für diese sich wandelnden, komplexen Konfliktkonstellationen ist Bolivien, wo vor allem die wachsende Bedeutung von Erdöl- und Erdgasextraktion im Tiefland zu einer Umgestaltung der nationalen Ressourcengovernance, aber auch des nationalen Selbstverständnisses beigetragen hat (Perreault 2006, 2013; Andreucci/Radhuber 2015). Im Jahre 2006 (re-) nationalisierte Boliviens Präsident Evo Morales die Erdöl- und Erdgasfelder des Landes und setzte damit auch ein symbolisches Zeichen für ein neues (territoriales) Selbstbewusstsein Boliviens. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass das staatliche bolivianische Erdöl- und Erdgasunternehmen Yacimientos Petrolíferos Fiscales Bolivianos (YPBF) nicht über das technische Know-how verfügt, alle Schritte der Extraktion selbstständig zu übernehmen, spielen transnationale Unternehmen weiterhin eine große Rolle. Die Spielregeln, was die zu zahlenden royalties angeht, haben sich jedoch grundlegend geändert: Während diese noch zu Beginn der 2000er Jahre unter den niedrigsten weltweit lagen, haben sie sich in den letzten Jahren stark erhöht (Perreault 2013, 79, 82). Zudem lässt sich am Beispiel des brasilianischen Mineralölkonzerns Petrobras (der nicht nur in Bolivien, sondern in fast allen südamerikanischen Ländern aktiv ist) zeigen, dass südamerikanische Unternehmen als Investoren im Konzert der großen multinationalen Unternehmen eine immer wichtigere Rolle spielen. Diese Politik des „Ressourcennationalismus“ in Bolivien hat gleichzeitig zu neuen Konflikten zwischen bolivianischem Hochland und Tiefland geführt, wobei das Tiefland eine stärkere Autonomie (oder sogar Abspaltung) zum Ziel hat und größere Anteile aus den Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgasextraktion fordert.
Die Verteilung von Gewinnen und sozial-ökologischen Kosten zwischen Regionen eines Landes (bspw. enormer Wasserverbrauch, Wasserverschmutzung, Ablagerungen, Zugang zu Land und zum „Untergrund“), aber auch zwischen unterschiedlichen politischen, ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, wurde zu dem zentralen Thema aktueller Umstrukturierungsprozesse in Südamerika. Dabei ist es aus geographischer Sicht zentral, „Geologie nicht als Schicksal zu verstehen“ (Bridge 2004, 415), sondern die politisch-ökonomische Produktion von Ressourcen in bestimmten Kontexten zu untersuchen. Veränderungen in der globalen Wirtschaft, in der globalen Nachfragestruktur sowie technologische Neuerungen im Bergbau haben im südamerikanischen Kontext zur Produktion von „neuen“ Ressourcen geführt, die sowohl Investitionsströme als auch territoriale Konfigurationen massiv verändert haben.
Technologische Veränderungen haben quasi über Nacht Vaca Muerta, eine geologische Formation aus der Jura- und Kreidezeit in der argentinischen Provinz Neuquén, zu einer der größten Schieferöl- und Schiefergaslagerstätten weltweit gemacht. Bis dato wurde zwar kaum Schieferöl und Schiefergas gefördert, neue Investitionsströme und vor allem Vorstellungen und Träume von zukünftigem Reichtum (vor allem von regionaler und nationaler Seite sowie von transnationalen Unternehmen) haben jedoch auch die materiellen Geographien grundlegend verändert. Die Enteignung und Wiederverstaatlichung der Firma Yacimientos Petrolíferos Argentinos (YPF) von der spanischen Multinationalen Repsol im Jahre 2012 fällt wahrscheinlich nicht zufällig mit dem Zeitpunkt zusammen, als das Förderpotential von Vaca Muerta bekannt wurde.
Ähnliches lässt sich auch in Brasilien beobachten, einem Land mit einer langen Tradition des Bergbaus, das vor einigen Jahren auch zu einem wichtigen Exporteur von Erdöl wurde. Nur über neueste technologische Verfahren konnten die in sechs Kilometern Tiefe in einer Salzschicht gelegenen Erdöllagerstätten an der Atlantikküste erschlossen werden. Nicht zuletzt aufgrund der Erschließung dieser Lagerstätten wurde das mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Mineralölunternehmen Petrobras zu einem der größten Player am globalen Erdölmarkt.
Eine weitere „neue“ Ressource, die aufgrund von technologischen Veränderungen in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat, ist Lithium. Durch die steigende Nachfrage nach Lithiumbatterien (auch ein zentraler Bestandteil von Elektroautos) sind die großen Salzseen im sogenannten Lithium-Dreieck (Puna Argentiniens, Chiles und Boliviens) zu strategischen Orten für die (Zukunft der) Weltwirtschaft geworden. Um das Ziel einer green economy zu erreichen, wird Lithium eine besondere Bedeutung zugesprochen. Bereits jetzt, in einer Phase, in der der Lithiumabbau noch in einer (frühen) Ausbauphase in allen drei Ländern steckt, zeichnen sich jedoch sozial-ökologische Konflikte um den Zugang zu Land und Wasser, aber auch um die Verteilung der (potentiellen) Gewinne ab (Göbel 2013a, 2013b). Überspitzt könnte man die Frage stellen, ob für einen globalen Übergang zu einer green economy lokale und regionale sozial-ökologische Ungleichheiten/Konflikte in Kauf genommen werden müssen. Das Beispiel Lithium zeigt zudem sehr eindrücklich, wie über ein globales Ziel lokale Ressourcen sozial hergestellt werden und dabei neue, umkämpfte territoriale Konfigurationen entstehen.
Neue Entwicklungen an den Weltmärkten (bspw. der Preisverfall von Erdöl und vielen anderen mineralischen commodities) oder die politische Kursänderung in Ländern wie Argentinien deuten auf eine beginnende Phase rascher Veränderungen in Südamerika hin. Angesichts der generellen Fluktuationen im Bergbau und in der Erdöl- und Gasextraktion wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob der lange Boom des Sektors in eine Bust-Phase übergehen wird, wie die südamerikanischen Regierungen damit umgehen werden, und welche Veränderungskraft in sozial-ökologischen Bewegungen steckt.
2.2 Die „Soja-Republik“
Die Produktion von Soja in Südamerika ist kein neues Phänomen. Die ersten Aufzeichnungen über den Anbau der Leguminosen stammen von 1882 und wurden in der Landwirtschaftsschule von Bahia, Brasilien, durchgeführt (Shurtleff/Aoyagi 2009, 16). Abgesehen von einem kleinen Aufschwung währen der Zeit des Zweiten Weltkrieges war dem Anbau von Soja jedoch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Mitte der 1970er Jahre beginnt Brasilien vermehrt mit der Sojaproduktion im Süden des Landes; ähnlich ansteigende Tendenzen sind auch in der argentinischen Pampa zu erkennen.
Der eigentliche Soja-Boom setzt jedoch erst in den 1990er Jahren mit der Einführung der Direktsaat (eine Anbaumethode ohne Bodenaufbereitung vor der Aussaat) ein. Die größte Neuerung erfolgt jedoch in Argentinien als Vorreiter der Zulassung für genmanipuliertes (GM) Saatgut mit Resistenz gegen das Breitbandherbizid Glyphosat. 1996 wird Monsantos Saatgut unter dem Namen Roundup Ready (RR) erstmals legal verkauft. Den enormen großräumigen Erfolg verdankte Monsanto (und in weiterer Folge Unternehmen wie Bayer oder Syngenta) einer Trockenperiode und dem daraus folgenden finanziellen Notstand vieler Sojafarmer in Argentinien, die das damals attraktive Angebot der Vorfinanzierung der Aussaat durch den Saatguthersteller in Anspruch nahmen. Die legale Einführung von RR Soja in Argentinien hatte zur Folge, dass dieses Saatgut – zunächst illegal – in Brasilien und Paraguay, später auch in Uruguay zur Anwendung kam (Goldfarb/Zoomers 2013, 74). Diese technologischen Neuerungen führten zu veränderten Produktionsfaktoren und -akteuren. Land wird vermehrt gepachtet und zu großen Flächen zusammengeführt, die Arbeitsschritte an Drittunternehmen ausgelagert. Die in Argentinien sogenannten pooles de siembra sind ein Zusammenschluss von Finanzinvestoren, die das Agrobusiness durch Auslagerung und Gewinnmaximierung grundlegend verändert haben. Die Konzentration der Produktion auf wenige Akteure ist in allen Ländern der „Sojarepublik“ (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) zu erkennen, wobei die Big Four (ADM, Bunge, Cargill, Louis Dreyfus) insbesondere in Brasilien eine zentrale Rolle übernehmen.
Heutzutage sind Brasilien und Argentinien nach den USA an zweiter bzw. dritter Stelle der internationalen Produktion. Dies ist unter anderem durch die zur nördlichen Hemisphäre antizyklischen Anbauzeit, den technischen Neuerungen beim Sojaanbau, aber vor allem der massiven Expansion von Soja-Flächen (in Brasilien vor allem in der Provinz Mato Grosso, in Argentinien zunehmend im Nordwesten des Landes) geschuldet.
Die Beziehung zwischen Staat und Sojaproduzenten zeigt besonders deutlich, wie Handlung und Diskurs voneinander abweichen können. Dabei ist Argentinien ein besonderes Beispiel: Nach der neoliberalen Phase der 1990er Jahre wurde unter den progressiven Regierungen von Néstor Kirchner und Cristina Fernández de Kirchner (2003 bis 2015) der Diskurs um Soja radikalisiert. Agrarische Monopole wurden stark kritisiert und Soja als „yuyo“ (Unkraut) diffamiert (La Nación 2008). Trotz, oder gerade wegen dieser diskursiven Konflikte ist erstaunlich, dass unter den Kirchner-Regierungen ein klarer handlungsorientierter Pragmatismus verfolgt wurde (Hafner/Coy In press). Während zwischen 1993 und 2001 die Exportsteuern (retenciones) bei nur 4 % lagen, wurden diese sukzessive auf 35 % in 2007 angehoben (Reca 2010, 440). Vordergründig visualisiert dies die angespannte Konfliktlage, die in der Agrarkrise 2008 kulminierte. Im Hintergrund jedoch mussten – ganz im Sinne neo-extraktivistischer Denkweise – Einnahmen zur Finanzierung der über 60 Sozialpläne generiert werden. Soja verzeichnet im Gegensatz zu Weizen oder Mais kaum Binnenabsatz. Daher ist es naheliegend, dass diese Commodity als Einnahmequelle verwendet wird.
Stellt man diesen Ausführungen die Situation von Brasilien gegenüber, so zeigt sich, dass der brasilianische Staat die Rolle des Ermöglichers eingenommen hat. Beispielhaft ist die staatliche Agrarforschungseinrichtung EMBRAPA zu nennen. Die Diffusion von produktionsorientierter Information steht dabei im Vordergrund. Es wird deutlich, dass das Agrobusiness mit wirtschaftlichem Wachstum gleichgesetzt wird, wobei Umweltprobleme in der Form von Abholzung oder Klimawandel inzwischen durchaus akzeptiert werden (Hafner/Coy In press).
Wie die beiden Beispiele von Argentinien und Brasilien verdeutlichen, findet man in Südamerika absolut unterschiedliche Strategien des staatlichen Umgangs mit der Sojaproduktion. Betrachtet man jedoch die Wachstumszahlen der letzten Dekade (2004–2014), so zeigt sich, dass beide Länder ihre Produktionsquantität um den Faktor 1,7 steigern konnten (FAOSTAT 2015). Zwei Schlussfolgerungen sind möglich: Erstens, auch wenn der staatliche Diskurs dem Agrobusiness negativ gesonnen ist, so ist auf der Handlungsebene eine positive Grundhaltung vorhanden. Zweitens, der Faktor Staat spielt nur eine geringe Rolle in Produktionsentscheidungen. Ganz im Sinne neo-extraktivistischer Definition besteht ein gewisser Handlungsspielraum des Staates bei der Umverteilung von Gewinnen; dies beeinflusst jedoch nicht wesentlich die Entscheidung ob/wie viel angebaut wird. Globalisierte Soja-Finanzialisierungsprozesse gepaart mit steigender Nachfrage nach (und Preise von) Soja (insbesondere aus China, vgl. Cypher/Wilson 2015) sind relevantere Entscheidungsfaktoren für den Anbau der Leguminose. Es zeigt sich, dass das dominierende Narrativ, dass Investitionen in Farmland nicht nur krisenstabil, sondern auch gewinnbringend sind, durchaus zum Standard geworden ist (OUMA 2014, 163).
Transnationale ökonomische Parallelstrukturen werden in Südamerika geschaffen. Dies wurde 2003 deutlich, als Syngenta eine emblematische Werbung in den argentinischen Tageszeitungen La Nación und El Clarín schaltete. Das multinationale Unternehmen propagierte sein Soja-Monitoring-Programm Centinela mit dem Slogan „La soja no conoce fronteras“ (Soja kennt keine Grenzen). Bezeichnend dabei ist jedoch, dass das Unternehmen die Ausbreitung von Soja auf den Staatsgebieten von Bolivien, Paraguay, Uruguay, Brasilien und Argentinien darstellt und diese als „República Unida de la Soja“ (durch Soja vereinte Republik; Abb. 1 zeigt den steigenden Anteil von Soja am Gesamtexport in allen fünf Ländern) bezeichnet (vgl. Grain 2013).
Die Auswirkungen der Sojaexpansion manifestieren sich auf lokaler Ebene häufig in sozialräumlicher Fragmentierung, der Verdrängung Indigener, Landloser und Kleinbauern, erhöhter Vulnerabilität lokaler Bevölkerung, und daraus resultierenden sozial-ökologischen Konflikten (Coy 2013). Nun stellt sich die Frage nach der Reaktion der Zivilgesellschaft in Bezug auf die Sojaexpansion in Südamerika. Diesbezüglich kann zwischen zwei Formen unterschieden werden: (a) Aktiver Widerstand gegen das Agrobusiness; (b) Akzeptanz der Veränderungen, auch wenn diese zum eigenen Nachteil sind.
Analysiert man den Environmental Justice Atlas zu Umweltkonflikten in Zusammenhang mit Soja, so tauchen in Südamerika lediglich sieben Konflikte auf, drei in Brasilien, zwei in Argentinien und jeweils einer in Bolivien und Paraguay (Ejolt 2016). Bei diesen Konflikten handelt es sich primär um Abholzung und Expansion der Anbaufläche. Konflikte und Widerstand seitens der Bevölkerung sind hauptsächlich im Bereich der Pestizidausbringung und GM Saatgut zu erkennen. Lokal-regionale Gruppierungen sind beispielsweise „Médicos de Pueblos Fumigados“ („Ärzte von pestizidbesprühten Dörfen“), „No a Monsanto en Argentina“ („Nein zu Monsanto in Argentinien“), oder das Netzwerk „Bolivia Libre de Transgénicos” (Bolivien frei von Gentechnologie). Als indirekte Antwort zu den Bewegungen kann durchaus die Einführung des brasilianischen Sojamoratoriums zum Stopp der produktionsbezogenen Abholzung, oder auch die transnationale Organisation RTRS (Round Table on Responsible Soy), deren Mitglieder sowohl Produzenten und Agrobusiness-Repräsentanten, als auch Umweltnichtregierungsorganisationen, soziale Bewegungen und staatliche Einrichtungen angehören, gesehen werden. RTRS macht sich auch zur Aufgabe, Soja zu zertifizieren und somit die gesetzten sozialen, ökonomischen und ökologischen Standards in den Produktionsländern zu gewährleisten (RTRS 2015).
Wie bereits aus der geringen Anzahl von registrierten sozial-ökologischen Konflikten herauszulesen ist, werden im Vergleich zum Ausmaß der Sojaexpansion relativ wenige offene Konflikte ausgetragen. Insbesondere in den Pionierfronten ist eine primär positive Grundhaltung der Expansion gegenüber zu erkennen (Hafner/Coy in press; Klingler/Coy 2013). Dieses Verhaftet-Sein im dominierenden Agribusiness-Diskurs wird zusätzlich unterstützt von der Wahrnehmung lokaler Bevölkerung, von den Akteuren des Sojabusiness abhängig zu sein.
2.3 Infrastrukturen
Dass leistungsfähige Infrastrukturen wesentliche Grundlage aller wirtschaftlichen und räumlichen Inwertsetzungs- und Entwicklungsprozesse sind, steht außer Frage. Das gilt speziell für die großen Binnenräume Südamerikas: die Regenwälder Amazoniens, die Savannenregionen Zentralbrasiliens und des bolivianischen Oriente, die Chaco-Gebiete Argentiniens und Paraguays. Diese zuvor peripheren und infrastrukturell vergleichsweise schlecht erschlossenen Räume wurden in den letzten Jahrzenten zunehmend als vielversprechende Ressourcenfrontiers in den globalisierten Rohstoffboom (Export mineralischer Rohstoffe und Agrarprodukte, siehe oben) inkorporiert.
Gleichzeitig spielen die bisher – zumindest vermeintlich – unzureichend genutzten Potenziale dieser peripheren Räume, Landreserven und vor allem Energieressourcen auch für die nationalen Entwicklungsstrategien eine zentrale Rolle. Das „alte Thema“ nämlich die Erschließung, Anbindung und „Inwertsetzung“ der Binnenräume bleibt somit zentrales Element der aktuellen Regionalentwicklungs-, Raumwirtschafts-, und Raumordnungsdiskurse – allerdings im Zeitablauf unter sich verändernden „Vorzeichen“: während der Militärdikaturen der 1960er bis 1980er Jahre im Zeichen der „nationalen Sicherheit“, unter der neoliberalen Phase vorrangig ausgerichtet auf die regionale Einbindung in globale Wertschöpfungsketten, im Zusammenhang neo-extraktivistischer Vorstellungen zusätzlich im Kontext von Regionalentwicklung und regionaler Integration. Selbstverständlich spielen heutzutage Nachhaltigkeit, pfleglicher Umgang mit den Ressourcen und die Vermeidung von Mensch-Umwelt-Problemen als (zumindest Lippen-) Bekenntnis eine zentrale Rolle.
Dabei ist Transport ein zentrales Thema. Traditionell werden die hohen Transportkosten von Unternehmen, politischen Kreisen und regionalen Lobbyisten als entscheidender „Standortnachteil“ der Ressourcenfrontier angesehen. Daher sind seit den 1980er Jahren vor allem von Brasilien ausgehend der Neu- und Ausbau transkontinentaler Transportwege, insbesondere Fernstraßen, teilweise auch Eisenbahnen und Wasserstraßen, aus den raumwirtschaftlichen und raumordnerischen Debatten nicht mehr wegzudenken.
Die Realisierung von Ost-West-Verbindungen von der Atlantikküste bis zu den pazifischen Häfen Perus und Chiles (corredores bioceánicos), aus brasilianischer Sicht vor allem die Realisierung von Zugängen zum Pazifik (saída para o Pacífico), soll die Bedienung der expandierenden ostasiatischen Märkte, die an den südamerikanischen Primärprodukten (mineralische Rohstoffe, Soja, Holz etc.) interessiert sind, erleichtern und die neuen Ressourcenfrontiers im Binnenland konkurrenzfähig machen.
Dies findet seinen Wiederhall in staatlichen Infrastruktur-Politiken. So wurde im Jahr 2000 die südamerikanische Initiative zur Integration der regionalen Infrastruktur IIRSA (Iniciativa para la Integración de la Infraestructura Regional Suramericana) ins Leben gerufen. Mit ihr beginnt eine Neuorientierung der regionalen Integration in Südamerika nach dem weitgehenden Scheitern entsprechender Bemühungen im Rahmen des Mercosur-Vertrages während der 1990er Jahre (vgl. van Dijck/Haak 2006, van Dijck 2014a, 2014b; Little 2014). Zentrales Instrument der IIRSA-Initiative ist die Einrichtung von grenzüberschreitenden, zumeist transkontinentalen Entwicklungsachsen, in denen Infrastrukturbänder, vor allem Fernstraßen, aber auch Eisenbahnen, Wasserstraßen und Pipelines, ausgebaut und mit sonstigen Infrastruktur-Großprojekten, wie insbesondere dem Bau von Wasserkraftwerken und der Anlage großer – auch grenzüberschreitender – Überlandleitungssysteme verbunden werden sollen. Die Finanzierung wurde zunächst durch Großkredite der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) sowie von entsprechenden Finanzierungsinstrumenten des La Plata- und Andenraumes (FONPLATA bzw. CAF) gewährleistet. Seit 2003 ist insbesondere die brasilianische Entwicklungsbank BNDES (Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico e Social), zwischenzeitlich eine der weltweit größten Entwicklungsbanken, in die Finanzierung der IIRSA-Initiative eingestiegen. Mit der im Jahr 2008 bezeichnenderweise ebenfalls in Brasília erfolgten Gründung der UNASUR (Unión de Naciones Suramericanas), die alle 12 südamerikanischen Staaten in einem neuen regionalen Integrationsbündnis vereint, ist auch eine Aufwertung und institutionelle Verankerung der IIRSA-Initiative verbunden. Sie nimmt eine zentrale Position im sogenannten COSIPLAN (Consejo Suramericano de Infraestructura y Planeamiento) ein und sieht, auf Beschluss des zuständigen UNASUR-Ministertreffens vom Dezember 2015 in Montevideo, in ihren bis zum Jahr 2022 gehenden strategischen Planungen derzeit insgesamt 593 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 182,4 Milliarden USD vor (vgl. (UNASUR/COSIPLAN 2015a, 15, 2015b). Die Projekte sind gebündelt in 10 Infrastruktur- und Entwicklungsachsen (vgl. zu einigen ausgewählten Beispielen Karte 1), die einen Großteil des südamerikanischen Subkontinents abdecken. Grenzüberschreitende Kooperation, Konnektivität (und Kohäsion), Regionalentwicklung durch Inwertsetzung lokal/regionaler Potenziale sind neben dem obligatorischen Bekenntnis zu Nachhaltigkeit, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie verbesserter Lebensqualität die diskursiven Eckpunkte der stark an Vorbilder der Transeuropäischen Netze erinnernden IIRSA-Initiative. Die realpolitischen Ziele dürften allerdings mit der Umsetzung von Korridoren zur erleichterten Ressourcenextraktion und zum Rohstoffexport, mit der Förderung wachstumsorientierter Regionalentwicklung sowie der Verbesserung von regionaler Wettbewerbsfähigkeit weit besser beschrieben sein.
Die ohne Zweifel in engem Zusammenhang des aktuellen rohstoffbasierten Entwicklungswegs der südamerikanischen Länder zu sehende IIRSA-Initiative steht jedoch aufgrund der mit den meisten Projekten verbundenen enormen sozial-ökologischen Konfliktpotenziale im Kreuzfeuer der Kritik, sowohl vor Ort als auch in der nationalen und globalen zivilgesellschaftlichen Diskussion. Generell kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die politisch Verantwortlichen aus den Erfahrungen der Vergangenheit nur wenig Lehren gezogen haben: Insbesondere in sozial-ökologisch „sensiblen“ Räumen wie beispielsweise den Regenwaldgebieten Amazoniens belegen viele Beispiele, wie Infrastrukturausbau mit gesteigerter Zuwanderung, Verschärfung von Landkonflikten und vor allem zunehmender Entwaldung und Landnutzungsveränderungen einhergeht (vgl. am Beispiel der als „Exportkorridor“ im brasilianischen Amazonien ausgebauten Fernstraße Cuiabá – Santarém Coy/Neuburger 2008; Coy/Klingler 2011 sowie generell van Dijck 2014b).
Im Kreuzfeuer der Kritik steht neben dem Ausbau der Transportinfrastruktur vor allem auch die zweite Säule der IIRSA-Initiative, die in vielen Ländern oberste Priorität in den Wachstums- und Entwicklungsstrategien hat: die massive Nutzung des hydroenergetischen Potenzials gerade auch der peripheren Regionen durch den Bau zusätzlicher Großstaudämme und -wasserkraftwerke. Bekanntestes Beispiel der letzten Jahre ist das Megaprojekt Belo Monte am Rio Xingu im brasilianischen Amazonien (vgl. Fearnside 2015; ISA 2013; Hall/Branford 2012). Im Februar 2016 sollen nach derzeitigen Planungen die ersten Turbinen des mit einer vorgesehenen Kapazität von 11.000 MW drittgrößten Wasserkraftwerkes der Erde Strom erzeugen. Eigentlich entspricht Belo Monte einem alten Projekt aus den 1980er Jahren, das zum damaligen Zeitpunkt am massiven Protest der betroffenen indigenen Bevölkerung und zahlreichen internationalen Unterstützern scheiterte. Vor ungefähr zehn Jahren wurde es allerdings angesichts der Energieknappheit, die die brasilianische Wirtschaft immer wieder durchlief, in veränderter Form wiederbelebt. Das Projekt wurde seitens des Staates zum „Flaggschiff“ der öffentlichen Investitionsförderprogramme PAC1 und PAC2 „stilisiert“, mit denen Brasilien in der Endphase der Regierung Lula und unter der derzeitigen Präsidentin Dilma Rousseff einen eindeutig auf Wachstum, Modernisierung und ressourcenorientierter Entwicklung basierenden Kurs einschlug. Mit einer verkleinerten Staufläche von „nur“ ca. 500 km² (der Fläche des Bodensees entsprechend), wird dennoch davon ausgegangen, dass ca. 20.000 Menschen (darunter indigene Völker) umgesiedelt werden müssen. Die auch international wahrgenommenen langwierigen und hoch kontroversen Auseinandersetzungen um das Megaprojekt sowie die entsprechenden Umweltverträglichkeitsprüfungen und Genehmigungsverfahren belegen das enorme Konfliktpotenzial. Gleichzeitig zeigt sich aber auch die kompromisslose Haltung von brasilianischer Regierung, Wirtschaftslobby und den Betreibern, dem Konsortium Norte Energia, in dem sich neben den (halb)staatlichen Energiekonzernen vor allem große Bau- und Ingenieurunternehmen engagiert haben (vgl. ISA 2013 sowie insgesamt Fearnside 2015).
Dabei ist Belo Monte nur Teil eines deutlich größeren Programms zum Ausbau der Wasserkraftnutzung in den sozial-ökologisch hoch sensiblen Gebieten Amazoniens. Der zweite Mega-Komplex entsteht am Rio Madeira mit den Wasserkraftwerken Jirau mit einer Endkapazität von 3.750 MW, dessen erste Etappe bereits seit 2013 Strom erzeugt, und Santo Antonio mit einer Kapazität von 3.500 MW, bei dem alle 50 Turbinen bis Ende 2016 in Betrieb gehen sollen. Ähnliche Großprojekte sind mit brasilianischer Unterstützung in den kommenden Jahren auch in den peruanischen und bolivianischen Tieflandsregionen vorgesehen (vgl. Little 2014). Die zur Realisierung aller IIRSA-Vorhaben (die Mega-Wasserkraftwerke werden hier dazugezählt) benötigten Finanzmittel sollen zu 63 % durch die öffentliche Hand, zu 19 % durch Private und zu 18 % durch Public-Private-Partnerships bereitgestellt werden (vgl. UNASUR/COSIPLAN 2015a, 31).
Diskursiv werden die Mega-Kraftwerke seitens ihrer Befürworter durch ihre – vermeintliche – „ressourcenschonende“ Nachhaltigkeit als wesentliche Voraussetzung einer Transformation in Richtung green economy legitimiert, wie sie spätestens seit dem Weltgipfel Rio +20 im Jahr 2012 auch in Brasilien Bedeutung gewonnen hat. Nicht zu übersehen ist aber auch hier, dass veränderte oder neue Diskurse letztlich mit alten, sozial-ökologisch höchst widersprüchlichen Praktiken einhergehen, die seit Jahren bei der Durchführung von infrastrukturellen, energetischen, agroindustriellen oder bergbaulichen Großprojekten zu beobachten sind.
3 Zukünftige Tendenzen
Dieser Beitrag analysierte die Debatte um ressourcenbasierte Entwicklung der 1990er und 2000er Jahre in Südamerika. Während die Reprimarisierung in Gesamtsüdamerika stetig voranschreitet, kristallisiert sich deutlich heraus, dass die nationalen politischen Diskurse in zunehmendem Maße heterogen werden. Sprach man in den 1990er Jahren noch vom Washington Consensus und Strukturanpassungsprogrammen, so rückte in der darauffolgenden Periode der Commodity Consensus, geprägt durch einen globalen Preis- und Nachfrageboom von commodities, der damit einhergehenden Finanzialisierung der Natur, wie auch steigendem Einfluss von emerging economies in den Vordergrund südamerikanischer Politiken.
Aktuell befindet sich Südamerika in einer starken Umbruchphase. Auf globalwirtschaftlicher Ebene ist die Zeit ab 2014 geprägt von einem Preisverfall der wichtigsten commodities. Der damit verbundene Rückgang der Exportsteuereinnahmen hat zur Folge, dass staatliche Sozialprogramme (z. B. bolsa familia in Brasilien), die wesentliche Basis progressiver Politiken, mittelfristig die Finanzierungsgrundlage verlieren. Des Weiteren setzt sich mit den aktuellen Regierungs- auch ein Politikenwechsel in Südamerika durch. Der argentinische progressive Kurs der Kirchner-Regierungen (sowohl von Néstor Kirchner als auch Cristina Fernández de Kirchner) seit 2003 kam mit der Wahl des liberal-konservativen Mauricio Macri zu einem Ende. Venezuelas links-populistische Regierung unter Nicolás Maduro verspürt spätestens seit den verlorenen Parlamentswahlen im Dezember 2015 massiven Widerstand gegen ihre Politiken. Brasilien befindet sich in einer ausgeprägten Wirtschaftskrise, gepaart mit massiven Korruptionsskandalen, entsprechenden Protesten (sowohl konservativer als auch progressiver Lager) und einem grundlegenden Vertrauensverlust gegenüber der Politik im Allgemeinen und der Regierung Dilma Rousseff im Speziellen.
Diese drei Beispiele zeigen, dass sich links-populistische und/oder progressive Regierungen in Südamerika in der Krise befinden. Vor dieser Krise, in der Boomphase bis 2008, wurde parallel zu diesen Regierungen euphorisch über Postwachstum und Post-Extraktivismus in Südamerika theoretisiert und über praktische Umsetzungschancen diskutiert. Auch hier macht sich nun Ernüchterung breit. Es zeigt sich wieder ein Rückfall – sofern man überhaupt von einer Umsetzung von post-extraktivistischen Überlegungen sprechen kann – in klassisch extraktivistische und neo-extraktivistische Handlungsmuster.
Im Lichte der aktuell äußerst dynamischen Entwicklungen stellt sich nun die Frage nach dem Weg, den Südamerika im Weiteren einschlagen wird. Noch vor wenigen Jahren galt in der wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Debatte Postwachstum und Post-Extraktivismus als die große Chance für Veränderungen. Der Beitrag hat aufgezeigt, dass trotz neuer und diversifizierter Diskurse alte Praktiken der Ressourcenextraktion weitergeführt und/oder adaptiert wurden. Inwiefern diskursiv-ideologisch nun eine Rückbesinnung auf liberale Phasen der 1990er – unter neuen Vorzeichen der beginnenden oder anhaltenden Wirtschaftskrisen – erfolgt, wird sich in nächster Zeit zeigen.
Danksagung:
Wir bedanken uns für: das Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (DOC) am Institut für Geographie der Universität Innsbruck (Robert Hafner); die Marietta-Blau Stipendien der OeAD–GmbH, finanziert aus den Mitteln des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (Robert Hafner, Gerhard Rainer); die Unterstützung des Tiroler Wissenschaftsfonds (Gerhard Rainer).
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