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BY-NC-ND 3.0 license Open Access Published by De Gruyter January 14, 2016

Isabel Buchwald-Wargenau. 2012. Die doppelten Perfektbildungen im Deutschen

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Rezensierte Publikation:

Buchwald-Wargenau Isabel 2012 Die doppelten Perfektbildungen im Deutschen (Studia Linguistica Germanica 115) Berlin, Boston De Gruyter xiv, 338 S.


Die germanistische Sprachwissenschaft ist – was die Beschäftigung mit den Tempusformen des Deutschen angeht – unermüdlich. Eine neue Publikation zu diesem Thema liegt nun mit der Monographie von Isabel Buchwald-Wargenau vor. In dieser empirisch angelegten Dissertation befasst sich die Autorin mit den doppelten Perfektformen (z. B. sie hat/hatte vergessen gehabt; sie ist/war gestorben gewesen; doppeltes Perfekt/doppeltes Plusquamperfekt). Diese Formen geben der Sprachwissenschaft immer noch viele Rätsel auf, obwohl wir bereits einiges an Forschung zu diesem Thema verzeichnen können. In der Forschungsliteratur und Grammatikschreibung sind jedoch Stellenwert, Vorkommen und Bedeutung sowie die Herausbildung der Formen umstritten. Bisher fehlte eine aussagekräftige empirische Untersuchung, die neben dem synchronen Stand auch die diachrone Entwicklung der doppelten Perfektformen untersucht und die sich nicht auf die Analyse von Literatursprache (z. B. Litvinov & Radčenko 1998), auf einen bestimmten Sprachraum (z. B. Şandor 2002), eine bestimmte Sprachstufe (z. B. Topalović 2010) oder auf die Analyse von Einzelbelegen heterogener Quellen (z. B. Rödel 2007) beschränkt. Die Autorin füllt diese Forschungslücke, indem sie in einem Korpus, das aus Text- und Hörbelegen des 14.–21. Jh. besteht, systematisch doppelte Perfektbildungen nach Gebrauch und Bedeutung erfasst, analysiert und sich datenbasiert der Diskussion um die Herausbildung der Formen stellt.

Die Arbeit gliedert sich in fünf Hauptteile. Nach einer Einleitung (Kap. 1) und Theoretischen Vorbetrachtungen (Kap. 2) diskutiert die Autorin in Kap. 3 die beiden Hauptthesen zur Herausbildung der doppelten Perfektbildungen: zum einen die Herausbildung als Plusquamperfektersatz im Zuge des Präteritumschwundes und zum anderen die Herausbildung als perfektive Struktur im Zuge der Perfektgrammatikalisierung. In Kap. 4 und 5 zu Gebrauch und Bedeutung der doppelten Perfektbildungen werden die Korpusbelege ausgewertet und ihre Bedeutung erörtert. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung (Kap. 6), dem Literaturverzeichnis (Kap. 7) sowie der vollständigen Belegsammlung (Kap. 8). Diese schafft maximale Transparenz und macht dadurch die Arbeit in ausgezeichneter Weise für die künftige Forschung anschlussfähig.

Das Korpus wurde zusammengestellt aus einer Sammlung von Belegen, die aus bestehenden Textkorpora erarbeitet wurden (z. B. Bonner Korpus Frühneuhochdeutsch), sowie aus vorhandenen Belegsammlungen und einer eigenen Sammlung von Hörbelegen aus Talkshows und Alltagsgesprächen. Insgesamt umfasst das Korpus 336 Belege der Form „haben + Partizip II + gehabt“ und 335 Belege der Form „sein + Partizip II + gewesen“. Die frühen Jahrhunderte (14.–16. Jh.) sind mit wenigen Belegen relativ schlecht vertreten, ab dem 17. Jh. sind die Belegzahlen höher, wobei für die einzelnen Jahrhunderte sehr verschiedene Belegmengen vorliegen, was der relativen Seltenheit der Formen geschuldet ist. Ungleichmäßige diachrone Korpora stellen grundsätzlich ein methodisches Problem dar, da die Aussagekraft der Daten kaum einzuschätzen ist. Entsprechend fällt die Interpretation der Autorin – v. a. was die regionale Streuung und die diachrone sowie nähesprachliche Verteilung der Belege betrifft – angemessen vorsichtig aus.

Die Belege wurden getrennt nach sein- und haben-Belegen hinsichtlich verschiedener Kriterien analysiert. Die Auswertung zeigt,1[1] dass die haben-Bildungen von Beginn an sowohl als Doppelperfektformen als auch als Doppelplusquamperfektformen auftreten, wobei sich Erstere tendenziell eher in nähesprachlichen und Letztere in distanzsprachlichen Texten finden. Doppelperfektformen mit sein treten schon sehr früh, seit dem 14. Jh. auf, sein-Doppelplusquamperfektformen jedoch erst seit dem 17. Jh. Die Bildungen sind in allen Sprachräumen belegt (bei haben ab dem 15. Jh.; bei sein ab dem 14. Jh. im mitteldeutschen, ab dem 16. Jh. im oberdeutschen und ab dem 17. Jh. im niederdeutschen Raum). Zunächst kommen die Bildungen vorrangig im Nebensatz vor und erst ab dem 17. Jh. im Hauptsatz. Im 20./21. Jh. überwiegen die Hauptsatzbelege. Hier ist eine deutliche Entwicklung abzulesen, genauso wie bei der Stellung des Finitums im Nebensatz. Entsprechend der Forschungsliteratur bestätigt die Autorin den Wandel von der Voran- bzw. Zwischenstellung zu einer dem nhd. Standard entsprechenden Endstellung des Finitums. In Bezug auf die Verben, die doppelte Perfektformen bilden, konnte die Autorin keine Beschränkung feststellen, jedoch eine leichte „Präferenz zur Grenzbezogenheit“ (S. 236) verzeichnen.

In der Gebrauchsanalyse fragt Buchwald-Wargenau auch nach der Ereignisbeziehung. Die Einteilung in verschiedene Typen von Ereignisbeziehungen folgt der Frage, ob das mit der doppelten Perfektbildung bezeichnete Ereignis in Relation zu einem anderen Ereignis steht (‚relativer Typ‘) oder nicht (‚absoluter Typ‘). Den relativen Typ unterteilt die Autorin in die Subtypen ‚Ereignis-Folge-Beziehung‘, ‚Ereignis-Abschluss-Beziehung‘ und ‚zeitliche Staffelung der Ereignisse‘. Für die doppelten Perfektbildungen weist die Autorin anhand des Korpus den relativen Typ mit seinen Subtypen als besonders charakteristisch nach, wobei vor allem die ersten zwei Subtypen vertreten sind. Den Subtyp ‚zeitliche Staffelung‘ stellt Buchwald-Wargenau erst ab dem 17. Jh. fest, dann jedoch konstant und besonders stark in den Distanztexten des 20. Jh. Der absolute Typ kommt nur vereinzelt vor und ist erst im 20. Jh., besonders in nähesprachlichen Kontexten, stark vertreten.

Die Bedeutungsanalyse in Kap. 5 baut auf dem in Kap. 2 entwickelten Analysekonzept auf. Die Autorin diskutiert dort die in der Forschungsliteratur vorgenommenen semantischen Beschreibungen der doppelten Perfektbildungen, die überwiegend von temporaler Vorvergangenheitsbedeutung ausgehen (sehr übersichtlich ist die Tab. 2 zu den temporalen Deutungen, S. 25). Sie kommt hier zu dem Schluss, dass eine rein temporale Bedeutung für die Beschreibung der doppelten Perfektbildungen nicht angemessen ist (vgl. S. 29–30). Im Sinne der neueren Forschung (vgl. Maiwald 2002, Rödel 2007, Topalović 2010) zieht sie daher ebenso aspektuelle Bedeutungsanteile in Betracht. Diese aspektuelle Bedeutung beschreibt Buchwald-Wargenau als Perfektivität, verstanden als Abgeschlossenheit zum Referenzzeitpunkt (vgl. S. 40–41). Der Abgeschlossenheitsbedeutung der doppelten Perfektbildungen spricht die Autorin eine inhärente Vor-Relation zu: „Perfektive Bedeutung liegt immer dann vor, wenn eine Vor-Relation durch eine Abgeschlossen-Relation erweitert ist“ (S. 40). Formuliert in Anlehnung an die Reichenbach’schen Parameter schlägt sie vor, temporale Deutungen durch „E vor R“ (Vergangenheit) bzw. „E1 vor E2 vor R“ (Vorvergangenheit) usw. und aspektuelle Deutungen durch „E vor [+ abgeschlossen zu] R“ 2[2] zu beschreiben (vgl. Kap. 2.3 und Kap. 5).

Weiter untersucht sie die Belege in der Bedeutungsanalyse (Kap. 5) daraufhin, ob beim relativen Typ eher die Parameterrelation „E1 vor E2 vor R“ oder „E1 vor [+ abgeschlossen zu] R“ und beim absoluten Typ eher die Parameterrelation „E vor R“ oder „E vor [+ abgeschlossen zu] R“ vorliegt. Anhand von Abbildungen werden die Relationstypen nachvollziehbar illustriert (vgl. S. 190f., 206f., 216, 224f.) und die Belege umfangreich mit Einbezug des jeweiligen Kontextes besprochen und interpretiert. Dabei überprüft die Autorin jeweils, ob bei der Interpretation der doppelten Perfektbildungen temporal-aspektuelle, primär temporale oder primär aspektuelle Deutungen näherliegen.

Die Analyse zeigt, dass bei den relativen Typen alle drei Deutungen vorliegen können – je nach Subtyp und beeinflusst von der Aktionsart bzw. Situationsklasse der Verben, den Temporaladverbien und weiteren Kontextangaben (vgl. S. 202, 222). Die Leistung der relativen doppelten Perfektbildungen sei es, „einen Rückgriff hinter E2“ (nämlich zum davorliegenden Verbalereignis E1) auszudrücken und E1 auf einer Vorvergangenheitsebene zu verorten (vgl. S. 205, 224). Bei den absoluten Belegen sieht die Autorin die Leistung der doppelten Perfektbildungen in der einfachen temporal-aspektuellen oder primär temporalen Interpretation des Verhältnisses von E und R – wiederum beeinflusst durch die verbale Situationsklasse und den aktuellen Kontext. Das Ereignis E werde dabei auf der einfachen Vergangenheitsebene „E vor R“ verortet (vgl. S. 228). Aufgrund dieser Ergebnisse plädiert sie dafür, „die Suche nach einer einheitlichen – d. h. entweder temporalen oder aspektuellen – Bedeutung der doppelten Perfektbildungen aufzugeben und die Wichtigkeit der Einbeziehung des jeweiligen Kontextes bei der Bedeutungsfrage zu beachten“ (S. 237).

Lobenswert ist die knappe, aber reflektierte Auseinandersetzung mit den sehr umfangreichen Forschungsthemen Tempus und Aspekt in Kap. 2. Die angestrebte konzeptionelle Trennung von temporalen und aspektuellen Bedeutungsanteilen ist begrüßenswert, da diese Herangehensweise klare und nachvollziehbare Analysekategorien verspricht. Leider wird diese Trennung bei dem vorgeschlagenen Konzept von Perfektivität nicht konsequent durchgehalten. Der Begriff ist auch in anderer Hinsicht problematisch: Mit dem Verständnis von Perfektivität als ,Abgeschlossenheit‘ bleibt eine genaue, differenzierte aspektuelle Bestimmung aus. (Auch bei Rödel [2007: 136f.], auf den sich die Autorin bezieht und der die beiden Komponenten Abgeschlossenheit und Außenperspektive trennt, ist die Begriffsbestimmung letztlich unklar.) So bezieht sich Abgeschlossenheit bei Buchwald-Wargenau sowohl auf den perfektiven (perfective bei Bybee et al. 1994: 54) als auch auf den retrospektiven (anterior bzw. perfect bei Bybee et al. 1994: 54) Aspekt.3[3] Sprachhistorisch stehen diese beiden Aspekte im Zusammenhang: Im Deutschen hat die retrospektive Perfektform ab mhd. Zeit semantisch expandiert und kann heute auch perfektive Vergangenheit (und sogar imperfektive Vergangenheit) ausdrücken. Sie hat sich zu einem general past entwickelt (Bybee et al. 1994: 55, 81–87). Um den Grammatikalisierungsstatus der doppelten Perfektbildungen genau zu bestimmen und auch um eine semantisch differenzierte Analyse zu ermöglichen, hätte es hier einer klaren aspektuellen Unterscheidung bedurft.

Bei der Bestimmung von Perfektivität als „E vor [+ abgeschlossen zu] R“ wird darüber hinaus auch eine Verquickung von temporaler und aspektueller Bedeutung vorgenommen. In der Analyse des absoluten Typs wurde überprüft, ob die Belege eher die temporale Parameterrelation „E vor R“ oder die Relation „E vor [+ abgeschlossen zu] R“ ausdrücken. Erstere Relation entspricht einer einfachen (aspektuell nicht weiter spezifizierten) Vergangenheitsbedeutung (= general past bei Bybee et al. 1994: 55, 81–87; in Reichenbach’schen Parametern: E, R < S). Die zweite Relation enthält zusätzlich zur Vor-Relation auch eine aspektuelle Abgeschlossenheitsrelation. Diese Relation bleibt bei genauerem Hinsehen jedoch unklar: Was genau bedeutet in diesem Fall ‚abgeschlossen‘? Handelt es sich um die Bedeutung einer retrospektiven Perfektform (= Gegenwart + anterior ; „a past action with current relevance“ Bybee et al. 1994: 61; in Reichenbach’schen Parametern: E < R, S)? Oder ist mit der Parameterrelation der Ausdruck von Abgeschlossenheit im Sinne der Außenperspektive und der punktuellen Betrachtung des Ereignisses gemeint? Das wäre dann der Ausdruck einer perfektiven Vergangenheit (past perfective bei Bybee et al. 1994: 54–55). Und: In welchem Verhältnis stünde diese dann zur temporalen Bedeutungsvariante?

An einem von der Autorin aufgeführten Beleg lässt sich zeigen, dass je nach aspektueller Perspektivierung unterschiedliche Lesarten möglich sind. In Beispiel 10 heißt es:

Wir haben uns um die Luftmatratze gestritten, und Mutti kam, wusste gar nicht, was los war, und dahabenwir einegefangen gehabt. (Bsp. 10, S. 209, aus Korpus „eigene Hörbelege, 20./21. Jahrhundert“)

Die zugeordneten absoluten Parameterrelationen sind (vgl. S. 209):

ERelationR
haben gefangen gehabt?vorSprech- bzw. Schreibzeitpunkt
haben gefangen gehabtvor und abgeschlossen zuSprech- bzw. Schreibzeitpunkt

Buchwald-Wargenau plädiert hier für eine Interpretation nach zweiter, temporal-aspektueller Relation: Das Doppelperfektereignis sei als punktuell und ohne zeitliche Ausdehnung zu charakterisieren. Dies begünstige eine perfektive Vergangenheitslesart des Kontextes und mache eine rein temporale Lesart (Vor-Relation) unwahrscheinlicher (vgl. S. 209).

Offensichtlich kann eine retrospektive Gegenwartslesart (Gegenwart + anterior) ausgeschlossen werden: Die temporal-deiktische Angabe da macht einen Bezug auf das Sprecher-Jetzt unmöglich. Sie versetzt den Referenzpunkt in die Vergangenheit (R < S). Die Adverbiale erlaubt jedoch auch eine dritte Interpretation und zwar die, dass zu dem Zeitpunkt da „wir schon eine gefangen hatten“, dass also das Ereignis „vor und abgeschlossen zu“ dem Referenzpunkt da zu verorten ist. In dieser retrospektiven Vergangenheitslesart (Vergangenheit + anterior) liegt dann kein absoluter, sondern ein relativer Typ der Ereignisbeziehung vor, da ein zweiter Referenzpunkt (da) ins Spiel kommt.

Das Beispiel zeigt, dass die Analyse durch eine noch striktere Trennung der temporalen und aspektuellen Bedeutungsanteile an Klarheit gewonnen hätte. Die Konkretisierung des Abgeschlossenheitskonzepts in perfektive und retrospektive Aspektualität, die dann wiederum mit temporaler Bedeutung kombiniert werden kann, wäre in der Analyse und auch bei der Definition der relativen Subtypen von Vorteil gewesen. Grundsätzlich hätte damit ein detaillierteres Bild über die temporal-aspektuellen Leistungen der doppelten Perfektbildungen und ihren grammatischen Status, sowie deren Relevanz und Entwicklung im Verlauf der Sprachgeschichte gewonnen werden können.

Wegweisend ist die in Kap. 3 vorgebrachte Diskussion der beiden Haupthypothesen zur Herausbildung der doppelten Perfektbildungen. Die Argumente der traditionellen Hypothese, die doppelten Perfektbildungen seien als Ersatz für die durch den Präteritumschwund verlorenen Plusquamperfektformen entstanden, überprüft die Autorin empirisch anhand ihres Korpus und stellt fest, dass „der Präteritumschwund als alleiniger Herausbildungsgrund nicht haltbar“ sei (S. 234). Dafür sprächen die Argumente, 1) dass auch Doppelplusquamperfektformen schon früh nachweisbar sind, 2) dass im Oberdeutschen die Präteritalformen von sein und haben im Präteritumschwundprozess noch lange (z. T. bis heute) erhalten blieben, 3) dass auch in den mitteldeutschen und niederdeutschen Sprachräumen schon früh Belege für doppeltes Perfekt vorkamen, 4) dass die doppelten Perfektbildungen bereits vor der Hochphase des Präteritumschwunds nachgewiesen werden können und 5) dass diese schon früh eine große Formenvielfalt aufwiesen (vgl. S. 234). Daher weist die Autorin einen direkten kausalen Zusammenhang zurück. Viel wahrscheinlicher sei eine Herausbildung als Folge der Perfektgrammatikalisierung, die eine tiefgreifende Umstrukturierung des deutschen Verbalsystems nach sich zog, denn „[es] konnte gezeigt werden, dass der Herausbildungszeitraum in die maßgebliche Umstrukturierungsphase der Aufgabe der aspektuellen Opposition und der Reorganisation des Verbalsystems nach temporalen Gesichtspunkten fiel“ (S. 234). Dass schon früh doppelte Perfektbildungen sowohl mit aspektueller, temporal-aspektueller, aber auch primär temporaler Bedeutung belegbar sind, spricht dafür, „den Prozess der Genese und Entwicklung der doppelten Perfektbildungen in einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Restrukturierungsprozesse im Verbalbereich zu sehen“ und demnach die „Suche nach einem Herausbildungsmotiv aufzugeben“ (S. 238).

Mit der Überprüfung und Widerlegung der Argumente, die in der Geschichte der Erforschung der doppelten Perfektbildungen vorgebracht und zahlreich wiederholt wurden, geht Buchwald-Wargenau in vorbildlicher Weise mit lang gehegten, mutmaßlichen Evidenzen empirisch ‚ins Gericht‘. Ihre datenbasierte Überprüfung stellt eine Bereicherung der Forschung dar und zeigt mit ihrer Schlussfolgerung einen gangbaren Weg auf: Die Entwicklung der Verbalformen des Deutschen muss in einem größeren Kontext als in einfachen Substitutionsmechanismen gedacht und bearbeitet werden.

Die Arbeit schließt lückenlos an die bisherige Forschung zum Thema an und führt den Diskurs konsequent weiter. Durch die empirische Datenarbeit anhand eines sorgsam erstellten Korpus gewinnt die Autorin Erkenntnisse, die auch für die internationale Tempusforschung von Relevanz sein werden. Der Text besticht durch Klarheit in Aufbau, Ausdruck und Argumentation und ist in einer angenehmen, gut verständlichen Sprache geschrieben. Der empirische Teil – die Interpretation der Belege und die quantitativen Darstellungen – wird gut nachvollziehbar dargestellt. Dadurch eignet sich die Arbeit auch als Lektüre für Studierende, die sich anhand dieser Publikation einen sehr guten Überblick über die Erkenntnisse der aktuellen Forschung zu den doppelten Perfektbildungen im Deutschen erarbeiten können. Für das Fachpublikum bietet sich diese Arbeit als neue Referenzschrift bei der Erforschung dieser doch sehr merkwürdigen Doppelformen an.

Literatur

Bybee, Joan L. & Revere Dale Perkins & William Pagliuca. 1994. The Evolution of Grammar. Tense, Aspect, and Modality in the Languages of the World. Chicago: University of Chicago Press.Search in Google Scholar

Hewson, John. 2012. Tense. In: Robert I. Binnick (Hg.). The Oxford Handbook of Tense and Aspect. Oxford, New York: Oxford University Press. 507.535.Search in Google Scholar

Litvinov, Viktor P. & Vladimir I. Radčenko. 1998. Doppelte Perfektbildungen in der deutschen Literatursprache (Studien zur deutschen Grammatik 55). Tübingen: Stauffenburg.Search in Google Scholar

Maiwald, Cordula. 2002. Das temporale System des Mittelbairischen. Synchrone Variation und diachroner Wandel (Schriften zum Bayerischen Sprachatlas 6). Heidelberg: Universitätsverlag Winter.Search in Google Scholar

Rödel, Michael. 2007. Doppelte Perfektbildungen und die Organisation von Tempus im Deutschen (Studien zur deutschen Grammatik 74). Tübingen: Stauffenburg.Search in Google Scholar

Şandor, Mihaela. 2002. Funktion und Gebrauch der doppelten Perfektformen in den Banater deutschen Mundarten. In: Transcarpathica 1, 253–273.Search in Google Scholar

Topalović, Elvira. 2010. Perfekt II und Plusquamperfekt II: Zur historischen Kontinuität doppelter Perfektbildungen im Deutschen. In: Claudine Moulin, Fausto Ravida & Nikolaus Ruge (Hg.). Sprache in der Stadt. Akten der 25. Tagung des Internationalen Arbeitskreises Historische Stadtsprachenforschung. Luxemburg, 11.–13. Oktober 2007 (Germanistische Bibliothek 36). Heidelberg: Universitätsverlag Winter. 165–199.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2016-1-14
Erschienen im Druck: 2015-12-1

© 2015, Hanna Fischer, published by de Gruyter

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Downloaded on 5.6.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zrs-2015-0014/html
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