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Publicly Available Published by De Gruyter June 15, 2016

Christoph Haferburg und Marie Huchzermeyer (eds.): Urban Governance in Post-apartheid Cities. Modes of Engagement in South Africa’s Metropoles. Stuttgart: Bornträger (2014), 337 S., 49,90 €.

Besprochen von: Ingrid Jacobsen, Berlin

DOI 10.1515/zfw-2016-0014

Als eines der bedeutendsten Werke zum Thema Stadtentwicklung im Post-Apartheid-Südafrika päsentiert das vorliegende Buch eine Vielzahl von Themen, die direkt oder indirekt Einfluß auf die “Urban Governance“ im neuen Südafrika nehmen. Urban Governance ist hier zu verstehen als eine komplexe Interaktion zwischen verschiedenen staatlichen, zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren und Gruppierungen, die die Entwicklung städtischer Räume maßgeblich gestalten. Sie manifestiert sich auf verschiedenen Ebenen, d. h. sie kann gesamtstädtisch, in der Stadtteilentwicklung oder auch nur Straßenzüge betreffend wirksam werden.

In Teil 1 des Buches wird das Leitmotiv für die vorliegende Zusammenstellung der Forschungsarbeiten vorgestellt. Es besteht darin, die Besonderheiten der Stadtentwicklung Südafrikas auf der Basis der spezifischen Geschichte des Landes in einem zunehmend neoliberal geprägten Ordnungsrahmen darzustellen: staatliche Steuerungsmaßnahmen treten hinter stärker werdenden privatwirtschaftlichen Interventionen bei der Gestaltung von städtischen Räumen immer weiter zurück. Dies schafft zwar neue Aktionsräume für zivilgesellschaftliche Gruppen und soziale Bewegungen, die jedoch, weil häufig diffus und unorganisiert, wenig Einfluss auf die gegenwärtigen Entwicklungen nehmen können. Diese Aussagen werden durch Informationen zur Wirtschaftsstruktur sowie zu sozio-demographischen, ökonomischen und politischen Entwicklungen südafrikanischer Städte untermauert.

Der zweite Teil des Buches analysiert die Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Akteure auf die Stadtentwicklung Südafrikas. Auf eine übersichtliche Darstellung der meist technischen und planerischen Instrumente, die staatlichen Stellen zu Verfügung stehen, folgen Ausführungen zum zwiespältigen Umgang der Stadt Johannesburg mit den zunehmenden „Service-delivery Protesten“ der Bevölkerung. Detaillierte Beschreibungen zur Entwicklung von modernen öffentlichen „Bus Rapid Transit“ Systemen in verschiedenen Städten und des Beitrags, den sie zur Verkehrsplanung leisten sollen, runden diesen Teil ab.

Im dritten Teil des Buches werden Dynamiken in zivilgesellschaftlichen Organisationen thematisiert. Er beginnt mit einer dezidierten Analyse der Inhomogenität der Interessen einzelner Akteure auf der lokalen Ebene im Stadtteil Yeoville in Johannesburg und ihrer Folgen für die Entwicklung des Stadtteils. Ursachen der oft gewalttätigen Fremdenfeindlichkeit innerhalb der südafrikanischen Gesellschaft werden analysiert, und am Beispiel Khutsongs in Gauteng wird eindrucksvoll gezeigt, wie durch die Schaffung lokaler Identitäten diese Fremdenfeindlichkeit eingedämmt werden kann. Weitere Kapitel befassen sich mit der oft repressiven staatlichen Reaktion gegenüber sozialen Bewegungen und der internen Organisation zivilgesellschaftlicher Akteure.

Der vierte Teil des Buches widmet sich dem zunehmenden privatwirtschaftlichen Engagement bei der Gestaltung städtischer Räume. Durch die Neoliberalisierung der Stadtpolitik und die Bemühungen, in den Rang global relevanter Großstädte aufzusteigen, sind gegenwärtige Stadtentwicklungen oft mehr durch Prestigeobjekte, den Immobilienmarkt und die Konkurrenz um Land als durch gut durchdachte stadtplanerische Handlungen geprägt. Der Rückzug des Staates zeigt sich sowohl bei Sicherheitsdiensten als auch im Mietwohnungsbau, beides vormals staatliche Domänen. Auch die Nominierung von Kapstadt als „World Design Capital“, der das letzte Kapitel des vierten Teils gewidmet ist, spiegelt die zunehmende Dominanz des privaten Sektors wider.

„Urban Governance in Post-apartheid Cities“ gelingt es, die Komplexität gegenwärtiger Stadtentwicklungsprozesse in Südafrika durch eine Betrachtung der Einflussnahmen der drei Akteursgruppen Staat, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft auf den städtischen Raum zu erfassen und gut lesbar darzustellen. Stadtentwicklung wird nicht auf vorwiegend technisch-planerische Fragen reduziert, sondern berücksichtigt die ganze Spannbreite historisch gewachsener Ausgangsbedingungen, sozio-ökonomischer Gegebenheiten und kultureller sowie gesellschaftspolitischer Aspirationen, welche bei der Entwicklung städtischer Räume wirksam werden. Diese Darstellung wird durch eine Herangehensweise bereichert, welche konzeptionellen Betrachtungen und auf empirischen Studien basierenden Forschungsarbeiten gleichermaßen Raum gibt.

Lesenswert ist das Buch durch die Themenvielfalt, die unterschiedlichste Bereiche der Stadtentwicklung anschneidet und vertieft und dadurch einen eindrucksvollen Überblick über gegenwärtige Stadtentwicklungsdiskurse verschafft. Es bietet sowohl für Einsteiger in die Forschung zur Stadtentwicklung als auch für erfahrene Wissenschaftler reichhaltige Einblicke in die Dynamiken der südafrikanischen Stadtentwicklung und regt dazu an, sich weitergehend mit den unterschiedlichsten Aspekten des Buchthemas zu befassen.

Online erschienen: 2016-6-15
Erschienen im Druck: 2016-6-1

© 2016 by De Gruyter

Downloaded on 6.12.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfw-2016-0014/html
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