Skip to content
BY-NC-ND 3.0 license Open Access Published by De Gruyter November 30, 2016

Jyhcherng Jang. 2015. Adpositional kodierte Raumrelationen im Chinesischen und Deutschen (Linguistik – Impulse & Tendenzen 60). Berlin, Boston: De Gruyter. 274 S.

  • Mingming Zhang EMAIL logo

Rezensierte Publikation:

Jyhcherng Jang. 2015. Adpositional kodierte Raumrelationen im Chinesischen und Deutschen (Linguistik – Impulse & Tendenzen 60). Berlin, Boston: De Gruyter. 274 S.


Jyhcherng Jangs sprachvergleichende Arbeit behandelt die Frage, wie zwei untergeordnete Begriffe von semantischer Lokalisation, „Lokalrolle“ und „Region“, jeweils durch Adpositionen versprachlicht werden. Adpositionen umfassen Jang zufolge im Chinesischen Präpositionen und Postpositionen, im Deutschen jedoch nur Präpositionen. Die Fragestellungen sind klar formuliert: Wie werden die zwei als Raumrelationen bezeichneten Begriffe adpositional in beiden Sprachen zum Ausdruck gebracht, in welchem Verhältnis stehen sie zueinander und wie lassen sie sich systematisieren? Jang ist davon überzeugt, dass das herausgearbeitete System sowohl spezifische Realisierungsweisen der Einzelsprache als auch übereinzelsprachliche Prinzipien darstellen kann. Daher wird anhand vieler authentischer Beispiele zunächst die komplexe Hierarchie (Talmy 1983, 2000) gegenüber der eindimensionalen Hierarchie (Jackendoff 1983, 1990) als richtig bestätigt, d. h., dass sich die „Ort-Rolle“ und die „Weg-Rolle“ als zwei Untertypen der „Lokalrolle“ definieren lassen und der „Ort“ keine Konstituente des „Weges“ ist. Weiterhin werden durch ausführliche Analysen sprachvergleichende Folgerungen gezogen. Zur Kodierung der Raumrelationen im Chinesischen werden sowohl Präpositionen als auch Postpositionen gebraucht, die separat „Lokalrolle“ und „Region“ zuweisen, während im Deutschen die „Region“ durch die Präpositionen kodiert wird und zur Realisierung der „Lokalrolle“ andere Sprachmittel wie Kasussystem und Lokaladverbien usw. herangezogen werden.

Zum Aufbau der Studie: Jangs Buch gliedert sich in acht Kapitel. In der Einleitung wird ein Überblick über die Methode und den Untersuchungsbereich sowie den Aufbau des Buchs gegeben. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem konzeptuellen Rahmen. Mit zwei theoretischen Annahmen werden die adpositional kodierten Raumrelationen „Ort“und „Weg“ differenziert. Auf die Annahme von Jackendoff, dass es eine eindimensionale Hierarchie gebe, bei der ein Derivationsverhältnis zwischen den zwei Untertypen der Lokalrolle bestehe und dadurch eine eindimensionale Struktur „[Weg [Ort]]“ gebildet werden könne, hat Jang aber verzichtet. Anhand von sprachlichen Gegebenheiten – insbesondere im Chinesischen – wird die komplexe Hierarchie von Talmy bestätigt, die besagt, dass „Ort“und „Weg“ als Varianten zueinander auf derselben Ebene stehen und strukturiert als „[{Ort, Weg} [Gestaltung]]“ zu notieren sind. Um solche „Lokalrollen“ zu spezifizieren, wird vom Verfasser der Terminus „Region“ eingeführt. Die „Regionen“ können weiter zwischen „topologisch“ und „projektiv“ unterschieden werden. Anders als die „Lokalrolle“, die eine unmittelbare Konstituente einer sprachlichen Lokalisation ist, bezeichnet die „Region“ bezüglich des „Grounds“[1] in einer Raumkonstellation einen Teil der Lokalrolle. Somit bilden sie zusammen das folgende Schema (S. 46): [Lokalisation [Lokalrolle [Region]]]. Die Frage, wie sie von den Adpositionen beider Sprachen kodiert werden und ob die deutschen Wechselpräpositionen mit dem Dativ die „Ort-Rolle“ und mit dem Akkusativ dagegen die „Weg-Rolle“ zuweisen, wird schließlich am Ende des Kapitels gestellt.

Kapitel 3 setzt sich mit chinesischen Adpositionen als Wortart sowohl unter funktionaler und syntaktischer Perspektive als auch aus der diachronen Sicht der Grammatikalisierung auseinander. Durch morphosyntaktische und distributionelle Tests können Jang zufolge die chinesischen Präpositionen als eine selbstständige Wortart von Verben sowie Koverben unterschieden werden. Anders als bei den Präpositionen im Chinesischen ist es immer noch umstritten, ob die chinesischen Lokalpartikeln als eigenständige Wortklasse kategorisiert werden können. Trotzdem schließt Jang sich dem Ansatz an, dass diese Lokalsimplizia im Chinesischen doch als eine selbstständige Wortart definiert werden können.

Auf Basis dieser Wortartklassifikationen geht Kapitel 4 von dem Standpunkt aus, dass die adpositional versprachlichte Lokalisation hauptsächlich auf „Lokalrolle“ und „Region“ basiert und diese wiederum zueinander eine Teil-Ganzes-Relation bilden. Durch Analysen von chinesischen Beispielsätzen wird behauptet, dass die chinesischen Präpositionen als Träger der „Lokalrollen“ wie „Ort“, „Quelle“ und „Ziel“ dienen, während die Postpositionen im Chinesischen die „Regionen“ wie „auf“, „unten“, „vorn“, „innen“ usw. zuweisen. In ausführlicher Weise erstellt der Verfasser eine Tabelle (S. 100) mit sechs Präpositionen und zehn Postpositionen. Formal wird die Beziehung zwischen den zwei Begriffen als „[Präpositionalphrase [Postpositionalphrase [NP]]]“ angesehen, während sie entsprechend durch eine semantische Struktur „[Lokalrolle [Region [Ground]]]“ abgebildet wird. Zur Versprachlichung der „Ort-Rolle“wird im Chinesischen die Präposition „zài“ gebraucht, während die „Regionen“ nicht zwingend durch Postpositionen spezifiziert werden müssen, sondern auch durch ein Nominalglied mit höherem Grad an inhärenter Lokalität realisiert werden können (S. 133). Zur Kodierung der „Ziel-Rolle“ stehen drei chinesische Präpositionen, „wǎng“, „xiàng“, „cháo“ zur Verfügung. Diese drei Präpositionen sind Jang zufolge nicht totale Synonyme, sondern weisen verschiedene Grade der Kombinierbarkeit mit Postpositionen auf (S. 116). Die Präposition „cóng“ kodiert üblicherweise die „Quelle-Rolle“. Wenn sie jedoch in Kombination mit Verbalpartikeln am Satzende steht, die das sprachliche Element „guò“ enthalten, weist sie eine „perlative Route-Rolle“ auf (S. 123), während die „prolative Route“ durch „yán (zhe)“ kodiert wird, wobei das Bezugsobjekt „Ground“ von länglicher Gestalt ist (S. 126).

Zur Systematisierung adpositional kodierter Raumrelationen im Deutschen führt der Verfasser in Kapitel 5 aus, warum die neun Wechselpräpositionen im Deutschen als „Regionspräpositionen“ angesehen werden sollen. Die „Direktionalitäten“ bzw. „Weg-Rollen“ werden Jang zufolge nicht nur durch die Rektion des Akkusativs bestimmt. Auch der Dativ weist in bestimmten Fällen wie in folgenden Sätzen eine Weg-Semantik auf:

„Er rennt unter der Brücke hindurch. (ROUTE)

Er rennt hinter dem Baum hervor. (QUELLE)“ (S. 144)

Nach Jangs Untersuchung wird die „Ort-Rolle“ im Deutschen vor allem durch Wechselpräpositionen mit der Dativrektion realisiert, wohingegen die Wechselpräpositionen zur Kodierung der „Ziel-Rolle“ ein im Akkusativ stehendes nominales Komplement fordern. Allerdings werden die „Route-Rolle“ und die „Quelle-Rolle“ bei den Wechselpräpositionen hauptsächlich mit Dativ gekennzeichnet, während bei „über“ ausnahmsweise auch der Akkusativ zur Kodierung der „Route-Rolle“ auftritt (S. 156). Zugleich werden dabei für die „Lokalrollen“ noch Lokaladverbien und Verbpartikeln mit räumlicher Semantik wie „hindurch“, „hervor“ und „vorbei“ benötigt. Analog zu chinesischen Präpositionen dienen solche als Sekundärprädikate fungierenden Adverbien bzw. Verbpartikeln auch als Rollenzuweiser, während die Regionszuweiser durch Postpositionen im Chinesischen und im Deutschen durch Wechselpräpositionen gekennzeichnet werden. Neben den neun von Wechselpräpositionen charakterisierten Typen wird die Kategorie der „Region“ noch durch „Nähe“, „Außen“ und „Unspezifisch“ erweitert. Zur sprachlichen Realisierung der „Lokalrolle“ gliedern sich die Präpositionen in zwei Gruppen. Zu einer Gruppe gehören nur Präpositionen wie „aus“, „bis“, „zu“, „durch“, die jeweils „Quelle-Rolle“, „Ziel-Rolle“ und „Route-Rolle“ kodieren, während in der zweiten Gruppe noch zusätzliche lexikalische Elemente zur Kodierung der „Weg-Rolle“ gefordert werden (S. 186). Somit entstehen im Deutschen insgesamt drei Kodierungskategorien für die adpositional kodierten Raumrelationen, nämlich alternierende (Wechselpräpositionen mit Kasusrektionen), analytische (Regionspräpositionen mit direktionalen Sekundärprädikaten) und fusionierende (die Lokalrolle und die Region werden in ein Wort „verpackt“, wie von, zu usw.) Strategien.

Im Kapitel 6 geht Jang von dem mereologischen Ansatz Zwarts (2008) aus, um die adpositional kodierten „Lokalrollen“ im Deutschen und Chinesischen zu strukturieren. Aus der Perspektivierungsfunktion lassen sich solche Lokalrollen in sechs Typen („Terminativ“, „Ablativ“, „Perlativ“, „Geometrisch“, „Komparativ“ und „Konstant“) klassifizieren. Nach entsprechenden mereologischen Merkmalen [+/- kumulativ] und [+/- reversibel] wird dann dargestellt, dass die „Lokalrollen“, die ein kumulatives Merkmal aufweisen, als atelisch bestimmt werden, während die nicht-kumulativen „Lokalrollen“ dann telisch sind. Anders als im Deutschen treten im Chinesischen für die „geometrische Route“ und das „terminative Ziel“ keine präpositionalen Sprachmittel auf.

Kapitel 7 behandelt das Komplexitätsverhältnis der adpositional kodierten „Regionen“. Der topologische Typ „In-“, „An-“ und „Bei-Region“ ist aus einer distributionellen und phonomorphologischen Perspektive weniger komplex als die projektiven Relationen wie „Vorn-“ und „Unten-Region“. Überprüft wird es anhand des Kriteriums, ob sie durch eine Distanzangabe modifiziert werden können. Anhand eben dieser syntaktischen Methode werden die im Chinesischen als Regionszuweiser dienenden Postpositionen in topologische und projektive unterschieden. Außerdem lassen sich die projektiven Postpositionen durch Anhängen des Suffixes „-fāng“im Chinesischen noch präziser in eine primäre und sekundäre Gruppe einteilen (S. 239).

Im letzten Kapitel fasst Jang zusammen, wie „Lokalrollen“ und „Regionen“ als Raumrelationen zueinander stehen, wie sie durch Adpositionen jeweils im Chinesischen und im Deutschen versprachlicht werden und wie eine Klassifikation dieser adpositional kodierten Raumrelationen aus mereologischer Sicht erreicht werden kann. Zum Schluss weist Jang darauf hin, dass noch einige Aspekte, zum Beispiel Nullmarkierung von „Lokalrolle“ und „Region“, einer ausführlicheren Untersuchung bedürften (S. 250).

Insgesamt lässt sich deutlich erkennen, dass Jang saubere und umfangreiche Analysen durchgeführt hat. Jedoch weist seine Arbeit die drei folgenden Defizite auf:

1. Die im Kapitel 3 gegebenen Simplexformen der chinesischen Localizer zeigen im Vergleich zum gegenwärtigen Forschungsstand eine starke Restriktion. Auf der Basis des Modells von Peyraube (2003) hat Jang in einer Tabelle 10 Simplexformen aufgelistet (S. 72). Jedoch nehmen in der aktuellen Forschung chinesische Sprachwissenschaftler mindestens 14 Lokalpartikeln simpler Form, üblicherweise sogar 16 an (vgl. Huang & Liao 2002, S. 12). Warum die restlichen Simplizia wie zuŏ, yòu, dōng, nán, xī, běi[2] nicht zu den hier untersuchten Objekten zählen, hat Jang nicht erläutert. Darüber hinaus hat er auch nicht alle chinesischen Präpositionen angegeben. Es fehlen noch weitere Elemente wie zì, yóu, dǎ[3], die nach Jang die „Quelle-Rolle“ kodieren können sollten.

2. Jangs Auseinandersetzung mit chinesischen Postpositionen als Wortart ist aus semantischer und syntaktischer Perspektive gelungen. Allerdings hat er nicht genug darauf hingewiesen, dass das Problem nicht nur darin liegt, ob sie sich von Relationalnomina bzw. von allgemeinen Nomina unterscheiden lassen, sondern auch darin, ob solche Elemente zu gebundenen Morphemen gehören sollen oder eher als Wort bezeichnet werden können. Mit der Frage beschäftigen sich sowohl theoretische als auch empirische Forschungen (Wang 2001). Der Ansatz, dass simplexe Lokalpartikeln als Postpositionen definiert werden sollen, findet seine Grenze, wenn die Kategorie nur mit beschränkten Elementen in das ganze System der chinesischen Grammatik gebracht wird, ohne auf die Komplexität des betreffenden Phänomenbereichs im Chinesischen zu achten. So lässt sich am Beispiel der Simplexform biān[4]zeigen, die Jang als Postposition betrachtet, dass sie durch die de-Analyse als nominal definiert werden kann (vgl. S. 76). Allerdings hat er dazu weder Analysen vorgelegt noch Erläuterungen gegeben.

3. Die folgende Behauptung ist nicht plausibel:

„Bei der Recherche bezüglich der Kombinierbarkeit der Ziel-Präposition cháo mit den Postpositionen hòu ‚hinter’ und páng ‚neben’ im CCl-Korpus konnten keine Belege gefunden werden [...]“ (S. 116)

Im CCL-Korpus gibt es Belege für Kombinationen wie cháo-shēn-hòu, cháo-mén-hòu oder cháo-shēn-páng, cháo-lù-páng usw. Wenn es solche Kombinationen tatsächlich gibt, dann ist Jangs Annahme, dass cháo bzw. die cháo-Phrasekombinatorisch bezüglich der Postposition beschränkter als die zwei anderen Ziel-Präpositionen wăng und xiàng sei (S. 116), auch ziemlich fraglich.

Auf der anderen Seite hat Jang im Rahmen seiner Arbeit gut beschrieben, wie sich die Raumrelationskomplexe adpositional in beiden Sprachen herausgebildet haben, und auch gegen manche übliche Kategorisierungsperspektiven wie z. B. gegen die traditionelle grammatische Zuordnung „Dativ-ORT“ vs. „Akkusativ-WEG“ plausibel argumentiert. Insgesamt lassen sich aus der Arbeit viele inspirierende Folgerungen ziehen.

Literatur

Huang, Borong & Xudong Liao. 2002. Xiandai hanyu (Modernes Chinesisch). Band II. Beijing: Higher Education Press.Search in Google Scholar

Jackendoff, Ray. 1983. Semantic and congnition. Cambridge Mass: MIT Press. Search in Google Scholar

Jackendoff, Ray. 1990. Semantic structures. Cambridge Mass: MIT Press.Search in Google Scholar

Liu, Feng-hsi. 1998. A clitic analysis of locative particles. In: Journal of Chinese Linguistics 26 (1), 48–70.Search in Google Scholar

Peyraube, Alain. 2003. On the history of place of words and localizers in Chinese. A cognitive approach. In: Yen-hui A. Li & Andrew Simpson (Hg.). Functional Structure(s), Form and Interpretation: Perspevtives from East Asian languages. London, New York: Routledge Curzon, 180–198.Search in Google Scholar

Sun, Chao-Feng. 2008. Two Conditions and Grammaticalization of the Chinese Locative. In: Dan Xu (Hg.). Space in languages of China. New York: Springer, 199–227.10.1007/978-1-4020-8321-1_9Search in Google Scholar

Talmy, Leonard. 1983. How language structures space. In: Herbert L. Pick & Linda P. Acredolo (Hg.). Spatial orientation: Theory, research and application. New York: Plenum Press, 225–282.10.1007/978-1-4615-9325-6_11Search in Google Scholar

Talmy, Leonard. 2000. Toward a Cognitive Semantics. Volume 2: Typology and Process in Concept Structuring. Cambridge, MA: The MIT Press. 10.7551/mitpress/6848.001.0001Search in Google Scholar

Wang, Li. 2001. Hanyu fangweici shenfen de queren yu N+L jiegou de shouci celue. In: beijing daxue xuebao[Journal of Peking University]. 2001-S1, 151–154.Search in Google Scholar

Zwarts, Joost. 2008. Aspects of typology of direction, In: Susan D. Rothstein (Hg.). Theoretical and crosslinguistic approachs to the semantics of aspect. Amsterdam: John Benjamins, 79–105.10.1075/la.110.05zwaSearch in Google Scholar

Online erschienen: 2016-11-30
Erschienen im Druck: 2016-12-1

© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 3.0 License.

Downloaded on 24.3.2023 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zrs-2016-0039/html
Scroll Up Arrow